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?6 Ungläubiges Zögern und Herr F. C. Philippson. Daß auch wir gegen die uns naheverwandten Nachbarvölker so bedeutend zurückstehen, hatte allerdings bisher einen wesentlichen Grund in der ungünstigeren geographischen Lage unseres Landes, das räumlich von der großen, weiten Welt ausgeschlossen und weit abgelegen war von der Verkehrsstraße der Welt, dem Meere. Diese Abgeschlossenheit war eine der Ursachen, weshalb wir uns bisher auf unsere innere Cultur-Entwicklung beschränkten, uns in trostlosen Kriegen verzehrten, in der geistlos servilen Nachahmung unserer glücklicheren Nachbarvölker versumpften und zum elenden Spielball dieser Uebermüthigen wurden: unser Land, der verwüstete Tummelplatz ihrer mordbrennenden Heere, unser edles Volk ein Spottbilv der Civilisation! Die räumliche Ab geschlossenheit war der Grund unserer geistigen und wirthschaftlichen Einseitigkeit; jetzt aber ist eine allseitige Entwicklung für uns möglich geworden. Dampfkraft und Elektrisität haben Distanzen zu einer Irrelevanz gemacht und haben fast alle räumlichen Unterschiede auf gehoben. Der geistige Horizont des Binnenländers steht hinter dem des Küstenbewohner nicht mehr zurück wie ehemals, und an kultureller Leistungsfähigkeit, an Intelligenz, Energie und Organisationstalent hat unsere Nation sich keinem andern Volke nachstehend bewiesen. Ist es uns erst gelungen, den Zeitverlust der letzten zwei bis drei Jahr hunderte völlig einzuholen, dann ist uns sicher, daß wir auch die Welt, die wir eingeholt haben, fortan überflügeln und uns unter den civilisirten Völkern der Menschheit eine tonangebende Stellung er ringen werden. Der Weg liegt klar vor uns; alle Mittel und Kräfte dazu stehen uns zu Gebote! Wer will denn jetzt noch zögern?! Herr F. C. Philippson, der Correferent des Herrn vr. Kapp, meint in seiner kürzlich veröffentlichten Schrift:*) „Wir sind und bleiben in Folge unserer geographischen Lage die Verbindungsbrücke für weite, reiche Hinterländer; zum Weltemporium können wir uns nicht erheben und unsere eigenen Colonien würden bei stärkerer Ent wicklung England als Markt für ihre Products aufsuchen müssen." — Ja wahrlich, wenn die deutsche Nation aus lauter so schwachwilligen Männern bestände, wie Herr F. C. Philippson sich hier darstellt, dann freilich würden wir nie und nimmer zu einem Weltemporium werden, dann würden wir nicht nur stets von England abhängig bleiben, Völkern" unterscheidet, daß diese unter der übermächtigen Herrschaft ihrer Natur umgebung stehen, daß sür jene aber in erster Linie ihre eigenen Culturkräfte maß gebend sind. *) Vergl. F. C. Philippson „Ueber Colonisation" (Berlin, Leonhard Simion, 1880) xag. 32.