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vr. Kapps Referat und seine polemischen Absichten. 11 In der 2. Sitzung der Volkswirthe, am Nachmittage des 22. Oktobers, formulirte Herr vr. Friedrich Kapp die Ansichten jenes Kongresses über „Kolonisation und Auswanderung" und traf damit nicht nur die eigenartige Geistesrichtung der jüngeren Ge neration überhaupt, sondern auch speciell den Schwerpunkt ihrer gegen wärtigen Bestrebungen. Selbstständige Betheiligung unserer Nationalität unter den hervorragenden Nationen der Erde ist die Culturaufgabe, welche unser kommendes Geschlecht in der Welt zu erfüllen hat. Je beschränkter unsere Mittel, je ärmer unser Volk an Capital und je ungünstiger die Naturverhältnisse unseres Vaterlandes sind, desto mehr wird unsere Nation bestrebt sein müssen, ihre Intelligenz, ihr Kapital nnd ihre Arbeitskraft nur in der produktivsten Weise zu verwerthen. Auch in Europa bietet sich uns manche Gelegenheit, unsere Cultur- kräfte nach außen hin zu bethätigen: die hierbei in Frage kommenden Länderstrecken aber stehen an wirthschaftlicher Entwicklungsfähigkeit, sowie an kultureller Bedeutung den reichen Natur- und Culturgebieten anderer Welttheile wesentlich nach; auch die Productionsfähigkeit und die Produktivität solcher überseeischen Länder pflegt bei gleicher Sicher heit die Rentabilität der Kapitalanlagen im centralen, westlichen und südlichen Europa weit zu übertreffen. Naturgemäß ist daher die jün gere Generation bestrebt, ihre wirthschaftlichen Kräfte vorzugsweise in jenen besseren und besten Ländern der Welt zu verwerthen, und in der That wird eine extensive Kulturpolitik unserer Nation im Wesent lichen stets auf überseeische Länder angewiesen sein. Solche extensive Entwicklung unseres Wirthschaftsbetriebes und unseres kulturellen Wirkungskreises ist bisher das einzige ihrer Ziele, welches die jüngere Generation positiv in's Auge gefaßt hat. Auf diesen Punkt allein konnte somit auch der volkswirtschaftliche Kongreß seine Beurtheilung dieser neu sich regenden Kräfte richten. Dies geschah in dankenswerther Allgemeinheit, nicht nur auf ein zelne bisher gemachte Vorschläge, sondern vor allem auf die zu Grunde liegenden Gedanken und Principien eingehend. Allerdings ließ schon die Fassung des Themas als „Kolonisation und Auswanderung" er kennen, daß es an einem vollen Ueberblick über den ganzen Umfang der kulturellen Basis, um die es sich für uns handelt, fehlen würde; und so war es auch in der That. Die beiden verschiedenen Jdeen- kreise haben ein Gebiet von nur beschränktem Flächenraum mit ein ander gemein. Außer diesen gemeinsamen Anschauungen, die innerhalb beider geistigen Sphären liegen, kamen nur Begriffe und Retrospecte der älteren Generation zur Erörterung, während doch der Kern und