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Raudal von Maipures. 465 nicht mehr innerhalb, sondern am äußeren südlichen und westlichen Rande des Gebirges, von Stromschnellen unterbrochen, welche in der Landessprache Randals heißen, in ihrer Vereinigung nach dem nächstgelegenen Orte be nannt werden, im Einzelnen aber noch für jede ihrer Staffeln besondere Benennungen haben. Das Flußbette des Orinoco hat hier bei diesen Stromschnellen eine Breite von 8000 Fuß, das ist schon eine Zusammenziehung auf die Hälfte der gewöhnlichen Breite und auf den hundertsten Theil des Hochwasserstandes, allein selbst diese Schnürung ist nun nicht etwa ein freier und offener Weg; kleine felsige Inseln, Klippen aller Art versperren das Bette der gestalt reihenweise, daß sehr häufig kaum eine zwanzig Fuß breite Fahr bahn übrig bleibt. Der Strom mit seiner kolossalen Wassermasse stürzt schäumend und donnernd von einer Stufe auf die andere. Das Gesammtgefälle der Raudals von Maipures beträgt nur 30 Fuß und es ist auf die Länge einer ganzen Meile vertheilt, die sich von dem Felsen Manimi, unfern des so eben genannten Dorfes, gleichzeitig übersehen läßt; dennoch ist durch das Anprallen der Wassermasse an tausend verschieden gestaltete, eckige, runde Steine die dadurch fortwährend erregte und erhaltene Gegen strömung von einem so furchtbaren, so betäubenden Getöse begleitet, daß der Donner des Niagara dagegen beinahe schwach und milde erscheint, wenigstens nicht so schneidend und schreiend ist. Der Anblick ist im Uebrigen wunderbar und vielleicht großartiger als der des Niagarafalles, weil die Umgebung, die ganze Scenerie eine pracht vollere ist. Nicht nur ist der Fall mehr als doppelt so breit, wie der des Lorenzstromes einschließlich der darin liegenden Inseln, nicht nur ist die weiße schäumende Fläche, eine Meile lang, mit einem Blicke zu übersehen, sondern man sieht auch aus dieser weißen Schneedecke unzählige eisen schwarze (durch das Wasser des Orinoco gefärbte) Fclsmassen wie Thürme, wie Ruinen von alten Schlössern und Burgen hervorstarren, und jede solche Felsinsel ist mit der überaus prachtvollen tropischen Vegetation be deckt, denn die rieselnden Wasser haben Dammerde hcrbeigeschwemmt, und immerwährende Feuchtigkeit, mit Wärme gepaart, bringen den üppigsten Pflanzenwuchs in den prachtvollsten Formen hervor; die anprallenden Wogen erzeugen einen feinen Schaum, welcher aufsteigt und sich wie eine dichte, aber nicht hohe Wolke über den ganzen Raudal lagert; unter dieser Decke sieht man zierliche, silberblättrige Mimosen, prächtige gefranzte Farrenkräuter, Droseren und Melastomen in ewigfrischem Grün prangen, und über die Nebelschicht ragen die stolzen Gipfel der Palmen in ihren prächtigsten Formen empor, darunter die schlanke Pfirsichpalme mit ihrer II. 30