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Nummer 279 — 29. Jahrgang »Meint 8 mal wSchll. mit Uustr. Sraltsbetl-gen.Hennat >m» «eit' und der Kmderbellage .Frohmut", sowie den Texibeilagen Et. Bcnno<BIaN'. .Unterhaltung und Wissen', .Die Welt der grau'. .Aerzttlcher Ratgeber'. .Das gute Buch'. .Mlmruud« schau'. Monatlicher Bezugspreis S 3k etnschi. 'Bssiellgeid. Einzelnummer 1«» 4. Sonnabend- ». Spnnlagnummcr SV < Haupttchrtstlettcr Dr. G. LrSczpk, Dresden, Mittwoch, -en 3. Dezember 1930 vrrlagSorl, Dresden Anzeigenpreis«: Die Igcspaltene Petiizctle SU 4> Familieisl auzcige» ».Stellengesuche SU <s- Die petilreklamezeiie. 8S mn> breit. I 3c. Für Anzeigen autzerhaib de« Verbreitungsgebietes 4U S. die petilreilamezcile I.SU^e. Briesgeb.SU^- Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowi» Erfüllung v. Anzeigen < Ausirügen u. Leistung v. Schadenersatz» Gefchüstlicher Teil: graoz Bungarp, Dresden. ttte,chaftSftelle, Drurr „.Verlag: tkiecmama. Sl.-G. sttr Verlaq und Druckerei,Filiale Dresden. Dresdens. 1, Polierstrahe l?. Ferurm 21012. Postscheckkonto Dresden 2703. Bankkonto Stadtbank Dresden rttr. 6171« Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sach,Ismen BoikSzettung Dresden-AUsiadi 1. Polierliratze II. Fernruf Mll und «012. Slaalsraifon (Von unserer Berliner Schriftlei tu ng>1 Auf dem Wege der Notverordnung ist das gros;e Reformwerk des Reichskanzlers Dr. Brüning ab geschlossen worden. Wenn Reichspräsident und Regie rung somit in letzter Stunde wieder zu einem Mittel ge griffen haben, dessen Anwendung wohl bei den wenigsten eine reine Freude aus- lo^. dann kann man dem Kanzler unter leinen miisiänocn den Vorwurf machen, er Hütte >tch nicht alle erdenkliche Mühe gegeben, um den normalen parla mentarischen Weg einzuschlagen. Wer etwas anderes be haupten wollte, von dem mühte man schon annehmen, datz er von der Absicht ausgeht, ein böswilliges und ungerechtes Urteil abzugebeu. Selbst die Linke, die noch vor der Auf lösung des Reichstages so wacker schmälen konnte, hat es dem Herrn Reichskanzler bestätigt, datz er in seinen Ver handlungen nichts unversucht gelassen hat, um eine parla mentarische Lösung der gesetzgeberischen Notwendigkeiten zu erzielen. Erst nachdem der Reichskanzler aus den Ver handlungen die feste Ueberzeugung gewonnen hatte, datz eine Aussicht, auf dem Weg der normalen Gesetzgebung zum Ziel zu kommen, in keiner Weise vorhanden war, hat er sich entschlossen, zu dem einzig übrigbleibenden Mittel zu greifen, das ihm Pflicht und Notwendigkeit in die Hände zwingen, seine Matznahmen auf dem Verordnungs wege zu erlassen. „Wenn im Reichstage die berufenen Vertreter des Volkes in diesen schwierigen Zeiten versagen, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn eine Regierung pflichtgemäss handelt und auch die Grenzen ihrer ver fassungsmässigen Zuständigkeit sehr weit ansdehnt." Das hat der sozialdemokratische Ministerpräsident Braun in einer Rede in Bielefeld absolut zutreffend gesagt. Alle Einsichtigen, die nicht wollen, das; das Reich in einem Chaos endet, werden diese Meinung billigen. ^ Um so mehr mutz man die Leute auf der Rechten be- , 'Awunderil. die in dieser Situation den Mut haben, die O ^Regierung deshalb anzugreifen, weil sie ihrer grossen Ver- ^ ^antwortung gemäss tatkräftig zu handeln entschlossen ist. Sind es nicht die Ncchtskreise gewesen, die von der Negie rt rung am lautesten verlangt habe», datz sie führen und han- dein soll? Sind es nicht dieselben Kreise gewesen, die Q immer behauptet haben, der Demokratie ermangele es an -»-> festem Willen und an fester Führung? Und nun? In Dl dem Augenblick, wo diese Führung vorhanden ist und wo cck sie sich mit vollem Recht anschickt, einer durcheinander- ^ geratenen Volksvertretung das Gesetz des Handelns selbst- '-2 verständlich innerhalb der Bahnen der Verfassung vorzu- schreiben, da ruft die Rechte nach dem Parlament, das sie sonst bekämpft. Das ist die Logik einer Opposition, die Df nur um der Opposition willen lebt und handelt. Es ist doch eitel Klopf- und Spiegelfechterei, wen» die Rechte jetzt ^ glauben machen will, die Regierung sei drauf und dran, ^ ihren Sanierungsplan dadurch zu verwässern, datz die L) Linke sie unterstützen will. Die Veränderungen, die an der . alten Notverordnung vorgcnommen werden, sind gering em, fügiger Natur. Sie berühren das Wesentliche nicht. Wenn aber die Regierung den neuen umfassenden 43 Finanzplan über den Artikel 48 der Reichsversassung durchzusetzen sich bemüht, dann geht allein schon ans dieser xrx Tatsache ganz klar und eindeutig hervor, datz die Regierung l alle Aenderungsversuche abgelehnt und abgewiesen hat, und ^ datz sie an ihrem Plan und seinen einzelnen Teilen festhält. Denn sonst hätte es wirklich keinen Sinn, den Finanzplan den Spezialberatungen des Reichstages zu entziehen. Die Rechte hat alle Ursache, sich mit sich selber zu beschäftigen. Ihre historische Schuld ist es, datz sie sich in entscheidenden politischen Situationen durch ihre eigene Einstellung selbst ausgeschaltet, und datz sie sich unter der Führung Hilgen bergs mit einer geradezu bewundernswerten Virtuosität zu einer Partei vollkommen grundsätzlicher Perneinung entwickelt hat. Und der Erfolg? Der Nationalsozialismus bat die Partei Hugenbergs heute um mehr als das Doppelte ülierholt. Er schreibt Herrn Hugenberg das Ecietz des Handelns vor. Niemand hat der deutschnationalen Rechten die Mitarbeit versagt. Niemand die Zustimmung zum Finanzprogramm. Was sie tut. tut sie selbst. Der Reichstag wird, wenn er morgen Zusammen tritt. nach Perkündigung der Notverordnung nicht mehr darüber zu befinde» haben, wie er die dreitzig Gesetze der Regierung im einzelnen gestalten will, sondern er wird vor der Frage stehen, ob er diese Gesetze, die bereits Ge setzeskraft erlangt haben werden, sanktioniert oder ob er den gesamten Plan ablehnt und die Verantwortung dafür übernehmen will, datz ein Vakuum, ja sogar ein Nichts entsteht. Der „Vorwärts" hat in seinem Sonntag-Artikel sNr. 561) mit vollem Recht darauf hingewiesen, datz „das Reich eine Festigung seines Kredits im Ausland angesichts der schwierigen Ausgaben dieses Winters und angesichts des überaus krisenhaften Zustandes der deutschen Gesamt- w' tilgst braucht." Wer diesen Grund gelten lassen will, Das Reformwerk in Kraft Hindenburg hat die Notverordnung nach dem Vorschläge Brünings unterschrieben Reichs ag wird Ja sagen Berlin. 2. Dezember. Amtlich wird mitgeteilt: Der Herr Reichspräsident Hai die ihm von der Reichsregierung vorgeschlagene Verord nung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen ans Grund des Artikels 48 der Reichsversassuna gestern in den späten Abendstunden vollzogen und zur Verkündung im Rcjchs- gesetzblatt weitergeleitet. Die Notverordnung tritt sofort mit der Verkündung i n Kraf k. Der Text der Verordnung erscheint erst im Lause des Tages: au der Drucklegung des etwa 000 Seilen starken Ge - setzeswcrkz l,at die Reichsdruckerei die ganze Nacht hindurch gearbeitet. Dem Reichstag wird bei seinem Zusammentritt am Mittwoch der Text der Notverordnung vorliegeu. Der Reichskanzler wird daun dem Reichstag Rede u»g Antwort stehen. Man nimmt an. daß sich an seine Erklärungen eine etwa dreitägige Debatte anschlie- s;en wird. Die entscheidenden Abstimmungen sind also für Frei tag oder Sonnabend zu erwarten. Die A ufhe b n n g der Notverordnung wird von Deutsch- nationalen. Kommnnistc» und Nationalsozialisten beantragt werden. Diese Anträge dürsten aber keine Mehrheit sinden. da die Regierung — wie wir kürzlich hier dargelegt haben — über eine Knappe Mehrheit von 294 Stimmen <101 Negiernngsblock, 148 SPD.) verfügen dürfte. Dabei sind Wirtschaftspartei und Landvolkpartei zur Opposition gerechnet. Diese Parteien haben aber hinsichtlich ihrer Stellung zur Notverordnung noch keine Beschlüsse gefaßt. Angesichts der schweren mirtscljastlichen Ge fahren. die eine Allshebung der Notverordnung nach sich ziehen mühte, nimmt man mindestens all. das; diese Parteien sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten, also nicht für Aus hebung der Verordnung stimmen werden. Dieselbe Mehrheit, die gegen Aufhebung der Notverord nung stimmen wird, dürste auch gegen etwaige Miss trau e n sa n t r ä g e stimmen. Solche Anträge sind von den Nationalsozialisten und Kommunisten zu erwarten. Voraus sichtlich durste aber der Reichstag über diese Mißtrauens- anträge überhaupt nicht abstimmen, sondern eine» Antrag an. nehmen, der über alle diese Anträge zur Tagesordnung über- geht. Der Fnhalt der neuen grosse,, Notverordnung gliedert sich in nenn Hanpl- kavitel. Die Verordnung trägt de» Tike! Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen. Die Gliederung ist folgende: I. Aenderilng der V e r o rd n n nq v o m 26. Juli. 1) Erschließung von Einnahmen für die Gemeinden. 2) Arbeits- lose »Versicherung und Krankenversicherung. II. Sicherung des Haushalts. 1) Ausgaben- begrenzuna. 2) Gehaltskürzung. 3) Tabaksteuer. 4) Zuschlag zur Einkommensteuer für 1931. III. 2 t e n e r o e r e i n fa ch n n g und Steueroereinheit- lichnng. 11 Gesamtplan der Tteuervereinfachung. 2) Grund steuer. 3) Kewecklestener. 4) Steneraiip.'.pnng. 0) llmsatzsten.'r. 6> Erhebungen über die Stencrpflicht der öffentlichen Betriebe. 7) Steneramnestie. IV. Senkung von Real- und Verkehrs, ste ne rn. t) Sciiknng der Ncalstenerii. 2> Senkung der Vor- kchrsstener». V. Finanzausgleich. VI. Reichsbank. Galddiskanibank. Renteiibanki. 1) Verteilung des Reingewinnes der Reichsliank. 2) Umgestal tung der Deutschen Golddiskontbank. 3) Lignidalion der Ren- teiibankscheine. VII. Wo h n u n g s iv i r t > cha f t. 1) Förderung und Verbilligung des Kleinwohnniigsbanes. 2) Uebernahme von Bürgschaften zugunsten des Kleinwohiiniigsbane-- 3) Gemein, nützigkeit von Wohiiunasnnlernebmeii. Ij Abbau und Mil- dernng der WohnnngSzivangsivirtschaft. VIII. Schutz der Landwirtschaft. 1 > Aendernng des Brotgeselzes. 2) Zollmassnahmen. 3) Förderung der Ver wendung inländischer tierischer Fette. 4) Förderung der Ber- Wendung von inländischem Hopfen. 0) Verbesserung der Markt. Verhältnisse für deutsche landwirtschaftliche Erzeugnisse. IX Vereinfachung und Ersparnisse ans dem Gebiete der Rechtspflege. Die einzelnen Kapitel der Notinirordnnng entsprechen den Beschlüssen des Reichsratcs, über die wir bereits berichtet haben. Doch sind folgende Aenderungen der bisherigen Vorschläge vorgeiiommeii worden: Die Staffelung der Bnrgerstene« ist geändert worden. Sie betrügt bei einem Einkommen bis zu 4000 RM. im Fahre 6 RM. jährlich und crmäiügt sich bei Per. sonen, die ioynstenerfrei und einkommeiistenerfrei sind, ans di« Hälfte, also ans 3 RM. Saftalrenlner bleiben frei, wen» ste ein Einkommen unter 909 RM. haben, ebenso sind Arbeits lose befreit. Bei einem Einkommen von 1000 RM. bis 6000 RM. sind 0 NM. jährlich zu zahlen. Bei Einkommen von 6000 bis 8000 RM. betrügt die Büraerstener 12 RM. Die Sias'eftmg endet damit, das; bei einem Einkommen von 100 000 bi? 209 000 RM. 000 RM. und von 200 000 bis 000 000 RM. 100 RM. Bür. gerstener entrichtet werden müssen. Die Höchstgrenze ist 2000 RM. bei Einkommen über 000 000 NM. Die neuen Bestimmungen zur K r a n k e n v e r s i ek e - rnng sehen oor: Dauert die Krankheit länger als 10 Tage, so fällt die Arzneigebühr. Von der Vervftichtnna. den Beitrag zu entrichten, sind befreit alle Arbeitslosen. Invaliden- und Unfallrentner und ans der Reichsversorgniig unterstützte Schwerbeschädigte und Schwerverletzte, ferner Tuberkuline und Geschlechtskranke, die ihre Bedürftigkeit bescheinigen lasten. Die anderweitige Verteilung des Reingewinns der Ne ichs'bank führt zu höheren Ablieferungen an das gleich. Die Lignidation ber Renlenbankscheine soll verlangst«»!! wer den. um die Kosten, die dadurch entstehen, zu verringern. Die Pläne der Regierima über Wohnungsbau und Landwirtschaft sind i» de» letzten Manaten eingehend in der Oefsentlichkeft besprochen worden. Hinöenbufg dankt Brüning Berlin, 2. Dezember. Der Herr Reichspräsident empfing gestern nachmittag den Reichskanzler Dr. Brüning zu einem abschließenden Bericht über die Vorschläge der Neicbsregiernug wegen des Erlasses einer Verordnung zur Sicherung der Wirt- schgfts- und Finanzlage. R e i ch s p räside » t v. H i n d e n - bürg dankte de m H e r r n R e i ch s k anzler für die geleistete mühevolle Arbeit und bot ikn. diesen Dank auch den Reichsministern und ihren Mitarbeitern, sowie dem Reichsbankpräsidenten Dr Luther zu übermitteln. der wird, wenn er die bessere Einsicht sprechen lätzt, auch die Matznahmen und den Weg der Regierung gelten lass»» müssen. Jeder in Deutschland weitz ganz genau — wie lange reden wir davon? —, dutz die Wirtschaft s ch n e l l e u n d d r i n g e n d e H i l s e notig hat, und jeder weitz, datz. wenn nicht endlich etwas Durchgrei fendes geschieht, die Finanzen des Deutschen Reiches unrettbar verloren sind. Das Beispiel der Städte hat ein Warnungssignal aufgerichtet, das uns endlich da von überzeugen sollte, datz es mit der bisherigen Mißwirt schaft auf vielen Gebieten des öffentlichen Lebens einfach nicht mehr weiteraeht. In solchen Situationen ist wahr haftig keine Zeit dazu, über Dutzende und aber Dutzende von P a r t e i a n t rä g e » zu beraten, die i» der .Haupt sache gestellt zu werden pflegen, um die Wünsche der Wähler zu befriedigen. Die Regierung darf keine Zeit verlieren. Wenn es ihr bis zum Abschluß des Jahres nicht gelungen ist, das Sanierungsprogramm unter Dach und Fach zu bringen, dann mus; daran gezweifelt werden, ob die Sanierung der öffentlichen und privaten Wirtschaft überhaupt noch zu erreicln» ist. Man sollte annchme», datz diese Erwägungen auch im Parlament den Ausschlag gebe» werden, und datz die Ver antwortungslosigkeit den Grad noch nicht erlangt hat, ein Programm zu gefährden, das im aeaenwärtiaen Auaen- dltck der einzig gangdarc und praktisch zu verwirklichende Weg ist, aus dem die Sanierung in Angriff genommen und durchgeführt werden kan». Es Ist das Fundament, auf dem dann weiter gebaut werden mutz. Würden es allerdings alle so machen, wie wir es jüngst erst wieder an der Wirtschaftspartei erlebt habe», dann würde man dem Ansgang der Neichstagsentscheidnng mit einiger Besorgnis entgegcnsehen müssen? Glaubt die Wirtschafts partei im Ernst, datz ihre Haltung der Ausfluß einer be sonders tiefsinnig ausaetiistelten staatspolitischen Weis heit sei? Wenn die Wirt'cbastspartei allerdings ihre Flucht vor dem notwendigen Preisabbau als Staatspolitik bezeichnen will, dann kann man ihr nicht helfen: und wenn wir uns alle vom Interessenstandpunkt wirklich nicht mcbr lösen und befreien könnten, dann würde uns allen eben nicht mehr zu helfen sein. Esstehtfest! Wir müssen dem Ausland so schnell und gründlich wie möglich zeigen, datz wir in der Lage sind, unsere Finanzen aus eigener Kraft in Ordnung zu bringen, und wir müssen im Innern wieder soviel politisches Per trauen aufrichten, das; wir den Radikalismus überwinden und die Demokratie vor ihrem Absturz retten Wer das will wird sich hinter die Regierung Brü ning stellen und der wird auch im Parlament ihre Matz- nabmen autheitzen und daran Mitwirken, daß ste in di«