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8432 ES wäre nun noch die sechste Frage zu beantworten: Ist nach Ausführung der Heine'schen Pläne eine Ueberschwemmung durch Gtauwasfer, wodurch der Wasserstand des Pleißen - Mühlgrabens gehoben würde, der oberhalb gelegenen Orte und der schon angebauten niedrigen Stadttheile wahrscheinlich, und welche Garantien werden geboten, etwaige Schä den zu ersetzen? Nachdem die Plagwiher Wiesen von Seiten des Hrn. vr. Heine eingedämmt sind und der Hochfiuth dadurch ein Raum von circa 600 Ellen entzogen ist, soll nach den Heine'schen Plänen daS Fluß- tbal noch 15—1600 Ellen verschmälert werden, in welchem Fall künftig die Hochfluth nur einen Raum von ca. 56 Ellen Fluß bett und auf jeder Seite ca. 50—60 Ellen eingedämmten Wiesen grund haben würde. Wenn nun daS außerhalb der Dämme liegende Areal 4 Ellen hoch aufgefüllt ist und sich jener Raum, der dem Hochwasser gelassen, al- zu enge erweist, was erfolgt dann? Die niedrig gelegenen Orte resp. OrtStheile der Dörfer ober halb Leipzig, so wie namentlich die niedrig gelegenen Theile von Leipzig selbst, würden dann durch Stauwasser überschwemmt. Wäre diese Ueberschwemmung wahrscheinlich? Schon bei der jetzigen Thalbreite und noch ehe Herr vr. Heine die Plagwitzer Wiesen eingedämmt hatte, hat daS Wasser in der Stube deS Gärtners Leine in Plagwih gestanden. Bei der Ueberschwemmung im Sommer 1858 stand dasselbe so hoch, daß nicht viel fehlte, eS wäre in Herrn Kramermeister Lücke'S Garten eingedrungen. Daß bei dieser Ueberschwemmung der Heine'sche Damm in Plagwitz durchbrochen ist und daß, wenn dies nicht geschehen wäre, der Wasserstand bei der Stadt noch größer gewesen wäre, ist eine bekannte Sache. Man lese ferner die Hülferufe in dm Tageblättern vom Anfang August 1858 und wird finden, daß das HülfS - Comlte in Penig eS ausspricht, daß die dortige Ueber schwemmung einen 2 Ellen höheren Wasserstand hatte, als früher je der Fall gewesen. Kann das, was in Penig und dem ganzen Muldenthal ge schehen ist, in Leipzig nicht auch Vorkommen? Wir sind jetzt nicht sicher, daß wir unter Umständen in den niedrigen Stadttheilen Wasser in die Häuser bekommen und soll ten eS zulassen, daß daS Thal bis auf ca. 170 Ellen eingeengt wird? Was würde man sagen, wenn sämmtliche Häuser in der westlichen Vorstadt und in den sonstigen niedrigen Stadttheilen unter Wasser ständen? Wer würde die ungeheuren Verluste ent schädigen ? Ich glaube kaum, daß Entschädigungen verlangt werden könntm. ES würde heißen, eS ist ja Alles klar auseinander gelegt, warum hat man nicht dagegen gesprochen und die Sache genehmigt? Würde der Gesundheitszustand in der Stadt durch Ueber- schwemmungen verbessert oder verschlechtert? — Hat nicht die Pleiße und Elster das Wasser von einer ungefähr doppelt so großen Quadratmeilenzahl aufzunehmen, als die Awickauer Mulde, und doch sollte ein Raum von ca. 170 Ellen für die großen Hochfluthen beider Flüsse genügen? Ist es nicht besser, man hat eine überflüssige Thalbreite, als ein zu schmales Thal? Die sämmtlichen ausschließlich für die Hochfluthen bestimmten (excl. Mühlgraben brücken) Wasserdurchlässe deS Lindenauer Dammes haben einen freien Durchlaßraum von ca. 1000 LH Ellen. Jeder Leipziger, der sich dafür interessirt hat, weiß, daß diese Durchlässe bei großen Fluthen kaum genügen, daß daS Wasser noch höher steht, als die Durchlässe Höhe haben und daß das Wasser von dem Punct, wo selbiges daS Elftermühlbett über- fluthet, mit bedeutendem Fall und Druck herunter- stülrzt. Da das projectirte Wehr, welches sämmtlicheS Fluthwasser, dessen der Luppen- und Elstermühlgraben nicht bedürfen, abwerfen soll, 64 Ellen lichten Raum und 3 Ellen hohe Schützenzüge be kommen soll, so ergiebt die- einen offenen Raum von 192 111 Ellen. Rechnet man auf die volle Breite incl. des ein ge dämmten Wiesenrandes von ca. 170 Ellen, außerdem noch einen 2 Ellen hohen Wasserabfluß, also 340 lü Ellen freien Abflußraum hinzu, so ergiebt dies einen Gesammtabflußraum von ca. 532 m Ellen. Wenn dieser Raum genügen sollte, eben so viel Wasser durch zu lassen als die jetzigen Durchzüge mit zusammen ca. 1000 HZ Ellen freien Raum, so müßte das Wasser eine nahezu doppelt so schnelle Strömung haben. Da aber das neue Pleißen- und Elsterbett oberhalb deS Wehre- kaum auf 100 Ellen 2" Fall bekommen soll, so möchte dies doch wohl zu bezweifeln sein, da, wie schon erwähnt, beim Lindenauer Damm daS Wasser, nachdem e- die Uferränder deS ElstermühlgrabenS überstiegen hat, mit starkem Fall berunterstürzt. Sollte ,S sich Herausstellen, daß da- Wasser nicht schneller, oder gar nicht einmal so schnell abfließt als zeither, mithin ober, halb Stauwasser entstände, so hätte man eine Verschlechterung statt eine Verbesserung erzielt. Da die Hochfluth oberhalb des ElstermühlarabenS (von de« Punct, wo die Luppe abgeht, bis zum steinernen Wehr) seitber einen Raum von ca. 1800 Ellen eingenommen und die Ufer desselben V» —1 Elle hoch überschritten hat, also große Wasser, Massen wegen der großenBreite raschen Abfluß haben, so hat die Stauung, sobald die Uferdämme einmal überschritten sind, eine gewisse Grenze, innerhalb welcher da- Hochwasser der Stadt selbst noch nicht zum Schaden gereicht. Wenn man nur die kleinen Hochfluthen, nicht aber auch die großen beseitigte, im Geqentheil durch die Neuerungen insofern eine Verschlechterung einträte, als nun zwar nicht mehr die Wiesen, wohl aber die niedrig gelegenen Stadttheile über schwemmt würden, so wäre man, wie man sagt, aus dem Regen in die Traufe gekommen. Ist eS, wenn man dies befürchten muß, nicht besser, man macht einen einfachen Durchstich, benutzt die alten Wehre auch ferner, spart die großen Summen zu an deren Zwecken und verwendet die bei Ausführung deS kleinen ProjectS gewonnenen Mittel ebenfalls zum Nutzen und Wohl der Stadt? Kleine, vielleicht auch mittlere Ueberschwemmungen lassen sich durch!die einfachen vorgeschlagenen Correttionen ver meiden; große Hochfluthen werden wahrscheinlich wie aus einander gesetzt nach Ausführung der Heine'schen Pläne mehr Schaden anricht en als jetzt. Man bedenke noch, daß die Hochfluth 1858 ca. 6 — 7 volle Tage anhielt, ohne auch nur merklich zu fallen, daß mithin, wenn sich daS Wasser einmal aufstaut, die Höhe und der Schaden gar nicht zu berechnen sind. Der Hauptirrthum bei Aufstellung der Heine'schen Pläne im Interesse der Stadt, welcher aber am leichtesten zu erkennen, ist der, daß man Bauplätze mit Aufwendung von ca. 1 MillionThlr. schaffen will, welchemanohne diese Aufwendung in besserer Qualität Kat, weßhalb es jedenfalls besser ist, man behält das Geld. Zum Schluß fordere ich Alle, welche eine andere Ansicht vertheidigen zu können glauben, hiermit auf, ebenso wie ich offen mit Namens- unterschrift hervor zu treten, da die Sache wichtig ge nug ist, daß die- sich der Mühe lohnt. Man schimpfe und verdächtige aber nicht, sondern bringe That- sachen und schlagende Gründe zur Widerlegung meiner Ansichten. Friedrich Voigt. Stadttheater. DaS Winter-Abonnement des Stadttheaters ward am 21. Okto ber in sehr würdiger Weise eröffnet. Würdig war die zu dieser Vorstellung getroffene Wahl (Schiller- Trauerspiel „Kabale und Liebe") wie auch die Darstellung. Das Personal deS recitirenden Dramas fand an diesem Abend Gelegenheit, sich in besonders günstigem Lichte zu zeigen. Müssen wir auch diesmal wieder der schon bekannten und allgemein anerkannten Leistungen der Herren Stürmer (Präsident), Kühns(Wurm), Czaschke (Miller), Saalbach (Kammerdiener) und der Frau Eicke (Frau Miller) rühmend gedenken, so ward auch in den neu besetzten Rollen des Trauerspiels viel Treffliches und Anregendes, durch gehend- aber Befriedigende- gegeben. Fräulein Remosani be- thätigte sich bei der Wiedergabe der Louise Miller abermals als durchgebildete. denkende und auf daS innere Wesen ihrer Aufgaben eingehende Darstellerin. Vor Allem waren eS die großen, gestei gerten Momente der Rolle, in denen uns Fräulein Remosani'S Spiel in höherem Grade befriedigte. Auch die Leistung des Fräu lein Lemcke als Lady Milfort hatte wohlbegründeten Anspruch auf die unqetheilte Anerkennung, welche sie beim Publicum fand. Bei einer sehr nobelen Haltung im Aeußeren zeigte sich hier sorg fältige Ausarbeitung der Rolle, in der Ausführung Innerlichkeit, wahre Empfindung und so viel Entschiedenheit, daß der dem Rede vortrag deS Fräulein Lemcke eigenthümliche, oft etwa- hyper sentimentale Anflug, der namentlich bei den letzten Leistungen der Darstellerin stark hervorgetreten war, diesmal sich nur selten zeigte und somit dem Ganzen keinen Eintrag thun konnte. Ganz besonders angesprochen und im besten Sinne befriedigt hat uns Herr Hanisch als Ferdinand. Der Darsteller gab eine wohl ausgearbeitete, auch in der äußerm Repräsentation gewinnmde Leistung. Er brachte dabei den gewaltigen Fond von Poesie, der in dieser von einer jugendlichen glühenden Dichter-Phantasie ge schaffenen Gestalt liegt, um so mehr zur Geltung, als er alle Ueberschwänglichkeiten zu vermeiden wußte, zu denen die von ur wüchsiger Kraft und dem Feuer der Begeisterung überschäumrnde Diction deS noch jungen Dichterfürsten leicht verleiten kann. — Den Hofmarschall Kalb gab Herr Devrient. ES gehört diese Rolle zu den interessantesten Episoden, welche die dramatische Literatur überhaupt aufzuweisen hat, ist überdem auch in sofern eine sehr schwere Aufgabe, als die Grenzlinie zwischen dem Komi schen und dem Possenhaften hier eine sehr schmale ist. Herr D e- »rient hatte das Wesen diese- Urbilds einer Gattung von Men schen, die nur in der Luft der Höfe deS vorigen Jahrhundert- zur höchsten Blüthe gedeihen konnte, glücklich aufgefaßt; er wußte