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WM ^kulturelle Umschau Deutsche Domstadt Besuch in Erfurt Von Rudolf Paulsen > Ein Abend war es, als ich sie zum ersten Male sah, Som- mcrtint hing noch warm in der Dämmerstunde, Der weite freie Pia!', lau leer, ganz leer. Kein Mensch, kein Tier, nicht einmal ei» Bögelchen. Wir schrillen zwischen den Häusern hervor und standen wie festgcbann! am Rande der großen Fläche, die sich vor uns auf- lat. Nicht um der Fläche willen, sondern: jenseits — da stieg türmend empor in den nachleuchtcnden Himmel wie ein Traum, wie ein jahrtausendalles ewiges Märchen: die Dom stadt! Erfurt ist eine Stadt, und in sich birgt es die Domstadt. Es ist ja nicht ein sauber auf die Ebene in freie Umgebung gestellter einzelner Dom — der Dom und die Severikirche er heben sich als obere und geweihte Stadt über der unteren all gemeinen. Die Zusammenwuchtung zweier Kirchen auf schmalem Hügel: das ist die bauliche Kühnheit und laut redende Glau- benskrast. Es muß eine Stadt von Domen und von Türmen sei», die der Wallfahrer Blassen aufnehmen kann. Und das nächstgelcgene Prosane wird sakral. Auch die kirchlichen Gebrauchsgebüude sKUsterei usw.) sind geheiligt. Aus ihrer Milte steigt die Domstadt auf. Die freie Treppe zwingt uns hinauf. Dort oben lädt breit das köstliche Portal. Eine Zwölfzahl heiliger Männer bewacht cs und verheißt Segen dem Eintretenden. Das über Eck stehende Doppelportal bildet einen Bor- raum vor den hohen Wölbungen des Inneren. Aber mir bleiben außen. Andacht genug, nur den Boi zu umschreiten. Alle zehn Schritte ist das Bild ne» und ein dringlich anders. Der Hügel ist durch Bogen und Pfeiler architektonisch ge gliedert und zugleich gestützt. Bon unten auf steht nur der strebende, schwebende Bau. Wie Loslösung von der Erde oder wie Miiemporführung des ebenen Ärunbes ist es. Die Nacht sinkt schon, aber die Domstadt steigt, steigt un- enniiblich wie ein Lebendes in aas Graue. Gotischer Wille, nie besiegbar. Der Griechentvii'pel ist schön, u'cnr seine Seele ist fremd. Er wirkt aus uns b'cht wie ein Sarkophag: erbarmungslose Götter vernichten das Menschengeschlecht. Und ein Grabdeckel schließt. Die Domstadt aber ist lebendig und spendet Leben. Wem das Wort in ihrem Inneren nicht spricht, dem sagt das Außen mit seinen Türmen langen Weg uno Wil'en über die Grüfte hinaus. Dieser Bau hat eine lärmlose Sprache. Eine stille Hüte- Sorgsalt klingt in ihr und ebenso Auftrieb und unbedingte Anferstehungskrast. Bielmehr: ein gar nicht Begrabenwerdon- können. Wenn das Dom-Innen ein Weib- und Mutterschoh ist, so ist das Außen ein unoernichtbar Mannhaftes. Ganz eingehllllt in Dunkel ragt die Stadt der Dome, sel ber verdunkelt, aber als Schattenmasse riesig noch sichtbar und hütend — die Nacht hindurch, die ganze Nacht. Am Morgen wird Licht erwachen, die Schleier werden stei gen. Sonne steht über der Domstadt. Der Himmel ist verirdischt, die Erde himmelhaft im Frnhglanz. Erziehung und Konfession Die Stimme eines englischen Sozialisten „Das ist eins der Dinge, die ich bei Lehrern, Politikern und ähnlichen Leuten nicht begreifen kann: die Art, wie sie cs als sichere Tatsache betrachten, daß man bei der Erziehung Re ligio» und Sozialismus und alle Uebcrzeugungen aus dem Spiele lassen kann. Was ist denn Erziehung? Jungen Men schen rede», lesen, schreiben und rechnen lehren, damit sie wis sen. was sie in der Welt zu tun haben und wozu wir und die Welt unserm Urteil nach da sind — lind damit sie die Aufgabe kennen lernen, die sie nach unserer Meinung in dem Spiele übernehmen sollen. Was ist das für ein Spiel? Die Frage stellt jedes Kind. Ihm antworten heißt es erziehen. Und ent weder sagen wir Klipp und klar, was wir von dem Spiele den ken, oder wir gebaren uns als Erzieher und sind ln Wahrheit alles andere". Der englische Sozialist H. G. Wells, ein Schriftsteller, der in Deutschland noch wenig bekannt, jenseits des Kanals aber sehr beachtet ist, hat diese Worte in seinem 1910 zum ersten Male erschienenen.Roman „The Undying Fire" (London, Castells geschrieben. Das unsterbliche Feuer ist der wirkende Geist Gottes in den Herzen der Menschen, der sie unablässig aufrust zum Kampfe für den in der Menschheit nach Verwirklichung stre benden ewigen Gedanken, der sie Hinweghebt über Qual und Verzweiflung dieses Kampfes. Dem Ansturm solchen Leides droht der Held des Romans, ein Schuldirektor namens Hiob Huß, z» unterliegen. Sein Sohn ist im Kriege gefallen, die ihm unter stellte Anstalt, sein Lebenswerk, hat infolge eines Brandes geschlossen werden müssen, er selbst erkrankt an Krebs, seine Frau wendet sich verbittert von ihm. Die beiden größten Geld geber seines Instituts suchen ihn zusammen mit einem seiner früheren Mitarbeiter aus. um ihm zu erösfnen, haß die Leitung der Schule in andere Hände übergehen soll. Mit ihnen und seinem Arzte führt Huß ein langes Gespräch, das den größten Teil des Buches aussüllt. Es folgt die Operation: der Eingriff glückt. Huß wird seiner Stelle nicht entsetzt, die Nachricht kommt, daß sein Sohn nur gefangen ist. Alles war eine Prü fung. gleich der Hiobs, mit dessen Schicksal die Erlebnisse Huß' bewußt in Parallele gesetzt sind. — Ist das überhaupt ein Ro man? Nun, jedenfalls ein Buch, das mehr fesselt als die mei sten Romane. Sein Vorwurf lautet: „Was istdie Aufgabe des Erziehers in dieser Welt," „Die größte aller menschlichen Aufgaben", antwortet Huß. „Wir können dem Menschen die Augen öffnen für Vergangenheit und Zukunft, für das unvergängliche Leben der Menschheit. Ein Mensch, der ohne Unterricht bleibt, ist völlig einsam, so aus sich beschränkt mit seinem Ziel und Schicksal, wie irgend ein Tier: ein unterrichteter Mann ist befreit aus diesem engen Gefängnis seines Ich zur Teilnahme an unsterblichem Le ben, das begann, wir wissen nicht wann, das wachsend empor strebt bis über die Herrlichkeit der Sterne . . ." Eine solche Aufgabe fordert freilich den ganzen Menschen, sie erfüllen heißt „sich selbst Gott aufopsern." So wendet sich die Dis kussion zwischen Huß und seinen Besuchern über die Frage, ob es wichtiger ist, den Schüler zur Weisheit oder zum Wissen zu erziehen, wichtiger, die Gesinnung oder die Fertigkeiten zu bilden, von selbst zurück zu den grundlegenden Problemen des göttlichen Seins und Wollens, der Unsterblicicheit und der Verbcsserungssähigkeit der Welt. Huß glaubt an diese Möglich keit, in ihr erblickt er die der Menschheit von Gott gestellte Ausgabe, für die zu erziehen höchste Pflicht jedes Lehrenden ist. Der Dichter spricht hier durch den Helden seines Romanes. Die gleiche Uebcrzeugung hat Wells 1919 in einem rein betrach tendem Buche „Gott, der unsichtbare König" niedergclcgt. Dort bezeichnet er seine lleberzeugung als „nicht orthodox christlich, überhaupt nicht ausgesprochen christlich": übersieht dabei freilich, daß seine Gedanken ohne die Grundlage der christlichen Tradition unmöglich wären. Höchst bemerkenswert ist je denfalls das außerordentliche Vertrauen, das Wells auf eine religiöse Verinnerlichung der Erziehung setzt. „Be insolent!" rief er in einer am Ende des Wahlkampfes abgehaltenen großen Versammlung der Londoner Lehrerschaft den Erziehern zu: „Seid unverschämt", denn die Größe der Aufgabe, die eure Schultern zu tragen haben, rechtfertigt jede Kühnheit. Unseren linksstehenden Lehrern Kühnheit zu raten, er übrigt sich wohl. Wer es könnte für sie, die Konfessionslosigkeit der Schule auf ihre Fahnen geschrieben haben, eine nachdenkliche Sache sein, daß hier ein Sozialist fordert, die Erziehung solle sein eine lebendige Uebertragung der Welt- und Lebensan- schauung des Lehrenden auf den Lernenden, also im tiefsten Sinne des Wortes: Konfession. Dyk. Das «Neste Christusbild Die französische Zeitschrift „L'JIlustration" bringt in ihrem neuesten Lest einen Aufsatz von Robert de Bcauplan, der die sensationelle Auffindung einer Darstellung Christi aus dem ersten Jahrhundert behandelt. Im Jahre 1910 wurde in Antiochia beim Vohren eines Brunnens ein Kirchenschatz zutage geföroert. Wahrscheinlich hatten diese Gegenstände zu der großen Basilika von Antiochia gehört, die von Konstantin im Jahre 311 errichtet worden war. Bor den mehrfachen llebcrfällen oes Julian Apostata und der Perser hatte man die Schätze in Sicherheit gebracht. Tie interessanteste Reliquie des Schatze? ist ein Abcnd- mahlskelch ans ziseliertem Silber von 19 Zentimeter Höhe und 1b Zentimeter Breite. Nachdem inan ihn mit großer Vorsicht und Mühe gereinigt hatte, wuroe der Kelch »ach Reuyork geschickt. Seit 1915 hat Dr. G. N. Eisens von der kalifornischen Akademie der Wissenschaften den Kelch studiert und hat ihn zum Gegenstand einer umfassenden Monographie gemacht. Was den unschätzbaren Wert der Reliquie auSniacht, ist, daß sie die älteste bildlickw Wiedergabe der Gestalt des Christus enthält, ausgeführt von einem Künstler, der sein Zeitgenosse war und sie nach anschau licher Betrachtung meißeln konnte. Ter Becher selbst besteht aus ziemlich roh gehämmertem Silber, kostbar ist nur seine Verkleidung. Ter Fuß ist ein schlichter silberner Block, wie man ähnliche in oen ersten Jahrhunderten des römischen Kaiserreiches oft findet. Ter Boden der Schale besteht aus Laubmotiven: Sechs Reben suchen und finden sich in harmonischer Verwirrung. An den Seiten schlingen sich symbo lische Tiere — Tauben, eine Schnecke, ein Schmetterling, eme Heuschrecke »sw. in die Verzierung. Um den oberen Rand läuft eine Girlande von Lotosblumen. Vor allem aber sieht man zwöl, sitzenden Gestalten, von denen sich je sechs um eine Haupt figur gruppieren. Tr. Eisen hat mehrere Jahre gebraucht, um die Identi tät der Gestalten fcstz»stellen. Durch ihre Attribute, durch Einzel heiten ihrer Bekleidung, durch allerlei Beziehungen glaubt er behaupten zu können, daß es sich um die Apostel Petrus, Paulus, den älteren JakobuS, Judas und Andreas einerseits und Lukas, Markus, Matthias, Johannes und den jüngeren Jakobus an- derererseits handelt. Tie zwei Hauptfiguren jedoch stellen Christus selber dar in zwei Epochen seines Lebens, im Jünglingsalter und zurzeit seines Predigertums. Abgesehen von dem Ebren- platze, den er cinnimmt, und de» Gebärden der Ehrfurcht, mit der die anderen ihn grüßen, ist Christus an verschiedenen Merk malen erkennbar. Er sitzt auf einem Thron mit einem Lamm zu seiner Rechten. Tie Taube oes heiligen Gestcs schwebt über seinem Haupte und in dem Kranz von Lotosblumen am Rande der Base erstrahlt über ihm ein Stern. Seine Arme öjsueu sich kreuzartig. Seine rechte Hand ist ausgcstreckt nach einer Schüssel, auf oer sich zwei Fische, sieben Brote und — soweit man erkennen kann — eine Kornähre und Palinenblätter befinden. Ein zu seinen Faßen ruhenoer Adler soll wohl das heidnische römische Kaiserreich versinnbilolichcn, das vom Christentum be siegt wird. Ein einziger Umstand fällt auf und befremdet. Im Gegensatz zu jcoer späteren, uns bekannten Neberlieferung ist das Gesicht von Christus bartlos dargestellt. Auf der anderen Seite oer Schale ist Christus ein 12—lüjähriger Knabe, der die Gesetzesbttcher hält. So ungefähr stellt man sich Christus in mitten oer Scbriftgelehrten vor. Auch hier zeigen die vier Evangelisten und der jüngere Jakobus, die ihn umgeben, ihm gegenüber ehrerbietige Haltung. Tr. Eisen hat sich bemüht, mit möglichster Genauigkeit oen Zeitpunkt festzustellen, in oer die Schale entstanden ist. Ihre Forin ist charakteristisch: ein Gesäß ohne Griff, oval, auf einer Art von Kugel ruhend, getragen von einem niedrigen und schmalen Fuß. Man findet ähnliche Forme» noch auf Wand gemälden in Poinpeji (als» vor dem Jahre 79) und aus Siloer- münzen der Inden, die vom Aufstand der Inden und der Be lagerung Jerusalems im Jahre 70 herrühren. Nach dem ersten Jahrhundert verschwindet die Form jedoch vollständig. Eine Folgerung nach der anderen bringt den kenntnisreichen Ameri kaner dazu, eine kühne, aber überzeugende Hypotese aufzustellen, nämlich, daß der vordere und Hintere Teil der Schalen auS verschiedenen Zeiten stammen. Nach dem Fall von Jerusalem war Antiochia der Mittel punkt oes orientalischen Christentums geworden. Wahrscheinlich erbte die Kirche von Antiochia die reichen Schätze aus Jerusalem. Unter diesen muß das Gesäß, das dem Herrn zur Fnßwaschung gedient hatte, der Gegenstand ehrfurchtsvollster Verehrung ge wesen sein. Es ist anzunchmen, daß die ausgefundene Schale, die von Antiochia ist. Erklärlich ist, oaß der fromme Glaube der Getreuen der Reliquie später einen Schmuck zu geben suchte, würdig des erhabenen Andenkens, das sie wachrief. So überzeugend diese Auslegung deS Tr. Eisen klingen mag, so kann sie natürlich nicht als unanfechtbar gelten. Zwei 'einer Schlußfolgerungen sino aber keinesfalls anzuzweifeln. Dir eine ist, daß die Selbstschmiede-Arbeit von einem Künstler des ersten Jahrhunderts ausgesü.hrt worden ist, die zweite unbe- streitbare Tatsache ist, daß die beiden Hauptfiguren Christus so darstellen, wie ihn die ersten Getreuen der Kirche gesehen haben. So kann denn also die Srchäologische Entdeckung von Anti- ochia als die älteste Wiedergabe des Begründers des Christen tums gelten. Es ist kein zureichender Grund, an ihrer Echt heit darum zu zweifeln, weil sie wesentlich von späteren Ueber- lieferunge» abwcicht. In einem kürzlich in Genf erschienenen Buch: „Tas Bilo von Jesus in der Geschichte und in der Kunst" wird der Kelch von Antiochia zwar nicht erwähnt. Prüft inan aber den Ursprung der anderen Porträts, so zeigt es sich, daß sie durch nichts b eglaubigt sind als durch die Legende. Uebrigens schreibt der hl. Augustinus in seinen Bekenntnissen „Die Gestalt von JesuS ist in unzähligen vencbicdenen Auffassungen dargestellt uno abgeändert. Seine wahrhafte Gestalt ist unbekannt." Im oritten und fünften Jahrhundert stritten die Kirchenväter dar- über. Eine literarische Beschreibung über das Aussehen d-S Galiläers- leine hohe, ein wenig gebeugte Gestalt, seine leicht gekräuselten Locken, seine stark gewölbten zujammengewachienen Brauen, seinen blassen gelblichen Teint, sein Haar und Bart von der Farbe reifenden Korns, seine strahlenden Augen — stammt von Jean de Taina aus dem achten Jahrhundert. Ein anderes Dokument, das zuerst noch bedeutsamer schien, wird im Vatikan bewahrt. Es ist ein Brief, den ein gewisser Publius Lentulus, Präsident des Volkes von Jerusalem und mutmaß licher Vorgänger von Pilatus, an den römischen Senat richtete. Es heißt darin: „Ein teltlam tugendhafter Mensch ist unter uns, die ihn umgeben, nennen ihn Gottes Sohn. Er heilt Kranke und erweckt Tote. Er ist hochgcwachsen und zieht die Blicie aus sich. Seine langen blonden Haare sind leicht ge kräuselt und lockig, ein Scheitel teilt sie in der Mitte» und sie fallen zu beiden Seiten nach dem Brauch der Nazarener. Die Wangen sind fast farblos, Nase und Mund wohl geformt. Der Ban ist voll und kurz und in der Mitte geteilt." tlnglücklicker- weisc datiert dieser Text, dessen Genauigkeit nichts zu wüiNchen übrig läßt, aus dem 12. Jahrhundert und ist durch ein byzanti nisches Bild von Jesus angeregt worden. Tie Darstellung oes bartlosen Christus des Kelches von Antiochia, die nun durch die neue Forschung entdeckt ivnrde, bringt vor das Urteil-der Geschichte ebenso große Beweise van Echtheit, ja, vielleicht noch größere, als die zahllosen Bildnisse späterer Zeiten. Verantwortlich für den redaktionellen Teil: Dr. Josef Albert Dresden. — Für den Inseratenteil: Josei F o hm a » » . Dresden. Wilhelm v. Scholz Zum 50. Geburtstag. Einer der fesselndsten schöpferischen Menschen der Gegen wart ist ohne Zweifel Wilhelm v. Scholz, der am 15. Juli sein 50. Lebensjahr vollendet hat. Er ist in Berlin 1874 geboren. Sein l!-atcr war preußischer Finanzmiuister. Als er sein Amt aufgab und aus das bei Konstanz gelegene Gut Seehcim übcrsicdelte, trat der Jüngling plötzlich in eine andere Welt. Aber die Ber liner Jahre waren an seinem Geiste nicht spurlos vorübergegan- ge». Von den Ahnen her das Blut des Landes, da? Jalob Böhme und Angelus Silesius hervorgebracht hat, in den Adern, in der werdenden Reichsstadt ausgewachsen und dann bei Konstanz in die geistige Atmosphäre Senfes gestellt, findet mancher Wescnszug seines Schaffens Erklärung: die kraftvolle Klarheit und Energie des Dramatikers wie die Neigung zu mystisch-«, auf der Grenze zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit stehenden Problemen, die vor allem seine letzten Werke auSzeichnen. Nach mancherlei Studienreisen, die ihn auch in die welsche Schweiz führten, und einem kurzen Intermezzo als Einjähriger im See bataillon in Kiel, trat er, ein Zwanzigjähriger, als Fahnenjunker bei den badischen Leibgrenadieren in Karlsruhe ein, wurde Leut nant, sagt ein Jahr später dem Soldatenstand schon wieder Lebe wohl und machte 1897 in München seinen Doktor über Annette von Droste-HülShoffs Schaffen, zu deren grüblerischer Westfalen- natnr ihn seine eigene Neigung zog, um sich als unabhängiger Mann, der seinen Launen leben darf, dem freien Schriftsteller, tijm zu widmen. -' Scholz bcann als Lyriker, der im Schatten Litiencrons wandelte, mit einem schmalen Bande, „Frühlingsfahrt", dem ein zweiter, .Hohenklingen", folgte. Aber bald schuf er sich ein eige nes (tzesicht, und im „Spiegel" wie in den «Neuen Gedichten" tritt er als Lyriker auf, der sich überall größte Achtung erzwang. Die süddeutsche Landschaft vor allem lebt in ihr, der See, das Hegau, die Alpen, Dämmerung, Dunkel, Nacht und Sturm. Sie ist ge dankenschwer, oft ergrübest und zergrübelt. Letzte und tiefste Fragen quälen ihn. Worte rauschen, dunkel, melodisch auf. Das Wortprotoplasma phosphoresziert oft seltsam darin. Er hat vor allem ein eigenartiges Raumgefühl, daS sich in den Gedichten wie Dramen, besonders aber in der Lairdschaftsl>eschreibu»g zum Erlebnis steigert. Einen eigentümlichen Weg machte der Dramatiker Scholz. Sein erstes Werk, „Der Fürst", von dem freundlichen Hausgeist Possart aus der Taufe gehoben, wurzelt im Naturalis mus, zu dem Scholz im Grunde gar keine Beziehung hat. Es war schon um die Zeit der aussteigenden Romantik, in deren Hin tergrund der Symbolismus schimmert. Hier war der Boden, der seiner Natur zusagte. Aud ihm erwuchs daS Sagendrama „Der Belegte" wie „Der Gast", in denen sich die ersten Spuren jenes Bühneninstinkts zeigten, der Sckolz später kennzeichn«. Die Beschäftigung mit Hebbel führte ihn dem NeuklasiiziSmw? näher, als deren stärkster Vertreter er eine Zeitlang neben Paul Ernst galt. „Mcroe" folgte, auch sie im Schatten Hebbels sichend. Aber Scholz ist eine zu eigenartige und selbstherrliche Natur, als daß er sich einer Richtung mit Haut und Haar verschrieben hätte. Er blieb immer er selber, eine Mischung von blauer Romantik, klassisch klarer Erkenntnis und dunkler Mystik, die später die Oberhand getvann, seit er in der spielerischen Komödie .Vertauschte Seelen" die äußerlichen Theaterwirkungen aus-probicrt und onS« gekostet hotte, wobei freilich das mvstische Element im . Her zw an der" zunächst interessante Kulisse blieb, während im ,.W e t t l a u f mit dem Schatten" an die tiefsten Probleme dem Schöpferi schen gerührt wird. Auch im Erzähler Scliolz finden wir in neuerer Zeit das mystische Element immer stärker, wenn cs auch freilich zuweilen ins Okkulte übcrschiägt. WaS dem Erzähler Scholz besonders auszeichnet, ist neben der konzentrierten Handlung die straffe, stählerne Sprache und der innere Rhvthmus seines SatzbaueS. Zn seinem 50. Geburtstag bringt der Verlag des Dichters Walter Hädecke in Stuttgart einen AuSwablband. der einen breiten Querschnitt durch den Reichtum und die Vielseitigkeit seinek- dichterischen Schaffens gibt: „Das Wilhelm Von-Scholz-Bnch" (Preis gebunden 3,20 Mark). Neben Erzählungen, Gedichten und einer kleinen Auswahl ans den Schriften vermischten Charakters bringt eö das ganze Drama „Der Jude von Konstanz", ein Kapi tel aus einem im Entstehen begriffenen Roman, eine Seibst- biographie und eine verständnisvolle Analyse seine-? dichterisch.» Schaffens von R. K. Goldschinit. M. Gcr'ter. »ovle alle ärten von tIsurunrotnialieUin NsuNniisclUsßen, v!e VUNcden, tU'esrer, m Pinnen, kiclieln, pu-ilc'n usv. versckvin- "ß <i«a <turck tLxMken Lebriucli >t«r cc >1 tea HrckenpfvÄ -H^ckrvekel.-'Letsr