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178 17S Ksurcht. und eine vage, blitzschnell auftauchende Hoffnung MklllEP «Mein Sott , Herr Assessor, Sie sprechen so, als ,»enu Sie die Rückkehr meines SohneS für wahr« ischeinllch halten, als wenn Sie seinen Aufenthalt Wüßten k" Mürbe Sie das nicht freuen, würden Sie den Dahn, der als ein neuer Mensch zurückkehrt, nicht Hrendig an Ihr Herz nehmen?" Ter alte Mann war aufgesprungen und hatte Hitlead die Arme au-gestreckt. „Mein Gott, spannen Sie mich nicht auf die Folter .. . Ernst lebt?" ,Lr, er lebt nicht nur, sondern er kommt als ein Mensch znrück, der sich die Achtung seiner Vorgesetzten in seinem neuen Berns in vollem Maß errungen hat. Hören Sie zu! Im vorigen Herbst erschien auf dem Wnmpser meines Vaters, der in Bahia vor Anker lag, Hin junger Tentscher, der sich Riese nannte ano den Kapitän aus- dringendste anflehte, ihm eine Beschäf- tigang zu geben, ml der er wenigstens sein NahrungS- OäürsniS verdiene. Er berief sich darauf, daß er früher in »anderen Verhältnissen drüben in Europa »ich, den zweite: Sohn des Reeders, gekannt habe. Lu« Beweise zeigte er eine Visitenkarte von mir vor. Der Kapitän hiitfe ihm auch ohne diese Berufung auf frühere Beziehungen Beschäftigung gegeben. So trat Benn Ihr Lohn al- Trimmer, als Kvhlenfchaufler, auf He« Lampser an. Dar ist «ine hart« Prüfung, wann «an bessere Tage gesehen hat. Aber Ernst hat die Wrüfnng bestanden. Der Kapitän, der an ihm Interesse gewannen hatte, sah bald, daß der tüchtige Arbeiter Hu einer ander» Stelle am Matze war, und schob ihn eine Stufe nach oben. Rach kurzer Zeit wieder eine .Stufe höher und so Wetter. Jetzt ist Ihr Sohn auf dem »Schiff« RechnungSfühver, etwa dar, was man auf einem Krieg-sch.fse Zahlmeister nennt." Der Alte hatte schweigend zugehört; daber rannen :1h« die Hellen Ttänen über die gebräunten Wangen iu den weißen-Bart hinab. Leise fuhr der Assessor fort r- „Urnst hat sich »ach einiger Zett dem Kapitän zu «kennen gegeben, fährt aber noch unter dem Namen Miese. In Vierzehn Tagen läuft der Dampfer in Hmubnrg ein. Ich stelle Ihnen anheim, Ihren Sohn Hart «ufzusucheu, »ächte aber raten, ihn ruhig seine neue Laufbahn fortsetze» zu lassen. Seine Tüchtigkeit uud die Erfahrungen, die er auf per langen Reise ge- fanrmett hat, ermögliche» es meinem Vater, ihm eine »besser dotierte Stelle iu feine« Betrieb anzuweifen." Der AUe schlug die Hände zusammen und faltete sie vor der Brust. „Mei» Sott, mein Sott, Herr Mfsesjor, da- hab« ich nicht geahnt,-als ich heute früh schweren Herzen» aus den Wage» Keg. Run stehe ich Hoppelt in Ihr«, Schuld." „Ich bitte, alter Herr, verderb«« Sie mir nicht die Arend« an de« köstlichen Augenblicke, vergessen Sie rttcht, daß diese Lösung auch mir eine» schweren Stein von» Herzen «matt, klebrigen- ich habe noch etwas für Sie, was Ihueu Freude machen wich, teilweise Btuo etwa- sch «etliche Freude. Da- find einige Briefe, Hie Ernst in dem lchten Jahr an «ich gerichtet hat. Ich möchte sie aber wiederhaben, denn sie find mir teuer. Uud nun will rch Sie micht länger aufhalten. Di« Mutter und die Schwestern sollen die Freuden botschaft »icht später erfahren, akS «S unumgänglich notwendig ist. Rur um ein- muß ich noch dringend bitte»: »m völlige Diskretion über die Nolle, die mir bi dwsee ganzen Angelegenheit zugefallen ist." „Da- ist eine Bitte, die sehr schwer zu erfüllen lei» wiro, Herr Assessor, namentlich wenn drei Frauen oa» Geheimnis bewahren fallen." , Men» ich Ihre Domen rocht herzlich darum! bitte " „Sie scheinen ein sehr starkes Zutrauen zu dem schwachen Geschlechte zu haben." ;,Wie man's nimmt, alter Herr." Mit einem kräftigen Händedruck trennten sich die beide» Gegenkandidaten. XI. Es war Burmeister wirklich ernst mit der Absicht, seine Zelte m L. abzubrechen. Er hatte dem Vertreter der Besitzer von Jsnoten die Mitteilung gemacht, oaß er auf den Kauf des Gutes verzichte, und sofort darauf den Besuch eines Herrn erhalten, der die Schwierig keiten, die nach seiner Ansicht den Assessor zum Rück tritt bewogen hatten, schnellstens aus dem Wege zu räumen versprach. Burmeister entgegnete kühl, es sei ihm' noch nicht vorgekommcn, daß man einem ernsthaften Käufer allerlei Bedingungen vorschreibe, die sich niemand gefallen lassen könne. Tas Objekt habe zudem für ihn allen Wert verloren, da er die Absicht habe, seinen Wohnsitz bald von L. wegzuverlegen. Ter Vertreter der Erben bat vielmal um Ent schuldigung. Man habe den Erben vorgevedet, das Gut hätte süc den Herrn Assessor außer dem reellen noch einen sehr großen ideellen Wert. Daraus habe man Kapital schlagen wollen. Ter Unterhändler wurde mit dem Bescheid ent lassen , daß er in einiger Zeit die endgültige Antwort erhalten werde. Als er gegangen war, ärgerte sich Burmeister darüber, daß er nicht völlig Schluß gemacht hatte. Lebte denn in einem Winkel seines Herzens noch die Hoffnung auf eine Wendung der Tinge, die ihn hier sesthalten würde? ES mußte wohl sein; denn er hatte in diesen Tagen schon manchmal die Feder eingetaucht, um das Ver setzungsgesuch zu schreiben, und jedesmal war er nicht über die Einleitung hinausgekommen. Man würde in der Regierung wohl den Schluß ziehen, daß er nicht imstande gewesen sei , sich das Vertrauen der Kreis eingesessenen zu erwerben, und daß er deshalb die Flinte vorzeitig ins Kor« werfe. Toch das war es nicht, was ihm die Feder aus der Hand nahm, sondern die leise Hoffnung, daß sich vor ihm doch noch sie Bahn öffnen könnt«, die ihn an sein Ziel führe. Tie Neigung, die ihn in diesen abgelegenen Erdenwinkel geführt, war in dem Augenblicke gegenstandslos geworden, da er von Hause die erste Nachricht über das Auf tauchen der jungen Riesa und nicht lange darauf den ersten Brief von ihm selbst erhielt. Wenn ec ganz offen gegen sich war, dann mußte er sich gestehen, daß die Walküre sofort, vom ersten Tage an, hinter ihrer kleinen Freundin in den Schatte» getreten war. Er war ganz zum Bewußtsein seiner Empfindungen gelangt, als er das Verhältnis zwischen Dora »nd Erich zu erkennen glaubt«. Damit war ihm in demselben Augenblicke die Bahn versperrt. ES war «in schrecklicher Z stand. Unter anderen Umständen wäre es ihm nicht schwer gefallen, seinen Wunsch, mit Dora zusammenzukommen, zur Erfüllung zu bringen. Der Vorwand, den alten Dernburg in einer wichtigen Sach« um Rat anzugehen, war ja leicht gesunden. Was zögerie er also noch, seine Zelte hier abzu brechen? War eS denn überhaupt denkbar, daß zwischen den beiden, di« von Jugend auf unzertrennlich waren, sich nicht eine tiefere Herzensneigung entwickelt haben sollte? Klammerte er sich wirklich an die Worte seines Freundes Adam, daß solche Zugendfreundschaften nicht immer zur Ehe führen? In seiner Unruhe ließ er sich den Selbstfahrer an spannen und fuhr nach Mostolten Tie Abgebrannten schafften schon rüstig an dem Aufbau ihrer Häuser. Sie hatten sich an der Arbeits stätte Bretterbuden «ufgeschlagen, in denen sie mik Moisenouflo,«« kür Rotationsdruck. Avise Abriß- «ud Geschäfts» «arte» BriefkSvfe, vriefleiften veftelliettel Broschüren, Billett Deklarationen LanksagungS- und Gillladungsbrief« Einlaßkarte« Etikette» aller Art Fikturrn, Flugblätter Farmnlare in bin. Sorte« Frachtbriefe Gcbr»«chS,n»eis»«sen Frr»be«rettel Haus» »nb FabrN» Vrdllvnge« GebartSaaieigen vochsettSei»lab«n,e« »Zeitungen ««v »Gedichte üaftenfchilder KofteumtschU« Kataloge, K««ttalt» So»tobücher Lohnlisten, «ahnbrirse Mitteilung««, Memtt Musterbücher, Notas Vlakate Programm« PreiSkura«t« Postkarte«, Quitt»««« Rabattmarke« A^hunsge« Speise«- und Weinkarten Statute«, Tamlarte» Stimm-, Theater- «ud Saihrttel Visite»» und VettobnugSIart«« Wechsel, Serie Zirkulare, ZeugniS« w. re. rr. MttNk IllzelllM — Amtsblatt — Fernsprechstelle Nr. 20. Telegramm-Adresse: Tageblatt Riesa. Die vuchdruckerei von Lanzer kMnterliek Langer und H. Schmtdy MIS8K Goethestratze Nr. öS hält sich zur Anfertigung nach» - stehenderDrucksachrnbeifauberer Ausführung und billigster Preis stellung besten» empfohlen. M«ib und K.nd hausten. Dos milde Wetter kam ihnen zu Hülfe. Als er langsam die Torfstraße hinauffuhr, kam ihm Tora entgegen. Sie hatte ein paar Neine Tage löhnerkinder, die sich im Hemd auf der Straße um- hertricben, arretiert und führte die sich heftig Sträu benden mit sich fort. Als sie den Assessor erkannte, blieb sie stehen und rief ihm zu: „Mit der kleinen Bande habe ich meine liebe Not. Es ist ein schlimmer Gast hier ein gekehrt: Masern und Scharlach zu gleicher Zeit. Es ist gut, daß ich Sie treffe, Herr Assessor, Sie müssen hier eingreifen. Einen Augenblick, ich bin gleich wieder hier!" Sie zog die Kinder mit sich fort und brachte sie in die Bretterbude zurück, aus der sie in ihrem leichten Kostüm entsprungen waren. Ter Assessor warf die > Leine dem Kutscher zu und stieg vom Wagen. Dora reichte ihm zur Begrüßung die Hand mit kräftigem ' Griffe. „Es ist gut, daß Sie kommen, Herr Assessor. Ich wollte Sie schon auf Ihrem Bureau überfallen, um Klage zu führen." Ter Assessor verbeugt« sich mit verbindlichem Lächeln. „Mein Einfluß steht Ihnen zur Verfügung, mein Fräulein." „Ich habe auch nichts anderes erwartet." „Woran liegt es denn?" „An allem und jedem. Bei Ihnen auf dem Amte mutz ein UmstandskommlssariuS sitzen. Es ist so viel ringegrngen, und es wird nur tropfenweise verteilt. Nachher, wenn die Männer wieder zur Arbeit gehen, brauchen sie keine Unterstützung. Im Gegenteil! Dann wäre eS falsch, sie zu füttern. Jetzt, wo sie bauen und nichts verdienen, müssen sie ihre Kinder betteln schicken, um ein Stück Brot im Haus« zu haben." „TaS ist ja unerhört!" „Ar, es ist wirklich unerhört, Herr Assessor". Leiser fügte sie hinzu, während sie die Torfstraß« entlang schritten: „Ich möchte manchmal «ingreifen, wo «S not tut, ober . . ." Sie sah ihren Begleiter prüfend von der Seite vn. „Na, Ihnen kann ich eS ja offen sagen: Bei uns ist es nicht so dick. Dec Vater hat nicht gerade Sorgen, aber er muß sich doch sehr einrichten und ost sogar einschrärtten, um nicht Schulden zu machen. Ich habe ihm ja trotzdem einige Blaue abgezwackt; Loch nun bin ich am Ende, und es ist so schrecklich, mit leeren Händen zu kommen. Ta ist «ine Familie. Der Mann hat die Arbeit am Haus« aufgeben müssen und geht in den Wald Holz schlagen, um wenigstens rin paar Pfennige für den notwendigsten Unterhalt zu verdienen. Tie Kinder liegen in einer Holzbud« an den Masern krank, und die Mutter hält sich nur müh sam aus den Füßen. Ich weiß nicht, ob Sie mich ver stehen; es ist auch nichr nötig." „Wollen Cie mich «icht nach der Familie hinsühren, gnädiges Fräulein?" „Aber nennen S.e mich bloß nicht „gnädiges Fräulein ! Sogen Die Fräulein Dora, oder wie Sie wollen." „Wie Sie Wünschen, mein verehrtes Fräulein Dora." „Lehen Sie, das klmgt schon ganz anders. Und nun kommen Sie!" Nach einigen Schritten blieb säe stehen. „Nicht wahr. Sie ftnd mir nicht böse, daß ich Ihre Kasse in Anspruch nehme? Ich wußte tatsächlich nicht mehr wohin. ,Tem Onkel Braun hab« ich auch schon die Taumschrauben angesetzt. Na, viel war «s nicht." „Herr von Braun wird Ihnen doch sicherlich gern geholfen haben." Tora nickte einigemal belustigt. „Kennen Sie die schöne Phrase, die in jedem Kochbuch alle Rezepte ein leitet? „Man nehme, wen« man hat"'." „Sie wollen doch damit nicht andeuten .. „Ich brauche nichts anzudeuten. Ich kann zu Ihne« doch offen sprechen mro wundere mich eigentlich, daß Sie es noch nicht wissen: Ter Onvel Braun hat fast noch mehr zu kratzen als wir. Er ist in seiner Jugend ettvas sehr Lebemann gewesen, und da er jung in den Besitz des Gutes kam, ließ er getrost ein Hypotheken nach dem andern eintragen, bis es nicht mehr ging und er die schöne Uniform ausziehen mußte, um auf der väterlichen Scholle ein weniger amüsantes als arbeitsreiches Leben anzufangen. Er Lat es noch mal geschafft, aber glänzend steht «er nicht. Tie Remonte- zucht hält ihn in der Hauptsache." „Tann wird Erich womöglich nicht das Gut über nehmen?' „Er scheint nicht viel Lust dazu zu haben, aber der Bien muß: Tas wäre ja noch schöner, solch «inen alten Familiensitz in fremde Hände übergehen zu lassen! Uebrigens, was macht der Schlingel? Er hat sich schon einige Ewig,eit nicht sehen lassen." „Er ist munter w»e immer und arbeitet fleißig." „TaS ist seme beste Eigenschaft, der eiserne Fleiß." „Ich glaube, er hat noch eine ganze Reihe ebenso guter Eigenschaft««, di« sich in dem Ausdrucke zusammen- sassen las,en: ein guter, liebenswerter Mensch." „Zugegeben! Bloß eins vergessen Sie: er ist zu Nein." Tie ernsthafte Miene und die wegwerfende Hano- bewegung, mit der Lora ihr« letzten Worte begleitete, reizten dm Assessor, das angeschlagene Thema weiter- zusühren. „Tas hat wohl noch niemand gesagt außer Ihne»." ,.Tie anderen Menschen haben ihn auch nur nach dem zu beurteilen, w»S er leistet. Für mich" — Sie wurde rot uud brach unvermittelt ab. Nach einer kleine«« Wette setzte sie leiser Hinz«: „Es ist nur «nein Privaturteil, das niemand augeht." Gemeinsam besuchten sie nun eiue Anzahl Bretter bude«. Tie Freude, mit der seine Begleiterin überall begrüßt wuroe, zeigt« dem Assessor, daß diese hier als hülssbereitcr Engel betrachtet wurde, obwohl sie nicht planlos und ohne Wahl ihre Gaben ausgeteilt hatte. Da- sah er an der Art, wie sie hier und dort oen Frauen und auch den Mämwrn Strafpredigten hielt. Sie konnte daL« so ernst aussehe«, daß der schelmische Grundzug ihres Wesenv völlig verschwand. Ter Assessor hatte daraus bestanden, sie nach Hause zu fahren. Als sie auf den Wagen stiegen, nahm Tora ihm d«e Zügel aus der Hand. Ohne sichtbare An- prengung hielt sie die Pferde, die ihren Kraftüberschuß auszutoben suchten, im Zaume. „Sie verderben die Pserde, Herr Assessor, wenn Sie sie tagelang im Stalle stehen lassen. Haben Sie denn schon den ganzen Kreis abgeklappert?" „Zum größten Teile, den Rest will ich mir schenken." „Li, weshalb denn?" „Ich habe die Absicht, mich nicht um bas Amt zu bewerben, sondern noch vor der Wahl meine Versetzung zu beantragen." An einem starken Rucke des Wagens merkte er, daß Tora die Pserde mit kräftigem Griff« verhalten hatte. ,Haben Sie das im Ernst gesagt, Herr Assessor, oder soll das nur ein schlechter Scherz sein?" „Es ist mein fester Vorsatz. Gr hängt allerdings noch von einem Umstand ab, über den ich mich nicht zu Ihnen auslassen kann." Dora nickte. „Ich verstehe Sie, lieber Herr Assessor. Ich weitz mehr, als Sie glauben. Ich fühle Ihnen nach, daß es für Sie peinlich sein müßte, hier zu bleiben." Mit einem Mal« platzte sie heftig los. „Ich ver steh« die Walküre nicht! Entschuldige Sie den Aus druck" —i sie deutete mit leichter Neigung des Kopfe-