Volltext Seite (XML)
^ 172, 27. Juli 1908. Künftig erscheinende Bücher. BörsenblaU f. d. Dtschn. Buchhandil. 8067 Georg Müller In Kürze gelangt znr Ausgabe: Verlag München Ssanin Roman von Arhibaschew Deutsch von Andre Billard Geh. ca. M. 4.—, geb. ca. M. 5.— Vor Erscheinen mit 40°/° und 7/6. Wie nicht anders zu erwarten, ruft die deutsche Ausgabe dieses epochemachenden Romans des jungen Rußland noch vor Erscheinen außerordentliches Interesse wach. Noch vor Ausgabe der ersten Auflage muß die zweite Auflage in Druck gegeben werden und erscheint gleichzeitig mit der ersten in Kürze. Das Berliner Tageblatt schreibt unterm lZ. Juli: Kürzlich ist hier von den „Liebesbünden" berichtet worden, die jetzt unter der russischen Jugend, namentlich der Universitätsstädte, Mode sind. Der eigentliche Ausgangs punkt dieser allgemeinen Bewegung ist ein Roman des Petersburger Schriftstellers Arhibaschew „Ssanin". Das Buch, das den Namen seines Leiden als Titel führt, hat in Rußland eine Wirkung ausgeübt wie kaum zuvor ein Werk in einem anderen Lande; am deutlichsten zeigt es sich darin, daß die meisten der oben geschilderten Vereine die Bezeichnung „Ssaninsti" angenommen haben. Es ist ganz eigentümlich und doch wieder echt russisch, daß diese sozialen Erregungen durch ein Buch hervorgerufen wurden, welches keineswegs pornographisch ist, sondern künstlerisch-psychologisch und stilistisch auf einer Löhe steht, die vielleicht eine neue Epoche in der Literatur Rußlands einleiten wird. So sah sich auch die sonst so strenge russische Regierung nicht veranlaßt, den Roman zu konfiszieren, und die erste Auflage wurde in wenigen Wochen vergriffen. Erst als sich im Verlauf der nächsten Monate die ungeheuren, verderblichen Wirkungen des „Ssanin" zeigten, griff die Behörde auf Befehl der Zentral zensurbehörde ein; aber auch von der inzwischen erschienenen zweiten Auflage gelang es nur die allerletzten Exemplare zu beschlagnahmen. Würde eine deutsche Übersetzung vorliegen, so wäre man erstaunt, daß ein so feinsinniger und dezenter Roman derartig brutale soziale Erscheinungen im Gefolge haben konnte. Die Wirkung des Romans ins Rußland spiegelt sich in der Tatsache, daß nicht weniger als sechzig Schriften das Werk zum Gegen stände besonderer ästhetischer, psychologischer und soziologischer Betrachtungen gemacht haben, abgesehen von der unübersehbaren Fülle von Aufsätzen in der periodischen Presse.