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'H l. : s' " ch ! M' Gestern nacht — den Gasthof hatte Beethoven vor dem Zubettgehen noch einmal ruhelos verlassen —, beim Wanbern durch die schlummernde Stadt, war ihm Sonderbare» wider fahren. Plötzlich hatte es den Einsamen gedrängt, den einzigen Menschen, dem er begegnete, anzusprechen, ihn zu fragen: Sagen Sie mir, ich bin fremd, wer ist der größte Musiker Wiens? Der Ä»gegangene hatte ihn scharf angeschant und mit der Stimme Ahasvers erwidert: Der Beethoven. Er ist vor hundert Jahre» gestorben, aber er hat keinen Nachfolger ge. habt, weder hier, noch anderswo. Er ist der Homer der Harmonie. Zn weichem Jahre der christlichen Zeitrechnung leben wir? wollte Beethoven zuknnstSsiichtig fragen: aber die Ge stalt vor ihm war plötzlich zerflossen. » Den Ostermontag weiht der junge Rheinländer dem Kaiser Joseph. dem Menschenfreunde, dem höchsten Träger der europäischen Aufklärung. Er sieht in ihm den einzigen Fürsten, der ihm seit dein Tode deS großen Friedrich im ver gangenen dlngnst dieses Titels würdig erscheint. Beethoven ist von den neuen Ideen der Zeit ergriffen. Seine werdende Weltanschauung ist von Rousseanö Gesell schaftsvertrag geformt. Noch ist die Bastille nicht gestürmt, aber die Demokratie spnkt bereits in allen jugendlichen Köpfen. Ich Fürsten bewundern? fragt er sich. Und da» am zweiten Tage meiner Freiheit? Der Frondeur in ihm erwacht. Er lacht sich selber unbändig auS: Schon mein Nousscan sagt: Niemals hat eine wirkliche Demokratie existiert, und niemals wird sie existieren... Ich, der ich die Macht über die Menschen in meinem Reiche er ringen will, ich, ich maße mir das Recht an, diesem Fürsten huldigen z» dürfen. WaS gehen mich die anderen an? Um das Ende der Hostn'chzeit steht er an der Garten- galerie deS Schönbrunner Schlosses. ES heißt, der Kaiser reise in den nächsten Tagen nach der Krim, die Zarin Katharina zu besuchen. Beethoven steht, wartet, späht auS, und er, daS Sonntags kind, hat Glück. Joseph, im HauSrock ohne Orden und Abzeichen, kommt mit einen, Adjutanten auS einer der hohen Glastüren. Am liebsten wäre der Enthusiast ihm zu Füßen gestürzt. Der Monarch ist für jedermann zugänglich, auch außerhalb der bekannten Andtenzzeit. Aber was ihm sagen? Ihm Grüße überbringcn von seinem Bruder, dem Bonner Erz bischof, den, Anti-Oesterreichcr? Es wäre lächerlich. Regungslos starrt Beethoven nach dem Kaiser hin. Keine Bewegung entgeht ihm. Joseph redet lebhaft. Offenbar er teilt er Weisungen für die Zeit, da er fern sein wirb... Langsam, immerfort sprechend, wandeln die beiden Männer vorüber am erstarrten Jüngling, dessen Blick des Herrschers Gestalt umarmt. Sie prägt sich ihm unauslöschlich ein. Venn Beethoven später au Joseph zurückdenkt, steht er lebendig wie jetzt vor ihm: mittelgroß, hager, beweglich, vornehm. DaS längliche Gesicht ist durch Pockennarben ein wenig entstellt: aber wer wendet den Blick weg von den ernsten blauen, strahlenden Augen, die so wunderbar hehr und hell flackern? * Beethovens Schwermut ist neuer Unternehmungslust ge wichen. Am Nachmittage sucht er den berühmtesten der Kom ponisten Wiens aul, den alten Meister Gluck, in seinem schönen palastartigen Hanse in der Alten Wieden, einer der garten- reichen Borstadte, südöstlich der Inneren Stadt. Ein Empfehlungsbrief des Bonner Kapellmeisters Andrea Lucchesi bewirkt, daß der Zwciundsiebzigjährige den sungen Musiker empfängt, kühl freilich, mit weltmännischer Freund lichkeit. mit ihm auch einige Minuten im Salon über all gemeine Dinge plaudert, sich alsbald aber mit der Entschuldi gung zurückzieht, er habe eine Abhaltung. Wie er ihm die Hand reicht, der gebrochene Mann, der große Künstler, den die zeitgenössische Welt abgöttisch verehrt, schaut ihm Beethoven inS Auge, und er hat das Glück, einen Augenblick lang wunderliche Funken seines bis dahin leblosen Blickes aufzusangen. Sie gelten seiner eigenen Büste, die zur einen Seite der offenen Tur »ach dem Mnsikzimmer steht. Es ist daS Werk Hondons. Zufällig hat eö deS Meisters Gedanken bewegt. Ter da ist der lebendige Gluck, dessen Mumie Sie begrüßt haben! Behalten Sie den im Gedächtnisse! scherzt der Tchövser von „Orphcnö und Eurndike". Sechs Monate später deckt ihn die Erde deS MahlcinS- dorfer Friedhofs. Auf dem Heimwege fällt dem nachdenklich Tahin- schrcitenden ei», daß er im Koffer drei Exemplare seiner Drei Klavicrsoiiatcn. seines einzigen gedruckten Werkes vom Jahre 1783, liegen hat, cinö zngedacht Christvvh Gluck, eins Joseph Haydn und das dritte Amade Mozart. Dazu erinnert ihn sein Dämon an die Bision der vergangenen Nacht. Beethovens Humor schreit auf: Gibt cs größere Narrheit als die. daß einer, der rühmlos anfängt, einem, der glorreich anfhört, seinen Erstling dediziert? Andern Tags ist Beethoven auf dem Gange zu Mozart, der in der Großen Schüler-Straße Nummer 846, tm Camesinaschen Hause, wohnt. Unterwegs verliert sich der ewige Träumer in Betrachtungen und Grübeleien. Für mich, sagt er sich, ist Mozart, ich mag ihn vergleichen mit Hand» und sogar mit dem gewaltigen Gluck, der Aller größte. Aus seinen Melodien spricht eine unvergleichlich be glückende Seele, Und merkwürdig, bei ihm flutet aus tiefer Melancholie überirdische Heiterkeit, die ihm und mir alles Un- gemach verklärt. Wenn ich Gluck höre oder Handn, höre ich geniale Künstler, aber nie den einsamen, armen, hoch über der Erde so wehmütig jubilierenden seltsamen Mensche», meinen mir liebsten Freund, meinen einzigen Wahlvcrwaudten... Alsbald siebt der Angebetete vor dem Enthusiasten, der tn seinem Glück unsichtbar und stumm sein möchte. Hochmütig fragt der auffällig kleine Mann, den lichtlosen Blick teilnahmslos auf den zaghaften Besucher gerichtet: Ihr Begehr. Herr van...? Ihr werter Name ist mir entfallen. Verzeihen Sic! Ich stecke in tiefer Arbeit. Sie kommen auS Holland? Aus Bonn, hochverehrter Meister, mit Empfehlung meines Herrn Kurfürsten. Bin Hoforganist. Euer Gnaden werden sich erinnern, Sercnissimo zu Ehren ist der US Pastors komponiert. Aha, der Maximilian ist Ihr LandeSvater. An den er innere ich mich. Das ist ein Dutzend Jahre her. ES war in Salzburg. Er kam aus Paris, daS Lachen verdorbener Weiber noch im Ohr. Ein huldvoller hoher Herr. Mein Festspiel gefiel ihm — oder er tat so. Tu mein Gott, die Musik war nicht weit her. Wie Festspiele so sind. Mozart lacht, aber eS ist kein fröhliches Lachen, sondern schlecht verhehlte Bitternis. Beethoven kühn: Alles, was Mozart schreibt, ist mozartisch. Mozart: Und was führt Sic nach Wien? Sind Sie auf der Konzertreise? Wollen Sie Neues zu Gehör bringen? Bonn liegt Paris nahe. WaS gibt'S drüben für SensattonS? Tie Fragen überstürzen sich in nervöser Hast. Ist der Frager überarbeitet, in schlimmen Umständen, krank? Veethoven antwortet brav und bieder und fügt hin»«: Ich mochte tn Wien lerne», vorwärt»kom«e», am liebsten al» Ahr Schüler am Klavier. In diesem Augenblick tritt Mozart» Lebensgefährtin in» Zimmer, Fra» Konstanze geboren« Weber. St« reicht dem Besucher flüchtig die Hand. Auf den ersten vltck hat die Egoistin erkannt: Da» ist ein armer Schlucker, der un» nicht» nützen kann! Beethoven erschrickt vor ihren scharfen, habgierigen Lugen. DaS ist die Frau und Geliebte eine- gentalen Schöpfer»? fragt er sich verwirrt. Mein Mann ist Hofkompostteur. doztert sie tn gewichtigem GeschäftStone. Zurzeit beschäftigt mit einer großen Över für Bvndini in Prag. Text vvm Hospoöten Herrn Lorenzv Davvnte. Da ist des Meisters Zeit kostbar und teuer. Sie wollen Unterricht bei ihm? Sind Sic ein junger Mann von Stand und Bcrmögen? » Eine Viertelstunde nach seinem Kommen steht Beethoven wieder im enge» Borliaiisc, bestürzt, verlegen, beinghe getsteS- gbwesciid, nach Mgntel und Hut vergeblich suchend. Da bemerkt er einen etwa nenniälirlgen Jungen, der ihn neugierig be- ol'gcbtet hat und sich jetzt anschickt, dem ungelenken Fremden behilflich zu sein. Wollen Sie auch Scholar deS Herrn Mozart werden? fragt der Knabe. Wer bist Du? Hans Hummel, Sohn deS Kapellmeister» am Dheater deS Herrn Schikaneder. Beethoven mustert ihn. Bist MwartS Schüler — also glücklicher als ich! Sag' ein mal, was schreibt der Meister? Meine» Sie seine neue Oper? Die für Prag. „Don Giovanni"' — so heißt sie. Ober: „Der bestrafte Wollüstling", imnmm» giocoso. Ein süperbe» Werk. Himmel und Hölle oifiibare,, sich darin. Die Gestalten, die Handlung, der Geist des Stücke», alle» liegt dem MaSstro. Besonders der Held: Hab' ich etn Weib tm Arm, Schäumt mir der Becher, Schlürf' ich auS Erdcnharm Himmlische Lust... Der frühreife Knabe lacht verschmitzt. Drinnen in des Meisters Arbeitssuche erklingt feines, melodiöses, ein wenig prätentiöses Klavtersptel. Beethoven lauscht. DaS ist ein Rondo, erklärte der kleine Hausgenosse. Er hat cs kürzlich vollendet. Nie wieder hat Beethoven Mozart spielen hören. Im Moment vordem tief enttäuscht, — er hatte sich den be wunderten und geliebten Künstler menschlich so ganz anders vorgcstcllt — schenkt ihm diese zärtliche A-Moll-Betmtc einen vollen Blick tn Mozarts göttliche Seele, und für alle Zeit weiß er wieder, daß sie beide heimliche Brüder sind. * Beethovens Aufenthalt in Wien ist nicht von Tauer. Vom Vater gerufen, mutz er bald hcimkehrcn. Am 17. Juli stirbt seine Mutter. Ich eilte nach Bonn, so rasch ich vermochte, — schreibt er acht Woche» später einem Bekannten, — obwohl ich selber un päßlich wurde. DaS Verlangen, meine kranke Mutter noch einmal zu sehen, setzte mich über alle Hindernisse hinweg und hals mir die größten Beschwerden überwinden. Ich traf sie noch am Leben, aber in den elendesten Gesundheitöumständen. Sie hatte die Schwindsucht und starb endlich nach vielen Schmerzen und Leiden. Sie war mir eine gute, liebens würdige Mutter, meine beste Freundin. Ach, wer war glück licher als ich, da ich »och den süßen Namen Mutter aussprcchen konnte ? Er wurde gehört — und wem kan» ich ihn jetzt sagen? Den stummen, ihr ähnlichen Bildern, die mir meine Ein- bildungskraft znsammensetzt? Erst am 8. November 1782 betritt Beethoven Wien wieder, für immer. Und am 18. Dezember stirbt, fern am Rhein, der Vater, an dessen Grab der ihm abgewandte Sohn niemals pilgert. Das Opsersest -er Samarilaner. Bon Dr. Curt Treitschke. Im Herzen SamariaS, eingebettet zwischenEbal undGarizim, in Nal,ulns, dein biblischen Sichern, lebt die einzige noch vor handene Lamaritcrgemeinde. Ein auSsterbendes Volk. Vor zwei Jahren hatte die Gemeinde nur noch 157 Mitglieder. Selt sam ist das Volk der Samaritaner, seltsam wie ihr Schicksal. In später Nachtstunde kam ich zur Osterzeit 1818 mit meinem Begleiter, einem türkischen Offizier, in NabuluS, Vespasianö NcapoliS, au. Fast zwei Stunden tasteten wir unS durch die engen, winkligen Gassen, durch ein Wirrwarr von kleinen Durchgängen und Winkelgäßchen. Verdächtige Ge stalten huschten vorüber. Von jeher ist NabuluS berüchtigt wegen des fanatischen Hasses seiner Bewohner gegen Fremde. Auch die Bibel spricht vvm „tollen Pöbel zu Slchem". In den Torbogen und Nischen flüsterte eS. Da und dort blitzte ein Lichtchen ans, um gleich wieder zu verschwinden. Plötzlich fiel ein Lichtschein guer über die Straße. Gottlob, es war ein türkischer Polizist. Er begleitete uns in das Quartier. End lich um die Mitternachtsstunde konnten wir uns todmüde unter dem freien, stcrnenübersäten Himmel in einem alten arabischen Hofe an einem leise plätschernden Marmorbrunnen auSstrecken. Im südwestlichen Stadtviertel liegen die sauberen, weiß- getünchten Häuser der Samaritaner, terrassenartig am Hange des Garizim, mit dem ihre Geschichte und ihr Schicksal eng ver bunden ist. Als im achten Jahrhundert v. Ehr der Assnrer Sagon II. Samaria eroberte und fremde Kolonisten ins Land ries, vermischten sich diese mit den zurückgebliebenen alten Be wohnern. Tie damals entstandene Sekte der Samaritaner nahm zwar die Ichovareltgion an, durchsetzte sie aber mit heid nischem Wesen. Bet der Rückkehr der Juden aus dem babyloni schen Exil boten ihnen die Samaritaner ihre Hilfe beim Wiederaufbau des Tempels an. Aber die Juden lehnten jede Gemeinschaft mit den Samaritanern ab. Seitdem haßten sich beide Völker. Zu Christi Zeiten war Samariter ein Schimpf, wort für den Menschen, der „den Teufel hat". Auf dem Gari zim erbauten sich die Samaritaner ihr eigenes Heiligtum. Seit 28<tv Jahren ist ihr Tempel zerstört. Nun warten die Gama- ritaner auf einen unbestimmten Messias, der ihn wieder aus bauen soll. Noch heute opfern sie auf dem Garizim ihrem Jehova zu Ehren dreimal im Jahre sieben weiße Lämmer. Das Hauptopferfest ist zur Frühlingszeit, zu Ostern. An der Spitze der Gemeinde steht etn Hohepriester aus dem Stamme Levi. In der schmucklosen samaritanischcn Synagoge sah ich den Hohepriester Jacob, einen damals über 70 Jahre alten, noch recht stattlichen, ehrwürdigen Mann mit langem weißen Bart, in einen roten Mantel gehüllt, auf dem Kopfe den roten Turban. In der Synagoge wird bi« heilige Thora, die samaritanische Bibel, in einem kostbaren Gehäuse aufbewahrt. NlS heiliges Buch erkennen die Samaritaner nur ihren Pentateuch — die fünf Bücher MosiS — an, der vielfach vom überlieferten hebräischen Texte abweicht. Er soll über 2880 Jahre alt sein. Auf Olivenholzwalzen ist daS kostbare Pergament gerollt, der Talisman de» auSsterbendrn Volkes. Der Stamm, der sich fast 2580 Jahre rasserein erhalten hat, geht »« Ente. Gefehlt an Frauen. Da» samaritanische Gesetz ve«, bietet Len Männern, arabische Frauen zu heirate«, n«L sübjkch» Mädchen zu nehmen verhindert da» Verbot der jüdischen Rabbiner. Gtttl geht «» zum 868 Meter hohen Gart»tm hinan, vor- »et an einer hochaewölbten Grotte, tn der Falken Listen, zur IotbamSkanzel, einem Fel»vorsprung. von hier au» soll Iotham, de» Richter» Gideon Sohn, zu den Männern von Sichen» von den Bäumen gesprochen haben, die einen König wählen wollte»». Immer höher steigen «jr hinaus über Terrassen, die mit Opnntienhecken etngesriebet sind. Die Terrassen beweisen, baß der Garizim einst besiedelt und bestellt war. Immer tieser versinkt NabuluS unter un». und dt« so schmutzige Stadt wird nunmehr mit ihrem Gewoge «eißer Kuppel» und schlanker Minaretten zu einer märchenhast schönen Stadt, tnmttten grüner Gärte» und blühender Bäume. Es leuchtet tn den Kronen der Büsche und Bäume vom zarten Gelb der Orange und Zitronenblüte bi» zum brennenden Rot der Granatblüte. Grün« Lorbeer, und stlbergrau schimmernde Oelbäume mischen ihre sanften Töne dazwischen. Im Früh, ling ist da» sonst sonnenverbrannte Land mit einem u». beschreiblich schönen Blumenteppich oberzvgen. Weithin leuch, ten grobe Strecken Brachlandes scharlachrot, weih, rosa oder goldgelb. Bi» an di« Brust reichen oft die Blumen. Nur mühsam kommen wir beim weiteren Aufstieg durch da» Blumenmeer vorwärts. Nach anderthalb Stunden an. strengende» StetgenS erreichen wir die Hochfläche. Hier liegen die Trümmer einer alten Festung. Weit schauen wir über da» heilige Land. Ganz Samaria und Galiläa liegt vor un» auSgebreitet vom Mittelländischen Meer bi» zur Wüste t« Ostjordanland. Wie etpe Rtesenancmone aus grünem Grund« leuchten die weißen Häuser von Nazareth. ES schimmert I« Sonnenlicht der vom EwtgkeitSglanz umflossene Le« Genezareth, da» tiefblaue Auge de» heiligen Lande». Iw Norden ragt der schneebedeckte große Hermon t» da» Stahl blau deS Himmels hinein. Auf dem Plateau de» Garizim bauen bi« Samaritaner sllr daS Osterfest ihr Zeltlager auf. Siebe» Tage feiern sie. An» lS. Nissa schlachten sie dann daS Pessach-Opfer. Bei Einbruch der Dämmerung versammeln sich die letzten Samaritaner, ein- gehüllt in weiße Mäntel, um den Branbopferaltar, um zu opfern. Sieben einjährigen weißen Lämmer» wirb die Kehle durchgeschnttten. DaS Blut rinnt t» die Fugen de» Stein- altarS. Mit dem Blute benetzen sich die Samaritaner ihr« Stirn. Dann werden die Lämmer auf brennende Zweig« ge- warfen und mit Laub zugebeckt. Knaben rupfen die am Feuer angesengte Wolle, während die Männer einen engen Kret» um das Feuer bilden und laut beten. Immer höher lodern die Flammen auf. immer lebhafter wirb daS Gebet. Bald geht daS Gebet in Gesang über und man schlägt mit den Hände» den Takt dazu. Schließlich erklingen Tanz» und Marschlieder. Da» lodernde Feuer wirft seinen Schein auf die immer mehr in Verzückung geratenden Männer. Sind die Lämmer gerupft, so werden sie geschächtet. Sorg fältig prüfen die Schächter Lungen und Eingeweide. AIS Ehrengabe erhalten die Priester die Nieren und Lungen. Nun werden die Lämmer auf den Brandopferaltar gelegt, mit Erd« zugcdeckt und im ganzen gebraten. Nach dem Opfer tanzen dt« Samaritaner den alten Nationaltanz, die vorwa. Die Männer fassen sich mit gestreckten Armen an den Schultern, wiegen sich tn einem langen, schier endlosen Reigen und singen dazu eine einfache, schwermütige Weise. Die Priester verteilen baß Fleisch, daS nach altem Branche mit bitteren Kräutern und »n. gesäuertem Brot gegessen wird. Genau um Mitternacht ist dat Mahl beendet. Der Hohepriester spricht das Gebet. Leise be gleitet die Gemeinde das Gebet und dankt Jehova, baß er ihre Väter einst auv Aegypten geführt und sie selbst bl» heute er nährt hat. Allmählich erlischt da« Feuer am Altar. Ncber un» aber ist daS Himmelsgewölbe mit zuckenden Sternen übersät. Ge- heimniSvoll blinken sie aus und blitzen wie treue, Gute» ver heißende Augen, voll von Wundern. Dort oben kreisen mit ruhiger Sicherheit die Welten ihre Bahnen. Und ahnend schaue ich in die geheimnisvolle Welt deS Lichts. Das Oskerel -er Grohherzogin. AuS meinen Gedenkblättern. Bon Loutse Freifrau v. Netbnttz-Maltza». Ostermontag. Etn wolkenlos blauer Himmel überspannt« den Hafen von Toulon. Große und kleine Schiffe schaukelte» kaum merklich beim leisen Anschlag der Wellen. Auch die kaiserlich-russische Jacht „Standard" glitt fast unbeweglich über die klare MeereSslächc, um in der Nähe der großen Werst vor Anker zu gehen. Auf dem Deck standen zwei Damen tn weißen Kleidern mit Hellen Sonnenschirmen. ES war die Grvßhcrzogiu Anastasia von Mecklenburg-Schwerin mit mir, ihrer Hofdame. Wir sahen ganz nahe die gewaltlgen Umrisse de» grobe« russischen Kriegsschiffes, daS mit Blumengirlanden und Flaggen festlich geschmückt war. Heute sollte eS von der Groß. Herzogin getauft werden. Auf den großen Tribünen am User hatte sich bereits eine schaulustige Menge versammelt, um dem Stapellaus des Sceriesen -uzugucken. ES schien, alS ob alle», was Toulon und die umliegenden Ortschaften an Menschen be herbergte, hierhcrgecilt wäre. Kein Wunder, man hatte fett zwei Jahren den Bau mit steigendem Interesse verfolgt. ES mar nur eine kurze Strecke, die wir nach der Landung den Kai entlang zu gehen hatten. So erreichten wir bald die große angcbautc Freitreppe, welche vom Land aus daS Deck deS Schiffe» führte. Wir wurden vom Kommandanten und sämt lichen Offizieren empfangen. Nach feierlicher Vorstellung der Herren geleitete er uns die mit roten Teppichen belegten Stufen empor. Oben angckommen und zur Mitte geführt, empfingen unS die Klänge der Militärkapelle. Alle Offiziere nahmen Aufstellung, auch die Matrosen standen in Reih und Glied. Ihre gebräunten Gesichter erzählten von langen Reisen über weite Meere, in heiße, entlegene Länder. Io« Augen glänzten voll Gesundheit und Lebenskraft. Die Musik verstummte. Und nun erklang die markige Stimme deS Kapitäns. Tief bewegt sprach er über die Bedeutung eine» Kriegsschiffes, seine Bestimmung, seine Verantwortung. Dann dankte er der Grohherzogin für ihr Erscheinen un- bat sie, alS Pate die Taufe zu vollziehen. Schlank und königlich stand Anastasia MIchallowna tm leuchtenden Sonnenschein. Sie blickte dem jungen, kaum dem Knabenalter entwachsenen Offizier entgegen, der auf silbernem Tablett ihr eine geschmückte Champagnerflasche reichte. „Wie heißen Sie?" fragte sie lächelnd. „Boris Lermatvw", ant wortete er leise, indem seine Augen schwärmerisch strahlten. Ich sah das Wechseln der Farbe in seinem frischen Gesicht und das leise Zittern seiner Hände. Die Großherzogin ergriff die bandumwunbene Flasche, hob sie mit den Worten hoch empor: „Ich taufe dich aus den Namen Bajan" und ließ sie schwer an den Bug fallen. Der goldene Wein spritzte auf und ergoß sich in schäumenden Tropfen über die Bretter. In demselben Augenblick erklang die Nationalhymne. Ein im Hafen liegen des Geschwader der russischen Kriegsflotte grüßte mit dem ge waltigen Donner der Geschütze. AuS dem Munde der Osflztere und Mannschaften erschallte ein weit tönendes „Hurra!", welches vom Ufer aus tausend Kehlen zurückklang. Dann leerten wir die uns gereichten Kelche voll perlenden Lham- pagners auf da» Wohl des „Bajan". Plaudernd saßen wir noch eine Welle beisammen. Da meinte die Grohherzogin, wir wollten auf dem Schiff bleiben,