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Nichtamtlicher Teil. Börsendlatt f. d. Dtschn. Suchhunden 7211 ^ 150, 1. Juli 1S08. Rechtfertigung ankündigen lassen zu können, daß ich hiermit frey sey und zu meiner Familie zurück kehren könne. So ging ich denn 11^/2 uhr nun endlich erleichtert noch an mein Haus, es den Lieben zu sagen, die sich sehr freuten, woraus ich noch nach meinem Garten mich machte, um da zu schlafen. Horstmann rief und sähe hoch auf, mich doch noch selbigen Abends befreyt zu sehen und hatte man mich gewiß andern Tages nicht mehr Preis geben, sondern den Gang nach Schirmer noch in der Nacht abmachen wollen. Von den Verhören setze ich noch hinzu: wie sie, nachdem sie mich für Verfasser und Verleger nicht mehr ansahen, besonders gern von mir erforschen wollten, wer hier und wo das Buch ge schrieben und gedruckt sehn köute, ich suchte aber von Hannover es nach Möglichkeit abzubringen wie das Hofrath Falcke auch bey der ersten Rede darüber gethan hat. Daß ich kein Exemplar ver kauft darüber gab ich ihnen unter andern einen Mann an, der es hatte kaufen wollen, aber von mir nicht bekommen hatte. Auch dies uotirteu sie expreß und überführten sich so desto lebhafter. Ich brachte die Nacht auf dem Garten sehr unruhig zu, indem ich noch immer in den Empfindungen, noch in der schrecklich Ge- fangenhaus-Luft zu sehn, zubrachte und so immer auffuhr. D. 14ten Morgens vor 6 Uhr war Hofrath Falcke schon in meinem Hause gewesen in der Besorgnis ich sey noch wol nicht loß und in der Absicht mit dem ersten der Executif-Commission, Hofrath Patje, nach dem Obern General Dessolles meinethalben zu gehen, indem er Tages meines arrests nichts bey dem wüthenden Schirmer ausrichtete auch mit mir nicht conform gehandelt haben möge. Den Leuten im Hause hat er auf alle Art seine Theilnahme und gute Meinung von mir bewiesen und darauf expres nach meinem Garten geschickt, um fragen zu lassen, wann er zu mir wol kommen könne. Ich war etwas Kopfwehig, ließ ihm also erwidern daß ich noch heute den Garten nicht verlassen, sonst zu ihm kommen werde. Er kam also kurz darauf und voll Bedauerns pp. ließ sich alles bis aufs Kleinste erzählen und bezeigte sich äußerst zuthulig. Nun erfuhr ich erst genau, nachdem er fort, wie viele Menschen mit Bestürzung auch für sich und die Ihrigen diese Procedur gegen mich gehört und mit welch Abscheu sie selbige in wahrer Theilnahme vernommen gestern hatten. Selbst den Officieren des Verhörs war von etzlichen Bekandten zugesezt: Das Verhör zu beschleunigen und doch schleunig alles zu beendigen. Ohne diese Stimmung der Menschen gegen das Vorgehen und für meine Persohn, die ich über meine Erwartung ersehn habe, wäre es mit dem ersten Tage zum Verhör nicht gekommen sowie weit weniger zur Beendigung! — Mancherlei) Gerüchte waren circulirt an dem arrest Tage z E ich werde wol 3, 500, bis 1000 Reichs- thaler den Franzosen zollen müssen PP., weil das so guter prastsxt sey, ebenso in der Frühe, wie ich bereits frey war andern Morgens hatte man gesagt: ich wisse mich in der Hauptsache vom Verlage und Antheil an der Abfassung nicht ganz aus der affaire zu ziehen und so hatte man sehr für mein Leben gefürchtet — doch ich war schon frey! — Heute war nach dem Essen Mittags der Haupt mann, welcher das Verhör dirigirte am Hause gewesen hatte mich besuchen wollen, sehr bedauert, daß es mir so ergangen, indem ich so vollkommen schuldlos wozu er mir Glück wünschte mich be wiesen. Er hat gesagt: er werde noch wieder Herkommen, sobald ich vom Garten zu Hause. Mein Kopfweh ist izt vorüber und ich wieder wohl — man besuchte mich noch den ganzen Tag auf dem Garten und ich freue mich von allen Seiten zu hören, wie all gemein der Abscheu im ganzen Publico gegen die von mir erlittene von jedem andern gleichfals zu fürchtende willkührlich- despotische Verfahrungsart sey und das algemeine Beklagen über das von mir erlittene Opfer. Dieses und das Bewußtseyn meiner Unschuld läßt mich Beruhigung finden. Wie manchem wurde schon ein ähnliches! — ich hätte es in Frankreich selbst bey so rascher Ver fahrungsart noch weit mehr werden können. — Unter anderen kamen auch sämtliche Beckedorfs heute Nachmittag mit einigen Frauenzimmern aus derenMachbarschaft — doch ich muß abbrechen und melde nur noch heute am 15ten Jan, daß ich morgen die ganze Sache eben so an Dohm*) melde und zwar es seinem Gutglück überlasse, ob nicht von Dessolles durch ihn eine satis-faction zu ver langen, da dieser davon nichts weiß sondern diese policey Sache nur dem Platz Comandant angehört oder ob man das factum irgend wo, wo möglich durch ihn selbst wenigstens zur Publi- citait bringt, damit das Publicum die reine Wahrheit so erfahren und nicht durch Gerüchte eingenommen werde, die alles in kein Aares Licht stellen möchten. Ich möchte gern daß mein Nähme auch nicht unter den mindesten Anschein von Veranlassung zu dieser schrecklich Behandlung leiden müßte! sondern nur meine Sonnenklare gerechte Sache dargelegt würde dem Publico zur Würdigung! Bestrafung die vor dem Verhör nicht existiren durfte erfolgte ja nach demselben nicht — es war also vor dem Verhör ürchterlich mich so zu behandeln. Kann in der Art von Dohm, wol gar unter Seinen Nahmen als mein naher Verwandter nichts geschehen — nun, so läßt sich nichts gegen den schweren Arm eines Feindes im Lande ausrichten. Dohm aber dächte ich könte diesen Vorgang als Beleidigung seines Rahmens mit wenig- tens nach der Warheit dem Publico darlegen! — und der ge meine Haufen sähe hierunter eine Rechtfertigung meiner und meines Rahmens! — es dürfte ja von ihm nur so eingekleidet eyn, wie man oft von hier aus freilich drückende Sachen — ohne raisonnement — zur notice und Theilnahme des auswärtigen Publicums an unsere Landeslage bringt?? — Meine Schreiberei) bitte ich zu verzeihen! — es war mir nicht thunlich, mich bey dieser mir zudem zu repitiren widrigen An gelegenheit mich mehr zu sammeln! — Deinen lieben Brief, bester Detmolder**), habeich eben richtig erhalten und werde ich alles besorgen, nun habe ich bereits nach Lemgo gemeldet, daß man wegen Cölles Tod doch die nötigen Stücke nochmals für Dohm absende. Ich hatte vor sie noch vor der Abreise nach Leipzig au ihn abzuschicken, Gott weiß aber wohin sie gerathen! — In Absicht des K. werde ich leicht die nötigen Erkundigungen einziehen können und soll es geschehen. Noch eins! sogar die beiden Hahns ließen mich gestern gleich nach dem Garten hin fragen, ob ich nicht erlauben wollte, daß sie zu mir kommen dürften. Ich konte dieses ihnen nicht abschlagen, da sie sich an meines Leidens Tage so sehr suppressirt haben mir durch meine Leute ihr Leidwesen zu bezeigen. Der älteste bath mir sogar mündlich um Verzeihung wegen so vieler Widrigkeiten, die er mir seit seinem etablissement hier zugefügt habe. Meiner theuersten Mutter und den geliebtesten Geschwistern meine herzlichsten Empfehlungen Hannover 15. Jan. 1804 C. Helwing Bey Hahns haben deren Frauen großen Schreck gehabt, da man nicht allein so sehr unter den Büchern gewirtschaftet, sondern auch die Schränke wo diese Linnenzeug gehabt durch gesucht habe. Liebster Bruder! Am vorigen Sonnabend ging ich wieder in die Stadt und stieß bereits auf viele, die mir mit großer Theilnahme entgegen kamen auf den Straßen. Mein nächster Besuch war beym Nachbar *) Schwager Helwings, Verfasser von »Denkwürdigkeiten meiner Zeit». 5 Bde. Lemgo (Helwing) 1814—1819. Der aus LemgoZ ge bürtige Dohm, von Friedrich Wilhelm II. geadelt, wurde im Juli 1804 als Kammerpräsident der eichsfeldisch-erfurtischen Kriegs- und Domänen kammer nach Heiligenstadt versetzt. Nach dem Tilsiter Frieden trat er in westfälische Dienste über und war einer der ersten, welche in Paris erschienen, um dem König JerSme als Herscher zu huldigen. Später wurde er als Gesandter Jerümes nach Dresden geschickt. **) Helwings älterer Bruder, Friedrich Wilhelm, geb. 28. 3. 1758, war Regierungsrat in Detmold. 939'