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Amtsblatt des Äöntglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nokizei-Äintes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Pret- dle 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reclamen unter dem Redactiousstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familtennach- richten («gespalten) 50 Lj. Tabellarischer und Ztffernsa- eutsprrchend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 L, (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesärderung so.—, mit Postbesärderung 70.—» ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Margen-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je «in« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig, Freitag den 14. März 1902. 96. Jahrgang. Der ambulante Gerichtsstand der presse. L2 Der ambulante Gerichtsstand der Presse scheint den Freisinnigen und den Socialdemokraten eine sehr erwünschte Ein richtung zu sein. Wenigsten« verlangen sie, daß der dem BundeSrathe zugegangene uud seinem Inhalte nach halb amtlich veröffentlichte Entwurf im Reichstage dergestalt er weitert werde, daß eine Zustimmung der Regierung aus geschlossen wäre. Der Entwurf, der den fliegenden Gerichts stand für öffentliche, also durch die Anklagebehörde eingeleitete Klagen gänzlich beseitigt, beschränkt ihn auch für di« Privat kläger in erheblichem und ausreichendem Maße. Zur Zeit kann die Verfolgung einer durch die Presse wirklich oder vermeintlich verübten Privatbeleidigung von jedem der zahllosen an sich zuständigen deutschen Gerichte betrieben werden, wenn auch nur ein einzige- Exemplar der zu verfolgenden Zeitung in dem betreffenden Gerichtsbezirke „verbreitet", d. h. gelesen wird. Dieser un geheuerliche Zustand, der jetzt auch noch bei öffentlichen Klagen besteht, wird nach dem Entwürfe des Reichskanzlers be seitigt. Es bleibt lür Privatbeleidigte nur noch daS Recht bestehen, zwischen zwei Gerichtsorten zu wählen, dem des Erscheinens der Druckschrift und dem de« Wohnsitzes des Klagenden. Wegen dieses Privatpersonen belassenen Restes ihres bisherigen AuSwäb- lungSrechtS sind die Freisinnigen und die Socialdemokraten höchst ungehalten, sie hoffen, der Reichstag werde dem Gerichtsstände für die Presse auch diesen letzten Flügelansatz wegschneiden, und der „Vorwärts" ist schon mit einem „Unannehmbar" bei der Hand. Wir hoffen, daß es bei dem Entwürfe bleibt. All dem schon angeführten Grunde der Abneigung des Bundes- ratbeS und weil es sehr fraglich erscheint, ob bei Privat beleidigungen die Beschränkung deS Gerichtsstände« auf den Erscheinungsort die Rechtssicherheit de« PublicumS genügend wahren und andererseits, ob sie im wohlverstandenen Interesse der Presse selbst liege würde. Der in X wohnende Be leidigte wäre oft materiell geschädigt, wenn er gegen eine in dem vielleicht eine halbe Eisenbahn-Tagereise entfernten A. erscheinende Zeitung klagen wollte. Er müßte entweder Hinreisen oder sich einen Anwalt bestellen, und zu dem Einen wie zu dem Andern werden ihm häufig die Mittel fehlen. Dazu kommt di» Erschwerung de« Ladens von Zeugen. Die Beschränkung auf den Erscheinungsort wär« also eine Bevorzugung de« wirthschaftlich Stärkeren und deshalb müßte die Socialvemokratie sie entschieden ab lehnen, wenn diese Partei nicht eben das Gegentheil von dem wäre, wofür sie sich ausgiebt. Die Abwesenden haben von unseren Gerichten gewiß nicht Unrecht, da- wird Niemand behaupten wollen, aber der Nichterschienene und Nichtvertretene ist im Nachtheile. Der beklagte Nedacteur wird in 950 von 1000 Fällen am Erscheinungsorte seinen Wohnsitz haben. Aber auck wenn er bei der Verhandlung im Erscheinungsorte zu gegen oder gut vertreten ist, kann und wird der Kläger in vielen Fällen ohne Verschulden in der ungünstigeren -Lage gegenüber Verklagten sein. Man kann in A die Ehre eines Mannes in einer Weise angreifen, die hier als eine sehr schwere empfunden, in A aber von den Gerichten und selbst dem die Klage vertretenden Anwälte al- eine Bagatelle betrachtet wird. Die Verhältnisse und Auffassungen sind eben in weit auseinander liegenden ReichStheilen in vielen Stücken verschieden. Es könnte Freisprechung erfolgen, die am Wohnorte nicht erfolgt wäre, oder, waS oft noch schlimmer ist, die Verurtheilung zu einer Geldstrafe, die in der Heimath des Klägers als eine winzige im Vergleich zu der Beleidigung oder Verleumdung angesehen wird. Die betreffende Nummer des Blattes ist natürlich am Wohnorte stark verbreitet worden — dafür sorgt schon, heimlich natürlich, der meisten- ebenda sitzende Einsender deS beleidigenden Artikels — und an dem Kläger bleibt „etwas hängen". Die Privilegirung der Presse nach dieser Richtung würde vielleicht die öffentliche Meinung derart verstimmens daß die Wiederherstellung des ganzen fliegenden Gerichtsstände- für Privatklagen die Folge sein könnte. Diese- Bedenken war auch dem Herrn OberlandeSgerichtS- präsidenten vr. Hamm nicht fremd, als er sich auf dem Iuristentage zu Bamberg für die Propagirung de« Gedanken- der Beseitigung deS ambulanten Gerichtsstände« im Allge meinen verdient machte. Und wenn wir nicht irren, hat der Herr ObrrreichSanwaltvr.OlS Hausen, der in Bamberg mit gleichem Nachdruck die Unbaltbarkeit deS „Fliegenden" betonte, die gänz liche Beseitigung widerrathen. Der Iuristentag hat denn auch in seinen, die Aushebung auSsprechenden GesetzeSvorschlag eine Bestimmung ausgenommen, die den Wohnort neben dem BeschäftigungSorte für Privaiklagen zuläßt. Der Reichstag, der einmal einstimmig den jetzigen Zustand als un erträglich bezeichnet hat, wird nicht weiter und zwar bis zu einem Puncte gehen wollen, wo der Wider stand der Regierungen die Conservirung de- fatalen Bestehenden nach sich zöge. Zwar heißt rS im „Faust": „Den lieb' ich, der Unmögliche« begehrt." Aber di« den Aus spruch thut, isi eine sehr alle Dame. Das Unmögliche ist in unserem Falle zudem nicht das Wllnschenswertheste. Der Krieg in Aü-afrika. Boeren in Khaki. Die Korrespondenz „Nederland" schreibt uns: In dem letzten Telegramm über dle Niederlage und die Gefangennahme Lord Methuen's bet Twecbvsch, das Krieg-Minister Brodrtck am Montag im Untcrhause verlas, legt Lord Kttchener zum zweiten Male besonderen Nachdruck darauf, daß die Boeren unter De la re») in Khaki gekleidet gewesen seien und die englische Infanterie deshalb nicht habe unterscheiden können, ob cs Frcnnd oder Feind vor sich habe. Man ist »vn den Kttchcncr'schcn Ravporten bezw. den vom Krlegsamt zugeftutzten und herausgeputztcn Berichten ja ga; Manches gewohnt, angesichts des tragischen Ernstes der neuesten Niederlage sollte jedoch Kitchener sorgsam Mes vermeiden, was ihm und seine Leute auch noch dem Fluch der Lächerlichkeit überantworten könnte. Sind es nicht sintfluthartigc Regengüsse, die Unglück über die englischen Waffen bringen, so sind es undurchdringliche Nebel und kothtge Wege, sind es nicht die störrischen Maulesel, so sind es Boeren in Khaki. So wirft Kitchener mit Grazie, und wie er es gerade braucht, das Mäntelchen -er Entschuldigung bald auf diese, bald auf jene Seite. Die sehr ernste Kehrseite der Medaille ist aber leider die, daß Kitchener für sich die Berechtigung in Anspruch nimmt, jeden Boeren, der in Khaki in Ge fangenschaft geräth, ohne Gnade erschießen zu lassen. Der vielversprechende Anfang ist ja bereits seit Langem ge macht, und erst jüngst wieder ist ein Neffe deS Präsidenten Stetjn, der bei Svdafontein in der „Uniform" eines Ofsiciers der Yeomanry gefangen genommen worden war, erschossen worben. Der junge Steijn hatte sich damit vertheidigt, daß De Wct ihn und Andere mit englischen Uniformen equi- pirt habe. Der junge Steijn hat sich in der Ver mummung eines englischen Ofsiciers aber nicht etwa durch die englischen Linien geschlichen, um zu sptontren — als Spion hätte er, ob in Boeren- oder Khaki-Uniform, un bedingt die Kugel empfangen müssen —, sondern er ist, in der Uniform eine- englischen Ofsiciers, die ihm lediglich Decke seiner Leibesblüßc war, auf ehrlichem Kriegspfade und im Verein mit Anderen durch die englischen Linien gebrochen. Ihm dafür die Kugel zu geben, ist einfach barbarisch. Was der junge Stetjn erzählt hat von der Austhetlung englischer Uniformen an Boeren ist unzweifelhaft richtig. Die Engländer wissen das aber längst. Die Boeren machen von den erbeuteten Anzügen Gebrauch, aber nicht etwa zum Vergnügen oder gar auS kindischer Eitel keit, sondern lediglich weil sie sich Kleider anderswoher nicht verschaffen können. Es liegt also bet dem angeb lichen Mißbrauch eine vis major vor. Jeder BorurtheilS- frcic wirb ja ohnehin zugeben müssen, daß die ganze Art der bisherigen Kriegführung der Boeren jeden Ge danken an Berrath in dieser Beziehung absolut aus schließt, zumal sie den tthakianzügen zu allem Ueberfluß noch jede Abzeichen nehmen. Ein Beweis dafür, daß die Boeren von Khaki-Uniformen nur nothgcdrungen Ge brauch machen, liegt wohl auch darin, daß der Boer unter keinen Umständen bereits gebrauchte Uniformen anlcgt — wegen ihrer übergroßen Appetitlichkeit. Es fragt sich nun, ob es den Engländern völkerrecht lich gestattet ist, die in Khaki gekleideten Boeren zu er schießen. An der Hand des Falles des jungen Steijn und auf Grund -cs Rechtes, das die vis major zucrtheilt, ist diese Frage unbedingt zu verneinen. Nach dem Buch staben der Bestimmungen des Völkerrechts ist es aller dings verboten, sich in die Uniform des Feindes zu kleiden,- kann aber ein aller Abzeichen beraubter Khakt- anzug als solche betrachtet werben ? Die Consequenz einer etwaigen Bejahung dieser Frage, sowie des von Kitchener bereits beliebten und wohl weiter zu be fürchtenden Vorgehens gegen Khaki tragende Boeren werben bann aber die englischen Truppen bald am eignen Leibe zu verspüren bekommen. Bekanntlich tragen ganze englische Corps, nament lich die Colonialtruppen, den charakte ristischen praktischen Boerenhut, oft so gar verziert mit den Boeren abgenom menen Wappenschildchen und Emblemen. Dieser, an der rechten Seite aufgekrempeltc, meist mit einer republikanischen Cocarde geschmückte Hut, bildet die einzige „Uniform" der Boeren im Felde. Wären die Boeren da nicht viel mehr berechtigt, dieses — nnnöthtge — Anlegen ihrer „Uniform" als Berrath zu betrachten und zu bestrafen, als die Engländer das — gezwungene — Tragen ihrer aller Abzeichen entblößten Khakianzüge? Dies mag sich Kitchener, wenn er rechtlichen und mora lischen Erwägungen nicht zugänglich sein sollte, ernstlich überlegen, bevor er den durch Major Gorringe und Andere geschaffenen Präcedenzfällcn weitere folgen läßt. Die Engländer könnten ja, analog den Fällen der Lotter, ScheeperS u. f. w., eines schönen Tages, wenn das Unglück sie ihnen in die Hände spielen sollte, auch einen De Wct »nb einen Delarey erschießen lassen, weil sie in Khaki gegangen ober Khakianzüge an ihre Leute ab gegeben hätten. Dann zum Mindesten würde auch die in solchem Falle geradezu verbrecherische Langmuth und Selbstverleugnung der Boeren mit der Antwort auf das völkerrechtswidrige barbarische Vorgehen Kitchencr'S gewiß nicht länger zögern. Zum Schluß noch eine Frage: Die englischen Sol- daten haben bei Tweebosch, weil die Boeren Khaki trugen, angeblich -wischen Freund und Feind nicht zu unterscheiden vermocht. Ja, haben denn bann auch die Boeren die Tommie« in Khaki für ihre Leute angesehen? Und hat die Khakitracht von Methuen's Leuten die Com- manbanten und Feldcornets gehindert, ihre Bürger an- zusithren? * London, 13 März. (Telegramm) Der Brüsseler Torre, spondent deS „Standard" übermittelt folgend« Elnzelbritrn des A»ld»og-vlaue« v»tba'«r vatha verließ jüngst di» Nachbarschaft von Ermelo (im Eildostei, der Transvaal, republik) und wandte sich nach Süden. Er ordnete gleich, zeitig Delarey'S Vorstoß im Westen deS TranSvaalstaateS an, um Kitchener'- Ansmerkiamkei» von d« v«t, dessen Lage von Botha al- etwa« bedenklich betrachtet wurde, abzulrnlen. Der Plan ist angeblich völlig gelungen, da infolge der Niederlag, Metbuen'« d« wet t« Stand» sein würde, seine Streiikräst, »u reorganisirin, während Botha »In« sehr stark» Stellung im Süden von Ermelo innehabe. Wenn er von überlegenen brlti. ich«» Tolonnrn angegriffen werde, beabsichtige er sich in- Swazi. land z»rückz»»i»h«a E« verlaute, daß im Laufe de« Vorjahre« »in geheimrr Vertrag zwiich«» Botha und den Swacik-aigen geschlossta worden s»i, der den voenntrnppen erlaub», durch Swazlgebiet zu ziehen. — Wie „Daily Expriß" erfährt, wurde di» Verfolgung Delarey'S von sämmtllchen berittene» Truppen zwischen Lichtenburg und Klerksdorp ausgenommen, um die Boeren auf die Eisenbahnlinie zu treiben. Dadurch solle verhindert werden, daß Methuen nach dem Norden von Transvaal gebracht werde. (Mgdb. Ztg.) Deutsches Neich. Berlin, 18. März. (Die Arbeiterbewegung in Oesterreich und der Intcrnationalis- m u s.) Die Verhandlungen des französischen Socialisten- congresses in Tours haben soeben erkennen lassen, wie sehr cs mit dem Internationalismus bei der französischen Socialdemotratie hapert. Jetzt erhält die „Sociale Praxis" über die Arbeiterbewegung in Oesterreich Mitthcilungen, aus denen hervorgcht, daß die Socialdemokratie in Oester reich auch äußerlich nur mit sehr bescheidenem Erfolge das Banner der Völkerbrüberlichkeit emporhält. Die scharfen Gegensätze der Wirklichkeit zerstören den Traum der inter nationalen Solidarität. Allenthalben bilden sich Organi sationen der Arbeiterschaft, welche ihre Kraft der natio nalen Locialpolitik opfern. Ein großer Theil der deut schen Arbeiter, denen von Seiten der niedrigstehcnden Elemente bedeutende Gefahren drohen, hat sich in den letzten Jahren selbstständige nationale Schutzvcreine ge schaffen und in Deutschböhmen auch der politischen To- cialdemokratie den Abschied gegeben. In dem ersten In dustriegebiete der Monarchie sind vier Fünftel des Besitz standes der internationalen an die nationale, socialrefor merische Arbeiterpartei verloren gegangen. Aber auch auf wirthschaftlichem Gebiete dürfte dte deutschnatlonale Ge werkschaftsbewegung bald ein beträchtlicher Factor wer den. Tie will die Arbeiterinteressen nicht nur dem Unter- nehmcrthumc gegenüber zur Geltung bringen, sondern auch das Eindringen der Lohndrücker in die deutschen Arbeitsstätten zu verhindern füllten. Schon heute zählt der „Verband deutscher Arbeiter- und Gehilfenvereini gungen in Oesterreich" 00 Vereine mit 15 000 Mitgliedern. Außerdem besteht ein Arbeiterbund „Germania" mit 5000 Mitgliedern, gesichert sind nationale Gewerkvereine der Bäcker, Metallarbeiter, Eisenbahner u. A. — Unicr den vom Handelsminister ernannten Arbcitermitglicdern des österreichischen Arbcitsbcirathes befindet sich auch ein deutfchnationaler Vertreter. Die Anfänge der Bewegung sind jedenfalls vielversprechend. * Berlin, 18. März. UeberVerhütungund Be handlung von Geisteskrankheiten in -er Armee spricht sich Assistenzarzt vr. Stier vom thürin gischen Feldartillerie-Ncgimcnt Nr. 19, der seit einigen Halbjahren der Universitäts - Irrenklinik in Jena als Assistent zugethcilt ist, in einer kleinen Schrift aus. Es ist vielfach grob sinnlich zu Tage getreten, daß auf den erste» Blick absonderlich erscheinende Vorgänge beim Militär daraus znrnckzuführcn sind, daß geistige Erkrankungen bei Soldaten und Osficicren nicht rechtzeitig erkannt wurden. Soldaten, die sich der Diöciplin schwer fügen, häufig be straft werden, „antlsociale" Individuen, erweisen sich bei sachkundiger Untersuchung als Idioten, geistig Minder- werthige oder als Geisteskranke im engeren Sinne, die nach dem Gesetze für ihr Thun nicht verantwortlich ge macht werden können. Bon manchem Lfficicr, der über mäßige Strenge an den Tag legte oder dem sogar „Leute schinderei" nachgesagt wurde, zeigt sich in der Folge, daß fein abnormes Thun lediglich der Ausfluß einer Geistes krankheit war, die sich allmählich bei ihm entwickelte. Es liegt im dringensten Interesse des Heeres, daß zu Geistes krankheiten Veranlagte von ihn» fern gehalten und Minderwerthige und Geisteskranke möglichst schnell aus dem Heeresverbande ausscheiden, vr. Stier schlägt zu diesem Zwecke die folgenden Anordnungen vor: 1. In der Sammrolle sollen vermerkt werden: der überstandene Aufenthalt in einer Irrenanstalt, sowie 2. der Besuch einer Schule für schwach befähigte Kinder, 8. in der Mehrzahl vorkommende Entartungszcichen, sowie erhebliche Be lastung, soweit sie zu ermitteln sind, sollen zu Ungunsten einer sonst fraglichen Tauglichkeit sprechen: 4. bei Offi- cicrsaspiranten sollen erhebliche Belastungen und Entartungszeichen immer berücksichtigt werden und mehr als bei Mannschaften den Ausschlag geben; 5. alle Mann schaften, die sich bei der Ausbildung als sehr beschränkt erweisen, sollen in möglichst großer Zahl wieder entlassen werden; 0. der Kampf gegen Alkoholismus und die Folgen der Lues soll immer energischer werden, z. B. durch Uebcrweisung kranker zur Cur oder Nachkur im Badeorte; 7. in jedem Lazareth sollen Einrichtungen getroffen werden zur vorläufigen Unterbringung auch der erregtesten Geisteskranken; 8. alle zweifellos geistig Kranken sollen möglichst rasch einer Irrenanstalt überwiesen werden; 0. zur Untersuchung fraglicher und Begutach tung g e r i ch l i ch e r F ä l l c soll in dem größten Laza reth eines jeden ArmcecorpS eine Nervenabthet- lung unter Leitung eines spccialistisch ausgebildeten SanitätsofftctcrS eingerichtet werden; 10. zur Behandlung erkrankter Unterofficicre und Offtciere soll eine Mili tär-Irrenanstalt, nöthigenfalls deren zwei, erbaut werden; 11. ein Kursus über Psychiatrie soll in die Fort- bildungscurse für SanitätSofsictere eingefügt werben. * Berlin, 13. März. Ueber die Angelegen» heit Kopp-Lehmann wird jetzt in der „K ö l n. Volkszeitung" berichtet: » Prof. Kehr, der mit Unterstützung der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften die älteren Papsturkunoen sammelt und herausgiebt, hatte sich zu Gunsten diese- großen Unternehmens an den Fürstbischof von Breslau, Cardinal Kopp, gewandt und diesen bald für die Unterstützung seiner Aufgabe gewonnen. Cardinal Kopp zeigte sein große» Interesse für das Werk dadurch, daß er der Gesellschaft für die Förderung desselben eine Summe von 15 000 überwies und auch noch ans an dere Weise eine gleiche Summe für denselben Zweck flüssig machte. Außerdem mochte Prof. Kehr glauben, daß bei Sammlung -er gesuchten Papsturkunden au- allen möglichen Archiven, deren viele selbstredend kirch lichen Charakters sind, die Protection des Cardinal- Kopp ihn nicht unwesentlich fördern werde. Es war also eine ganz erklärliche Form der Erkenntlichkeit, daß angeregt wurde, den Cardinal Kopp zum Ehren- mitglieüe der Gesellschaft zu wühlen. Da hatte man aber die GetsteSrichtung des Professors Lehmanst über sehen. Er schrieb also seinen Aufsatz für die „Preußischen Jahrbücher"; die „National-Zeitung" brachte ihn unter die Leute, und nun hätte eigentlich genug geschehen sein sollen, um daS Unheil abzuwenden. Doch die Welt geschichte ging ruhig ihren Clang weiter, und Herr Pro fessor Lehmann — kam dabei unter die Räder. Im Februar trat die Gesellschaft der Wissenschaften zu sammen, um über die Cooptation des Cardinals Kopp als Ehrenmitglied zu beschließen; Herr Lehmann aber kam nicht, sondern blieb zu Hause. In einer zahlreich besuchten Sitzung — die wenigen anderen abwesenden Mitglieder fehlten wohl ohne Absicht — wurde Cardinal Kopp glatt undein st im migz um Ehrenmit glieds gewählt. Das war übel für Herrn Leh mann; er that das Beste, was er thnn konnte, indem er sofort seinen Austritt erklärte. Hierzu bemerkt die „Nat.-Ztg.": „Diese Darstellung ist doch nicht ganz vollständig. Nach unseren Informationen war die Wahl des Cardinals .Kopp bei einer ersten Ab stimmung, die stattgcfunüen hatte, bevor Professor Leh mann seinen Aufsatz in den „Prcuß. Jahrbüchern" ver öffentlichte, abgelehnt worden, allerdings nur durch eine Mehrheit von wenigen Stimmen. ES war unrecht von Professor Lehmann, daß er auf diese vertraulich be handelte Angelegenheit in seinem Aufsätze anspielte — übrigens derart, daß wir, denen der Zusammenhang da mals mich nicht bekannt war, die Anspielung irrthümlich auslcgtcn. Sollte Cardinal Kopp bei einer zweiten Wahl glatt und — von den Anwesenden — einstimmig zum Ehrenmitgltcde gewählt worden sein, so wird dies viel leicht zum Theil die Wirkung der Mißstinnnung über die öffentliche Erwähnung der Wahlangelegcnheit durch Pro fessor Lehmann gewesen sein. Nebrigens ist die Er nennung znm Ehren Mitglied«: einer Akademie als An erkennung materieller Förderung der Bestrebungen einer solchen durchaus nichts Ungewöhnliches; im vor liegenden Falle wird wohl Meinungsverschiedenheit unter Anderem darüber bestanden haben, ob diese Förderung so hervorragender Art war, um die Ernennung zu recht fertigen." (D Berit», 13. März. (Telegramm.) Die „Nord- deutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Die Antwort des Staatssekretärs LanSdowne auf die Anfrage über die Brüsseler Znckerconvenlion liegt nunmehr in den Londoner Blättern vor. Der auf die Stellung der britischen Colonien bezügliche Tbeil lautet dem „Standard" zufolge: Nach der Convention wird eS den Kroncolonien nicht erlaubt sein, auf Zucker irgend welche direkten oder indirekten Prämien an den eigenen oder fremden Märkten zu gewähren. Was die Selbstverwaltung der Colonien betrifft, so sind diese nach Artikel l l von der Convention ausgeschlossen; es steht ihnen aber frei, der Con vention beizutreten, wenn sie dies wünschen; und wenn sie den Beitritt vollziehen, werden sie in jeder Be ziehung die Stellung der den hoben Vertrag schließenden Mächte einnehmen. Durch die allgemeinen Abmachungen über die Colonien sind wir gebunden, dein Colonialzucker keinerlei Vorzüge vor dem auS den Ländern der den hohen Vertrag schließenden Mächte herkommcnden Zucker zu ge währen, und cs ist klar, daß wir von den anderen Mächten kaum hätten verlangen dürfe», auf eine Vereinbarung ein- zngehen, nach der für sie die Gewährung von Prämien voll ständig ausgeschlossen wäre, während wir unsere volle Freiheit behielten, dem auS unseren Colonien herstammenden Zucker Prämien zu gewähren. L. Berlin, 13. März. (Privattrlegrainm.) Die „Nat.-Ztg." berichtet: In der Presse wird eine bevorstehende Reise des Reichskanzlers nach Italien aus Anlaß der Oster ferien angekündigt. Wie wir an unterrichteter Stelle er fahren, ist in Vieser Hinsicht noch nicht« be sti m m t. Nichtig ist zunächst nur, daß Gras Bülow einen kurzen Osterurlaub nehmen wird. — Der deutsche Kronprinz hat während seines Aufenthalts in den Neichslauden dubch sein Wesen und Benehmen, das nach dem Urtheil der dortgeu Presse den denkbar günstigsten Eindruck hervorrief, die Sym pathien der Bevölkerung in hohem Maße gewonnen. Al« vollständig grundlos und erfunden müsse» daher gewisse Bemerkungen zurückgewiesen werden, die sich in französischen Blättern nationalistischer Richtung finden und die dahin gehen: daß die ursprünglich als eine offlcielle und für eine längere Dauer beabsichtigte Reise des Kronprinzen durch Elsaß - Lothringen plötzlich ab gekürzt und zu einer Ivcognitoreise umgewandelt worden sei, weil man sich von einer feindseligen Stimmung der Bevölkerung gegenüber einem solchen Besuch« überzeugt habe. Die „Berl. N. N." schreiben dazu: „So viel Worte, so viel Un wahrheiten ! Die Reise des Kronprinzen durch Elsaß-Lothringcn ist von Anfang au nur auf eine Dauer von vier Tagen init einem alleinigen Aufenthalt in Metz und in Straßburg be rechnet gewesen und stet- nur ohne officiellen Apparat, also incognito, in Betracht genommen worden. Sie ist demnach genau nach dem Programm durchgeführt. Waö dann die angeblich feindselige Stimmung der Bevölkerung anbetrifft, so haben darauf die spontane» Zurufe der jubelnden Menge und die festlich mit Fahnen geschmückte» Straßen von Metz und Straßburg die bündigste Antwort gegeben." — Tie bescheidene», für die A u S b i l d u n g ali- katholischer Theologen in Bonn durch eliic Professur in der philosophischen Facultät und ein Sc- minar in derselben geforderten Geldmittel sind bekanntlich vom Abgeordnetenlianse, im tveaensav zur Budget- eommission, wo Centrum und Conservattve sie gestrichen hatten, bewilligt worden. Darüber ist die „Ger mania" höchst erzürnt; die ganze „Toleranz" -es Klcri- kalismnü kommt tu dem Artikel wieder einmal zum Bor schein, obgleich das Centrum doch wirklich damit zufrieden gestellt sein könnte, daß der Altkathvlicismus anö der ka tholisch-theologischen Facultät t» Bonn cndgilti- qzzK«