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Donnerstag den 8. August lOLe R» 177, Seite 2 Der Funken für das Pulverfaß auf dem Balkan Schon seit einigen Tagen gingen beunruhigende Gerüchte Aber einen angebliche» Plan Griechenlands, die Großmächte vor vollendete Tatsachen in Kleinasicn und Trazien zu stellen. Nicht ganz mit Unrecht behauptete man. bah England trotz der anher- lichcn neutralen Haltung Griechenland vorgeschoben habe, ge. radeso wie im griechisch-türkischen Kriege in Kleinasien, der mit einem Fiasko der Griechen endete. Daß diese Annahme richtig war. beweist eine Erklärung des englischen Generals Harrington, der Chef der alliierten Truppen in Konstantinopel, der den tür kischen Großwesir auf dessen Beschwerde über griechische Truppen, ansammlungen in Trazien erklärte, durch die belanntgewordene Verschwörung der Kemalisten, die Konstantinapel besehen wollten, habe auch Griechenland seine Handlungsfreiheit wiedergewonnen. Die Engländer scheinen also einer Besetzung Konstantinovels durch Griechenland keine Schwierigkeiten bereiten zu wollen, son dern sie im Gegenteil sogar zu begünstigen. Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob die Franzosen, gegen die das ganze Spiel Englands in Kleinasien gerichtet ist, es wagen werden, die Griechen mit Waffengewalt daran zu verhindern. Daß cs den Griechen ernst ist, zeigt die Landung von 25 000 Mann Truppen in Rödosto, das etwa 100 Kilometer von Konstantinopel entfernt ist. Ohpe geheimes Einverständnis mit England würden sie es sicher nicht wagen. In Kleinasien, wo sie gemäß den Ab machungen mit den Alliierten Smvrna räumen müssen, hat der griechische Befehlshaber die Autonomie verkündet, und zwar an dem gleiche» Tage, an dem die gri«chischen Truppen in Rodosto landeten. Offenbar will Griechenlaich eS auf diesem Wege ver hüten, daß die dorllebenden Griechen noch einmal unter türkische Herrschaft kommen. Tie ganze Angelegenheit kann letzten Endes zu schweren Konflikten nicht nur unter den Balkanstaaten, sondern auch zwischen England und Frankreich führen und Italien wäre auch zu einer offenen Stellungnahme für oder gegen Frankre'ch oder England gezwungen. Wir dürfen unsererseits nicht allzu große Hoffnungen an einem solchen Zwist unter den Alliierten knüpfen, denn tritt Frankreich und England einmal in offene Gegnerschaft, dann hat Frankreich Deutschland gegenüber auch vollständig freies Spiel und che es jemand daran hindernl könnte, wäre ein großer Teil Deutschland von ihm zerschlagen und zerstört. Die Neubildung des Kabinetts in Warschau Der nationalistische Flügel im polnischen Sejm hat es doch nicht auf einen vollständigen Bruch mit dem Staatschef kommen lassen. Die Mehrheit des polnischen Reichstages hat die Kandidatur Korfanihs satten lassen und der Staatschef Hai den Krakauer llniversitätsprofcssor Nowak mit der Neubildung des Kabinetts betraut. Dieser Sieg der gemäßigten Elem nte läßt erwarten, daß die unter Polens Herrschaft verbliebenen Deutschen einer besseren Zukunft cntgegengehen, als wenn sie unter Korfanihs Herrschaft gekommen wären. Besprechung mit General Harrington Adrianopcl, 1. August. Der Kommandant der französischen Truppen, General Cbarpy, ist im französischen Hauptquartier au der Tschataldscha-Linie, oer englische General Harrington im englischen Hauptquartier Hademichi eingetroffcn. Der Ausinarsch der massierten griechischen Truppen vor der Tschataldscha-Linie ist vollzogen. Es ist noch unbekannt, ob der griechische General Simus Hadjianestis schon im griechischen Hauptquartier Tscherke- sköi bei Tschorlu weilt. Aus Athen kommen Nachrichten, daß die Regierung die Ausführung des Ministerratbeschlusses bezüglich emcr militärischen Aktion noch aufschob. Hier verlautet, General Harrington werde zuvor eine Aussprache mit General Hadjia nestis in, griechischen Hauptquartier haben. Hadjianestis gilt in Griechenland als energische Persönlichkeit, die dazu geeignet sei, den gordischen Knoten der Orientfrage durchzuschlagen. Etwa 500 Landräte, Bürgermeister, Stadtverordnete, KreiS- tagsabgeordnete und Gemeindevertreter aus allen Gauen Deutschlands weilen zurzeit in Bonn zur 5. Hauptversammlung der Kommunalpolitischen Vereinigung der Deutschen Zentrums- partei. Drei Tage dauern die Beratungen, in denen zu neuen Problemen der Gemeindeverwaltungen Stellung genommen wer. den soll. Die Tagung begann Samstag mit eitler Besprechung der Führer der Kreistagsfraktionen über die besonderen Auf- gaben dieser Fraktionen. Rach dreistündiger Aussprache wurden mehrere Entschließungen angenommen: der Zusammenschluß der auf dem Boden der Zentrumspartei stehenden Mitglieder eines Kreistages zu einer Zentrumsfraktion wird gefordert. Ferner sollen die AreiStagSfraktionen eines Regierungsbezirks und vielleicht darüber hinaus auch einer Provinz alljährlich einige Male zusammenkommen, um sich über die gemeinsamen kom munalpolitischen Aufgaben auszusprechen. Es wird die Ver tretung auch der Kreistage beim Verbände preußischer Land kreise gefordert und verlangt, daß die neue KreiSoronung nicht vor den anderen Kommunalordnungen erledigt werde. In der ersten allgemeinen Versammlung, die Sonntagmorgen unter dem Vorsitz des Stadtverordneten Justizrat Münnig-Köln stattfand, hielt der Vorsitzende der Deutschen Zentrumspartei, Abg. Marx einen hochbedeutsamen Vortrag über das Thema Gemeinde und Schule. Weil von anderen Parteien, zum Teil mit besonderer Absicht eine gewisse Beunruhigung in die Zentrumskreise ge- tragen worden ist durch die Ausstreuung, man dürfe dem Zen trum in der Schulfrage nicht allzuviel vertrauen, versichert Sc- natspräsident Marx: Die Zentrumsfraktion ist fest entschlossen und hat darüber auch im Reichstagsausschuß den anderen Par teien gegenüber keinen Zweifel gelassen daß sie unter keinen Umständen gewillt ist. irgend einen Schritt übr die Bestimmungen des Artikels 146 Absatz 2 der Reichsberfassung hinauszugehen, daß sie unverbrüchlich an diesen Bestimmungen festhält und lieber überhaupt kein Schulgesetz zustande kommen läßt, als daß sie zugibt, daß über diese Bestimmungen hinausgegangen wird. Zur Frage der weltlichen Schule führte der Redner auS: ich bin keine» Augenblick darüber im Zweifel, daß die Einrichtung welt licher Schulen dem Sinne und Wortlaut des preußischen Volks- Deutsches*Relch Die erste Verhandlung vordem Staatsgerichtshof Leipzig, 1. August. Die erste Verhandlung des StaatSqerlcktS- hosis zum Schutze der Republik findet am 10. August d. I. unter dem Vorsitz des SenatSprästdenten Dr. Schmidt, des Leiter« der Kriegsbeschuldigtenprozessc, statt. AIS Richter nehmen teil die RcichS- gerichtsräte Niedner und Dr. Baumgartcn, iodann der Reichskanzler a. D. Fkhrenbach und die Mitglieder der Reichstage» Hermann Jäckel und Erkelenz. Verhandelt wird zunächst gegen die Angeklagten Archivar Laun in Füßen und Gen., Kaufmann Julius Mengert in Nürnberg, Kapitän Esnard Geerken in Hamburg, Kaufmann Georg Buhler in Oppurg, Student Manfred Bacherer in Heidelberg und Gcn. und LandwirtSelcve Rudolf Ziepkc in Greifswald. Lms ttiobsport erreichte uns am 1. August. Das Papiersyndikat, der Haupt» verteuerer des Zeitungsunternehmens, hat einen weiteren Schritt getan, einer Reihe von Zeitungen die Frage der nahezukegen, denn zu dem bisherigen hundert fachen Betrage des Friedenspreises ist eine «vsilvnv Vonlsuvi'ung ^vs pspivi»» zunächst für den Monat August diktiert worden. Der Machtspruch wird stets erst zu Beginn des Monats bekanntgegeben, die Preiserhöhung hat rückwirkende Kraft. Wenn UNSSS'S I-GSVI* uns jetzt in diesem Augenblick höchster Gefahr in« Slivks lassen wenn ihr Opfermut gerade jetzt versagt, lrt eine iletsetWlis mernieiiilivll. Jeder Einzelne kann diese abwenden helfen, wenn er über die schwere Zeit hinweg aufs neue seinen Opfermut sich bewähren laßt. Darum ergeht die Bitte: Zahlet ans der in einer der nächsten Nummern beiliegenden Zahlkarte die LnkSkung «üsn veLussgadiiknen. schulunterhaltungsgcsetzes direkt zuwiderläuft. Jedoch wir müssen uns mit dem Problem der weltlichen Schule auseinander- sehen; denn es wäre unsinnig, einem Verlangen, das auf der Weltanschauung beruht und das bei einer großen Zahl von Er ziehungsberechtigten immer stärker hervortritt, mit Berufung aus Gesetzesparagraphen entgegenzutreten. Wir dürfen von unserem christlichen Standpunkte aus, der unS die To ecauz umschreibt, andere, die einer anderen Weltanschauung sind, an der Betäti gung dieser Weltanschauung auf gesetzlichem Wege nickt bindern, wir müssen vielmehr Mittel und Weg« suchen, den Anschauungen und Wünschen jener anderen möglichst gerecht zu werden, soweit das mit unserem Gewissen und mit unserem christlichen Stand. Punkt irgendwie vereinbar ist. Die katholische Schulorganisa- tion hat nach langen eingehenden Beratungen Leitsätze ausge stellt, die dem Zentrumsstandpunkte durchaus gerecht werden und auch den anderen Konfessionen gerecht und billig erscheine». Diese Leitsätze lauten: 1. Wenn die Errichtung einer weltlichen Schule nicht zu verhindern ist, so verlangen wir. daß die katho lischen und evangelischen Schulsysteme, die auf dem Boden des Gesetzes stehen, nicht benachteiligt werden. Die Rechte der gläu bigen Eltern und ihrer Kinder dürfen in keiner Weise Schaden erleiden. 2. Unter keinen Umständen kann zugegeben werden, daß blühende bekenntnismäßige Schulsysteme, die von atterS- her als Bekenntnisschulen gedient haben, in religionslose Systeme verwandelt werden. 3. Wenigstens in jeder Pfarre muß ein be kenntnismäßiges Schulsystem erhalten bleiben. 4. Die in nächster Nähe der Kirchen gelegenen bekenntnismäßige» Systeme dürfen nicht in weltliche umgewandelt werden, b. Bei der Errichtung von weltlichen Schulen müssen diese räumlich von den bekennt- nismqßigen getrennt werden. — Diese Leitsätze, so sagte Gehet m- rat Marx weiter, entsprechen der Toleranz und werden allen An sprüchen im weitesten Umfange gerecht. Es muß namentlich die räumliche Trennung unter allen Umständen dnrchgeführt werden. Den Schulstreik bezeichnet der Redner als ein sehr schweres Hebel, das nur im alleräußersten Notfälle angewendet werden dürfe, dann nämlich, wenn die Kinder einer großen religiösen oder sitt lichen Gefahr ausgesetzt sind. Der Schulstreik ist also kein Streik im üblichen Sinne, sondern nur die pflichtmäßige Notwehr eines gequälten Gewissens. Ferner besprach der Redner die Anstellung und Besoldung der Lehrer. Er legte den Kommunawcrlretern mi Herz, für die Lehrer und ihre Ausbildung die größten OiEer M bringen, das sei die beste Geldanlage. Beim höheren Schul wesen dürfe das Zentrum Reformen nicht ablehne», e? dürfe dem Vorwurf, das Zentrum sei bildungsfeindlich, keine Grund- lage geben. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, so sagte Marx weiter, daß bei den höheren Schulen die Konfessionaiität ausge schlossen sei; so etwas steht nicht in der Verfassung. End'-ch er wähnte Marx noch die privaten höheren Mädchenschulen und Lat die Vertreter der Zentrumsfraktionen, sich dieser Schulen l'cbcvoll anzunehmen. An die Rede, die mit großem Beifall ausgenommen wurde, knüpfte sich noch eine Aussprache über verschiedene Einzcttragen an. In der zweiten allgemeinen Versammln»» am Sonntag, nachmittag sprach Neichstagsabg. Thomas Eifer über das- Kom- munalprogramm der Zentrnmspartei. Er erörterte die Grund linien für Verfassung und Verwaltung der Gemeinden iür d>e Kulturpolitk, Volkswohlfahrt, Wirtschaft?-, Finanz- und Steuer politik. Landrat Dr. Lönhartz sprach über die neuen Kommunal» verfassu igsgesetze nir Preußen. Das Ziel der staatlichen Ver waltung müsse se.n, die Gesetze durchznführen, eine wirtschaft liche Gesundung zu erreichen und die tiefen Gegensätze, die heute überall klaffen, zu Überdrücken. Bei allen Reformen müsse darauf gesehen werden, daß die Erhaltung des Staates, des Reiches und der Staatsautorität gewährleistet sei. Stadtv. Landgcrichlsrat Schumacher-Köln erörterte den Entwurf der neuen preußischen Städteordming, besonders die Kreisfreiheit der Städte, Neuwahl der Bürgermeister und der Stadtverordneten, Wahlrecht, Eingemeindung, Staatsaufsicht. Schwere belgische Uebergriffe in Hamborn Hamborn, 2. August. Die belgische Besatzung hat sich in Hamborn schwere Uebergriffe zuschulden kommen lassen. Es er schien ein Kommando Belgier mit belgischen Krimiualbeamleri vor dem Barbarahospita! in Hamborn. Die Belgier drangen in das Krankenhaus ein und verhafteten den dort wegen einer Mittelohrentzündung in Behandlung befindlichen Polizeiober- wachtmeister Samos. Der Krankenhausfernsprccher wurde von den Belgiern etwa zwei Stunden gesperrt, so daß es nicht mög lich war, in etwa dringenden Fällen einen Arzt hcrbeizurufen. In Rom und in Italien (Heimreise) Von Tr. Adrian, Erfurt In Nom fällt es auch dem Deutschen nicht schwer, sich heimisch zu fühlen. Man könnte denken an den Papst, den Papa, den großen gemeinsamen geistigen Vater der Christenheit. Beim .Vater darf mau sich zu Hause fühlen. Man denkt ferner an die vielen scköncn Kirchen mit dem Allerheiligsten Sakrament, die jedem offen stehe» und niemand verschlossen sind, namentlich auch an die trauten Marienkirchen, in denen die HimmelSmutter ihre Zufluchtsstätten ausiut. Den lieben Gott brauche ich nicht zu nennen, denn der wohnt ja überall. Aber auch für den Deut schen insonderheit ist gesorgt. Ta ist vor allem das uralte Hospiz vom Eampo sato unmitteibar neben der Peterskirche, das schon aus der Zeit Karls des Großen stammt, dann das Hospiz der Anima von 1400, das Gcrmaniknm der Jesuiten für deutsche Studenten. Vorwiegend deutsch sind folgende Klöster: das Be- nedikünerkloster Sant' Ansclmo auf dem Aventin, das Franzis- kancekle'sier Sant' Antonio beim Lateran, das Nedemptoristen- klcster Sant' Alfonso nicht weit von Maria Maggiore; die Salva- toriaucr wobnen in der Nähe des Vatikan. Auch eine Reihe deutscher Schwesternhäuser stehen deutschen Pilgern offen. Via di San Basilio 8 wohne» deutsche Krelngschwestern, Via de!? Olma.'a 0 die Grauen Schwestern von der hl. Elisabeth, Salsia di Sant' Onofrio 11 die Salvatorianerinnen, und in San Michele am Borgo Santo Spirito die Schwestern von der schmerzhaften Mutier. Alle 14 Tage tagt in der Anima der deutsche Lchrverei'n. bestehend ans de» katholischen Akademikern zur Pflege der ka- tbolischc» Weltanschauung. Dort traf ich auch einen Lehrer der Tintschc» Schule, Sludienrat Dr Jaeger aus Duderstadt. In der Anima wurde am 8. April 8aS feierliche Requiem gehalten ii.i den letzten österreichisch-deutschen ler ans dem erlauchten Hanse der Habsburger, der auf Madeira als Opfer der Entente- Politik ans dem Leben geschieden war. In Rom herrschte all- gcmci», ramentlich aber unter den Österreichern, die Meinung, das, an Karl von Habk-bnrg viel gesü.id'g' ist; er war viel besser l! fein Ruf. Er war vor allem a.'ir chtig religiös. Ani fol genden Taae war Palmsonntag. Die Feier in. St. Peter hielt Kardinal Mcry dcl Pal. Sie dauerte drei Stunden. Einen ge weihte» Oelzwcig von der Feier habe ick m'r mitgebracht. Die Paimenblätter sieht man in den wunder! a> sie» Verschlingzmgen. Sie sind vor dem Gottesdienste an allen Straßen und Plätzen zu kaufen. Inzwischen nahte die Zeit irr Heimreise. Anfangs hatte ich voraehabt, in der Zwischenzeit von Rom nach Neapel zu fah ren. Aber da hätte die Reise allein 80 Lire gekostet. Nicht viel mehr kostete die ganze Reise von Neapel bis an die österreichische Grenze. In Italien besteht nämlich ein solcher Tarif, daß die Fahrkarte für lange Strecken vier, bis fünfmal so billig ist, als. wenn man immer für kurze Strecken, von Stadt zu Stadt löst. Von Neapel bis Österreich durfte man zehn Tage fahren und.an fünf Stellen anSsteigen. Zwar mußte ich dq»n in der Karwocke. fahren» aber man sieht dann auch, wie sie außerhalb Noms ge feiert wird. Am Mittwoch nachmittag war ich zu den Metten in Maria Maggiore, wo man besonders gut singt. Neben mir kniete der Kronprinz von Sachsen. Donnerstag früh feierten wir in der Anima, Donnerstag nachmittag wieder in St. Peter. Nachts 12 Uhr fuhr der Zug nach Neapel in wunderbarer Heller Nacht. Alle Städte auf den Bergen strahlten in hellstem Licht, namentlich Frascati, Nocca di Papa, Tivoli. Es scheint, daß in der Karfrcitagsnacht besonders illuminiert wird. Das war um so reizvoller, da all die Städte und Städtchen wie be festigte Burgnester aus Bergkegeln liegen. In Italien ist von alters her und vom Mittelalter her immer noch alles auf Krieg und Fehde eingestellt. Das war mir immer ein sehr auffallen des Bild . Wie die Städte, so hoben sich später die grauen, steilen Berge in ihren dunklen Umrissen vom Hellen Himmel ab. Das war viel zu sehenswert, als daß man zum Schlafen hätte kom men können. In der Nähe von Capua bemühte der Zug sich vergebens, weitcrzlwkommen. Es hieß, es fehle ihm an Kohlen, und so ivar ihm der Atem ausgegangen. Neben Capua liegt Alt-Capua. Es ist eine Ruinenstadt. Die Sarazenen hatten es zerstört. Da bauten die Einwohner vier Kilometer weiter eine neue Stadt. Italien ist überhaupt von Kriegen mitgenommen worden, wie kaum ein anderes Land. Das ist die schlimme Folge seiner Schönheit. All die Völker haben das Land ver wundet, weil sie es zu sehr liebten. Dort bei Capua am Val- turno ist eine besonders jchöne Landschaft. Man nennt sie Cam pania felix. das glückliche Kampanien. Pflanzen und Blüten schmuck waren weiter wie in Rom. Nur noch eine Stunde und der Zug hielt in Neapel. Es war 8.30 Uhr. Auf dck: Straße wurde an der Untergrundbahn gearbeitet. Neapel ist größer, aber auch unheimlicher wie Nom. Ich trat in die erste beste Kirche ein. Eine Menge Beter saßen oder knieten vor dem hl. Grabe, das in einem Meer von Kerzen strahlte. Die Leute waren weniger fein wie in Rom. Um 9 Uhr begann die „verstörte Messe". Geringe Teil nahme von Gläubigen. Durch die Strada di Tribnnali ging ich zum Toni, wo der hl. Januarius verehrt wird, dessen Blut zu Zeiten wieder flüssig wird. Auch hier war nicht die Sauberkeit wie in Rom. Und diese Strass», so eng, so düster und so be fahren und begangen! Hier beherrscht der Esel und Maulesel das Bild. Für etwas sind die engen Straßen ynt: man ist vor der heißen Sonne geschützt. ' Ich ging also weiter zum Bahnhof der Elektrischen, die nach Pompeji hinausfährt. Ich wollte vor allein die Landschaft von Neapel sehen. Unterwegs hatte ich den Vesuv zur Linken, das Meer zur Rechten. Vorerst war der Vesuv noch ganz in Wolken gehüllt, während unten die Sonne schien. Welch eine Fruchtbarkeit! Der Weizen stand schon hoch, die Großebohnen (Puffbohncn) waren in voller Blüte, der Wein hatte schon lange Ranke». An einer Stelle fuhr man durch frisch« schwarze Lava- maisen. Sie stammten ans dem Jahre 1606. Einige Wochen vorher war in den Zeitungen berichtet worden, es drohe w'eder ein AnSbnich wie 1006. Ob es nur Reklame gewesen war? Denn der Vesuv atmete ruhig weiter, nicht, wie ich vermutet hatte, in schwarzem Rauch der Esse, sondern in ganz weißen Wasser- dämpfen. Unterwegs wurde man in allen Sprachen umworben, doch eine Fahrt auf den Vesuv mitzumachcn, mit der Bahn, im Wagen, auf einem Maulesel. Bis zu 20 Lire ging man her unter im Angebot. Aber vergebens: „Ich habe weder Zeit noch Geld übrig." Inzwischen war der Zug in Pompeji angekommen. Pompeji war schon 600 Jahre vor Christus gegründet und mochte zur Zeit Christi etwa 30 000 Einwohner zählen. Da er folgte im Jahre 79 nach Christus der furchtlmre Vesuvausbrnch. der Pompeji, Hcrculanum und Stabiae nebst anderen Ortschaf ten unter Schult und Asche begrub. Der ältere Plinins hat bei den Rettungsversuchen seinen Tod gefunden, der jüngere Pli- nius hat das Ereignis geschildert. Die meisten Einwohner haben wohl durch die Flucht das Leben gerettet, etwa 2000 mögen nm- gekommen sein. Zuerst fiel eine über zwei Meter hohe Schicht von kleinen Bimsteinen, dann Asche ebenso hoch. Durchschnittlich vier Meter hoch sind die Häuserreste der Stadt. Die Dächer und höheren Stockwerke sind später abgetragen oder zerfallen und dann im Laufe der Zeiten mit acht bis zehn Meter hohem Schutt überdeckt. Erst im 18. Jahrhundert wurde die versunkene Stadt neu entdeckt. Die Ausgrabungen haben anderthalb Jahr hunderte gedauert. Die Besichtigung kostete fünf Lire. Nach der Karte fand man sich gut zurecht. Lästige Führer konnte mau ab- weiscn. Pompeji ist mir von der ganzen Reise mit am stärksten in der Erinnerung. Es war — genau so wie in Deutschland — am Karfreitag ein herrlicher Sonnentag. Die schmalen Stra ßen Pompejis haben mächtiges Sandsteinpflaster, genau so wie jetzt noch die alten Straßen Neapels. In den Wohuränmen und Höfen wuchert üppiges Gras mit Blumen aller Art. Wo die Sonne noch nicht geschienen, waren noch glitzernde Tauperlcn. Auf den sonnigen Steinen wimmelt alles von äußerst lebhaften bunten Eidechsen. Auf einer schattigen Nascnbank wurde das Mittagsmahl eingenommen, ganz vorschristSmätzig, wie eS sich für Karfreitag geziemte. Ter Karfreitag paßte auch vorzüglich für die Stimmung. In eincmfort kamen mir die Lamentatio nen der Karwoche in den Sinn, gesummt, gesungen oder gepfif fen: des JercmiaS Klagelieder über da? zerstörte Jerusalem. Und auch unser deutsches Elend lag einem immerfort auf der Seele. „Wie liegt so einsam die Stadt, einst so voll des Volkes!" „In bitteren Tränen weint sie in der Nacht, Tränen sind ans ihren Wangen, Und niemand ist, der sie tröstet von allen ihren Freunden." „Es trauert die Vorburg und auch die Mauer selbst ist zerstört. Gesunken in die Erde sind ihre Tore, verworfen sind ihre Riegel." „Vergangen sind v«r Tränen meine Augen, erschüttert ist mein Inneres, , Ob des Jammers der Tochter meine? TuckkcS, da verschmack- teten Kind und Säugling in dcw Straße» der Stadt." Stadt." „Jerusalem. Jerusalem, bekehre dick zn dem Herrn, deinem Gott!" lForijetzuug folgt.)