Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Teil. 214, 14. September 1SVV. 8728 BoUcilblatt s. d. Dtschn. Buchhandcl ü- Nachdem er sich 1796 in Gotha umgesehen hatte, das ihm! wegen des dort herrschenden geistigen Lebens zur Niederlassung sehr geeignet erschien, entschied er sich, wahrscheinlich der Nähe Weimars wegen, für Jena und siedelte im Frühjahr 1798 mit seinem Verlag dorthin über. Es ist weniger die Bedeutung Frommanns als Verlagsbuch händler, die seinen Namen unvergeßlich gemacht hat, als die Beziehungen, die er zu den bedeutenden Persönlichkeiten in Jena und vornehmlich zu Goethe hatte. Sein Haus wurde zum Sammel punkt der Jenaer Gesellschaft, Von 1800 bis 1830 bewohnte die Familie das oft geschilderte, durch Abbildungen verewigte Haus am Fürstengraben, dem Botanischen Garten benachbart, das für 24 Louisdor jährlich gemietet war. Das Gewese lag, wie ein kleines Gutsgebäude, hatte zwei Flügel und einen Mittelbau und war von der Straße durch einen Hof und eine Mauer getrennt. Im Erdgeschoß waren alle Räume zu wirtschaftlichen Zwecken und Niederlagen für Bücher und Papier benutzt, die Zimmer waren mit Ausnahme eines einzigen, der sogenannten »blauen Stube«, niedrig. In dem Flügel, der unmittelbar an die Straße stieß, war das zweifenstrige Kontor, Hier war das Arbeitsfeld Frommanns, und von hier aus sah er — wie er oft sagte, mit Neid — die Wagen der Bürgler Töpfer mit ihrer zerbrechlichen Ware vorbei fahren, weil es diesen nie an Absatz fehlen könne. Im Zimmer der Mutter oder im blauen Zimmer, wenn vornehmer Besuch, etwa Goethe kam, stand der große runde Tisch, wo jeden Abend von fünf bis acht Uhr die wirtschaftlich tüchtige Frau Frommann ihre Gäste zum Tee, Butterbrot und Zwieback empfing. Das Fremdenzimmer mit seiner Schlafkammer in der »rustiken Scheune«, wie Zelter sich ausdrückte, blieb selten leer. Über die Zeiteinteilung im Hause berichtet uns der jüngere Frommann*): »Die Tages ordnung in diesem Hause war: früh sieben Uhr Kaffee (mit man chen Surrogaten während der Kontinentalsperre), worauf alles an seine Arbeit ging. Üm zehn Uhr kam der Vater aus dem Kontor zum zweiten Frühstück, das aus Butterbrot und so lange als mög lich aus Obst bestand. Dann arbeitete er bis ein Uhr, die Mutter gab uns Unterricht, um zwölf Uhr meist Zeichnenstunde mit Zu ziehung der Wesselhöftschen Söhne, Als ihre Kinder und Neffen dem Unterrichte längst entwachsen waren, setzte sie ihn gelegent lich mit anderen Kindern fort, Punkt ein Uhr wurde gegessen. Um drei Uhr ging der Vater wieder aufs Kontor, Um fünf Uhr war Teestuude. Wie es meine Mutter möglich machte, uns im Lesen, Schreiben, Rechnen, Zeichnen, später in den Anfängen des Französischen und Englischen zu unterrichten, für sich und die Familie fast alle Wäsche, die weiblichen Kleidungsstücke und Hauben zu nähen, die Küche und alle anderen häuslichen Geschäfte anzuordnen und zu überwachen, in denen allen sie Meisterin war, das ergibt sich am besten aus ihrer Zuschrift an eine junge Frau (dem Werke von Frommann beigefügt). Zur Teestunde um fünf Uhr war sie mit allem fix und fertig, was sie sich nicht zur Arbeit für den Abend aufgehoben hatte, die Teemaschine kochte, Butter brot und Zwieback standen aus dem Tische — nun mochte kommen, wer wollte. Kam niemand, so las oft mein Vater vor, denn er las gern und gut; hatte Gries eiu neues Stück von Calderon über setzt, wurden die Tanten dazu geladen, vielleicht sonst noch dieser oder jener, und nachher zusammen gegessen. Fanden sich un verheiratete Hausfreunde zum Tee ein oder hatten sich Frauen melden lassen, so blieb's bei der Unterhaltung, die oft lebhaft ge nug war, denn die sog, schöne und die wissenschaftliche Literatur beschäftigten meinen Vater, der ihren Gang mit Interesse und Verständnis verfolgte, und auch die meisten andern lebhaft, meine Mutter aber wußte ohne die Gaben und das Verlangen, die Unterhaltung zu beherrschen, durch die Art, wie sie frug und zuhörte, die Männer zum Sprechen zu reizen, verstand es auch, *> F> I. Frommann, Das Frommannsche Haus und seine Freunde 2,, verm, Auslage. Jena 1872, S, 48, wenn etwa ein Streit zu lebhaft werden wollte, der Sache eine andere Wendung zu geben. Streng gegen sich selbst, war sie mild und nachsichtig gegen andere; in ihrer Selbstlosigkeit lag das Geheimniß ihrer Macht über ihre Umgebung, Üm sieben Uhr kamen meist die Männer nach, ihre Frauen abzuholen; um acht Uhr war in der Regel alles vorbei, und die Familie setzte sich zu Tische, Nach Tisch las der Vater der Mutter allein vor.« In diesem gastlichen Hause sind alle die ein- und ausgegangen, welche Jena und Weimar berühmt gemacht haben: Riemer, F. A, Wolf, Zelter, Zacharias Werner, Knebel, Griesbach, die beiden Hufeland, Starck, Lader; aber auch Fichte und Schelling und die Romantiker Schlegel, Deck, Steffens, Ritter, Gries; dann Johanna und Adele Schopenhauer und vor allem Goethe, Das gesellige Leben Jenas war bei allem geistigen Glanze nichts weniger als luxuriös, aber heiter und ungezwungen, frei lich auch nicht ohne die unvermeidlichen Antipathien und Riva litäten. Abends wurde viel musiziert, und da auch Frau Frommann eine gute, geschulte Stimme hatte, wurde auch in ihrem Hause viele und gute Musik gemacht, und Tonkünstler, welche Weimar und Jena besuchten, pflegten fast immer dort im Hause Einkehr zu halten. Bevorzugt wurden Duette und Arien aus der Zauber flöte und die Reichardtschen Kompositionen Goethescher Lieder und Balladen, Zu manchen Freunden, die das gastliche Haus aussuchten, trat Fromann auch in geschäftliche Beziehungen, »da beides«, wie der Sohn hervorhebt, »bei ihm Hand in Hand zu gehen und nach keiner Seite eine Störung hervorzurusen Pflegte, Sein entgegen kommendes, freundliches Wesen«, fährt er fort, »hatte umsomehr Anziehungskraft, als er trotz seiner kleinen Gestalt im Äußern und Benehmen etwas Vornehmes hatte. So machte er leicht neue Bekanntschaften und führte sie meiner Mutter zu, die es ganz ver stand, es ihren Gästen bei sich behaglich zu machen.« »Durch seine Kenntnisse, sein feines Verständnis, sein freies, sicheres Urteil wurde Frommann ein glücklicher Mittelpunkt der Unterhaltung; seine Frau gewährte durch die Ruhe und Anmut ihres Geistes eine sichere Form, die Wohltat des Maßes und freund licher Grenzen, Reich und mannigfaltig gestaltete sich der Kreis! Neben den anerkannten, in sicherem Besitz ihres Ansehens stehen den Autoritäten tauchten damals in jeder Wissenschaft und Kunst junge Kräfte auf, überraschend schnell wurden neue Wege be schütten, neue Zielpunkte gestellt und oft erreicht. Die Gefahren und Sorgen des Vaterlandes und der Stadt erregten die Herzen und brachten den verbündeten Familien gemeinschaftliche Leiden und dann doppelt beglückende Errettung, Ein jeder, der sich dem Freundeskreise zugesellen durfte, ward bald ein herzliches Mit glied desselben, und schied er, blieb er doch durch die Treue, die eine der vornehmsten Tugenden der Frommanschen Familie war, derselben für immer verbunden.« (W, Hertz, C, F, E. From mann,) Es mag sonderbar erscheinen, daß Frommann nicht Verleger all der Größen wurde, mit denen er im intimsten Verkehr stand, wie von Schelling, Hegel, Deck, Oken, Fichte, Loder und andere» und vor allem von Goethe. Verschiedene Gründe mögen ihn davon abgehalten haben, bei der Schilderung seines Verhältnisses zu Goethe wird auch dies und das erwähnt werden. Sein Verlag bestand aus abgerundeten Gruppen, die stets aus der Höhe der Zeit gehalten werden mußten, wenn sie wertvoll bleiben sollten, und daher viel Arbeit, Umsicht und große Mittel erforderten. Da waren vor allem die Schul- und Wörterbücher, welche eine ausgebreitete Korrespondenz nötig machten. Sodann waren es Werke von Gries, so Ariost und Tasso, und einzelne Sachen von Hufeland, Oken, Loder, Ritter und anderen, die die ganze Arbeitskraft des Verlegers in Anspruch nahmen. Wie es ihm mit Gries erging, mag die humorvolle Schilderung des Autors selbst bezeugen*): ) Schmidt, Charakteristiken I, B, 339.