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Unabhängige; Tageblatt M Wahrheit, stecht u. freibeit. Inserate werde» die «> gespaltene Pelitzeile oder deren Raun, mit lk» Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt.' Puchdruiterei, Redaktion und WeschäftSeiler Dre-de», "tillnitzer Strafte t » — Fernsprecher: Amt I Nr, I'E Tlllen unseren freunden, Abonnenten und Mitarbeitern wünschen wir auf richtigen Herzens ein glückliches Neues Jahr. Die Redaktion und Geschäftsstelle der „Siichfischen NolksMimg". Glück auf! Wenn der Berginann früh morgens zur Tiefe des Schachtes niederfährt, um im Schatze der Erde das edle Metall zu gewinnen, spricht er ein kurzes Gebet, und dann rufen die Kameraden sich untereinander ein „Glück auf!" zu. Ungewiß ist ja die Arbeit, die dem Bergmann bevorstryt, und ungewiß der Ertrag derselben. Wird ihm das Glück günstig und seine Ausbeute reich sein? Wird er mit leichter Mühe das gesuchte Metall aus lockeren Massen gewinnen können oder mit seinem Gezähe aus festem Gestein es sich ec- zwingen müssen? Aber noch ganz andere Interessen stehen bei seiner Arbeit auf dem Spiele. Hinter den Wänden des Stollens rauschen wilde Wasser, und giftige Gase können mit jedem Sprengschutz sich den Weg bahnen und den arbeitenden Menschen zum Stillstand für immer zwingen. Gesteinsmassen können niederstürzen und den Bergmann erschlagen. Mutz ihm da nicht das Herz schneller schlagen, wenn er hinabsteigt in den schwarzen Schacht, weiß er doch nicht, ob es ihm noch einmal vergönnt sein wird, das Tageslicht wieder zu schauen? Zu Beginn eines Neuen Jahres gleichen wir den Bergknappen. Wir steigen hinab zu neuer Arbeit in den Schacht ungewisser Zukunft. Im Schoße derselben liegt unser Geschick. Wir kennen es nicht. Da wird mancher auf blitzende Adern stoßen, die seiner Arbeit Lohn geben, andere ans taubes Gestein, das ihre ganze Hoffnung be graben läßt. Was das alte Jahr für Ausbeute brachte, liegt vor uns. Mancher ist befriedigt, die meisten aber wohl nicht. Klagen, Verzagtheit und Verstimmung finden wir allerorts. Aber den Menschen ist es nicht gegeben, zu rasten. Von neuem wird ihm die Grubenlampe in die Hand gedrückt, und weiter geht's zur^lrbeit im finstern Schacht, bis einst sein Herz stille steht. Allerhand Lichtpunkte geben uns zur Hoffnung Ver anlassung, das gibt neue Spannkraft und neuen Eifer zur ehrlichen Arbeit. Das Elend wäre erst unerträglich, wenn die Hoffnung nicht Erleichterung brächte. Mit diesem Lichte geht man der Arbeit nach. Wer es getroffen hat, sich mit dem rechten Glaubcnslicht ausznrüsten, der wird glücklich, zeitlich oder doch ewig. Wer aber auf seine Lampe falsches Oel goß, den führt sem Wille ab vom rechten Gange, der znm wahren Glücke führt. Die Einen sagen: Das Licht, das uns zum Glücke führen soll, liegt in der Befreiung von der Bibeltorheit. Es gibt keinen Gott; die Welt ist nicht geschaffen. Der Mensch ist nichts als Stoff, er hat keine Seele. Also aus gerüstet geht er zur Arbeit im Schachte des Lebens. Die obersten Zehntausend, die Pächter falscher Bildung, brechen dieser Strömung meistens Bahn: und das Volk folgt dem Beispiele nach. Aber gerade, wenn der Mensch dieses Grubenlicht braucht in bittern Togen, versagt eS seine Kraft. An Stelle des Humanitätsöles haben nun viele das sozialistische Oel aufgefüllt. Die Generalpächter von Bildung und Besitz sehen es mit Schrecken, aber sic können es nicht hindern. In rücksichtsloser Arbeit beginnt diese Partei die liberalen Leuchten zu verdrängen. Mit den Trägern, welche das Oel christlicher Grundsätze aus ihre Lampen geschüttet, beginnt der Kampf; der Sieg ist diesen verheißen, aber der Streit ist heiß. Im Reichstag werden beide Richtungen im kommenden Jahre wiederholtzusammenstoßen. Mit Eifer treten die Männer der christlichen Lehre nach der Umgestaltung des Staats wesens auf Grund derPrinziPienderGerechtigkeitundLiebeein. Sie wollen eine zufriedene Gesellschaft schaffen, die ihr zeit liches Glück hat, aber auch ihr ewiges Ziel nicht aus den Augen verliert. Und die katholische Presse kämpft mutig im Vorder treffen. Auch die „Sächsische Volkszeitung" gehört zu den Streitern für Christi Herrschaft auf Erden. Für das wirt schaftliche L^ben verlangt die christliche Sozialreform, die unser Blatt betritt, vom Staate ein Arbeitswohl, welches dem Arbeiter und Handwerker seinen gerechten Arbeitslohn sichert, sie sowie den Bauer vor Auswucherung schützt; verlangt sie Vorkehrungen gegen eine ungeregelte Produktion, die zu Arbeitskrisen führt und die Existenz der Arbeiter und Arbeitgeber gefährdet; verlangt sie Maßregeln zur Vorsorge für Krankheit und Alter jener Gesellschaftsklassen, die ohne diese Fürsorge znm Nachteile für das Ganze in ihrer Lebenshaltung gefährdet wären; fordert sie Maß regeln znr Herstellung einer gerechten Gütervcrteilung durch gleichmäßige Besteuerung alles Einkommens, durch Reform des Kredit- und Kassenwesens, der Börse; fordert sie Schutz für die nationale Arbeit und positive Förderung derselben. Für das gesellschaftliche Leben erwaktet sie Schutz für die Familie gegen die Arbeitsansbeutnng der Frauen und Kinder; Schutz, aber auch volle Freiheit für die Arbeit des Christentums, welcher Konfession es sich immer zuzählen mag, also auch der Katholiken. Endlich gilt unsere Arbeit der reformierenden Selbsttätigkeit im Arbeits- und Familien leben, in der Regelung des Verhältnisses zwischen Ueber- und Untergeordneten, zu den Berufsgenossen, zu den An gehörigen anderer Stände und Berufe, zu den notleidenden Mitmenschen. Daran wollen wir arbeiten im Neuen Jahre. Willkommen sind alle, welche im Lichte des Christentums das gleiche Ziel verfolgen. Uns erfüllt die Hoffnung, daß manch kostbares Edelmetall angefahren und geborgen wird, welches zum Heile unseres deutschen Volkes dient. Im Namen Jesu beginnen wir die Arbeit und rufen allen unseren Freunden und Mitkämpfern ein herzliches Glück auf! zum Neuen Jahre zu. Papst Pins X. und die christliche Demo kratie. Das motu proprio des heiligen Vaters beschäftigt sich mit der christlichen Demokratie in Italien und liegt in der Richtung, die der hochselige Leo XIII. gezeichnet hat. Es fällt denl in italienische Verhältnisse Nicht eingeweihten schwer, die politischen Strömungen unter den Katholiken richtig zu taxieren. Nach dem Willen des Papstes sollen die Katholiken allesamt organisiert sein in der oporn cla, oon^ro»»ii, an deren Spitze der vom Papst ernannte Präsident Grossoli steht, nachdem der ultrakonser vative Pagganuzzi abgetreten ist. Der mehr modern und sozial angelegten Richtung um Murri, die sich den Sammel namen „christliche Demokratie" gegeben hat, war diese Organisation zn enge; sie suchte nicht nur die verschiedensten sozialen Organisationen ins Leben zu rufen und die Katho liken für die Kommunalwahlen zu sammeln, sondern sie auch für die Teilnahme an den politischen Wahlen vorzu bereiten und drängte so auf die Aufhebung des „Xon oxpoäit^ hin. Die Sprache in ihrer Presse war vielfach eine recht scharfe nnd Uneinigkeit unter den gläubigen italienischen Katholiken stand vor der Türe. Da griff Leo XIII. ein und betonte die Eingliederung der christlichen Demokratie in das „Werk der Kongresse", sein Wunsch ging in Erfüllung. Innerhalb dieser mehr konservativen Organisation arbeitete aber Murri und sein Anhang sehr rührig uud konnten so ans dem diesjährigen Katholiken- kongreß zn Bologna schon einen recht bedeutenden Erfolg auf weisen; die Beschlüsse desselben fielen ganz in ihrem Sinn aus, trotz der Gegenarbeit der Ultrakonservativen, die nun Pius X. selbst anriefen. Doch versicherte derselbe dem Präsidenten des Katholikentages seiner größten Sympathie. Wenn nun die neueste Kundgebung auch anscheinend gegen die christliche Demokratie in Italien gerichtet ist, so trifft sie doch nur deren extremen linken Flügel, der ohne ^ Weisung des Papstes sofort in die politischen Wahlen ein- treten möchte und sehr radikal sich gebärdete. Pius X. hat die Kernsätze ans den Enzykliken Leos XIII. über die Gesellschaft und die Arbeiterfrage zusainmengestellt und damit aufs neue die Sozialdemokratie verworfen und sich für den Schutz des Privateigentums ausgesprochen. Gleich zeitig werden den Arbeitgebern ihre Pflichten gegen die Arbeiter in ernsten Worten vorgehalten, letztere aber neben ihren Rechten auch an ihre Aufgaben gemahnt und dringend wird die Gründung von Handwerker- und Arbeitervereinen Znm neuen Jahr. Rätselmakame. Beim alten Löwenwirt im behaglichen Raum, Da träumten so froh den Silvestertraum Die Gäste alle, daß sie merkten kaum. Wie die Zeit dahin sich spann lind die zwölfte Stunde in leisem Ticken verrann. — Da hebt die Uhr aus zum Schlag Und vom Neujahrstag Die klingende Kunde Trifft geheimnisvoll unsere Runde. Und mit dem Haupt so mächtig, So schneeweiß prächtig, Der Löwenwirt erhebt sich baß, Schiebt bei Seite sein Glas, Gibt dem Kellner ein Zeichen Und die Gäste sehn ihn entweichen. Doch bald tritt herein ein Mägdlein flink Und aus des Wirtes Wink, Leichtschreitend wie Hebe, Kredenzt den Trank sie vom Safte der Rebe, Durchglüht von den Geistern des Punsches Zur Entfaltung manch fröhlichen Wunsches. Und der alte Bergrat. schon silbergrau. Doch mit Augen noch leuchtend hell jugendblau, Wendet zum Nachbar sich und spricht: „Stun Herr Doktor, hervor das übliche Neujahrsgedicht Und wickelt ab das poetische Gespinnst, Uns zum Gewinnst Und den Musen zum Dienst." Da lächelt der Doktor verschmitzt Und der Schelm aus dem Auge ihm blitzt: „O, meine Gaben sind gar bescheiden. Strenge Kritik muß ich fürchten und meiden. Doch daß solch geistreiche Hörer Langeweile nicht leiden, Will meine Wünsche in Rätsel ich kleiden. Zwar bin ich wohl ein Tor; Sie kommen meinen Worten Allerorten mit ihrer Lösung zuvor. So leer' ich dies Glas den Herren als-Gruß Und im Fluß Der Worte und ihrem versteckten Spiel Entschlei'r ich des ersten Wunsches Ziel. I. Als Gott der Schöpfung Folge und Ordnung festsetzte. Bestimmt er meines Wunsches erste Hälfte als das letzte. Doch gilt sein Gegenbild als der Schöpfung Schönstes, Nur hüte Dich, daß Du frühzeitig verwöhnst es. Wo meines Wunsches erstes in der Familie fehlt, Zucht und Negierung umsonst sich müht und quält. Und soll ich in des Rätsels Enthüllung noch fahren fort, So merke: Eng verbunden ists mit dem Wort. Und wers in konkreto schon ist, möchts in abstrakto auch sein, Heiß wirds oft von Franen begehrt, allein Für ewig ists ihnen verwehrt, es selber zu sein. Das zweite wird vom ersten streng verlangt, nnd weh, Wenn der Braut, wenn dem Weib drum sorgend bangt. Denn der Freundschaft ist es die herrlichste Zierde; Du fordersts vom Diener, Dn heischests von der Magd, Es zügelt des Dlutstroms hinstürmende Jagd. Und doch entflammts zur edlen Kampfbegierde des In aufopfernder Lust. sKriegers Brust Fürs Vaterland auflodert sie in heißem Brand. Hätte das zweite gefehlt den Kriegern in der Geschichte der Welt, Wäre nichts von den Taten Alexanders zu lesen, Es wäre Cäsar nicht Cäsar und M'oltke nicht Moltke gewesen. Nnd weil am zweiten des Deutschen Herz kommt keines gleich. Erstarkte so mächtig das ganze Reich. Da sagt der Bergrat: „Wohlan, Dein Rätsel mir gefallen kann. Denn das erste ist der Mann. Des Schlusses Wendung klingt scheinbar tiefsinnig nnd nen. Doch meinst Du gewißlich die Treu, Und so sprech' ich die Lösung nun ohne Scheu. Sie lautet: „Mannestreu". Da strich der Doktor den Bart behaglich und heiter, Nickt mit dem Haupt und spricht dann weiter: „War leicht des ersten Rätsels Bespiegelung, Wird leichter noch sein des anderen Entstegelung. II. Sein erstes soll bei lieblichen Frauen In reicher Schöne den Sinn erbauen. Bei Männern gilts oft als Gegner des Kopfes, Weils durchschneidet die Bande des logischen Zopfes. Zwar ist es nur klein, doch gar mächtig an Kraft.' Befreit es doch zwingend aus dunkler Haft Den Blutstrom des rasch pulsierenden Lebens. Erlahmt mein erstes, käin' mein zweites vergebens, Doch ists Euch ja eigen, reich geistig belebt, Daß groß sich und klein dran erfrischt und erhebt. Das^zweite gilt im Sprichwort zerbrechlich Und doch darfst Dn's nicht fassen schwächlich. Denn launisch schilt maus, wie wechselnden Wind, Im Ziel seiner Neigung unsäglich blind. Doch hütet Euch, solche Verläumdung zu glauben. , Habt echt Ihr das zweite, wirds niemand Euch rauben. Doch soll sein wunderbar köstliches Licht Euch leuchten, Bis hoffend das Auge einst bricht. Darf nichts entbinden Euch von der Pflicht! Da wiegt der Bergrat das Haupt bedächtig. Dann murmelt er: „Prächtig!" Und ruft dann volltönend und mächtig: „Fürwahr, Dein zweites Rätsel will mir noch besser gefallen. Ich hoffe, es behagt sürwayr allen. Denn das erste, so verhüllt Deines Rätsels Scherz, Es ist das Herz, Und das zweite, was Dn im Dunkel der Worte hieltest ES ist das Glück. lzurück, Da hebt der Doktor das Kelchglas mit feuriger Flut Und spricht: „Ja Herzensglück ist fürwahr ein köst liches Gut. Wo der Gatte bietet dem Weibe den Goldschatz der ManneStreu. Entfaltet sich des Eheglücks Blume in köstlichen» Glanz, Und wo Herzensglück bietet das Weib alltäglich neu, Blüht beiden der Himmel auf Erden ganz. Harriri der Jüngere. (A. LH. Wendt)