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— " — " 2. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". N»latt»n«dnlck und Bertaq »on Lanaer t «interll» In Sli-'a. — siltr dl, »trdaktlon vemntlvorMch! Arthur Hähne! >» Rlela. 84. Tonnabend, 18. Mürz lilll. abends. «4. Jahrg. Drucke von BolkSkundgebungcn beschloß, daS Angebot der Vereinigten Staaten, die Inseln für 15 Millionen Dollar auf 99 Jahre zu pachten, nicht anzunehmen. Im Grunde freilich hält man die Gefahr damit nicht für be seitigt. Man meint, daß die Bereinigten Staaten, da sie offenbar die Inseln haben wollen, auch Mittel finden werden, sie zu nehmen. ES sei ein Fehler von Ecuador, das Geschäft mit den 15 Millionen auSznschlagen, cS werde die Inseln nun wahrscheinlich ohne Entgelt los werden. Auch liegt die Vermutung nahe, daß sie Peru vor schieben und sich dann die Inseln von diesem verpachten oder abtreten lassen könnten. Nahrung findet dieser hier aufgetretene Gedanke an den neuesten Rüstungen Perus, die großes Aufsehen erregen und ebensosehr als eine Be- drohung Ecuadors wie als eine solche Chiles aufgefaßt werden. Man hegt hier den Verdacht, daß Peru durch die Bereinigten Staaten zu einem aggressiven Vorgehen er muntert werden könnte. Aus welchem Grunde, geht aus einer Zuschrift an die Manana hervor. Es heißt da: „Es soll in Ecuador Anhänger der Verpachtung der Gala- pagos-Jnseln an die Bereinigten Staaten geben. Der Grund ist einfach: Die Ecuadorianer'glauben, daß ein Krieg mit Peru unvermeidlich sei, daß Peru sich, da es Kriegsschiffe hat, der Inseln bemächtigen und sie sofort an die Bereinigten Staaten verkaufen wird, die einen besonderen Geschmack für solche Geschäfte haben. Die In seln im Besitze der Bereinigtem Staaten weroen daS Gleichgewicht der Nationen am Stillen Ozean sehr stören. Chile kann das nicht ohne Protest hinnehmen, da seine Zukunft und die seiner Nachbarn auf dem Spiele steht. ES ist nicht gleichgültig für das Land, wenn ein Riese mit seiner gesamten bedrohenden und verschlingenden Macht sich bei ihm niederläßt. » Was soll Chile dagegen tun? ES müßte die Oster- Insel schleunigst unter günstigen Bedingungen an Japan verpachten." Von besonderer Bedeutung sind die Auslassungen des „Mercurio". Dieses Blatt ist nämlich nicht nur das weit aus bedeutendste Organ des westlichen Amerikas, sondern sein Besitzer, Herr Agostin Edwards, ist bereits chileni scher Minister des Aeußeren gewesen und beileidet gegen wärtig einen wichtigen Estsandtenposten bei einer euro päischen Großmacht. Der „Mercurio" schreibt: „Die la teinisch-amerikanischen Länder sehen, mit Mißtrauen und Furcht die Absichten der Vereinigten Staaten auf die Galapagos-Jnseln, da sie fürchten, daß dies der erste Schritt zu einer künftigen Beherrschung ihrer eigenen Gebiete werden kann. Die Bereinigten Staaten werden sich nicht verhehlen können, daß die Mehrheit der öffent lichen Meinung Südamerikas die Besitzergreifung der In seln mit Mißtrauen und Befürchtungen betrachten würde, die sich früher oder später in offene Feindschaft gegen ihren Handel umsetzen Nürde." In ähnlicher Weise äußert sich die gesamte öffentliche Meinung, und es ist unbestreitbar, daß sich eine große Nervosität des öffentlichen Lebens bemächtigt hat, und daß man jedem Schritt der Bereinigten Staaten mit banger Sorge entgegensicht. Eine hiesige Zeitung geht so weit, zu erklären, daß, wenn nicht ganz Südamerika ein Offensiv- und Tefensivbündnis gegen Nordamerika schlösse, man Gefahr liefe, die Unabhängigkeit zu ver lieren. Die Erklärungen aus Washington über die Achtung der Unabhängigkeit der spanisÜMirrerikanischen Länder seien nur diplomatische Höflichkeitsphrasen: man »varte in Washington nur auf die Gelegenheit, seinem Ehrgeize die Zügel schießen zu lassen. Aus aller Welt. Magdeburg: Ter Rittergutsbesitzer Reinhardt aus Großottersleben bei Magoeburg geriet beim Aufspringen auf die elektrische Strastcnbabn unter die Räder des An hängewagens, die ihn überfuhren und tödlich verletzten. — München: In der pyrotechnischen Fabrik von Hein rich Burg, G. m. b. H, iß eine Werkstätte durch die Ex- övwniks KM m tu Lmiitzt« ötntn. Aus Santiago de Chile, 14. Februar, wird der „Welt- Korr." geschrieben: wer aufmerksam die politischen Stimmungen Sild- «merikaS verfolgt, kann zwei Beobachtungen von hoher politischer Bedeutung machen: einmal, wie man ange- sicht- de- Vorgehens der Nordamerikaner gegen Mexiko und Mittelamertka die schlimmsten Befürchtungen vor de« vereinigten Staaten hegt, zweitens, wie man — mit japanischer Hilfe gegen den mächtigen Bruder Jo nathan rechnet. Aufmerksam und mißtrauisch werden die neuerdings wieder hervorgetretenen Absichten der Bereinigten Staa te« von Amerika aus die GaiapagoS-Juseln hier ver folgt, in der Erkenntnis, daß eine Pachtung der Inseln der Sache nach mit einer endgültigen Besitzergreifung gleichbedeutend sein würde. Dabei wird auf daS stete Fortschreiten der Bereinigten Staaten nach Süden hin gewiesen: Eroberung mexikanischer Gebiete, Besitzergrei fung von Porto Ries, Protektorat über Kuba, San Do mingo, Panama, Einwirkung aus die mittelamerikanischen Republiken, dazu nun die beabsichtigte Anlage eines Stütz punktes gegenüber dem südameritanischen Kontinent. Daß «ine Flottenstation auf den Galapagos-Jnseln eine Be drohung aller Weststaaten Südamerikas bedeuten würde, wird offen ausgesprochen, wenn auch zugegeben wird, daß der Hauptzweck der geplanten Maßregeln zunächst der Schutz des Panamakanar'S namentlich gegen Japan und die Gewinnung einer Station aus dem Wege nach Austra lien sei. Man meint, daß die Flottenstation, wenn sie erst einmal vorhanden fei, mit zwingender Notwendig keit auf die Westküste Südamerikas einwirken und die Bereinigten Staaten unwillkürlich zu einer weitergehen den Einmischung in deren Angelegenheiten ermuntern wird. Eine gewisse Erleichterung wurde hier öffentlich bekundet, als die Regierung von Ecuador unter dem jimifirmsnäen-Anriige! Kusuuakl UvinLo, ^aupistst. 28. Auf dem Woserfiof. Roman von Erich Ebenstetn. IS Ueber den Kirchweg gen Rodau hin torkeln Bauern au« dem Gebirge, Knechte und Jungvolk. Wie eine Ametsenstraße sieht sich» an von der Höhe de» Pennerhofer. Ludert steht eine Weile und guck» darauf nieder, dann schlägt er sich seitwärts über da» Echneefeld in den Wald. Auch da führt ein Steig nach Rodau, und er mündet just beim Hirschen krem in den Lattengrabenweg. Der Steg ist holprig und vereist, meilenweise gehe» über gefrorenen Schnee, oder ein dürrer Prügel, den der Sturm au» den Wipfeln gerissen hat, sperrt den Weg. Man sieht, daß er «venia begangen wird im Winter. Aber da» ist dem Nullmeierbuben gerade kleb. Unter den Menschen kommt er sich immer »u viel vor, er weiß nicht» an- »ufangen mit ihnen und kann sich nicht schicken in ihre Art. Im Wald und bei der Arbeit fühlt er sich frei. Gar heute, wenn er im Gehen die Bäume und Sträucher ansteht, wie st« dastrhen in ihrem glitzernden Relfkleid, so stolz und sonntäglich wie mit einem stillen Lachen, dann tsr» ihm, als wären S alte vertraute Freunde, die ihn just erwartet hätten. Und wie der Wally mit ihrer „vlübla", so kommt» ihn an, baß er reden möchte mit ihnen und ihnen erzählen, wa» ihm hie Brust wett und eng macht zu gleicher Zeit. Bon der blonden Lola mochte er ihnen reden. Zuletzt bleibt er freilich stumm, und nur die Augen lachen Mit lrohem Ausdruck vor stch hin. Auf einmal stolpert er und macht einen Satz. Jetzt wäre « bald der Länge nach hinge schlagen in den Schnee. Der Lederriemen ist'» am Bundschuh, der sich gelöst hat, und ihn bald zu Fall gebracht hätte. Während er den Fuß auf «inen Wurzelstock stellt und da» Schuhband festbtndet, schießt ihm jäh da» Blut zu Kopf. Ein gefallen ist ihm, daß der Glaube geht, einer, dem sich am Neu- iahrSmorgen da» Schuhband löst, der macht Hochzeit in dem Jahr. Dummheiten natürlich. Aber wie er nun schnell weiterschrei tet, ist da» stoh« Lachen au» den Augen sachte übergeflossen in da» ganz« Gestcht. Wenn » da» neue Jahr mit ihm so im Siuu hätte, «würde nicht» dawid« haben. Aber jetzt heißt'« au»schretten. Drunten in Roda« läuten sie schon zur Predigt, und er möchte die Lola noch im Latten graben treffen, um oaS letzte Stück Weg mit ihr zu gehen. Wird ohnehin kurz genug sein für da» viele, wa« er ihr sagen will. Die Bäume lichten stch. Zwischen den letzten schimmert schon die graue Kavellmauer de» Htrschenkreuze» durch. Dor dem Et- sengitter auf dem Holztritt kniet eine weibliche Gestalt. Al» der Hubert fast laufend daherkommt, «hebt sie stch und tritt ihm mitten in den Weg. Die Lola ist'«. Er bleibt so jähltng» stehen, daß «S ihn fast zurückwirst. Seine grauen Augen leuchten sie an wie Flam men. Die Freude nimmt ihm völlig den Atem, und er kommt erst wird« halbweg» zu sich, als sie ruhig sagt: „Guten Mor gen, Nullmaier Hubert. Ist mir lieb, daß ich Dich treff, hab mir« gleich gedacht, daß Du den Waldsteig heruuterkommen wirst/ Ihn schwindelt. Erwart« hat sie auf ihn. Sm liebsten mvcht «sie gleich in die Arme nehmen und ihr in« Ohr stammeln, wie er sie mehr lieb hat al« alle» sonst auf der Welt. Aber er traut stch nicht. Nur ihre Hand packt « stürmisch und drückt sie so fest, daß weiße Flecken werden, wo seine Finger liegen. Dabet stößt«fast atemlo« herau»: „Lola.. Dirndl.. der erste Mensch bist, der mir heul' unterkommt.. wenn da» kein glückselige« neue» Jahr wird, dann gilt schon gar nicht» mehr in der Welt. Und schau . .Du wartest da auf mich, und ich denk' den ganzen Weg von Hau« nicht» al« an Dich.." Lola erwidert nicht«. Langsam löst sie ihre Hand auS der sei nen. Gr merkt e« gar nicht, daß etwa« Fremde« an ihr ist, so hell schaut ihn die ganze Welt an. „Lola," « beugt sein braune«, hagere« Gestcht nahe an ihr weiße», „vorgesetzt hab' ich mtr'S die ganze Zeit her: am Neu- jahrStag sag'ich Dir'«. Da soll da« neue Leben anheben für un« beide. Keine andere will ich mir zum Weib al« Dich. Und Du? Willst mich?" „Nein," sagt sie laut und fast heftig. Sein Gesicht wird plötzlich fahl wt, da« alte Holzwerk am Dach der Kapelle. Wirr blickt er um stch. Ihm ist'» aewesen, als ob die Berge rundum einen Augenblick in'S Wackeln gekoni- men wären. Dann bleibt fein Blick auf der Lola ihrem Gesicht liegen: „Nicht?" wiederholt er ungläubig, „Du willst mich nicht? Warum willst mich nicht?" „Weil ich nicht mag. Gar keinen mag ich. Ledig will ich blei ben mein Lebtag." Er blickt einen Augenblick ratlos ans sie nieder. Dann packt ihn der Zorn. Wild schüttelt er sie an den Schultern. „Du," keucht er, „das glaub ich Dir nicht. Ein schlechte« Dirndl bist, die mich zum Narren gehalten hat.. aber ich bin keiner, der so was hinnimmt. Wenn Du einen andern gern hast, in Gottesnamen, aber so, so laß ich Dich nicht." „Was willst machen?" sagt sie völlig unbewegt unter sei nem harten Griff. „Zwingen kannst mich nicht zur Lieb." Er läßt sie plötzlich los und tritt einen Schritt zurück. Sein Blick bohrt sich in sie hinein wie ein Messer. „Warum, wenn Du mich nicht magst, hast da gewartet auf mich?" „Weil ich Dir daS hab'sagen wollen .. daß Du nicht mehr denken sollst aufmich .. gar nicht mehr., hörst?" Wie tot ru hen ihre Augen auf ihm. Er antwortet nicht niehr. Auf den Holztritt vor der Kapelle hat er sich gesetzt und den Kopf zwischen den Händen vergra- ben. Ihm ist, als könne er sie nicht mehr ansehen. Als er nach einer langen Weile wieder aufblickt, ist die Lola fort. Hubert blickt scheu um sich. Nicht» ist da, al« die blen dend weißen Schneematten, der Sonnenschein darüber und die Stille deS Feiertage». Da lacht er laut auf in wildem Hohn, und geht mit gro ßen, starten Schritten nach Rodau hinab. Auf die Hütte am AuSgang deS LattengrabenS fällt kein Blick. An diesem Tage ist'S zum ersten Mal, daß der Nullmaier Hubert die Kirche versäumt und statt dessen inS Wirtshaus geht. Do« ist die Stube voll Burschen, die mit wüsten Gesich-, tern an den Tischen lümmcln und von Zeit zu Zeit einen hei seren Rundgesang anheben. 184,20 Die ganze Nächt haben sie gelärmt und gezecht, denn „wie das neue Jahr anhebt, so geht eS weiter," heißt'S in Rodan. Mitten unter ihnen sitzt der Moser Franzi. Die Nächte im Wirt»hau» verlumpen, ist sonst just nicht seine Art und am allerletzten die Nenjahrsnacht, wo nur leichter Volk und wüste Gesellen sich zusammen«!!'., umdaS alle JahranSzusingennud da» neue einzutrinken. Aber die»mal ist er der Wildeste von allen.