Volltext Seite (XML)
BezugS-Prel» für Leipzig und «ororle durch imsrrr lrüser uud Spediteure tn» Hau» gebracht : Aut- gab« t. (nur morgen«) vtertelithrltch 3 M., monaMch I M.; Aufgabe > (morgen» und abend») «ierteljährltch 4.SO M„ menalltch I SO M. Durch dt« Po» bergen 6 mal lügltch) iunerhalb Deullchlandt u der deuyqen Kolonien vierteljtbrlich 5,25 M., monatlich 1,75 «. -u»schl. Poftbeftellgeld. für Oesterreich 8 L 66 d, Ungar» 8 L vierteljihrlich. «bonnement-Annabme: Augustutplatz 8^ bet unteren Drägern, Filialen, Spediteure» und Annahmestellen lowte Postämtern nad Briefträgern. Di« eiiqelne Rümmer kostet I» Vf» «edaktion und »xpedttiorri Iohanoitgaffe 8. Delephon Rr. I4SS2, Rr. 14683, Rr. 14894. lvrrltner »edaktto»« B«rrau: Berlin dUV. 7, Prinz Loui» Ferdinand- Ktrahe 1. Delephon I, Rr. 9275. Nr. 207. Morgen-Ausgabe 8. MipMerTUMM HandelszeUung. Ämtsvlatt Oes Rates und des Nolizeianües der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis für Inserate au» Leipzig und Umgebung die «gespaltene Petit,eile 25 Pi., stnanzielle ÄNMgen 30 Ps., Reklamen 1 M.; don au-wärt» 30 Pf., Reklamen 1.20 M-: vomAutland SOPf., finan,. Anzeigen 75 Pf.. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behärden im amtlichen Teil 40Pf Bcllagegebübr 5 M. p. Lausend exN. Post gebühr. «elchästlanzeigen an bcoorzugter stelle im Preise erhitzt. Rabatt nach Laris. Festerteilte Lusträge kbnnen nicht zurück- aeeogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Dagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustutplah 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt - Filiale Berlin: Earl Duncke-, Herzogl. Bahr. Hvfbuch- handlung, Lützowstrabe 10. (Delephon VI, Rr. 4603). Sonntag 28. Juli 1907. 101. Jahrgang. Da» wichtigste vorn Tage. * Der Kaiser weilte gestern in Bergen. (S. Dischs. R.) * Der Oberstaatsanwalt des mexikanischen Staates Puebla ist wegen unbefriedigender Führung eines Prozesses von seinem Amte entsetzt. Es handelte sich um denTotschlag. der an dem deutschen Konsul von Oaxaca verübt wurde. (S. Dtschs. R.) * Die württembergische Zweite Kammer hat die Etat gesetze einstimmig angenommen. sS. Dtschs. R.) * Prinzessin Heinrich von Battenberg vollzog gestern beim Stapel lauf des neuen englischen Linienschiffes „Belle- rophon" in Portsmouth die Taufe. * Die neuen Krankenan st alten in Düsseldorf hat gestern Kultusminister Dr. Holle mit einer Ansprache feierlich eröffnet. lS. Neues a. a. W.j ZU IN Wahlaefetz-Gntrvuvf. Von sehr geschätzter Seite ist uns folgende Besprechung des neuen Wahlgesetzes zugegangen, welche wir hierdurch wiedergeben. Wir be merken im voraus, daß die Ausführungen des Herrn Einsenders sich, abgesehen von den Schlußsätzen, mit dem Standpunkt decken, den das Leipziger Tageblatt seit der Bekanntgabe des Gesetzentwurfes wieder holt geäußert hat. Um die Tragweite der Neuerung, daß 40 Abgeordnete durch die Kommunalverbände gewählt werden sollen, zu ermessen, muß man sich zunächst vergegenwärtigen, wie sich die Wahlkörper dieser Verbände zu- sammensetzen. Dabei ist zwischen den kreisfreien Städten (Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Plauen) und den BezirkSverbänden zu unterscheiden. In den exemten Städten soll daS Natskollegium mit dem Stadtverordnetenkollegium zusammen den Wahlkörper bilden. Die Stadtverordnetenwahlrechte können je nach den Ortsgesetzen verschieden sein (§8 39 ff. der rev. St.-O.) und sind es auch; so hat Leipzig ein Drei klassenwahlrecht, Chemnitz ein berufsständisches Wahlrecht. Die Rats mitglieder werden von den Stadtverordneten gewählt. Tie Stadtver- vrdnetenversammlungen können also nach verschiedenen Grundsätzen ge bildet sein. Da aber 8 40 der rev. St.-O. vorschreibt, daß die Hälfte der Stadtverordneten mit Wohnhäusern im Gemeindebezirke ansässig sein m«ß, so sind dem Einflüsse des beweglichen Kapitals und der breiten besitzlosen Bevölkerungsklasse bestimmte Grenzen gezogen. Das RatSkollegium kommt als ausschlaggebender Faktor in dem Wahlkörper nicht in Betracht. Die unbesoldeten Natsmitglieder bleiben Angehörige der Stadtverordnetenpartei, der sie vor ihrer Abordnung in den Stadt rat angehörten. Die besoldeten Ratsmitglieder können ihrer geringen Zahl wegen niemals den AuSschlag geben. Ist das Gemeinbewahlrecht verschieden gestaltet, so herrscht für die BezirkSverbände Einheitlichkeit. Hier ist das Wahlrecht für die Be zirksversammlungen in dem Landesgesetze vom 21. April 1879 geordnet. Di« Bezirksversammlung besteht danach aus mindestens 24 Mit gliedern. In Bezirken von mehr als 50 000 Einwohnern, treten für jede diese Zahl übersteigende Vollzahl von 10 000 Einwohnern drei Ab geordnete hinzu. Di« Bezirksversammlung besteht zu einem Drittel ouS Vertretern der Höchstbesteuerten, zu zwei Dritteln aus den Abge ordneten der im Bezirke gelegenen Städte und Landgemeinden. Zu den Höchstbesteuerten gehört, wer mindestens 300 .^( direkte Staats- steuer entrichtet, wozu doch neben der Einkommensteuer und Ergän- zungSsteuer auch die Grundsteuer gehört. Wenn im Gesetze vorge schrieben ist, daß dem Manne der Steuerbetrag seiner Frau angerechnet wird, so ist daS «ine Besonderheit, die im Wahlgesetze vom 28. Marz 1896 nicht wiederkehrt, die aber eine gewisse Bedeutung dort hat, wo sich die EhevertrSg« auf Gütertrennung einbürgern. Eigenartig und von Erheblichkeit ist auch, daß für juristische Personen ihre gesetzlichen Ver treter wahlberechtigt sind. Der Direktor einer Aktiengesellschaft, der Gefchäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehört also zu den Höchstbesteuerten, wenn seine Gesellschaft m«hr als 300 Mark Staatssteuern zahlt. Besitzt eine exemte Stadt im benachbarten Be- zirkSverbande Grundbesitz, so kann sie dort zu den Höchstbesteuerten ge hören. Die städtischen Abgeordneten zur Bezirksversammlung werden von den Mitgliedern deS Rats und den Stadtverordneten in gemein samer Sitzung gewählt. Die Landgemeinden werden mit den Ritter gütern, deren Besitzer nicht zu den Höchstbesteuerten gehören, zu Wahl bezirken vereinigt. In diesen Bezirken fungieren die Gemeindevor stände und Rittergutsbesitzer als Wahlmänner; für größere Gemeinden wird auf je 1000 Einwohner noch ein weiterer Wahlmann auß«r dem Gemeindevorstande entsendet. Die Zusammensetzung der Bezirksversammlungen schwankt natür lich je nach dem Charakter deS Bezirks. Ist der Bezirk industriereich, so sind darin viele industrielle Höchstbesteuerte. Jndustriedörfer schicken andre Abgeordnete als Ackerstädte. Suburbane Bezirke zeigen eine andere Zusammensetzung der Bezirksversammlung als land- und forst wirtschaftliche. Allzu groß sind die Schattierungen aber nicht. Di« Bezirksversammlungen sind im Grunde konservative Körperschaften. Fragt man nun, inwieweit die Wahlkörper des Gesetzentwurfes politisch interessiert sind, so ergibt sich folgendes: In den exemten Städten liegt dem Rate und der Stadtverordnetenversammlung eine Fülle öffentlicher Geschäfte ob, unter denen die örtlichen überwiegen, viele aber sich mit den allgemeinen LandeSinteressen verflechten. Der Kreis der Geschäfte, die der Bezirksversammlung obliegen, ist in 8 20 deS Ges. v. 21. April 1878 nur «ng gezogen; daS Schwergewicht ihrer Tätigkeit ruht in der Verwaltung deS BezirkSvermögens und der Steuer bewilligung für Bezirkszwecke, die nicht allzu belangreich sind. Eine eigentlich politische Körperschaft ist die Bezirksversammlung nicht. Ein einigermaßen geschickter AmtShauptmann wird sein« Bezirksversamm- lung bei der Wahl in der Hand haben. Die Dinge werden sich dann ähnlich gestalten wie in England, wo zu gewissen Zeiten eine beträchtliche Zahl von städtischen Wahlkreisen ihren Patron (bigb stsvnrck) hatte, der ihnen Ken Abgeordneten einfach ernannte. Der Unterschied wird nur der sein, daß in England damals der Großgrundbesitz den Einfluß übte, in Sachsen aber die Mecht in die Hände von Beamten gelegt werden soll. Eine Wahlbewegung wird nur in beschränktem Maße im Lande möglich. Die Regierung kann den Landtag auflösen, dann werden 42 Ab- geordnet« durch die direkten und geheimen Verhältniswahlen, gewiß also in einer leidlichen Wahlbewegung gewählt. Die 40 Abgeordneten der Kommunalverbände müssen aber wieder von den alten Wahl- körperschaften gewählt werden. Wollte die Regierung hier den Willen des Volkes erkunden, so müßte sie nicht nur die Bezirksversammlungen, sondern auch die Gemeindevertretungen auflösen; denn diese erst werden vom Volke gewählt; ihre Erwählten sind erst die Mitglieder der Be zirksversammlungen, und erst die Bezirksversammlung wählt die Land tagsabgeordneten. Der Weg zum Volke ist also weit, und nach dem Ge setzentwürfe nicht einmal gangbar. Wenn eine freie Wahlentschließung der Bezirlsversammlungen von der Regierung vorausgesetzt wurde, so mußte sie damit rechnen, daß im Falle einer Landtagsauflösung alle 30 amtshauptmannschaftlichen Abgeordneten wiederkehren, nicht bloß die 10 städtischen. Damit rechnet der Entwurf aber augenscheinlich nicht. Denn der AmtShauptmann ist politischer Beamter; er wird nicht sron- dieren. Rudolf von Gneist sagt in seiner sozial-historischen Studie über „Die nationale Nechtsidec von den Ständen und das preußische Drei klassenwahlsystem" (Berlin 1894), einer Schrift, die jeder lesen sollte, der mit Wahlrecht sich beschäftigt: „Die Entwickelungsgeschichte der Völker zeigt, daß der Fortschritt der Menschheit auf einer immer tiefer gehenden gegenseitigen Durchdringung des staatlichen und gesellschaftlichen Or ganismus beruht. Wenn daher eine vollständige Umbildung der gesell- schaftlichen Ordnung eintritt, bedarf es naturgemäß einer Neubildung der Gelenkbänder zwischen beiden." Zu den Gelenkbändern zwischen Staat und Gesellschaft gehört auch das Parlament. Es muß gemäß der Umbildung der Gesellschafts ordnung, die sich in den letzten Menschenaltern vollzog, umgebildet werden. Daß das Wahlgesetz vom 28. März 1896 keine Neubildung, ge schweige denn eine entsprechende Neubildung war, darüber ist kein Wort zu verlieren. Der neue Entwurf enthält Ansätze zu einer brauchbaren Neubildung. Die Wahl der Abgeordneten durch die Amtshauptlcute als llixb starvarcks muß aber schon deswegen beanstandet werden, weil die Zahl der so Gewählten zu groß wird: 30 unter 82. Das ist ein uner trägliches Verhältnis. Der dritte Teil wäre noch reichlich genug. Sollte eine Herabsetzung der Zahl unmöglich sein, so könnte man sich fragen, ob nicht das jetzt geltende Gesetz beizubehalten sei. Beim Anwachsen d«r nationalen Arbeitervereine und nach Erzielung der liberalen Einigung wird doch vielleicht in nicht allzuferner Zeit ci"e Verständigung mit der dritten Wählerklasse erzielbar sein. rteos XHI. t-iehe. Als Papst Leo XIII. in seinem Testamente die Bestimmung traf, daß sein Leichnam in der Lateranskirche beigesetzt werden solle, verkannte er zweifellos weder die symptomatische Bedeutung noch die Schwierigkeit der Ausführung der Bestimmung. Waren doch die papstfeindlichen Demonstrationen, die sich angesichts der Leiche Pius' IX. in den Straßen Roms ereignet haben, lehrreich genug gewesen! Da er sich aber auch sehr wohl innerhalb des Vatikans oder der Peterskirche begraben lassen konnte, und es einem so feinsinnigen und überlegenen Kopfe wie ihm schwerlich aus die äußere Beziehung zu seinem Schutzpatron St. Johann, die durch das Grab in S. Giovanni in Laterano gewährleistet wird, wesentlich angekommen ist, so erübrigt nur die Annahme, daß er einen politischen Zweck mit seiner Bestimmung verfolgt hat. Erstens kommt so der katholischen Menschheit erneut zum Bewußtsein, daß die „Ge fangenschaft" des Papstes erst mit seinem Tode zu Ende ist. Zweitens wird der „usurpatorischen" Regierung die Verlegenheit bereitet, in Ver- folg des Artikels 3 des Garantiegesetzes dafür sorgen zu müssen, daß man „dem Papste im Territorium des Königreichs die Ehrungen eines Souveräns und alle Ehrenvorrechte, die ihm von katholischen Souveränen zuerkannt werden", korrekt erweise. Das Interesse haftet an dem zweiten Punkte. Selbst wenn der re gierende Papst, wie es seinem Standpunkte entspräche, einen be- onderen Verzicht auf die genannten Ehrungen, die der Leiche ebenso wie >er lebendigen Person des Papstes geschuldet werden, oder in diesem Sinne eine Bitte ausspräche, wäre die italienische Regierung nicht davon befreit, die gesetzliche Verfügung zu erfüllen und alles aufzubieten, damit sich das Begräbnis des Papstes von dem eines Königs von Italien nicht unterscheide. Den Schwarzen wie den Weißen wäre das ziemlich pein lich, trotzdem keine von beiden Parteien durch das Geschehnis direkt oder indirekt ein politisch-aktuelles Bekenntnis machte oder gar eo ipso eine wesentliche Veränderung der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der italienischen Regierung herbeiführte. Peinlich, weil es wechsel seitig noch einigermaßen mißtrauische und erbitterte Menschen sind, die einander öffentlich die Aufwartung machen sollen, und weil das Volk immer noch hinter dem Zeremoniell eine aufrichtige und lebendige Seele vermutet. Immerhin würde sich ebenso die Peinlichkeit wie jedwede Unterstellung über Sinn und Tragweite des Geschehnisses von den Be teiligten vor sich selbst und der öffentlichen Meinung Hinwegdiskutieren lassen. WaS an Bedeutsamem dennoch erübrigt, ist lediglich der Umstand, daß daS Leos Testament vollstreckende Kardinalskomitee und der regie rende Papst zuerst bei Nacht und mit möglichster Heimlichkeit die Ueber- führung der Leiche vorzunehmen beschlossen Hatte, : nd nun plötzlich dazu übergegangen ist, am Tage und mit angemessenen Feierlichkeiten den „wahren" König von Rom nach seinem Tode durch die Straßen Roms zu führen. Diese Wandlung der Denkweise will erklärt und als Auf druck von Verhältnissen sestgestcllt sein. Nun ist die nächstliegende und wahrscheinlichste Erklärung die, daß der die Sache der Kirche und deS Vatikans unter den hier obwaltenden Verhältnissen schädigende Eindruck der Angst vor dem AntiklerikaliömuS, den die Heimlichkeit (.ufkommen liehe, vermieden werden soll und daß anderseits die italienische Regie- rung versichert hat, daß polizeiliche Maßnahmen zur Vermeidung von Insulten gegen die Leiche zureichend würden getroffen werden. Hiermit ist noch nicht gesagt, daß die Ueberführung (d. h. vom Aus- gang der Peterskirche bis zum Eingänge der Lateranskirche) der Leiche in Formen und unter Begleiterscheinungen zustande kommt, die die kirchenfeindlichen Scharen direkt oder indirekt provozieren. Die der Leiche von Kirche wegen zukommenden pomphaften Ehr un gen und Feierlichkeiten werden innerhalb der beiden Kirchen aufs ausgiebigste vollzogen, während auf der Straße mit einem Minimum kirchlicher Symbole und der Unterlassung von Trauermusiken, Fahncnentfaltungen oder Zeigung sonstiger Distinktive seitens der geleitenden klerikalen Seminare und Vereine erreicht wird, daß der Leiche eine Art Inkognito erhalten bleibt. Die italienische Regierung hat ja innerhalb der Peters- und Lat«ranskirche kein Anwesenheitsrecht, und außerhalb der Kirche wird ihr eben keine erpresse Gelegenheit gegeben, die Leiche des PapsteS als solche zu erkennen, so daß sie sich der Ehrenbezeugungen gemäß Artikel 3 deS Garantiegesetzes enthalten kann. Die italienische Regierung würde sich also darauf zu beschränken baberw die erforderlichen Polizeimannschaften zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung während der Ueberführung zu stellen. Da aber die verfügbaren Polizeimannschasten nicht ausreichen, um die lange Strecke von St. Peter bis zum Lateran zu decken, so muß die Regierung zu deren Unterstützung und Ergänzung Truppen stellen. Ties« Truppen haben naturnotwendig vor allem die Straße für den Leichenzug freizuhalten, mit anderem Worte Spalier zu bilden. Ob sie nun vor dem Leichenzuge das Oiewehr präsentieren oder in Verfolg des Inkognito Gewehr bei Fuß verbleiben, ist schließlich keine sonderlich er hebliche Sache, da die Königlich italienischen Truppen schon wiederholt vor Kardinälen vorschriftsmäßig das Gewehr präsentiert haben, auch vor Kardinal Giuseppe Sarto, der heute Papst Pius X. ist. Was nun den Vorgang als Ausdruck des derzeitigen Verhältnisses zwischen Vatikan und Ouirinal angeht, so gehört er in die große Reihe von Erscheinungen, die eine allmähliche, sehr langsame Annäherung der beiden aneinander anzeigen derart, daß in den Angelegenheiten des reli giösen und sozialpädagogischen Lebens von seiten der italienischen Re gierung dem Standpunkte des Vatikans Rechnung getragen wird, wäh rend der Vatikan bei den politischen Wahlen und in der Auslandspolitik den Aspirationen der italienischen Regierung und Nation zur Verwirk- lichung hilft. Von Tientsin über die Schlachtfelder -er Mantschurei. XVI. Ter Gasthof in Schahopu entsprach seinem Aeußeren und Inneren nach vollkommen dem bereits früher in Fyndiapu beschriebenen. Er war also nach deutschen Begriffen eine Scheune mit einem einzigen Raum, in dem sich der ganze Verkehr abspielte. Als wir eintraten, schlug unS ein beißender Qualm entgegen, der von den Feuerstellen herrührte, an denen die Chinesen mit ihrer Mahl zeit eifrig beschäftigt waren. Was der Duft eines Chinesentschau-tschaus (Essen) während der Zubereitung für europäische Nasen bedeutet, das läßt sich kaum schildern. Ein Brodeln von ranzigem Fett gibt im allge meinen den Grundton dieser Kochkunst; dazwischen mischen sich die Gerüche von Fischen und des so beliebten Knoblauchs, dessen Duft sich süßlich und dabei doch durchdringend auf die Geruchsnerven legt und den Magen schon dadurch zum Revoltieren reizt. Wir legten auf die eine Hälfte dieses lieblichen Raumes Beschlag und packten auf dem Kang unsere Koffer auS. Ab und zu hörte man ^en glucksenden Ton einer sich leerenden Flasche, dessen Inhalt der Be- itzer zur Beruhigung seiner Magennerven in sein Inneres hinüber- eitete. Der Qualm wurde so unerträglich, daß die Augen heftig chmerztcn. Dabei war ein dauerndes Gekreisch von kommenden und gehenden Kulis, von denen jeder wieder ein besonderes Parfüm an sich hatte. Schließlich gelang es uns, von den Wirtsleuten «inen zerlumpten Vorhang zu erlangen, den wir so drapierten, daß wir wenigstens von den Kochherden und ihren Dampfwolken unmittelbar verschont blieben. Hierdurch war auch für die Nacht eine TrennungSwand gegen die übrigen Raumbewohner gezogen, so daß wir den Kang nicht in aller nächster Nähe der Kulis zu benutzen brauchten. Hatten uns in Bianyupusa die chinesischen Hunde während der Nacht dauernd durch ihr Geheul erfreut, so schienen sich in diesem Hotel sämtliche LüS (Esel) des Ortes zu einem Ständchen vereinigt zu haben, um die fremden Teufel zu ergötzen. Dicht vor den Papierfenstern, d. h. also dicht neben den Ohren der Schläfer, erhob sich plötzlich ein Konzert dieser chinesischen Nachtigallen, das Steine erweichen konnte. Als Echo auf diese Herausforderung antwortete alsbald von der anderen Seite unseres Vorhanges ein Chinesenbaby — der Stolz und die Freude unseres Hauswirtes — in hellstem Diskant. So ging eS im Wechsel- gesang bis etwa 4 Uhr morgens. Dann erhob sich einer unserer Schläfer, um sich zum Ausbruch zu rüsten. Er hatte es unternommen, nach Mukden vorauSzufahren, um Einkäufe für unseren Unterhalt zu machen und uns ein Quartier zu suchen. Die Nacht war kalt und der Kang, auf dem wir lagen, war überheizt, so daß man beinahe pruzelte. Diese Temperaturunterschiede erhöhten die Stimmung unseres Reisegefährten nach den bereits ge habten musikalischen Genüssen auch nicht, so daß jetzt einige unter drückte Donnerwetter sich mit dem Kichern schadenfroher Gesellen mischten. Daneben konnte unser japanischer Dolmetscher, der mit nach Mukden voraus fahren sollte, augenscheinlich wieder seine Mission nicht verstehen. Auch bei dieser kleinen Sonderexpedition hatten die Teilnehmer auf der Eisenbahn dieselben Schwierigkeiten mit den japanischen Bahn beamten zu bestehen, wie wir sie schon früher erlebt hatten. Es läßt sich nicht leugnen, daß diese dauernden, übereinstimmenden Unfreund lichkeiten, an gänzlich verschiedenen Plätzen der Bahnlinie, den Eindruck eines Systems machten, daS den Fremden die Lust, sich in der Mantschurei zu bewegen, augenscheinlich nehmen sollte. Der Ritt über die Schlachtfelder bot des Interessanten überreich, lich. Die Ereignisse, die sich im Oktober 1904 hier abgespielt haben, so wie die Kämpfe im Februar 1905, die die Einleitung zur Schlacht bei Mukden bilden, müssen als bekannt vorausgesetzt werden. Tas größte Interesse beanspruchte hier das Gelände nördlich der Linie Lintsientun-Houtai und bei Schahopu, Lamutun und Linschinpu, in dem sich die heftigsten Kämpfe abgespielt haben. Hier mußte ein kaum zu entwirrendes Turcbeinander von größeren Befestigungsanlagen, Schützengräben, Drahthindernissen, Wolfsgruben und Astverhauen ge herrscht haben, wie aus den Ueberresten dieser Anlagen zu ersehen war. Auf dem Houtaiberge -um Beispiel war ein eingedeckter Beobachtung-, stand noch vollkommen intakt vorhanden. Dort, wo die Truppen im Winter in ihren Gräben biwakiert hatten, war der Boden übersät mit Konservenbüchsen. Ab und zu lagen noch einige alte Uniformfetzen und Stiefel umher. Von Schahopu kommend, ritten wir durch daS Angriffsgelände der Japaner gegen den Nowgorodhügel hinan, der sich als eine kleine, aber das Vorgelände überhöhende Kuppe darstellt. Wir verschwanden bald in tiefen Ravinen, die uns mit ihren fast senkrechten Rändern voll kommen eindeckten. Es sind dies tiefe Erdrisse, die augenscheinlich in der Negenperiode das angcsammelte Wasser dem Schaho zuführen; ihr Grund war an den tiefsten Stellen teilweise sumpfig. Sie erweiterten sich in unregelmäßigen Ausbuchtungen stellenweise derart, daß ge- schlossen« Bataillone darin gedeckt Aufstellung finden konnten. Eine größere solche Ravine zog sich auS der Gegend von Nangantsy gegen den Putilowhügel und mit einer kleinen Abzweigung gegen die Nowgorodkuppe hinan, so gegen diese Punkte einen natürlichen An näherungsweg auch für größere Truppenmassen bildend.