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^pfpiseliencl uncj labsncj »psclo-^isbsst'skl ^ l^kunct 13 Pfennigs. CerÜnz 8, Zocßstroii, Drescien. ^Ilsclsi-Istzv. In sllsn Sissttsllsn. lllb Lssts LsiruAüquslls! ,^g V<»i-7 Ü xirelia ? I^ ^ 1^0 ^ » L «»<>« I LI ri » vor» 00 Ll-rrlc LN ^Un»1.i^6 2i»ti1wo»80, Koks, Xtt886Nrud»tt l AH«t-I'lLll08 ! ^vkLllii-<ivorxvu-/Nlvv 13 Der Antiklerikalismus als Ausfuhrartikel. In immer weitere Kreise Frankreichs dringt die Ueber- zeugnng, das; die heutige Situation unhaltbar geworden ist. Wer sich ein klares Bild machen will, der darf nur das Buch von Hebray lesen, das de» seltsamen Titel trägt: „Das sterbende Frankreich." Alis diesem Buche wollen wir nur auf ein Kapitel eingehen: „Die Republik und die .Kirche." Der Verfasser bespricht darin in klarer überzeugen der Weise die Konsequenzen der gesamten französischen Kirchenpolitik. Dieses Buch hat für Deutschland um so mehr Interesse, als es auch bei uns Parteien gibt, die von der Regelung zwischen Staat und .Kirche nach französisclvn Muster alles Heil für die deutsche Nation erwarten. We.m daher heute schon ein Franzose die Bilanz dieser Politik zieht, so darf man in Deutschland dieses Buch nicht unge lesen beiseite legen. Den Ausführungen des mehrfach ge nannten Autors ist um so mehr Gelöscht beizulegen, als dieser anfangs Journalist war, dann in den diplomatischen Dienst der Republik trat und zuletzt als Ministerresident in Len Vereinigten Staaten tätig war. Sein Buch ist bis her nur in französischer Sprache erschienen; es verdiente, daß man es in das Deutsche übertragen würde, damit unser» deutschen Kulturkämpfer sich einmal davon überzeugen würden, wie ihre Politik uns im In- und Auslande in den Sumpf führt. Der Verfasser weist zunächst auf die Tatsache hin, daß in Frankreich der Katholizismus immer mehr und mehr zurückgehe, und wirft dann die Frage auf, ob auf ein ent- katholisiertes Frankreich etwa ein protestantisches Frank reich folgen werde. Diese Frage wird rundweg verneint und unter den Zeugen dieser Auffassung findet man auch einen deutschen protestantischen Prediger, der lange in Frankreich gelebt hat. Es handelt sich heute in Frankreich nicht mehr um die Frage katholisch oder protestantisch, son dern um Religion oder Nihilismus. Dem heutigen Re publikaner ist der Protestant ebenso verhaßt wie der Katho lik; daher ist es auch begreiflich, daß gläubige Protestanten in Frankreich der Ansicht sind, daß es ihnen unter der frühe ren Herrsckwft in Frankreich viel besser ging, als unter der heutigen Freiheit der Republik. Der Verfasser ist auch der Ansicht, daß die überwiegende Mehrzahl des französischen Volkes einmal wieder zum Katholizismus zurückkehren werde, wenn sie gesehen habe, wohin der religiöse Nihilis mus führe. Eine Wirkung der heutigen französischen Kirchcnpoliti? bespricht der Verfasser sehr eingehend. Es sind die Rück schläge auf dem Gebiete der auswärtigen Politik. Schon der jüdische Advokat Gambetta, der rücksichtsloseste Gegner der katholischen Kirche, hat das bekannte Wort geprägt, daß der Antiklerikalismus keiu Ausfuhrartikel sei. Dem gemäß handelte er auch. Während er im Innern die Kirche äußerst scharf bekämpfte, begünstigte er die Arbeit der Je suiten in Kleinasien. Hebrah schreibt: „Der moralische Nutzen, der für Frankreich aus seiner Stellung als erste katholisch Macht entstand, war ein dop pelter. Auf der einen Seite hatte es die Klientel der katho lischen Bevölkerung in den christlichen Ländern. Auf der anderen schaffte es sich durch die Missionspropaganda in den nichtchristlichen Ländern eine solche Klientel. Diese aus wärtige Religionspolitik erlitt selbst durch die großen Stürme der großen Revolution keine Aenderung. Im kur zen Zeiträume, der seit der unheilvollen Tätigkeit des Mi nisteriums Eombes verschlossen ist, haben sich in allen jenen Interessengebieten Frankreichs schon die ungünstigsten Fol gen gezeigte Im nahen Osten und in der Levante hat Frankreich unter den dortigen christlichen Bevölkerungen jenen moralischen Vorrang verloren und erleidet Wirtschaft, lich wie politisch fortgesetzt Einbußen." Dieses Urteil des französischen Schriftstellers greift vielleicht zu einem Teile auf die Zukunft über, aber eS ent hält den richtigen Kern; gerade in Vorderasicn, wo einst die Franzosen dominierten, sind vielfach die Deutschen an ihre Stelle getreten. Zu derselben Zeit, wo in Frankreich der Kulturkampf begann, legte der deutsche Kaiser in Jeru salem öffentlich das Glaubensbekenntnis an Christus ab, und wenn Prinz Eitel Friedrich in diesem Frühjahre bei seiner Anwesenheit in Jerusalem auch persönlich sich nicht viele Synrpathien eroberte, so hat doch die Anwesenheit einer Anzahl deutscher Prinzen, ganz besonders der gläu bigen einfach» bayerischen Herzöge, einen tiefen Eindruck zugunsten Deutschlands hinterlassen. Frankreich ist damit noch mehr ausgeschütet worden und kann diesen Verlust auch auf der Schuldenseitc seiner Kirchcnpolitik buchen. Der französische Autor aber untersucht in einem zwei ten französischen Kolonisationsgebiete die Wirkungen der kirchenfeindlichen Politik. Er geht nach Tunis, Algier und Marokko und fragt, wie der Islam die heutige Stellung Frankreichs zur Kirche auffasse. Seine Antwort lautet: „Bei den Untertanen muselmanischer Bekenntnisse in Afrika haben konfessionell unparteiische Beobachter festge stellt, daß man dort die Franzosen verachte, weil sie re ligionslos seien und hauptsächlich, weil ihre Negierung sie auf diesem Gebiete anfeuere. Man hört zuweilen Ankla gen über die englischen Missionen in Algier; aber wie kann man sich angesichts dieses Zustandes des muselmannischn Geistes über ihren Erfolg wundern, die Araber setzen natürlich England, das seine Kirche ehrt und fördert, Frank- reich entgegen, das die seiuige bekämpft, und dann sind für sie, in deren Auffassung Sittlichkeit und Religion zusam menfallen, die Franzosen unsittliche Menschen, weil sie ohne Religion sind." Es ist daher ganz begreiflich, daß die einheimische Be völkerung mehr Sympathien für Spanien hat, das heut zutage in Nordwestafrika den alleinigen religiösen Ein flußfaktor darstellt, und es war ein kluger Schritt von Nom, daß cs das apostolische Vikariat Marokko spanischen Priestern anvertraute. Was man in Marokko beobachten kann, tritt noch deutlicher in Madagaskar hervor, wo die einheimische katholische Bevölkerung ganz offen für Eng land Partei ergreift, weil sie die französische Kirchenpolitik nicht billigt. Ter Verfasser bringt weiter eine Anzahl von Tatsachen in Erinnerung, die die Folgen der französischen Kirchen politik im lateinischen Amerika und in Kanada illustrieren. So sicht er in der ganzen außereuropäischen Politik nur Ruinen des antiklerikalen Kampfes. Dann aber weirdet er sich dem europäischen Volke zu und konstatiert mit tiefem Schmerze, wie die elsaß-lothringische Bevölkerung vom kul turkämpferischen Frankreich abgestoßen werde. Er weist aber auch darauf hin, wie in den gläubigen Kreisen der Ka tholiken Belgiens und Hollands die Antipathie, gegen Frankreich zunimmt, dabei läßt er wiederholt durchblicken, wie geschickt Deutschland durch seine Stellungnahme zur katholischen Kircl>e diese Situation ausnutze. Angesichts dieser gesamten Tatsachen kann man es ver- . stehen wenn England besorgt in die Zukunft blickt, denn ! cs sieht den internationalen Einfluß seines Verbündeten ; immer mehr schwinden. Es ist daher ganz begreiflich, wenn > England in Nom und Paris sich bemüht, eine Verständigung mit der Kurie herbeiznführen. Politische Rundschau. Drei den. den 2 Juli IS10. — Der BuudeSrat stimmte dem Antrag der preußischen Regierung auf die Prägung von Dreimarkstücken in der Form von Denkmünzen zur Feier deS hundertjährigen Be- stehenS der Berliner Universität zu. — Kardinal Fischer brachte am 29. Juni an dem Mahl, das die Stadt Erkelenz ihm zn Ehren gab, den Toast aus Papst und Kaiser aus und benützte der „Köln. VolkSztg." zufolge diese Gelegenheit, in knapper Ausführung auf die unliebsamen Erscheinungen zurückzukommen, die an die jüngste Enzyklika anknüpften. Der Zurückhaltung auf katholischer Seite stellte er gegenüber die bedauerlichen Gefährdungen des religiösen Friedens durch einzelne Elemente auf der anderen Seite. Er betonte die wahre Friedensliebe der Katholiken, die uns in unserem Vater lande beiderseits so bitter nottue. und ermahnte, alles zu vermeiden, was geeignet sein könnte, das gute Einvernehmen der Konfessionen zu beeinträchtigen. Die ernste» Worte des Kirchensürsten machten auf die zahlreichen Anwesenden tiefen Eindruck. — Ein bedeutsamer politischer Erfolg des Abgeordneten Gröber. Die Arbeiten in der Strafprozeßkonimission neh men im allgemeinen einen wenig erfreulichen Fortgang, und die Reaktion feiert dort ihre Triumphe. Enthält schon die Vorlage recht wenig an Fortschritten, so scl)eink die Mehrzahl der Juristen, die dort arbeiten, noch vor diesen Angst zu bekommen. Schon wiederholt wurde eine Ver schlechterung beschlossen. Die Hauptarbeit in dieser Kom mission und ztvar in durcl>aus freiheitlichem und liberalem Sinne liegt auf den Schultern des Abgeordneten Gröber. Der Liberalismus selbst aber spielt eine wahrhaft traurige Nolle. Selbst die Freisinnigen stimmen wiederholt gegen die fortschrittlichen Anträge des Abgeordneten Gröber. Am letzten Donnerstag ist ihm nun mit vieler Mühe ge lungen, einen bedeutsamen politiscl-cn Fortschritt zu er reichen. Er beantragte die Aufnahme folgender Bestim mung: „Wird in einem Strafverfahren wegen Beleidigung, welches auf grund des von einem Beamten oder von dessen Vorgesetzten gestellten Antrages auf Strafverfolgung ein geleitet ist, die Ermittelung des Sachverhaltes durch Ver sagung der Genehmigung 'zur Ablegung des Zeugnisses des Beamten gehindert, so ist, falls das Gericht nicht zu einem freisprechenden Urteile gelangt, die Einstellung des Verfahrens auszusprechen." Zur Begründung dieses An trages darf nur auf den skandalösen Prozeß Lehnen in Neuenkirchen hingewiesen werden. Es sind sechs Jahre her, daß gegen den Zentrumsredakteur Lehnen Anklage wegen Beleidigung eines Beamten erhoben wurde. Der Angeklagte wollte den Wahrheitsbeweis antreten und lud den betreffenden Beamten als Zeugen. Tie Vorgesetzte Dienstbehörde verweigerte aber diesem die Aussage. Der Wahrheitsbeweis wurde aber dadurch unterbunden und der Angeklagte verurteilt. In den letzten Jahren sind eine Reihe ähnlicher Prozesse vor sich gegangen und zwar immer Prozesse, die auf rein politischem Gebiete liegen. Ter An trag war somit in allen Teilen wohl begründet. Wer aber stimmte gegen diesen? Tie Konservativen mit Ausnahme des Abgeordneten Arendt, alle Nationalliberalen und der freisinnige Abgeordnete Kopsch. — Kommentar überflüssig! — Dernburg beim Kaiser. Di.- Behauptungen frei sinniger Zeitungen, daß der frühere Staatssekretär Dernburg als Gast des Kaisers in Kiel geweilt habe, ist vollkommen unzutreffend. Dernburg war nicht Gast des Kaisers und wird es künftig noch weniger sein. Generaldirektor Dallin hat nach vielen Bemühungen erreicht, daß sich Dernburg persönlich abmelden durfte. Der Kaiser war in dieser kurzen Audienz so kühl und zurückhaltend, daß Dernburg sich nachher verärgelt darüber ausließ. Derselbe wurde weder zum Frühstück geladen, noch zur Teilnahme einer Regatta. Eine ganze Reihe von Umständen haben dazu geführt, daß der Kaiser gegenüber Dernburg sich aufs äußerste zurückhält. Neben der Diamantenfroge spielt dabei auch eine Rolle ein gewisses von Dernburg verfaßtes Promemoria. Wenn freisinnige Blätter die Sache so dar stellen. als habe der Kaiser Dernburg höchst ungern scheiden sehen, als solle die Kieler kurze Unterredung ein Huld- beweis für Dernburg sein und ein Affront gegen die Reichstagsmehrheit, so ist das auferlegter und ausgesuchter Schwindel. Dernburg wird auch darüber keinen Familien rat mehr abzuhalten haben, was mit den Brillanten zu seinem Orden anzufangen sei. — lieber das Verhältnis zwischen Zentrum und Kon servativen hat sich auf einer Versammlung in Bochum der Reichstagsabgeordnete F ü r st z n L ö w e n st e i n geäußert, Er betonte, daß dieses Verhältnis augenblicklich der Angel punkt, wenn nicht der innerpolitischcn, so doch unserer par lamentarischen Lage sei. Zentrum und Konservative seien nicht miteinander verheiratet, ja sie seien nicht einmal ein Brautpaar, das sich in jugendlichem Liebcsfeuer an- schwärme. Die „Kreuzzeitg." sagt dazu in Nr. 298: „Wir können nur bezeugen, daß beide Parteien mit großer Entschiedenheit darauf bedacht sind, ihre Selbstän digkeit zn wahren, denn beide Parteien wissen, daß sie nur als selbständige, von einander unabhängige Faktoren im politische» wie im parlamentarischen Leben zur Geltung kommen können. Was Konservative und Zentrum zu- sammengeführt hat, war also nicht eine Herzensneigung, sondern, wie Fürst zu Löwenstein zutreffend hervorhob: die Not deS Reiches und — die Unverträglichkeit der anderen." Fürst Löwcnstein fuhr fort: „So sind wir Kampfgenossen geworden, von denen jeder seine eigenen Waffen, seine eigene Rüstung, ja jeder seine eigene Taktik und Strategie hat. Auch kämpfen wir nur dann zusammen, »venu ein gemeinsamer Feind sich uns gegenüberstcllt. Sonst geht jeder seiner Wege, und ge legentlich raufen wir auch untereinander. Aber freilich, wie eS unter ernsten Männern geht, die — erst notgedrun gen — in häufigem Kampfe zusammenstehen: man lernt sich kennen, man lernt sich schätzen, man erkennt, daß man mehr gemeinsame Ideale hat, als man früher glauben mochte, und wenn man im Streit verschiedener Anschau ungen anseinandergekommen ist — man findet sich leichter wieder." Die „Kreuzztg." schreibt zu dieser Auslassung a. a. O.: „Von den Liberalen ist es ebenso kurzsichtig wie töricht, daß sie den Konservativen jedes Zusammengehen mit dem Zentrum verwehren wolle», wenn sie selbst nicht! die Neigung fühlen, in der positiven Mehrheit mitzuwir ken. Oft genug haben die Nationalliberalen im Bunde mit den Konservativen und dem Zentrum gegen die Links liberalen und Sozialdemokraten zusammengestanden. Heute verfehmt die gesamte Linke den „schwarzblaucn Block". Aber die jetzigen Mehrheitsparteien bilden, wie auch Fürst zu Lötvenstein erklärt, überhaupt keinen Block, weil sie nicht, wie der konservativ-liberale Block, eine große Partei von der parlamentarischen Mitarbeit ausschlietzen »vollen. „Wir gehen unseren Weg und freuen uns über jeden, der mitgehen will, und nehmen möglichste Rücksicht auf alle anderen Parteien." Diese Rücksicht, die — wie noch die letzten Wahlrechtsverhandlungen bewiesen haben, besonders den Nationalliberalen gegenüber getvaltet hat, ist von die sen jedoch leider schnöde ignoriert worden. Und dann ve-