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9726 Börsenblatt s, d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 214, 14. September 1908. Nichtamtlicher Teil. Herr Steiger und das amerikanische Urheberrecht. (Vgl. Nr. 202, 203, auch Nr. 209 d. BI.) Die Entgegnung, die die Herren Schwartz und vr. Kundt den Steigerschen Plaudereien zu teil werden ließen, werden wohl den Beifall des deutschen Buchhandels wie der deutschen Schriftstellerwelt finden. Mit Herrn Steiger sich in weitere Disputationen einzulassen, ist allerdings zwecklos. Wenn ich hier auf einige Sätze des Steigerschen Artikels näher eingehe, so tue ich dies deshalb, weil es sich dabei um Ansichten handelt, die auch von anderer Seite noch ge teilt werden. Von den Verteidigern des Vertrages von 1892 wird immer die Behauptung aufgestellt, daß bei einer Aufhebung dieses Vertrages der deutsche Buchhandel nichts gewinnen würde, da der Nachdruck amerikanischer Publikationen un lohnend sei. Aus meiner eigenen Erfahrung möchte ich die Richtigkeit dieser Behauptung bezweifeln. Verschiedene meiner wissenschaftlichen Werke, für die das Copyright zu erlangen unmöglich ist, werden in amerika nischen Ausgaben verbreitet, d. h. nachgedruckt, und diese amerikanischen Ausgaben werden nicht nur in England ein geführt, sondern sogar von Studenten in Deutschland ge braucht. Die Einziehung dieser Nachdrucke, die gesetzlich zu lässig ist, macht so viele Schwierigkeiten, daß gegen den Gebrauch dieser amerikanischen Nachdrucke nicht anzu kommen ist. Recht befremdlich hat es mich nun angemutet, wenn amerikanische wissenschaftliche Autoren für die Wiedergabe von Aufsätzen aus amerikanischen Zeitschriften Honorar ver langen und überhaupt die Veröffentlichung ihrer amerika nischen Publikationen ungefragt nicht gestatten. Die Herren sind nach dem Vertrag von 1892 im Recht; sie zeigen uns aber, daß doch allmählich auch in Amerika Arbeiten ver öffentlicht werden, die für Deutschland von Interesse find. So gut nun die Amerikaner meine wissenschaftlichen Werke ohne weiteres Nachdrucken können, ebensogut sollte mir das Recht zustehen, die amerikanischen Arbeiten nach Belieben verwenden zu dürfen. Deshalb halte ich auch heute noch die Aufhebung des Vertrages von 1892 für dringend notwendig. Wenn im Jahre 1892 den Büchern die Vorrechte ge währt worden wären, die damals den Musikalien und Zeichnungen gewährt wurden, dann bin ich überzeugt, daß wir heute längst diesen Vertrag nicht mehr hätten; schon Bayreuth hätte dafür gesorgt, daß eine Änderung eingetreten wäre. Warum nun der ganze deutsche Buchhandel lediglich zu gunsten der Musikalienverleger, resp. der Komponisten und Künstler sich schädigen lassen soll, das sehe ich wirklich nicht ein. Vorteile, die nur dadurch erreicht werden können, daß ein ganzer Handelszweig die schwersten Schädigungen auf sich nimmt, find unzulässig. Ebenso wie ich bei der Eingabe um Verlängerung des Urheberrechts für die Wagnerschen Kompositionen vor einigen Jahren das an mich gelangte Zirkular zurückwies mit der Bemerkung: »Meine Verlagswerke sind mir genau ebenso viel wert wie die Wagnerschen Kompositionen«, ebenso möchte ich auch heute sagen: »Gleiches Recht für alle und daher Kündigung des Vertrages von 1892!« Es wird dann bald der Fall eintreten, daß die Amerikaner die Honorarlose Verwertung ihrer Arbeiten in Deutschland störend empfinden, und diese Herren werden es dann viel leichter erreichen, Amerika zum Beitritt zur Berner Konvention zu veranlassen, als wir. Stuttgart. Erwin Nägele. Ausstellung von Handschriften und Wiegendrucken im Düsseldorfer Kunstgewerbe-Museum. Die diesjährige Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Düsseldorf bot Anlaß zu einer Ausstellung von Vorbildern für christliche Kunst aus der Sammlung des Zentral-Gewerbevereins und von Handschriften und erlesenen Druckwerken religiösen Inhalts aus den Beständen der Düsseldorfer Landes- und Stadtbibliothek in dem eigens zu Sonderausstellungen eingerichteten Erdgeschoß des dortigen Kunstgewerbe-Museums, in dessen Westflügel die Bibliothek vorläufige Unterkunft gefunden hat. Der rege Besuch, den diese Darbietungen gefunden haben und noch immer finden, ist Anlaß gewesen, ihre Ausstellung bis Ende September fortzusetzen. Mehr als 1400 Nummern zählt der Katalog; davon entfallen 170 auf Handschriften und Druckwerke, von dem Stadtbibliothekar vr. Nörrenberg ausgewählt. Fast alles davon ist zu Anfang des vorigen Jahrhunderts durch die von der damaligen pfalzbayrischen Regierung angeordnete Säkularisation in Staatsbesitz übergegangen. Durch die Beschickung der historischen Abteilung der Düsseldorfer Kunstausstellung von 1904 seitens der Landes und Stadtbibliothek sind weite Kreise erst damit bekannt geworden, welche Schätze von mittelalterlichen, mit reichem Bilderschmuck gezierten Handschriften darin aufbewahrt werden. Vielen von ihnen sind, obwohl sie mancherlei Jährlich leiten ausgesetzt waren, noch die leuchtende Farbenpracht und der schimmernde Goldglanz der Ursprungszeit eigen; auch wird meist die Aufmerksamkeit des Beschauers gefesselt durch die originelle Weise, in der die Künstler die ihnen gestellten Aufgaben zu lösen bestrebt waren. Was 1904 ausgestellt wurde, hatte, wie man jetzt ge wahrt, den Bestand an hervorragenden religiösen Werken der Vorzeit nicht erschöpft. Die damalige Auswahl ist zum größten Teile wiederum zu sehen, aber auch noch manche andere Handschrift mit und auch ohne bildlichen und sonstigen Buchschmuck ihr zugesellt. Außerdem ist eine ganze theolo gische Bibliothek, vornehmlich aus seltenen und seltensten »Wiegendrucken« bestehend, mit ausgelegt. Nr. 1302, Marien dichtung mit Noten, ist ein Tafeldruck aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, eins jener Werke, die vor Er findung der Buchdruckerkunst von Metall- oder Holztafeln, in die eine ganze Seite eingeschnitten war, abgedruckt wurden. Das Faksimile einer deutschen diblia pauperuw aus ungefähr der nämlichen Zeit, Nr. 1231, wurde in Ermangelung eines Originals mit ausgestellt, um die Art dieses einst viel ver breiteten, jedoch höchst selten gewordenen Erbauungsbuches zu zeigen. Die Handschriften sind in vier Abteilungen gegliedert: I. Biblisches, II. Ritualien, III. Verschiedenes, IV. Deutsche Handschriften. Jede der drei ersten Abteilungen ist chrono logisch geordnet; insgesamt lassen sie daher die aufsteigende Entwicklung der mittelalterlichen Buchkunst verfolgen. Ehr würdige Zeitgenossen der letzten Karolinger, die also gegen wärtig im Beginn ihres zweiten Jahrtausends stehen, sind Nr. 1173, Briefe des Apostels Paulus, und 1178, Meßbuch. Mit ungelenken Schriftzügen und unscheinbaren Feder zeichnungen, die den Eindruck schlichter Strenge machen, stehen sie am Beginn einer Kunstübung, die sich zur Höhe virtuoser Leistungen in Schrift und Bilderschmuck erhebt. Nr. 1203, flandrisches Gebetbuch um 1500, kann als