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Nr. 28- — >0. Nahrstaun Sonnrag den 3. November 1VI1 »rjcheint tätlich nachm, mit Ausnahme der Sonn-und Festtage. «»«nade 4 mit .Die Zeit In Wort und Bild" vierteljährlich 8,l<» 4». In Dresden durch Boten 8,4« In ganz Teulschland frei Haus 8.K8 in Oesterreich 4,4» IO Uln»gabc « ohne illustrierte Beilage vierteljährlich l.dtO 8k. In Dresden durch Boten 8.1« 8k In gan, Deutschland sret «aus 8.88 8k; in Oesterreich 4 «? IO - Linzexiltr. I« 4 Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Ngespnltene Petitzeile oder deren Raum mi lk 4. Reklamen mit I»« 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen kiillprechendcn Rabatt. lSuchdrnikerei, Redaktion and SieschiiftSftellr > Lr«Sde», Ptllnttzer Strafte 4». — Fernlprecher Aür Rückgabe onverlan«». Schrtststiiikekeine Verbtndltchikrtl Redalttons.Sprechstunde: II bis 18 Uhr. smpk. pglxvaron vom > iuk. bir> s«>lU8tc>u Osuro Zgoxigl-Vvlxvvicrori- untt Kiit/.siis-osvbitkt Ilronttoo-/!., tiiiij-riir.ils« ilö lic-gargfuroii »mt dlvu-cickorii-filimon 1788 porreUan Ltoiiigut KristnU Oebrauclis- u. lluxus- Oegenstüiittö König!. Kofliek-uant ^nkriuser vrobtten, Köliig-Zolinnn-Ztr. üosdo L«xug»guollo! V«r«ü«Ii«k« I» I ^ IIV nL « AON > I 71 -8 von 00 K»rk Ull ^nl>lV7vi»C, tloU» ^OkLNo-llivoi'^ev-XHvV 18 Das Marokioabkommen mit Frankreich Durch eine Indiskretion wurde im Auslände der Jn- ßalr des Marokkoabkommeuü Deutschlands mit Frankreich dekanut. Die deutsche Negierung sah sich daher veranlaßt, den Inhalt am Freitagabend durch das Wolffsche Telegra- pbenburean zu veröffentlichen. Es verbreitet inhaltlich falaende Auslassung der Negierung: Die bekannten Ereignisse in Marokko haben erkennen lassen, das; die Ordnung in Marokko nicht ohne Eingreifen einer europäischen Macht aufrecht erhalten werden kann. Ein Sultan, der der tatsächliche Herrscher über das Reich wäre und der die Macht hätte, die in der Algecirasakte vor gesehenen Reformen durchzuführen, existiert nicht mehr. Nach der Algecirasakte hatte aber keine einzelne Macht daS Recht, die Wiederherstellung der Ordnung in Marokko allein durchzuführen. Als Frankreich sich trotzdem dazu an- ichickte. erinnerte die deutsche Regierung an die Bestimmun gen der Algecirasakte. Sie gab ihrer Ansicht, das; sie zur selbständigen Wahrung bedrohter deutscher Rechte ebenso bernten sei, wie Frankreich zur Wahrung französischer In teressen. durch Entsendung eines Kreuzers nach Agadir und .um Schutze dortiger deutscher Interessen Ausdruck. Ties alles hat dann dazu geführt, das; die deutsche und französische Regierung sich entschlossen haben, die Angelegenheit unter sich neu zu regeln. Der Vertrag soll am -1. November un terzeichnet und voraussichtlich Montag früh gemeinschaftlich der Oesfentlichkeit übergeben werden. Die französische Regierung hat sich zunächst abermals aus das bündigste verpflichtet, die wirtschaftliche Gleichbe rechtigung, der verschiedenen Nationen in Marokko aufrecht zu erhalten und dafür Sorge zu tragen, das; das Prinzip der offenen Tür, wie es in den vorhergehenden Verträgen fest- gelegt ist, durch keinerlei Maßnahmen beeinträchtigt wird. Auch hat die französische Regierung ausdrücklich Rechte und Wirkungskreis der marokkanischen Staatsbank erneut garantiert. Anderseits bat die kaiserliche Negierung der lranzösischen Regierung volle Bewegnngsfreiheit für die Herstellung und Ausrechterhaltung der Ordnung und für die in Marokko vorzunehmenden Reformen jeder Art zuge- ßchert Sollte die französische Negierung im Einvernehmen mit der marokkanischen Negierung zur Anfrechterhaltung der Ordnung und zur Sicherheit wirtschaftlicher Trans aktionen marokkanisches Gcbiet militärisch besetzen, w wird auch demgegenüber die kaiserliche Regierung keine Schwie rigkeiten machen. Das gleiche gilt auch von etwaigen Poli zeiaktionen zu Lande und zu Wasser. Endlich hat die deutsche Regierung erklärt, keinen Einspruch erhebe» zu wollen, falls der Sultan von Marokko die diplomatischen und Konsular- agenten Frankreichs mit der Vertretung der marokkanischen Interessen und dem Schutze der marokkanischen Untertanen im Auslande betrauen sollte. Das gleiche gilt für den Fall, daß der Sultan den Vertreter Frankreichs bei der marokka nischen Regierung zum Vermittler gegenüber den übrigen fremden Vertretern zu bestellen wünscht. Durch diese Neu regelung der Tinge wird einesteils die Aufrechterhaltung der Ruhe und der Ordnung besser als bisher gesichert. An derenfalls werden Störungen der Ordnung und Vertrags verletzungen von den französischen Organen da, wo sie eine tatsächliche Macht ausüben, auch wenn eine formelle Hoheit marokkanischer Behörden besteht, direkt vertreten werden müssen. Für die freie Hand, die Frankreich politisch in Marokko erhält, gewährt es Garantien für den eingangs ausge- jprocinmen Grundsatz der Gleichheit aller handeltreibenden Nationen. Deutschland hat in den Unterhandlungen über diesen, den breiten Raum des Vertrages einnehmenden Teil nicht seine besonderen Rechte vertreten, sondern die Rechte der Fremden überhaupt. Infolgedessen wird die Erweite rung der politischen Rechte Frankreichs erst rechten^ wer den, wenn die anderen Mächte sich mit dieser Erweiterung und dem nachfolgenden Statut einverstanden erklären. Frankreich garantiert die Gleichheit der Zölle, Steuern, Abgaben, Eisenbahntarife usw. für alle Fremden, die Fran zosen eingeschlossen. Versteckte Vorzugsrechte lErleichteruu- gen, Rückerstattungen usw.) sind nicht zulässig. Zur Kon trolle entsendet die Staatsbank abwechselnd einen ihrer vier Direktoren auf je ein Jahr in das „Eoinitä permanent des douanes". Die Zusammensetzung dieses Komitees ist schon in den Algecirasakten gegeben. Es besteht aus einem ma- rokkaniscklen .Kommissar, einem zu wählenden Vertreter des diplomatischen Korps in Tanger und einem Delegierten der Staatsbank. Die Importe der verschiedenen Nationen dürfen nicht differenziert tverden. Eichung. Maß und Gewicht sind für alle die gleicheil. Besondere Stempelungen, Ursprungsbe- zeichnnngen sind unzulässig. Auf Eisenerze darf kein Zoll gelegt werden. Sämtliche Mineubesitzer unterliegen der gleichen Steuer, die nach Hektar und Bruttogewinn zu be rechnen ist. Sonstige Auflagen dürfen nicht erfolgen. Auch hier sind Rückzahlungen usw. ausdrücklich verboten. Für öffentliche Arbeiten gilt nur das Subnussions- «AdjudikationS-)Verfahren. Scheinsubmissionen (bei den Franzosen häufig beobachtet), werden verhindert durch solche Frist- und Lieferungsbestimmungen, das; eine wirkliche Konkurrenz gesichert ist. Auch darf kein Auftrag ausge- s schrieben werden auf Waren, wie sie beispielsweise nur in Frankreich hergestellt werden. Staatsunternehmungen lEisenbahnen usw.) bleiben im Staatsbetriebe oder können an Dritte vergeben werden. Stets aber sind die Reglements so zu halten, das; die Inter essen aller Nationen i» Tarifen usw. gleich gewahrt bleiben. Die Staatsbank entsendet abwechselnd (wie oben) einen ihrer Direktoren in das Eomitee gänäral des adjudications. das das SubmissionSwesen leitet. Miueniudustrielle und landwirtschaftliche Industrielle haben das Recht, aus eigenen Mitteln Bahnen zu bauen, an die nächstgelegcne öffentliche Bahn oder de» nächsten Hase». Tie Jahresberichte der öffentlichen Bahnen sind unter Mit wirkung der Staatsbank herauszugeben, die das Recht hat, alle Unterlagen cinzufordern. Beschwerden bei ungleicher Behandlung sind im Schiedsgerichtsverfahren zu erledigen. Als erste Instanz gelten die beiden Konsuln der streitende» Parteien unter Leitung der marokkanischen Regierung. Für die zweite Instanz haben sich die genannten drei Faktoren auf einen Schiedsrichter zu einigen. Ter Schiedsrichter kann auch von den Negierungen direkt gewählt werden. Dies Verfahren gilt so lange, bis eine moderne Gerichtsverfassung vorhanden ist, die daun auch die Konsulargerichtsbarkeit ersetzen Nürde. Die künftige Gerichtsverfassung muß so sein, das; sie „der Gesetzgebung der interessierten Staaten entspricht". Die KonsnlargerichtSbarkeit kann somit nur nach freiwilli gem Verzicht der einzelne» Mäche aufhören. Tie Fischereirechte bleiben gewahrt. Weitere Häfen sollen je nach Bedarf teS Handels eröffnet werden. Das Verhält nis der Schutzbefohlenen ist einstweilen auf Grund der Madrider Konvention von 1881 geregelt. Der Vertrag schließ! mit der Zusicherung der Vertragschließenden, sich gegenseitig bei der Gewinnung der anderen Mächte siir die ses Statut zu unterstützen. lieber den zweiten Teil des Vertrages, das Kongo-Ab- lommen, ist nur bekannt, daß Deutschland von Frankreich einen großen Teil seines Kougogcbietes, etwa 3l)»00l> Ge- viertmeter, erhält, und an Frankreich ein Stück von Nord nestkamerun abtritt, etwa ItlOllO Geviertmeter, lieber die Gebiete, die wir nbtreten, wird vorläufig nur bekannt, das; es sich nicht um denjenigen Teil des Kameruner Enten schuabcls handelt, der nach dem Tschadsee führt, sondern um einen Streifen, der nach innen zu gelegen ist. östlich von Logone. Wenn der Reichstag am Dienstag zusammentritt, wird ihm das fertige Abkommen „zur Kenntnisnahme" über mittelt. Inzwischen haben der Staatssekretär des Ncichskolo- »ialamteS v. Lindeguist und auch der zuständige Referent Geheimer Regierungsrat Professor Tr. Freiherr v. Tanckel- man» als Zeichen, das; sie das Kongoabkommen für Deutsch land llnbefriedigeud halten, ihr Abschiedsgesuch eingercicht. Ter Rücktritt dieser beiden Männer des Reichskolonialamtes protestiert in der denkbar eindringlichsten Form gegen das zur Unterzeichnung fertige Kongo-Abkommen und den Ab schluß der Marokkoverhandlungen. Das Kolonialamt lehnt damit jede Verantwortung für die Abmachungen des Reichskanzlers und des Staatssekre tärs des Auswärtigen Amtes ab. In diesem Augenblicke hat dieser Protest vor dem deutschen Volke und vor dem Kaiser einschneidende Bedeutung. Es ist ein Zeichen, daß das Kolonialamt mit dem deutsch-französischen Gcbiets- austausch nicht einverstanden ist. Deutschland gibt seine An sprüche in Marokko auf, schenkt an Frankreich einen Teil von Kamerun und bekommt dafür das noch lange Jahre hinaus große Opfer erfordernde französische Kongo. Daß das Abschiedsgesuch des Staatssekretärs v. Lindeguist ein Protest ist, geht aus der offiziellen Erklärung hervor, die unter dem 3. d. M. meldet: „Der Staatssekretär des Reichs- kolonialamtes v. Lindeguist hat während des Sommers sein Abschiedsgesuch eingereicht, weil er mit den in Frage stehenden Kompensationen nicht einver standen war. Von dem Kaiser war das Abschiedsgesuch während der laufenden Verhandlungen abgelehnt worden. Staatssekretär v. Lindeguist erneuerte heute sein Abschieds gesuch, nachdem er noch am Sonnabend mit der Demen tierung seines Rücktrittes sich einverstanden erklärt hatte. Der Reichskanzler begibt sich heute zum Kaiser, um ihm Vortrag zu halten." Der Kaiser hat die Demission indes angenommen. Ter Kolonialstaatssekretär mag bis zum letzten Augen blick gehofft haben, durch seinen Widerstand ein besseres Ergebnis zu erzielen. Er soll sich gegen Abtretung deutschen Besitzes erklärt haben. Da seine Bedenken unberücksichtigt s blieben, Stücke deutschen Kolonialgebietes von Kamerun fortzugeben es sollen allerdings nur lliOllll Quadrat kilometer abgetreten werden, während .Kamerun IWWll Quadratkilometer hat so geht er; das unter der Herr schaft Frankreichs und zahlreicher Konzessionsgesellschaften ausgesangte, vernachlässigte und entvölkerte Gebiet des Französischen Kongos hält er für wertlos. Ob Deutschland bei diesem Handel wirklich so schlecht abschneidet, kann erst beurteilt werden, wen» der Inhalt des Vertrages ver öffentlicht wird. Der italienisch-türkische Krieg. Sowohl in Rom als in Konstantinopel sind gestern und heute keine Berichte vom KriegSischauplatze eingcgangen. Ten Italienern geht es schlecht, daher haben sie keine Ver anlassung, ihren Kriegsruhm zu verkünden und die Türken bereiten eine große Aktion vor und schweigen darüber. Alle befestigten Positionen außerhalb der Stadt Tripolis sind von den Türken eingenommen. Ter türkische Kriegsminister richtete a» die Blätter eine Zuschrift, in der er unter An drohung strenger Bestrafung Angaben über Stärke und Be wegung der türkischen Truppen, sowie über die Verkehrs mittel mit Tripolis, Benghasi usw. verbietet. Noch schärfer wie auf türkischer, scheint allerdings die Zensur auf itoliem 'cher Seite jetzt zu arbeiten. Die Italiener stehen, trotzdem sie fortwährend Ver stärknngen erhalten, eng konzentriert um Tripolis. Die Schiffe auf der Reede können noch immer in das Gefecht eingreisen. Imponierend ist dieser Zustand nach einem Feldzug von vollen sechs Wochen nicht Ja, wie die „Franks. Zeitg." meldet, hat der Führer der türkischen Truppen, Ne- schad Bei, an den italienischen Kommandanten in Tripolis die Aufforderung gerichtet, sich zu ergeben. Der italienische Kommandant antwortete ablehnend. Neschad Bei begann hierauf das Bombardement der Stadt, das zwei Stunden anhielt. Da jedoch der größte Teil der italienischen Truppen sich in die Häuter zurückzog. wurde daS Bombardement unterbrochen. Neschad Bei delegierte hierauf seinen Adju tanten als Parlamentär zu den fremden Konsuln und ließ sie auffordern, sich zusammen mit den Einwohnern außer halb der Stadt zu begeben, da es ihm unmöglich sei, den Angriff auf die Stadt aufzuschieben. Die dann zwischen den Konsuln und'dem italienischen Kommandanten geführ ten Verhandlungen scheiterten. Letzterer wollte erst nach Rom referieren, aber Neschad Bei wies diesen Vorschlag zurück. Das gesamte arabiscl-e Element dürste jetzt gegen die Italiener unter den Waffen stehen. Und das haben sie selbst verschuldet. Anstatt die Stimmung der Eingeborenen durch ein vorsichtiges Vorgehen zu schonen und die Leute für sich zu gewinnen, verdichten sich die Meldungen über unmensch liche Grausamkeiten der Italiener so sehr, das; an der Tat sache nicht zu zweifeln ist. Die mitgeteilten Einzelheiten sind so entsetzlich, weil sie bezeugen, daß Weiber, Kinder und Krüppel usw. grausam massakriert wurde». Angesichts die ser Metzeleien unter hilflosen Frauen, Kindern und Krüp peln darf man sich wohl erinnern, daß die italienische Ne gierung ihre Soldaten auSgesandt hat, um Tripolis für die europäische Kultur zu erobern. Haben sich die Herren Ita liener im Verlaufe der letzten Wochen schon als höchst frag würdige Kulturträger und Kriegshelden erwiesen, w wird ihrem Vorgehen durch diese sinnlosen Menschenschläcktereien der letzte Rest der Sympathie geraubt. Politische Rundschau. Dresden, den 4. November 1S1> Der Kaiser und der Islam. Zu den Aeußerungen. die der.Kaiser beim Empfang des Bischofs Munsch und des Provinzials I'. Acker getan hat, wird offiziös bemerkt: „Wir könne» feststellen, daß Seine Majestät nicht davon gesprochen hat, das; der Islam zur Gefahr in den deutschen Kolonien werden könne. Vielmehr hat der Kaiser, als das zielbewußte Vorgehen des Islams betont wurde, der Er wartung Ausdruck gegeben, daß es auch unsere Missionei, nicht an ebenso einmütiger und fleißiger Arbeit fehlen lassen."