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2. Beilage Mittwoch, LS. Januar 1908. Leipziger Tageblatt. Nr. 14. 102. Jahrgang. Deutscher Reichstag. 78. (2 Berlin, 14. Januar. (Prtvalkelegramm.) Am BundesriUSt rsche: v. Bethmann-Hollweg, Reichsbank- Präsident Haven stet». Bon de» Sozialdemokraten ist eine Interpellation eingebracht betreffend die Erklärung deS Reichskanzlers übn: das Reichstagswahlrecht im preußischen Äbgeord- netenhause und die Konsignierung des Militärs wegen der Slraßendemonstratronen am letzten SonntaH. Die Vorlegung der An- frage, ob der Kanzler diese Konsignierung billigt, wird von der Rechten mit Gelächter ausgenommen. Die Interpellation Kauitz. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Interpellation des oeursch-konservativen Abgeordneten Grasen Kanitz und Genossen: Die llnterzeichneten erlauben sich, an den Reichskanzler folgende Anfrage HU richten: „Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, nm den Unzuträglich- leiten zu begegnen, welche die jetzige Höhe des Bankdiskonts ergeben hat'?" Die Interpellation datiert bereits vom 22. November 1907. Auf eine Anfrage des Präsidenten erklärt sich Staatssekretär v. Bcth- mann-Hollweg zur sofortigen Beantwortung bereit. Abg. Graf Kanitz (Kons.): Der Termin zur Beantwortung der Interpellation scheint recht glücklich gewählt zu siin, da gestern der Dis kont um 1 Prozent herabgesetzt worden ist (Hört, hört!), aber deshalb ist die Interpellation doch noch nicht gegenstandslos geworden. Tie Lage des Geldmarktes ist immer noch sehr gespannt, da 6K, Prozent ein Dis kont ist, der den Durchschnitt der früheren Jahre weit übertrifft. Dem bisherigen Reichsbankpräsidenlen Koch zolle ich für seine in 2ljähriger Amtsdauer geleisteten ausgezeichneten Dienste volle Anerkennung. tBraoo!) Seine ungewöhnliche Arbeitskraft, mit der er diesem großen Institute Vorstand, wird unvergessen sein. (Bravo!) Der gegen- wärtigen Misere Haftel «in internationaler Charakter an. Hand in Hand hiermit gehen die Anzeichen eines industriellen Rückschlages. Namentlich zeigt die Eisenindustrie eine erhebliche Abnahme der Aus träge, die von der Produttionseinschränkung und einer^ größeren Arbeiterentlassung gefolgert wird. Ebenso ist es mit dem Stahlwerks- verband. Der Geldmarkt leidet natürlich auch darunter; daS beweist der bedauerliche Tiefstand der Reichs- und Staatsanleihen. Auf dem >'-vo» shekenmaril sieht es jebr traurig aus. Die Mieten steigen; die Zahl der Subhastationen ist noch niemals so hoch gewesen, als jetzt. Dazu kommt die Verteuerung des Wechselkredits. Die schwere Krisis, wie im Oktober und November, ist aber von niemand vorauszusehen gewesen. Der An stoß ist'von Amerika ausgegangen, die Gründe kennt man aber noch nicht. Vielleicht ist die Krisis durch Roosevelts Drohung eingetreten, gegen die Trusts Vorgehen zu wollen. Aus Deutschland sind nn No vember 567 Doppelzentner Gold im Werte von 158 Millionen nach Eng- and resp. direkt nach Amerika exportiert worden. Der Reichsbank sind ln der ersten Novcmberwochc stlkh Millionen Gold entnommen worden, dadurch ist der bobc Diskont bedingt worden. Dabei beziehen wir süe 500 Millionen Waren mehr aus Amerika, als wir dorthin ausfnbren. Bei dem Erdbeben in San Francisco sind von den deutschen Versiche rungsgesellschaften über 3Ü0 Millionen nach Amerika gezahlt worden. Die deutschen Gesellschaften sind dabei kolossal anständig ge wesen, eine rechtliche Verpflichtung bestand für sie nicht. Da in Deutsch, land solche Katastrophen nicht vorkommen, so besteht auch hierin keines wegs ein Ausgleich des Geldmarktes. Ten neuen ReichSbankprasidenten bitte ich, in dem Wochenbericht den Goldbestand der Reichsbank erkenn bar zu machen. Die heutige Krisis ist nur ein Kamps nms Gold. . Daher sollten wir der Rcichsbank die gesetzliche Befugnis erteilen, Vyre Zahlungen im größeren Umfange als bisher in Silber zu machen. Das trifft namentlich für den Wechsel- und Lombardverkehr usw. zu. Die Bank von Frankreich isi schon dazu ermächtigt für ihren Notenvcrkchr, und dabei wird man die französischen Noten überall los. Der Reichs- bank sollt« eingeräumt werden, ein anderes Spatium «inzuführen und statt bis 20 .E bis 2000 Silberzahlungen vorzunehmen. Damit ver bunden ist die Forderung rach einer erheblichen Vermehrung der Retchssilbcrmünzcn. Dankbar begrüße ich die vom Staatssekretär augeordnete Enquete über das Bankwefeu, möge sie auch für untere Goidlivl nützlich sein. Wir dürfen nicht zulasten, daß das ganze Land in Mitleldenschast gezogen wird. Ziehen wir um unfern Goldfchatz eine silberne Mauer, die ist besser als die Papierwaud. (Sehr gut!) Mtt halber Arbeit und Halden Maßregeln ist nichts geholfen. (Lebhaftes Bravo! rechts, Lachen links.) Staatssekretär v. Belhmallll-Hollweg: Bereits bei der ersten Lesung des Etats habe ich Gelegenheit gehabt, die Ursachen der gegen- wärngen Schwierigkeiten des Geldmarktes kurz zu erörtern. Tic an Zahl und Umlang gewachstnen industriellen und lomincrziellen Unter- aehuluilgen und die weit über die Zunahme der VeoolkerungSjifser hin- aus gesteigerte Intensität des Güteraustausches haben eine auuerordent- liche Nachträge nach Kapital und Geld gezeitigt, deren Befriedigung zu oer autzerordentlichen Erhöhung deS Leihpreises für Geld cingeführt hat. Wenn gestern der ReichSbanldislont um 1 Prozent herabgeietzt wvroeu ist, so war dies möglich, weil die noch bei Jahresschluß andauernde starke Spannung des Status der Reichsbank in den elften sieden Tagen des laufenden Monats merklich nachgelassen hüt, und weil auch die inler- nationale Spannung eine derartige Adichwächung erfahren hatte, daß London, Wien und Paris ganz kürzlich eine Ermäßigung ver Bankrate vornehmen konnten. Daß dieses Moment gerade gestern cintreten würde, hat niemand voraussehen können, und die Annahme, als habe der Reichs kanzler, auf den Eintritt derartiger Ereignisse ipcluliercnd, gebeten, die Besprechung erst honte beantworten zu tollen, ist durchaus irrtüm lich. Wenn der deutsche Volkskörper von außen und innen den heran- ürangendei' Strömungen gegenüber fest jtandgehalten hat, wenn er trotz der Anforderungen denen er sich gegenüber ;ah und denen er sich auch heute noch gegenüber sieht, zu keinerlei Beunruhigung Veranlassung gibt, wenn im Gegenteil das deutsche Wirtschaftsleben in seiner Ge- lamrheit heute als gesund zu bezeichnen ist, >o haben zweifellos die Grundlagen unseres Münz- und Banksystems wesentlich zu dieser Gesunderhaltung beigetragen. Es gereicht mir zur besonderen Befriedigung, dies gerade im gegenwärtigen Augenblick teslstellen zu können, in dem der lang jährige und bewährte Präsident der Reichsbank von seinem verantwortungsvollen Posten zurückgetreten ist. Ich danke dem Grafen Kanitz für die warmen und freien Worte der Anerkennung, die auch er dem Reichsbankpräsidenten Koch gewidmet hat. Das Fest halten an den Grundpfeilern unserer Münz- und Bankverfassung hindert aber nicht, in Erörterung darüber einzutreten, ob bei voller Aufrecht erhaltung der Goldwährung etwa nach der einen oder anderen Richtung hin bessere Maßnahmen ergriffen werden können. Zur Erörterung in diesem Rahmen soll die für die nächsten Monate in Aussicht ge nommene, von mir bereits früher anaekündigte Vernehmung von Sach verständigen Gelegenheit bieten. Die Reichsverwaltung wird «S sich an- gelegen sein lassen, die Reformen möglichst bald ins Werk zn setzen. (Bravo!) Dadurch wird es möglich sein, den Umfang der Enquete ent- lprechend einzuengen. Die Novelle »um Münzgesetz, die dem Bundesrat demnächst zugehen wird, um sie womöglich noch im Laufe der aegenwärtsaen Session zu verabschieden, ist bereits vorbereitet. <sie wird die Ermächtigung zu einer dem gesteigerten Bedürfnis und der Zunahme der Bevölkerung nachkommenden Vermehrung der ^»ilbermünzen enthalten. (Bravo!) Daß die Erhöhung des Be trages der Silbermünzen mit der Goldwährung sehr wohl vereinbar ist, zeigt das Beispiel der uns benachbarten Goldwährungsländcr. Ob im Zmammenhang mit der Verlängerung des Reichsbankprivilegs über den 1. Januar 1911 hinaus eine Erhöhung deS Grundkapitals und eine dem vermehrten Geldumlauf und der Bevölkerungszunabme ent. wrechende Erhöhung des steuerfreien NotenkontingentS der Reichsbank angezeigt ist, soll Gegenstand der Untersuchung sein. Tas gleiche gilt von der Erweiterung der Befugnis der Reichsbank zur Ausgabe von kleinen Banknoten nach Maßgabe des Verkehrsbedürfnisses für di« Ver stärkung der ständigen zinslosen Guthaben aus dem Reichsbank-Giro konto, schließlich für die Erweiterung und Vertiefung des Äbrechnungs- und UeberweisungsverkehrS. Die Verabschiedung des dem Reichstage bereits zugegangenen Entwurfs eines Scheckgeldes wird Gelegenheit geben, dem Ankauf inländischer Schecks durch die Reichsbank näherzutretcn. Aber auch für die Besprechung allgemeiner Fragen, für die Förderung des Goldbezuges auS dem AuSlande, für die Verstärkung des Goldschatzes der Rcichsbank auS dem inländischen Ver kehr und im Zusammenhang hiermit die Goldprämiensrage wird die Enquete Raum bieten. Ferner wird die Frage der Begebung von Schatzanweisungen durch das Reich in Verbindung mit einer Ver stärkung der Betriebsmittel der Neichshauptkasse, endlich die Frage des Tcpositenwcsens Gegenstand der Erörterung sein können. Ich habe mir erlaubt, den Nahmen der angekündiaten Enquete zn skizzieren. Weitere Tarleaunaen zu dem vorliegenden Gegenstand darf ich dem Präsidenten des Rcichs- bankdirektoriumS Vorbehalten. Ich meinerseits halte mich für be rechtigt, nochmals besonders hervorzuhebcn, daß die Durchführung deS von mir umschriebenen Planes die Fundamente unserer Münz- und Bankverfassung nicht nur erhalten, sondern kräftigen soll, und damit, wie ich hoffe, zur Entfaltung und werteren Entwicklung un seres wirtschaftlichen Lebens förderlich beitragen soll. (Lebhaftes Bravo') Auf Antrag v. Normann, der vom ganzen Hause unterstützt wird, tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein. Abg. Weber (Nalt.): Auch ich möchte an die Spitze meiner Aus führungen den Ausdruck der Anerkennung für die großen Ver dienste des bisherigen Reichsdankpräsidenten Koch stellen. Die Ausführungen des Grafen Kanitz haben einen inneren Widerspruch aufgewiesen. Von einer schweren wirtschaftlichen Krisis können wir doch in Deutschland heule nicht eigentlich sprechen; die vor handene Krisis beruht wesentlich aiss der Lage des internationalen Geld- Marktes. Ter ungeheure Kapitalbedarf Amerikas hat diese Schwierig keit sehr verschärft. Die Schlußfolgerung des Grafen Kanitz, die er bezüglich unseres Verhältnisses zu Amerika zog, kann ich als richtig nicht anerkennen. Allein der Wert dessen, waS die beiden Schiffahrts gesellschaften leisten, ist schon genügend, manche Differenz zum großen Teile anSzuqlcichen. Die Goldaus'uhr, die übrigens bis Ende 1906 sehr wesentlich durch die Goldeinfuhr überwogen wurde, beruht doch entschieden auf legitimem Handel deS Deutschen Reich«- mit dem Aus land, nicht auf Spekulation. Würden wir eine Prämie einführen, so würden wir auch eine Erschwerung der Valuta gegenüber dem AuSlande heübeiführen. Ware schon eine Goldprämie eingeführt gewesen, so hätte in den letzten Zeiten sich die Goldausfuhr für uns noch viel ungünstiger gestaltet, auch wenn jene nur einen Pfennig betragen hätte. Es ist Aufgabe der Regierung, darüber nachzudenken. in welcher Weise un'crem Handel die Möglichkeit geboten wird, in der Ausfuhr mit England und Amerika ihm bessere Chancen zu geben als bisher. DaS ist viel wich tiger als alle vorgcschriebenen Mittel zur Hebung des Goldschatzes. Ich gebe zu, daß sich an der Organisation der Reichsbank nichts ändern läßt; daß aber Frankreich uns darin voraus ist, daß seine Fünffrankstücke als Zahlungsmittel gelten, möchte ich bestreiten. Wie Bamberger, bin auch ich kein Freund eines steuerfreien Notenlontingcnts, und ich hätte nicksts dagegen, wenn das Baukgosetz wieder geändert würde. Die Verstaatlichung der Reichsbank aber würde gerade in kritischen Fällen außerordentlich bedenklich sein. Die Kapitalerhöhung der Rcichsbank hat keine mildernde Entwickelung aut den Bankdiskont geübt. Kanitz hat unter verblümter Zustimmung des Staatssekretärs die Mehrausgabe von Silber gefordert. Der Taler ist ein alteS, liebes Stück des deutschen Volkes. Ich glaube aber, eS wird auch ohne diesen Taler auskommen; statt 20 will mau 1000 .>( Silber ZablungSkraft geben. Ich weiß nun aber nicht, wie eine solche Maßregel irgendwelchen Einfluß auf den Diskont und auf unsere Be ziehungen zum Ausland« haben soll. Zwingt man daß Publikum, zum Schaden deS Goldes Silber zu nehmen, so wird auch vielleicht der Fall eintreten, daß besonders bei kleinen Hvpotyeken die Goldklausel wieder ausgenommen wird; daß möchte ich insbesondere auch der Landwirtschaft ins Gedächtnis zurüctrusen; auch das Ausland würde dann vielleicht wieder die Goldvaluta vorschreiben. Außerordentlich wünschenswert wäre, wenn beim Giroverkehr etwas größere Passivitäten als bisher bei der Reichsbank zugelassen werden. Auch der Kleinverkehr sollte dem Giroverkehr mit der Reichsbank eröffnet werden. Das deutsche Volk muß sich, auch in seinen Arbeilcrkreiscn, daran gewöhnen, nicht imm«r mit barem Gelbe, sondern mit kleinen Noten zu operieren; bei der nötigen Aufklärung werden die Arbeiter jedenfalls in der Lage sein, den Wünschen der Allgemeinheit entgegenznkommen. Der Tiefstand der deutschen Anleih, »st eine sehr ernste und wichtige Sache. Sehr lebhaft müssen wir be dauern, daß die Reichs, und Staatsanleihen einen Tiefstand erreicht haben, ganz außerhalb deS Verhältnisses zu dem Kredit, den Deutschland im Auslände genießt. Gerade die Defizitwirtscbaft im Deutschen Reiche hat nicht bloß ans den Kurs, sondern auch auf den Diskontsatz der Reichs- bank eingewirkt. (Zustimmung links) DaS Reich muß sich bei der Zablung an den Scbatzsekretär wenden oder in Schatzanweisungen Schuldscheine ausgebsn. Kommen diese in großen Betragen an di« Börse, so muß der Geldmarkt stets ständig beunruhigt sein. WaS die Notwendigkeit eines eigenen Betriebsfonds für das Reich betrifft, würde ich es mit höchster Freude begrüßen, wenn hier ein Ausweg durch die Bankenquetekommission gesunden würde. Wir würden dann in eine ruhigere und stabilere Geldwirtschaft auch an unserer Börse kommen. Wir müssen dahin kommen, Neberschüsse der Etats dem Reich als Be triebsfonds zuzuwenden. Das klingt ja einstweilen noch komisch (Heiter keit), aber cs muß endlich dahin kommen. Mit der bisherigen Anleihen. Wirtschaft muß gebrochen, der Widerstand cinzelstantlicher Finanzminister gegen gewisse neue Steuern schließlich überwunden weiden. Ich hofft, daß eS der Enauctekammission gelingen wird, gesetzgeberische Maßnahmen vorznschlagcn, die wirksam verhindern, daß künftig ein so hoher Bank diskont das Zeichen der Gesundheit des betreffenden Staates ist. (Heiter keit rechts, Beifall links.) Reichsbankpräsident Havenstein gedenkt zunächst seines AmtSvor- gängers, der durch sein «in Menschenalter langes Schaffen in der Reichsbank sich große Verdienste erworben habe und bittet sodann um Nachsicht, wenn er bei dieser Debatte im wesentlichen sich auf allgemeine Ausführungen beschränke, da er «rst vor drei Tagen sein Amt über nommen habe. Er teile die Uebrrzeuaung, daß der Zinssatz, wie er im Laufe der letzten Jahre sich entwickelt habe, tatsächlich «in« schwere Belastung deS Wirtschaftslebens ist. Mit Graf Kanitz könne er nicht darin nbereinstimmen, daß unser« Diskontfrage im wesentlichen eine solche des Geldumlaufes sei und daß der ent scheidende Grund für die Erhöhung der Bankrate in der Regel im Gold- export liege. Er teile auch nicht die Meinung, daß eine einfache Er- Höhung unserer Umlaussmittel ohne weiteres zu einem niedrigeren Dis kontsatz führen würde. Im wesentlichen sei der Bankdiskont vielmehr das Ergebnis der Volkswirtschaft im Zusammenhänge mit dem inler- naktionalen Geldmarkt. Die Zcntralnotenbank könne deshalb nicht allein einen entscheidenden Eins.'nß auf d?n Diskont ausüben. Die Geldverteuernng macht sich schon seit Jahren fühlbar. Ter Diskont steige und falle konseouent, parallel mit dem Aufsteigen und dem Fallen der Konjunktur. Diese Beobachtung könne man in allen Kulturländern machen. Deutschland sei nun «ine« derjenigen Länder, die in der aller- lebendigsten wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung begriffen seien. Dazu komme die fortgesetzte Steigerung der Bevölkerung um rund 1 Million Köpfe im Jahr. Unter solchen Umständen hätte der Zinsfuß rettunaslvS fortgesetzt steigen müssen, zumal bei der Hochkonjunktur und dem Abfluß von Kapital inS Ausland. Unter diesen Umstünden habe di« Zentral notenbank ihren Diskont nicht künstlich unter dem Zinsfuß des Geld Marktes halten können. Trotz dieser ungünstigen Tiskontverhältnisse müsse man daS wirtschaftliche Leben im großen und ganzen als günstig betrachten. Die Industrie entwickele sich in gesunden Bahnen, auch die Landwirtschaft sei erstarkt. Nicht die Tätigkeit der Reichsbank allein, son dern das Zusammenwirken aller Kreise oer Bevölkerung könne bessere Diskontverhältnisse herbeiführen. Notwendig sei Maßhalten und Spar- samkeit auf allen Gebieten, die Einschränkung der Ansprüche an den Geldmarkt seitens unserer öffentlichen Korporationen bis zu den einzelnen Gemeinden herunter. (Hört, hört' rechts.) ES würde außerordentlich wohltätig wirken, wenn die Kommunen ihre Anleihen auf das absolut Notwendige beschränkten und auf eine günstigere Zeit hinausschöben. (Zustimmung rechts.) Bereits 1903, also noch vor der Hochkonjunktur, seien jährlich etwa 2 Milliarden Kapital in Bauten investier! gewcicn, ebensoviel seien in Emissionen fesrgelegt. Ter Gold abfluß sei durch die Verhältnisse in Amerika in der Hauptsache bedingt. Amerika habe versucht, unter allen Umständen Gold auS Europa zu ziehen. Unter normalen Verhältnissen ftl der Goldabsluß noch nicht be denklich, aber bei einer solch stürmischen Nachfrage, wie sie in der letzten Zeit von Amerika erfolgt sei, sei ein vollständiger Goldhunger einac- treten. Ob sich künftig ein solcher amerikanischer Ansturm an unser Gold wiederholten werde, sei doch wohl zweifelhaft. Aus die vom Graftn Kanitz berührte Frage der französischen Goldprämien wolle er bei der Kompliziertheit der ganzen Angelegenheit nicht eingeheu. (Die letzten Ausführungen des Redners bleiben auf der Tribüne vollständig uu>?c>- stündlich.) Abg. Kämpf (Frs. Vpt.): WaS ist eS anders, als die Wiederaufnahme des Bimetallismus, wenn Graf Kanitz verlangt, daß jedermann verpflichtet wird, bis zu 1000 .<t in Silber in Zahlung zu nehmen. Für das Verdienst, dem An sturm der Bimetallistcn standgehalten zu haben, zollen wir dem bis herigen Reichsbankpräsidenlen allergrößten Dank. (Lebhaftes Bravo links.) Auch in den Ländern der Silberwährung können derartige Krisen auSbrecbcn, wie wir sie als Goldlanb leider haben. Ein Land wie Deutschland, das Schulden hat, und diese in Gold bezahlen muß. kann an seinem Goldkrcdit nicht rütteln lassen, wenn es nicht der ganzen Volkswirtschaft schaden soll. Die MehrauSprägung von Silber münzen ist nicht Frage der Bankpolitik, sondern des Verkehrs. Bis 1000 in Silber annebmen zu müssen, ist praktisch undenkbar. Würden in der Rcichsbank ungeheure Silbcrbestände verbleiben, die Zustände der Währung wären weiter verschlechtert. Durch die Popularisierung dec Scheckverkehrs wäre viel an Umlaufsmitteln zu ersparen. Bevor nicht erhebliche Ersparnisse an Heer und Marine gemacht werden, eher kommen wir im Reiche nicht zu einer vernünftigen Finanzpolitik. (Sehr richtig! links und im Zentrum.) Bei der augenblicklichen planlosen Emissions politik von Preußen, Württemberg, Baden und Hamburg im Auslcgcn der Anleihen kann nicht erwartet werden, daß die Kurse jcmalS zur Ruhe kommen. Zur vernünftigen Finanzpolitik können wir nur treiben, wenn wir eine andere Wirtschaftspolitik einschlagen. Da liegt der Hund begraben! (Sehr richtig! links.) Tie Rohstoffe, die Arbeitskraft, alle Hilfsmittel des Handels, Eisenbahn und Tclephonie, alles soll verteuert werden. Wo etwas vom Verkehr zu holen ist, da werden ihm neue Lasten auf erlegt. Allein Forderungen aus dem AuSlande sind daS Mittel, Gold in das Land hineinzuzicben, (lehr richtig!), und wenn Sie sich miss den Kopf stellen, unser Export muß weit mehr erstarken und vermehrt werden. Unsere Wirtschaftspolitik muß von Grund auS geändert werden. (Lauter Beifall links, Lachen rechts.) Abg. Gamp (Npt.): Daß vom Freihandel die Gesundung unserer Finanzen nicht zu erwarien ist, zeigt England. Durch Erhöhung der Zollschranken werden unsere Schulden dem AuSlande gegenüber ver hindert und unserer Industrie geholfen. Mancherlei Aeuderungeu in der Verwaltung der Rcichsbank sind erforderlich. So ollte man die Neichsbankstellen im Lande nicht auf Tantieme stellen. Den Vorwurf können wir uns nicht ersparen, daß wir in den, letzten Dezennium inii den Reichssinauzen liederlich umgegangen sind. (Sehr richtig!) Darin, daß die Kalamität aus die amerikanische Notlage im vorigen Jahre zu- rückzusühren sei, stimme ich dem neuen Neichsoankpräsidcnten nicht bei. Diese amerikanische Geldknappheit und Goldabsluß aus Deutschland be standen schon im Iabre 1906. Wenn gesagt wird, die Reichsbank ist keine Pumpstation, weil nur Wechsel, die auf Warengeschäften beruhen, ange nommen würden, so meine ich, daß cs schwer ist, den Wechsel anzusehen, ob eS Krcdftwechsel oder andere Wechsel sind. Für die in Aussicht ge stellte Bankenquöte sind wir sehr dankbar. Da? Gesetz, daß niemand verpflichtet ist. mehr als 20 in Silber oder in Banknoten als Zahlung anznnehmen, ist nur so lange gut, als eS nicht zirr Anwendung kommt. In der Praxis ist es einfach undurchführbar. Hierauf wird die Fortsetzung der Besprechung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt. Ferner stebt aus der TcrgeSordnuno die Interpellation der Polen, betreffend die Enteignungsvorlaae, die Interpellation deS Zen- trumS, der Sozialdemokraten und der Wirtschaftlichen Vereinigung, be treffend das KnappschaftSkcissenstcttut. Schluß 6!4 Uhr. Sächsischer* Cnn-taa. Erste Kammer. 1L. öffentlich» Sitzung. ?. TreSden, 11. Januar. Präsident Gras Vitzthum von Eckitädt eröffnet die Sitzung nm 11 Mr 20 Min. bei gut besetziem Hause. Der Tlibünenbesuch ist stark. Am Regie, ungStischr: Kommissare. Die stündliche Schrift auf dar kgl. Dekret Nr. S, Verordnung betr. An stellung von Kantoren, wird genehmigt. Pnnlt 1 der Tagesordnung, Vortrag der Regislrande und Beschlüsse ans die Eingänge, erledigt sich odne Debatte. lieber Punkt 2, DcpntationSbertcht über da- Kgl. Dekret Nr. 6, Entwurj eines Gesetzes über Verwend«»,, der Jagdnnstungen erstattet nameur dcr ersten Deputation den Bericht Kanuuerderr Sahrer von Lahr-Ehrenberg und beantragt neben uuwcscut- Üchen siilisusch-rrdaklionclleir Aenoerungeu der beiden ersten Ablätze d,S ß 1, die Kammer wolle den Abs. 3 des Paragraphen 1, der deu Kern der Vorlage bildet, in folgender Fassung annebmen: Die Jagdniitznngen sind nach Abzug der ter Genossenschaft zur Lust fallenden Aufgaben unter die Nitglieder nach dem Verhültniffe de§ Flächeu- inhaltS der jagdbaren Grundstücke zu verteilen. Eine andeie Verleitung oder Verwendung dieser Nutzungen ist nur zulässig, wenn über die Abänderung selb» sowie über deren Tauer Einstimmigkeit sämtlicher Mitglieder erwiesen ist. Die Erktälung deS EigemümerS oder Nutznießers eine- zu dem Jagdbezirke gebSrendrn Grundstücks bindet den Nachfolger im Eigentum oder in der Nutz nießung auf so lange, als dieser nicht selbst dem Voruande der Jagdgenossen- schatt schriftlich angezeigt hat, daß er die Erklärung seine- RechtevorgängerS nicht genrbmige. Keiler beantragt die Deputation, die Neberschrift des Entwurf« zu ändern iu „Gesetz zur Abänderung des Gesetzes vom 1. Dezember 1864, die Ausübung der Jagd betreffend" und mit diesen Abänderungen den ganzen Entwurf an- zunekmen. Der Berichterstatter wirft, nachdem er da- Dekret verlese», zunächst einen Rückblick aus die Verhandlungen des vorige« Landtaa», der sich mit einer aus den gleichen Gegenstand bezüglichen Petition zn befassen hatte. Dem in dieicr 7s /NS Usus llirö