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2S, 5 Februar 1912. Nichtamtlicher Teil. BörlmbllUt,. d. Dtsch». «uchr-nd-l. 1b 25 handlertidende«, dem 1854 gegründeten und schon 1855 als Vereinsorgan angenommenen Fachblatt, der langjährige Redakteur Verlagsbuchhändler I. L. Lybecker. Die Haupt grundlage der Organisation des dänischen Buchhandels, die Rabattberechtigung, ist hier erst kürzlich (vgl. Nr. 9) aus be- rufenerFeder dargestellt worden. Siegreich bestand der junge Verein die Kritik erst in der Tagcspresse, wo der Antiquar A. G. Salomon gegen ihn auftrat, dann aus Schleswig und Norwegen, wo man ihn beschuldigte, den norwegischen Buch handel zu einer Abteilung des dänischen machen zu wollen. 1839 stand er erst mit 39, 1887 beim 5vjährigen Jubiläum schon mit 270 und heute mit etwa 350 dänischen Firmen in Verbindung (Mitglieder sind dagegen nur etwa 40 Firmen, bis auf eine, alle in Kopenhagen). Teilweise hat die Organisation des zwölf Jahre früher gestifteten Börsenvereins der Deutschen Buchhändler den Gründern als Vorbild vorgefchwebt, in mehreren Fragen aber gingen sie eigene Wege. So wurde von Anfang an bei Neuetablierungen für Provinzfirmen Kautionsstellung zur Pflicht gemacht, seit 1856 auch für Kopenhagener Firmen. Der Gesamtbetrag der Kautionen, die der Verein verwaltet, betrug im Jahre 1856 140 000 Kr., 1887 schon 1 162 300 Kr. und heute gar 2 431500 Kr.! Die größeren Verlegermitglieder erhielten seit 1883 vermehrte Stimmenzahl, mutzten aber allmählich dem Verlangen des Sortiments nach erhöhten Rabattsätzen nachgeben. Im Jahre 1837 betrug der Verlegerrabatt in Kopenhagen 16Z^ Prozent, für die Provinzen 20 Prozent, nach dem Ausland 25 Prozent, wurde aber 1875 für Kopen hagen auf 20 Prozent und 1894 allgemein auf 25 Prozent in Rechnung erhöht. Als Bestellanstalt für den Provinz buchhandel wirkt die 1894 errichtete Kommissionsanstalt des Vereins, die nach den neuen Satzungen ein Alleinrecht hat, so daß die Entstehung oder das Fortbestehen privater Kom missionsgeschäfte für den organisierten dänischen Buchhandel unmöglich gemacht ist. (Dagegen gibt es ein solches für den Papierhandel, das zugleich Zeitschriftcn-Grossogeschäft ist, in Kopenhagen, Skindergade 27, Inhaber Ludv. Schüth, der seine bekannte Buchhandlung für Architektur und Handwerk zu Neujahr an die Firma Erslev L Hasselbalch abtrat.) Diese Vcrcinsanstalt beschäftigt heute über 20 Leute und ver teilt riesige Büchermassen: im ersten Jahre 914 576 Pfund, im Jahre 1910/11 1 738 429 Pfund, d. h. 5000-6000 Pfund täglich. In mannigfachen Fragen ist der Verein auch nach außen hin tätig gewesen, so durch Eingaben an die Regierung betr. das Urheberrecht an Schriften und Kunstwerken, Däne marks Anschluß an die Berner Konvention, das Post gesetz usw., und wird vielfach von den Ministerien zu Rate gezogen, u. a. auch regelmäßig in Fragen der hier konzessions- pflichtigen Bücherkolportage. Er gibt feste Beiträge an das internationale »Lursau permanent« in Bern und ist in der Ooininission internationale ües ääiteurs vertreten (zur zeit durch Herrn Obe Trhde, Kopenhagen). Viele seiner Be stimmungen und Regeln über Rabatt, Abrechnung, Kaution usw. und sein Streben nach Ordnung und Disziplin im Buch handel sind für die jüngeren Buchhändlerbereine der nor dischen Nachbarländer vorbildlich gewesen. Zum Jubeltage waren denn auch eine Reihe von Ver tretern dieser Vereine eingeladen. Im Dagmar-Hotel nahm der Vorsteher, Herr I. Frimodt, und der übrige Vorstand die Glückwünsche der zahlreichen Abordnungen und Gäste ent- gegen. Aus Norwegen waren erschienen W. Nygaard, Th. Lambrechts und E. Sem als Vorsteher des norwegischen Ver leger- bzw. Sortimenter, und Probinzbuchhändlervereins, so- wie Redakteur Haffner von »dlorslr Logbancklsrtiäsucke«; aus Schweden Karl Otto Bonnier (in Fa. Albert Bonnier), dessen Persönlichkeit, Vorfahren (aus Kopenhagen) und be deutende literarische Verlagstätigkeit aus diesem Anlaß der schwedische Schriftsteller Henning Berger im Feuilleton der Kopenhagener Zeitung »kolitilren« (Nr. vom 18. Januar) behandelte, ferner die Verleger Lars Hökerberg, P. K. Wahl ström und Kammergecichtsrat Carleson als Vertreter der Verlegervereine, aus Holland Herr van Stockum, Präsident der Internationalen Verlegerkommission, im Haag; und endlich die Vorsteher des norwegischen und des schwedi schen Gehilfenvereins. Eingeladen, aber verhindert waren die Vorsteher des Börsenvereins und des Deutschen Verlegervereins. »Oanslr icoikuttsitoreninß« (der dä nische Schriftstellerverein) überreichte als Gabe eine silberne Bowle, deren Zeichnung von Frederik Hegel (seit Neujahr als Juniorchef in den Gyldendal'schen Verlag eingetreten) herrührt. Bei dem Festmahl, an dem der Handels- und der Kultusminister teilnahmen, hielt der Professor der dänischen Literatur Wilhelm Andersen die Festrede, in der er an die Zeit erinnerte, wo Bischof Thomas Kingo (s- 1703) nicht nur sein berühmtes Gesangbuch, dessen kraftvolle Kirchen lieder noch heute zur Erbauung dienen, selbst verlegte, son dern auch daran dachte, eine Papiermühle anzulegen, der die dänischen Frauen ihre Leintücher opfern könnten, und tat sächlich in seiner Amtswohnung in Kopenhagen eine Buch druckerei einrichten ließ; ferner an Holberg, der sein eigener Verleger war und dessen Lehrbücher die Studenten bei ihm selber kauften, sowie an Oehlenschläger, dessen Gattin mit dem Manuskript seiner unsterblichen Tragödien von dem einen öffentlichen Kontor zum andem ging, um sie abzusetzen. Den Mut des Verlegers feierte der als Dramatiker bekannte, reiche Fabrikant Otto Benzon. Mut gehöre dazu, manches von dern^ was heutzutage erscheine, zu schreiben; den größten aber, es zu verlegen. Einen mutigen, verstorbenen deutschen Verleger (noch dazu feinen eigenen!) hat der immer streitbare, auch in Dänemark viel angefeindete Literaturkritiker Georg Brandes in einem Aufsatz »Deutscher Geist« (im Januar. Heft der angesehenen Monatsschrift »llülslrukrsn«) der ge schäftlichen Spekulation beschuldigt, indem er über den »Sim- plicisstmus« schreibt: »Sein Stifter war ein Verleger, den nur der Wunsch leitete, ein gutes Geschäft zu machen; aber die Zeitverhältnisse haben das Blatt geformt und es an nähernd zu einer politischen und geistigen Macht gemacht.«*) Eine Ehrenrettung Albert Langens, der als Schlote- gersohn von Björnson im Norden nicht unbekannt war, hat darauf in »Uolitilrsn« der Dramatiker und Kritiker Sven Lange unternommen, da er, wie er sagt, damals dem deutschen Verleger am nächsten stand und bei der Gründung des »Simplicissimus« mit tätig war. Langen verwandte, er klärt er, den Rest eines großen Vermögens auf die Grün dung des »Simplicissimus« und mutzte lange kämpfen, um das Unternehmen am Leben zu erhalten, ohne daß er darum auch nur mit einer Zeile von der ideellen Richtung, die es von Anfang an inne hatte, abwich, obwohl gerade in jenen ersten Jahren von allen Seiten Versucher an ihn herantraten, durch eine Frontänderung das Blatt »zu einem guten Ge schäft zu machen.« Nicht die Zeitverhältnisse, wie Brandes schreibt (der doch, wie Sven Lange meint, aus persönlicher Erfahrung wissen müßte, wie schwierig die Verhältnisse für den Verlag Langens damals lagen), sondern Langen selber gab dem Blatt seinen Charakter. Ein norwegisches Jubiläum, der 100. Geburtstag von Peter Christian Asbjörnsen (ch 1885), hat sowohl die dänische Gyldendalske Boghandel als auch den norwegi- *> In ähnlich absprechender Weise wie Brandes hat sich in Deutschland Frank Wedekind über den Simplicissimus-Berleger ausgesprochen, am schärssten in seinem Schauspiel »Oaha«. Red. 200