Volltext Seite (XML)
.Wellblechdacher- wke sie auf den Häusern von Mvschi 'waren. Etwas seitwärts vom Wohnhaus steht ein 'kleineres mit zwei Räumen, nämlich Küche und Vorrats raum, gegenüber vom Wohnhaus, etwa 100 Schritt ent fernt, ist ein langes niedriges Haus, aus Lattenwcrk und Erde gebaut, dessen Fenster und Tür nur in vier eckigen Oeffnungen besteht, sodaß man allen Ernstes sagen kann: „Da hat der Zimmermann «in Loch gelassen," trie man bei uns zu Hause oft im Scherze sagt. In diesem Raum stehen viele Bänke und an der Wand, dem (Ausgang gegenüber, ist eine etwas zerkratzte Wandtafel und davor ein Stehpult. Wozu dient das Haus wohl? Ihr ruft gleich a»c: „Tas ist die Schule!" Richtig, da fitzen an jedem Bormittag etwa 50 Kinder, an einem Tage die größeren, am andern die kleineren Schwarzen, Zusammen etwa 100. Sie lernen bei einem schwarzen Lehrer und beim Missionar lesen, schreiben, rechnen, ringen und Bibl. Geschichte, alles in ihrer eigenen Sprache, die das Tschasu heißt, weil die Leute zu dem großen Negerstainm der Vasu gehören. Was habt Ihr da- )eim doch für schöne Schulen gegen diese hier! Bis «etzt waren nicht mal Tischplatten vor den Bänken, die »ur aus drei aneinandergelegten Stangen bestehen, also o schmal sind, daß keins der Kleinen darauf herum- uackeln kann, es würde sehr bald einen Purzcl- iaum nach hinten schießen; da heißt's also stillsitzen, aber mit . den Beinen wird trotzdem fleißig und gern gewackelt. Jetzt werden Tischplatten angeschafft, damit die Kinder Tafel und Buch auflegen können. Sehen wir uns doch mal diese Jugend von Budee genauer an. Ach, diese Kinder sehen noch recht wild aus, die meisten sind Lis auf ein Leder, was sie um die Mitte des Körpers gebunden haben, ganz nackt. Die Mädchen haben dicke Perlenketten um den Hals, manchmal bis 12 und noch mehr und ebenso um die Hüsten. Das Haar ist entweder ganz abrasiert, sodaß ein häßlicher Kahlkopf da ist, oder es ist bis auf euren länglich runden Fleck auf dem Schei tel ringsum abgeschoren, ja bei mancher! ist bloß ein Strich quer über die Mitte des Schädels stehen geblieben, und es sieht aus, als ob eine schwarze Raupe über den Kopf kröche. Ja, das findet das Paremädchen schön. Die Mädchen gehen auch späterhin und noch als Frauen so wenig bekleidet, nur selten hüllt sich eine oder die andere in ein buntes Tuch ein. Die Knaben und Männer dagegen behängen sich mit allem möglichen Zeug, tra gen oft zwei Hemden "beieinander, kaufen sich in den Jnderläden Hose, Jacke und andere Sachen, die sie beim Europäer sehen. Am hübschesten sehen die Schwarzen in ihren bunten Tüchern aus und in einem weiße» oder gelben Tanzu (hemdähnlichen Gewand) und es ist recht schade, daß sie anfangen, sich wie die Weißen anzuzicheu, es steht ihnen garnicht, aber das glauben sie nicht. Mir kommen die Pareleutc im ganzen und großen von Ge sicht nicht so hübsch vor, wie die Wadschagga am Kili- manjaro. <Äe haben breitere Gesichter und stark hervor- tretenve Knochen. Aber andere Leute finden wieder die Wapare schöner. Auf die Schönheit kommt's aber auch nicht an, sondern darauf, daß auch sie Menschen sind, die herauswollen aus ihrer Unwissenheit nmd Schutz suchen gegen allerlei Krankheit des Leibes und der Seele, gegen Ungerechtigkeit der Starken gegen die Schwachen und viele andere Not. Die Badee haben selbst darum gebeten, daß ein Missionar zu ihnen kommen möchte, der ihre Kinder unterrichten, ihnen Gottes Wort ver künde» und ihnen beistehen soll in all der Not, die ich eben nannte. O, was könnte man davon alles erzählen! Gin Brief langt dazu lange, lange nicht. Ich kann Euch nur Einiges berichten. Denkt Euch, als die Schivarzen noch allein hier leb ten, da wurden sie oft von andren Negerstämmen, beson ders von den wilden Masai überfallen, die ihnen ihr Vieh Wegnahmen und viele mit Frauen und Kindern töte ten. Seit der Deutsche das Land regiert, ist das nicht mehr gut möglich Sie selbst wüteten aber auch unter einander; der Stärkere unterdrückte den Schwächeren, be sonders traurig war's und ist's zum Teil noch immer für die kleinen Kinder. Wenn Zwillinge zur Welt kamen, so wurden sie getötet, entweder erwürgt, oder man ließ sie verhungern; wenn bei einem Kindchen die oberen Schneidezähne zuerst kamen — meistens be kommen Kinder zuerst die unteren — so wurde solch ein armes Kind auf einem Felsen anSgesetzt, der steil und tief in einen Abgrund abfiel, und sobald das arme Kleine sich bewegte, mutzte es hinabstürzen, oder >venu das nicht geschah, verhungern, wohl auch von wilden Tieren zer rissen werden. Diese Kinder und Zwillinge bringen nach dem Glauben der Wapare Unglück ins Haus, darum sol len sie sterben. Wie freut sich Cure Mutter, wenn ihr Gott ein Kindchen geschenkt hat, und auch eine schwarze Mutter hat ihr Kind lieb. Wie traurig muß es sein- wenn mau es von ihr reißt und tötet! Solche Grausam keiten erlaubt die deutsch« Regierung nicht mehr, und jeder Schwarze, der so etwas tut, wird auf länge Zeit mit einer eisernen Kette gefesselt und noch auf andre Weise schwer bestraft. Wer trotzdem sterben noch sehr viel kleine Kinder, weil die Leute garnicht wissen, wie man ein so kleines Würmchen behandelt. Daß man ihnen anfangs nur Milch geben soll, das wollen sie nicht glauben, schon am zweiten oder dritten Tag stopft man ihnen Brei von Bananen, Bohnen oder Kartoffeln ein. Die Mutter kaut den Brei und spuckt ihn den Kleinen in den Mund. Das ist sehr appetitlich, nicht wahr? Ihr schüttelt Euch vor Ekel und sagt: brrr! Das Kleine muß soviel essen, bis sein tumbo (Bauch) ganz dick aufgeschwollen ist, und wenn es schreit- so denkt die Mutter, es hat noch immer Hunger. So dauert's denn nicht lange und das Kleine stirbt. Eine Mutter hier hat 20 Kinder geboren, und alle, alle sind als Säuglinge gestorben, und so gibt es noch unzählige Frauen, die von viele» Kindern nur noch wenige oder kcinS mehr haben» weil sie es nicht zu pflegen verstanden. Ist das nicht schrecklich? Muß den Leuten nicht geholfen werden? Ach, daß es doch recht viel Menschen gäbe, die ihnen zu helfen bereit wären! Helft auch Ihr, so gut Ihr könnt! Gebt, wenn Ihr auch selbst nicht viel habt- hie und da mal einen Pfennig für die Mission, damit sie mehr Acrztc, Missionare und Kran kenpflegerinnen heraussenoen kann. Ach, ich wollte Euch eigentlich niemals darum bitten, Ihr solltet vielmehr: selber daran denken, aber das Herz war mir so voll von! der Not der Schwarzen, daß ich doch nicht geschwiegen: habe. Gott bringt ja sicherlich auch sein Werk unter den Heiden ohne uns und Euch zustande, aber er hat uns befohlen, mit zu helfen und Ihr selbst werdet Freude haben, wenn Ihr Euch des Werkes mit Eurer kleinen Kraft annehmt. Genug, ich sage nicht gleich wieder so etwas, denn man soll das nicht oft tun, aber ich hoffe, daß Jhr's nie, nie vergessen werdet. — Fortsetzung folgt. / . > , - Vermischte». VonGotteSTnaden. Der selbst bereits 81 jährige Dichter Paul Heyse widmet in der dem Prinz-Regenten Luitpold zu Ehren veröffentlichten Münchner Fest schrift dem 90 jährigen Jubilar folgende tiefempfundene« Verse: TaS ist des Fürsten höchster Ruhm, Sein wahre» GotteSgnadentum, Wenn Gott die Gnad' ihm will verleih'n, Ein Vorbild seinem Volk zu sein. Mit jeder Biirgertugend still Den Thron, den er ererbt, zu zieren, Zu wissen, daß, wer herrschen will, Erst lernen soll, sich selbst regieren. Wer das erreicht, dem wird im Leben Der Liebe reichster Lohn gegeben. Und als ein gold'ner Segen-Hort Blüht lang noch sein Gedächtnis fort. Druck und Verlag von Langer t Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. Erzähler an der Elbe. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". «es«, »en März 1911. Nr. 11. Sonncnskhiisncht. Roman von Freifrau Gabriele von Schlippcnbach. (Herbert Nivnlet.) Fortsetzung. -„Gottes Mühle» mahlen langsam, aber sicher." Mit bitteren Selbstvorwürfen erinnerte sie sich- wie Lörsbach bestrebt gewesen war, ein besseres eheliches Verhältnis zwischen ihnen anzubahnen. Sie hatte cS nicht verstanden, war ihm mit keinem Schritt cntgegengekom- men, hatte seine gerechtfertigten Wünsche unbeachtet gelassen und seine Nachsicht mißbraucht. Ihre Launen, ihre Nachlässigkeit im Hauswesen fielen ihr ein. Und wie schlecht Hatto sie die Kinder erzogen- sie bald ver wöhnend, bald den Dienstboten überlassend! Schon vor ihrer Abreise nach Berlin hatte Lörsbach über Kopfweh geklagt; sie hatte es nicht beachtet und es für unbedeu tend gehalten. Die Krankheit hatte schon in ihm ge steckt; er hatte sich überwunden, damit sie die ersehnte Reise machen konnte. Seine Rücksichten, seine vielen kleinen Aufmerksamkeiten sielen ihr ein. Wie schlecht hatte sic ihm alles gelohnt! Wie bitter büßte sie es jetzt! Aus seinen wirren Fieberreden entnahm sie, wie er seelisch gelitten. Stumm und verschlossen, wie ein Held, hatte er sein Hauskreuz getragen. Er hatte sich beherrscht und war selten ärgerlich geworden- während sie sich ihm gegenüber gehen ließ und eigensinnig auf ihrem Willen bestanden hatte. -»Reiner, Reiner, bleibe mir erhalten? Stirb nicht! Ich will versuchen, alles gut zu machen - und Dir eine bessere Frau werden!" So flehte Irmgard, so betete sie zu dem, dec Leben und Tod in der Hand hält. Aber Tag um Tag ver ging, und keine Besserung trat ein. Was die treuen Freunde der Gebeugten in dieser Zeit wurden, das fühlte Frau von Lörsbach täglich. Sie waren immer bereit zu helfen- aufzurichten, zu stützen. Die tiefe Frömmigkeit Margaretens zeigte sich hier deutlich. Wenn die kleine, zarte Fran bei Irm gard war, fühlte diese sich mutiger; auch, als es eines Tages besonders schlecht stand, versagte das Wort nicht: „Nur Mut, Gott hilft!" Irmgard war unermüdlich in der Pflege, die Schwe ster leitete sic an. Es war Frau von Lörsbach wie eine Sühne, daß sie nicht an die Ermüdung nnd Anstrengung für sich dachte, daß ihre Zeit, alle ihre Leistungsfähig keit dem gehörten, der ihr entrissen zu werden drohte. Seit zwei Tagen sprach der Arzt sich etwas hoff nungsvoller ans, das Fieber sank, cs traten lichtere Momente ein. „Wir dürfen hoffen/ hieß cs eines Tage? nach einer Nacht, die Irmgard machend bei ihrem Gatten verbracht hatte, um die Schwerer ausruhcn zu lassen. Die Freude warf sie nieder. Sic taumelte uvd wäre zu Boden gcsunlen, Wests Arme singen sie ans. Er und der Arzt trugen die Ohnmächtige auf ihr Bett. „Sie ist völlig erschöpft," sagte der Arzt. „Wenn das so fortgeht, haben wir bald eine zweite Kranke." Lörsbach schlief, die Hand seiner Fran haltend. Er war so schwach, daß er kaum sprechen konnte, aber das Fieber war gefallen, die Augen blickten klar. Irm gard war vor Erschöpfung cingeschlasen. Ten Kopf auf das Kissen zu Füßen des Bettes gestützt, hatte die große Ermüdung sie übermannt. Durch das Zimmer flutete goldenes Abendlicht- und der Engel des breitete segnend die Hände über die beiden MensWii sich fast verloren und doch noch gefunden hatten. Sehr langsam ging cs mit der Genesung vorwärts. Aber der Lenz kam mit seinen heilenden Lüften, schon färbte leises Grün die Bäume. Der Kranke saß am offenen Fenster mitten im Sonnenscheine. Fritzchcn und Aennchen spielten draupcn fröhlich umher. Der Later lauschte den Hellen Stimmen; er faltete die abgezehrten Hände, ein heißes Dankgebet stieg zu Gott empor. Eben kam Irmgard in das Zimmer; sie trug eine Tasse kräftiger Fleischbrühe auf einem Tablett. Eine weiße Latzschürze bedeckte ihr schlichtes dunkelblaues Kleid, und ein neuer Ausdruck lag auf dem noch etwas schmalen Gesichte, der Ausdruck hausfraulicher Würde. Reiner blickte liebevoll zu ihr aus und zog ihre Hand an den Mund. „Ich danke Dir," sagte er innig. „Trink »ur, ich habe nach Frau Wests Rezept die Kraftbrühe gemacht." Sie hatten sich noch nicht ausgesprochen, wie durch stille Uebereinlunft hatten sie cs bisher vermieden. Heute sagte Lörsbach: „Irmgard, nun ist alles wieder gut zwischen uns, nicht wahr, so bleibt es auch?" „Ja, mein lieber, lieber Manu! Verzeih mir, ich allein war schuld. Während Du krank warst, habe ich so recht gefühlt, wie schlecht ich gewesen bin; da ist vieles von mir abgefallen: Eitelkeit und Selbstsucht. Da habe ich erkannt, day ich Dich von Herzen lieb habe. Sieh, cs wird draußen Frühling! Neues Leben blüht und sprießt allerorten, auch im Menschenherzen soll eS Lenz werden. Du mußt nur viel Nachsicht init mir haben," schloß Irmgard, „ich habe das redliche Nollen ; hilf mir, so zu werden, wie ich möchte." Sie beugte sich über ihn. Der Strahl Von Liebe, der aus ihren Augen brach, ließ sein Herz freudig klopfen. Tic Kinder kamen hcreingcsprungen. Aennchen hielt die ersten Blumen in der Hand und bot sie dem Kater. Er legte den einen Arm um den Buben und sein Töchter chen, den andern Arm um sein Weib. „Glückliche Menschen," sagte er leise. Ter Hauptmann erhielt einen längeren Urlaub zur Kräftigung seiner Gesundheit. Vorher brachte das Ehe paar die Kinder nach Berlin zu den Großeltern, die bald nach Schornstättcn übersiedeln wollten. Lörsbachs gingen ins Berner Oberland. Dort woll ten sic bleiben, bis der Hauptmann im Vollbesitze seiner Kräfte war. Tann gedachten sie, noch eine Woche auf dem Lande bei den Llterü zuzubringcn und im Herbst nach G. zurückzukehren. Der Abschied von den freundlichen Nachbarn fiel den Abreisenden schwer. Tie beiden Frauen waren jetzt innig befreundet. Irmgard fand G. gar nicht nrehr so unange nehm, sic wußte, daß sic sich »ach der Heimkehr immer besser einleben ivürdc. Hatte sie doch das eigene Haus lieb gewonnen, hatte sie doch die feste Absicht, ihre Pflichte« freudig zu erfüllen. „Ich finde Elfriede verändert," sagte Irmgard zu ihrer Mutter. „Liebt sie Graf Ronckcck?" „Ich weiß es nicht," entgegnete Frau von Schorn, er ist schon lange von hier fort. Wie ich gehört habe- macht er eine große Reise." „Er wäre die richtige für sie."