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Nr. L3L — Jahrgang DienStag den 11. Oktober 1V1V SächslscheUMsMug Erscheint tSgltch nach«. Mil Ausnahme der Sonn, und Festtage. ^ ' >n Wort und B!Id- vterteljährlich »,»v In Dresden durch Boten 8.1a °»n nun» Deutschland sret Haus 8,8» Ä. ^ ^ ^ ^ entsprechenden Rabatt «nchdruikeret. Redaktton und Gesch-ist»f»-lle, Dresden, Ptllnttzer Strafte 4S. — FcrnsPrechcr IS«« Unabhängiges Tageblatt NLLZKLE stir Wahrheit, Recht und Freiheit » . « > ->> „ -> . . > ... Litte prodiereo 5ie uti5eren lioclisemen Emilie II-^Zffee pei- ^fimej 1,35. tNsctsi'Istzd.n In sllsn LdsltttsIIsn. Der dritte kolonialkongreß. Berlin, den 8, Oktober 1910. Am Vormittag des dritten Verhandlungstages hielten die Sektionen ihre Schlußsitzungen ab. In der erstell Sektion schilderte Prof. v. Llisch an die fremden Ein flüsse auf Afrika, den arabisck-en im Osten, die hamitischen Wanderungen, den europäischen Einfluß im Norden. Der Vortragende kam zu dem Resultat: Jedenfalls erweist sich die Kultur der afrikanischen „Wilden" als eine außer- ordentlich vielseitige und es wird noch Jahrzehnte langer Arbeit bedürfen, um ihre Wurzeln auch nur einigermaßen klar zu legen. Prof. Maurer gab eine kurze Charakteri sierung des Klimas der deutschen Kolonien. Dr. La Baume behandelte die tierischen Baumwollschädlü >e Teutsch-Ostafrikas. In der zweiten Sektion erörterte Dr. K ü l z Wesen und Ziele der kolonialen Eingeborenen- Hygiene. Stabsarzt Dr. Werner berichtete über einige Besonderheiten der Malaria in Brasilien. Die beiden anderen Vorträge behandelten Fragen aus der Veterinär medizin. Die dritte Sektion nahm Vorträge entgegen von Kammergcrichtsrat Dr. Felix Meyer über die Reform des Eingeborenenrechtes und Rechtsanwalt Dr. Rohde über den Vorschlag der Errichtung eines Reichskolonial gerichtes in Berlin. Die fünfte Sektion beschäftigte sich mit kolonialen Viehzuchtsfragen. In der sechsten Sektion gab Dr. Wolff einen interessanten Bericht über die Auskunfts erteilung an Auswanderungslustige und über die Ent wicklung der 1902 errichteten Zentralauskunftsstelle für Auswanderer. Pastor D e d e k i n d-Elberfeld erörterte die Aussichten des deutschen Volkstums in Südamerika, wo über 660 000 Deutsche wohnen und gab die Mittel an, die zu dessen Erhaltung und Pflege seitens der deutschen Heimat zu tun ist: Beteiligung mit Kapital an der Erschließung des reichen Landes, Ableitung der für die deutschen Kolo nien nicht in Betracht kommenden Auswanderer dorthin, Unterstützung der „Säulen des deutschen Volkstums" Kirche und Schule, deshalb Unterstützung der dieser Auf gabe sich widmenden Vereine u. a. des katholischen Rafael vereins. Redakteur Flachsbart berichtet über die Kolo nisation in Sao Paulo. In der siebenten Sektion sprachen Dr. Schacht über die Kapitalbeschaffung für koloniale Unternehmungen, Dr. Land mann über die Kautschuk- gewinnung in Amerika und Asien, Dr. Grote über Meso potamien und seine Erschließung. In der vierten Sektion fand großes Interesse der Vortrag von U. Prov. Fro ll e r g e r - Trier über die Polygamie und ihre kulturellen Schäden. Der Vortragende behandelte sein Thema vom allgemeinen kulturellen Gesichtspunkte aus, damit nicht der Eindruck entstehe, als ob der Kampf gegen die Polygamie nur vom Missionsinteresse aus wichtig sei. Die kulturellen Schäden der Polygamie sah er in folgenden Wirkungen: Zerrüttung jedes Familienlebens, Unmöglichkeit jeder Kindererziehung. Herabwürdigung des Weibes, starker Bevölkerungsrückgang. Als Gegenmittel kommt vor allem in Betracht die Förderung der christlichen Missionstätigkeit. In der Diskussion, an der sich hauptsächlich katholische und evangelische Missionsgeistliche beteiligten, fanden die Ausführungen des Referenten allgemeine Anerkennung und Unterstützung. Es wurde reiches Material an Zahlen und Beispielen beigebracht, um die großen Gefahren und Nachteile der Polygamie in Evidenz zu setzen. Justizrat B a ch e m - Steglitz wies besonders darauf hin, daß durh den mit der Polygamie verbundenen Frauenkauf die Heirat den jungen Männern fast vollständig unmöglich gemacht wird, die Folge ist Ehebruch und vollständige Zerrüttung -er Familie. In seinen Schlußworten regte Dr. Fro- berger die Ausarbeitung einer Statistik über den durch die Polygamie verursachten Bevölkerungsrückgang an, um die große volkswirtschastlicl)e Gefahr der Vielweiberei zu erweisen: die Feststellungen müßten dann in Missions- Zeitschriften und in der Tagespreise der Allgemeinheit zu- gänglich gemacht werden. Prof. Meinhof sprach über die praktische Bedeutung der Einheitssprachen für die Kolonien. Er lehnte die Einführung des Deutschen als Einheitssprache für die Eingeborenen mit guten Gründen ab. Prof. Haußleiter erörterte die Bedeutung der ärztlichen Mission in den deutschen Kolonien. In der Diskussion teilte der Leiter deS Tübinger Institutes für ärztliche Mission mit. daß seine Einrichtungen auch für die Katho- liken dienstbar gemacht werden sollten. Am Nachmittag sprach in -er dritten und letzten Plenarversammlung zunächst Geh. Oberbaurat Baltzer über Fortschritte des Eisenbahnbaues und der Technik in unseren Kolonien. Redner wies nach, daß unsere Vahlsen schon jetzt namhafte Überschüsse erzielen, und kam zu dem Schlüsse, daß sie wegen ihrer unmittelbaren Erträge, da neben aber auch wegen ihrer mittelbaren Rentabilität: Steigerung der Einnahme an Zöllen und Steuern, Er leichterung und Verbilligung der Verwaltung, Verminde rung der Ausgaben für die militärische Sicherung der Schutzgebiete — als nützliche Kapitalsanlagen anzusehen sind. Wirkt. Admiralitätsrat Prof. KLbner hielt einen sehr instruktiven Vortrag über die Reform des Kolonial rechtes. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung der Kolonien hat sich die Ueberzeugung von der Wichtigkeit der dortigen Rechtsordnung und auch von der Neform- bedürftigkeit großer Teile derselben immer weiter ver breitet und der Etat 1910 sieht beim Kolonialamt einen Fonds für gesetzgeberische Vorarbeiten hierzu vor. Die Frage, ob bei der neuen Gesetzgebung wie ein zusammen- sassendes. alle Ncchtsmaterien umschließendes Schutzgebiets gesetz erlassen werden solle, ist zu verneinen. Als die nächste Aufgabe bezeichnete der Vortragende den Erlaß eines kolonialen Gerichtsverfassungsgesetzes. Auf dem Gebiete des Privatrechtes und Strafrechtes sprach er sich für die tunlichste Anlehnung des Rechtes der weißen Bevölkerung der Kolonien an das im Mutterlande geltende Recht aus. Die Versammlung nahm einstimmig eine Resolution a», in der die von dem Referenten vorgetragenen Forderungm von dem Kongreß als eigene ausgenommen werden, zugleich wurde eine vom Abgeordneten Dr. Arendt begründete Zusatzresolution angenommen, welche die Errichtung be sonderer Lehrstühle für Kolonialrecht und zwar zunächst in Berlin fordert. Alsdann nahm Stabsveterinär Re kette das Wort zu seinem Vorträge über die Tierseuchen in ihrer Bedeutung für unsere Schutzgebiete. Auch in dem letzten großen Aufstande haben die Tierseuchen eine wichtige Rolle gespielt. Im Gegensatz zu den meisten heimischen Seuchen, die von Tür zu Tür anstecken, bedürfen die tropischen und subtropischen Massenerkrankungen zur Ucbertragung be stimmter Zwischenwirte, der Zecken und Fliegen.' Danach wird sich auch die Abwehr zu richten haben. Das letzte Referat erstattete Herr Said Ruete über die gemeinsamen Interessen Deutschlands und Englands in der Kolonialpolitik und auf dem Weltmärkte. Die wirb schaftlichen Gemeininteressen beider Länder lassen sich in die These von der gebieterischen Notwendigkeit zur Auf rechterhallung der offenen Türen des Weltmarktes zu sammenfassen. Um den heimischen Industrien genügende Beschäftigung sowie eine der Bevölkerungszunahme ent sprechende Entwicklung zu sichern, sind die bestehenden Ab satzgebiete zu Pflegen und zu festigen, nur aufzusuchen und zu erschließen. Deutschland und England stehen im Werte gegenseitigen Warenaustausches an der Spitze aller Export staaten, ihre den Weltkreis umspannenden Handelsflotten werden von keiner anderen erreicht: es besteht somit eine Jnteressenharmonie, welche befähigt, in gemeinsamem Han dein alle Widerstände zu beheben lind Monopolbestrebungen von dritter Seite erfolgreich zu bekämpfen. Es folgte die Anschlußfassung über die von den Sektionen vorgeschlagenen Resolutionen. Es wurden ohne Widerspruch angenommen die Resolutionen der ersten Sektion betr. Herausgabe und Verbreitung eines Wirtschaftsatlasscs der Kolonien betr« Einrichtung einer zoologischen Zentrale für medizinisch, forst- und landwirtschaftlich wichtige Tiere unserer Kolo »ien und Begründung einer dauernden Stelle für einer. Zoologen in Westafrika und Neuguinea, endlich betr. Er richtung meteorologischer Stationen in Togo, Kamerun und Neuguinea, der dritten Sektion betr. Unterstützung der Forderung des Landesrates in Windhuk auf Gründung einer staatlichen Bodenkreditbank, der vierten Sektion betr. die Jslamfrage, der fünften Sektion betr. Unterstützung des Baumwollanbaues und der Wollschafzucht, endlich der siebenten Sektion betr. Förderung der wissenschaftlichen Er forschung des Deutschtums im Auslande durch die Reichs Verwaltung und ausreichende finanzielle Unterstützung der vom Vereine für das Deutschtum im Auslande begründete» Zentralstelle für Erforschung des Kongresses erschöpft. Der Präsident Herzog Johann Alb recht von Mecklenburg schloß die Tagung mit den üblichen Dankesworten. Auf Vorschlag des Grafen Vitzthum dankte die Versamm lung dem Präsidenten durch eine Ehrenkundgebung. Politische Rundschau. Dresden. den 10. Oktober 1910. — In Gegenwart de» Prinzen Rupprecht von Bayern als Vertreter des Prinzregenten wurde Sonntag nachmittag in Bamberg da» Denkmal König Ludwig« II. enthüllt. — Neue Mäuurr? Eine weitere umfangreiche Ver- Änderung in leitenden Staatsstellen ist. wie die National- zeitung von gut unterrichteter Stelle hört, zum Frühjahr de» nächsten Jahre» in Aussicht genommen. Man erwartet den Rücktritt des Staatssekretär» Kraetke, des preußischen JustizmintsterS Beseler und de« preußischen Handelsministers Sydow. Bet Kraetke und Beseler dürste ausschließlich da« vorgeschrittene Alter (beide Herren nähern sich den 70) als Grund für den Rücktritt vom Amte anzusehen sein. Gleichzeitig dürste auch die Neubesetzung preußischer Ober- prästdentenposün erfolgen. Die Oberprästdenten der Pro vinzen Westfalen. Pommern und Sachsen werden zu Anfang Redaktion» - Tprcchstund des nächsten Jahres neu besetzt werden. Die National, zeitung knüpft an diese Meldung die Hoffnung, daß der Reichskanzler und Ministerpräsident bei der Besetzung der freiwerdenden Posten Gelegenheit nimmt, „durch die Aus- wähl der neuen Männer zu zeigen, ob er die Liberalen als gleichberechtigt für die Verwaltung anerkennt und ob er den Mut hat. mit der konservativen Oligarchie zu brechen". . . . — Tic Kricgstrompcte schmettert Genermaior Keim im „Tag": er will von einem freundlichen Zusammen arbeiten mit Frankreich nichts wissen. Und warum dies? Um eine große Militärvorlage herauszupressen: denn er schreibt: „Aus allem diesen folgert sich die politische Pflicht — von der militärischen ganz abgesehen —, bei Erneue rung des Oningnenates unsere Heeresrüstung so zu ver- stärken, daß Frankreich nicht mehr daran denken kann, sich uns für militärisch ebenbürtig zu halten. So wie die Hceresverstärknng 1893 gewirkt hat. Sie ist der Haupt grund gewesen für die seitherige Erhaltung des Friedens, und wenn wir eine kräftige, selbstbewußte auswärtige Poli tik treiben wollen, so ist eine ansehnliche Militärvorlage unerläßliche Vorbedingung. Wir stehen jetzt Militär- politisch wieder genau wie in den Jahren 1887 und 1893. Das heißt ins Praktische übersetzt, die auswärtige Politik verlangt, daß parlamentarische und finanzielle Erwägungen hinter denen der Staatsräson znrücktreten." Warum dies» da wir doch Frankreich sehr erheblich überlegen sind? Eine „ansehnliche Militärvorlage" wird nicht kommen, weil keine Gelder dafür zu haben sind und kein Staatsmann die Verantwortung dafür übernehmen kann, daß das Volk schon im Frieden so belastet wird, daß es den Ernstfall nicht mehr aushält. Aber dieser Trompetenstoß sagt uns, welcher Marsch im kommenden Winter gespielt werden wird. Oder ist es gar eine Ouvertüre für eine Schwenkung der Re gierung, die eine Art von Septenatswahlcn wünscht? Auf gepaßt, Zentrumswählerl An die Gewehre! Wir müssen auf alles gefaßt sein. Die Wolken können sich leicht zum Gewitter ballen: eine Auflösung des Reichstages ist nicht ausgeschlossen, so paradox der Plan beim ersten Anschauen aussieht. — Zurück zum Block! Immer wieder wird in mittel- parteilichen und nationalliberalen Blättern die Losung ausgegeben: Zurück zum Blocke! Die Losung verrät nach der „Deutschen Tagesztg." eine fast unverständliche Kurz sichtigkeit und einen ungewöhnlichen Mangel an politischer Kenntnis. „Der Block war ein Versuch, der vielleicht ein mal gemacht werden konnte, dessen Wiederholung aber Torheit wäre. Die Geschichte der Blockpolitik hat denn doch schlagend für jeden, der sehen kann und sehen will, be wiesen. daß es ein Versuch „mit untauglichen Mitteln an untauglichen Objekten" war. Obwohl die Regierung und die Blockparteien bemüht waren, den Block so lange wie irgend möglich zu erhalten, trug er doch von Anfang an die Keime des Zerfalles in sich. Grundsätzliche und tiefgehende Weltansck»auungsgegensätze lassen sich auf die Dauer nicht überbrücken und nicht überkleistern. Man kann Parteien, die auf dein Boden verschiedener Weltanschauungen stehen, wohl zu einer gemeinsamen Arbeit, zu einer gemeinsamen Abwehr von Fall zu Fall vereinen und sammeln: aber diese Sammlung zur politischen Richtschnur machen zu wollen, ist ein Unding. Die sogenannte Blockpolitik würde bei längerer Dauer entweder zu einer Politik der Grundsatz losigkeit, der Mischmascherei, oder zur Unterdrückung deS einen Blockflügels durch den anderen geführt haben. Das liegt so klar auf der Hand, daß Wohl kaum ein deutscher Staatsmann, so lange die Erinnerungen »aclvvirken, ge neigt sein wird, den untauglichen Blockversnch zu wieder holen. Der Versuch der Wiederholung würde aber schon deswegen unmöglich sein, weil man weder auf der rechten Seite noch auf der äußersten bürgerlichen Linken gewillt zu sein scheint, ihn mitzumachen. In den letzten Tagen sind nach dieser Richtung hin, sowohl von rechts als auch von links Absagen erfolgt, die a» Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Es bliebe also für de» geträumten und ersehnten Zukunftsblock nichts übrig als die Mittel partei, die sich ja schon als den Kern de? alten Blockes be zeichnen zu dürfen meinte. Dazu kommt noch eines, daß nämlich die nächsten Ausgaben der Staats- und Wirtschafts politik von den Parteien des früheren Blockes gar nicht ge meinsam gelöst werden können. Oder glaubt man etwa, daß die Fortschrittliche Volkspartei bereit sein werde, an einer vernünftigen Ausgestaltung des Zolltarifes und an dem erforderlichen Ausbau der Schutzzölle mitznarbeiten? Hält man es für möglich, daß die genannte Partei den Kampf gegen die Sozialdemokratie so führen werde, wie eS nu Interesse der Staatssicherheit und der Monarchie nötig ist? Beide Aufgaben können, wie die Dinge urrd die poli tischen Verhältnisse nun einmal liegen, nicht unter Ausschaltung des Zentrums geführt wer den. Das müssen schließlich auch diejenigen anerkennen, welche dem Zentrum grundsätzlich feindlich gcgenüberstehen. ?in Block ohne das Zentrum würde weder im jetzigen noch im nächsten Reistage positive Arbeit leisten können. Die Politiker und Blätter, die nach einer Wiederholung des )lockversucl)cs rufen, zäumen das Pferd hinten aufl" Wir haben dem nichts beizufügen I