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Deutscher Reichstag. Sitzung vom 10. Mai 1 Uhr 20 Minuten. Die zweite Lesung der Reichsversicherungsordnung wird bei der Krankenkasse fortgesetzt. Die Bestimmungen über die besonderen Ortskranken- kassen (§ 249—266) werden nach kurzer Debatte ange nommen. — Es folgt der Abschnitt: Betriebs- k r a n k e n k a s s e n. (8 257.) Abg. Emmel (Soz.) beantragt Ablehnung dieser Vorschriften: man müsse eine einzige große Ortskranken kasse bilden. Die Mißstände in den Betriebskrankenkassen Und ungemein groß. Die Arbeiter haben so gut wie kein Recht; zu den Wahlen kommandiert man sie z. B. bei der Marinekrankenkasse in Kiel. Redner bespricht eine große Anzahl von Betriebskrankenkassen durch und braucht dazu 2^4 Stunden. Abg. Stresemann (Natl.) tritt für Aufrechterhal- lung der Betriebskrankenkassen ein. — Abg. Hör mann (Dpt.): Aber die Betriebskrankenkassen dürfen nicht wie Pilze aus der Erde schießen: diese Verzettelung der Kassen iil vom Nebel. Kleine landwirtschaftliche Betriebskranken - fassen braucht man nicht: 160 Arbeiter müssen es mindestens 'ein und nicht 60. — Abg. Sachse (Soz.) polemisiert gegen Stresemann. Wir haben ungeheuer viel Material gegen die Betriebskrankcnkassen: Emmel trug nur wenig vor. Pie Arbeitervertreter werden hier gemaßregelt und ent lassen. Die Ortskrankenkassen leisten mehr als die Betriebs- krankenkassen, wenn man von der schweren Industrie ab- sieht, wo viele Unfälle sich einstellen. — Ministerialdirektor Tr. Casper: Wenn die Einzelfälle des Abgeordneten Emmel richtig wären, würden die Betriebskrankcnkassen unrecht gehandelt haben. — Abg. Emmel (Soz.): Warum und denn die Aufsichtsbehörden nicht vorgcgangcn? Das ist Pflicht der Beamten. — Alle Anträge werden abgelehnt und der Kommissionsantrag angenommen. Eine große Reihe von folgenden Paragraphen wird nach kurzer Debatte nach den Beschlüssen der Kommission erledigt. Das Haus vertagt sich auf Donnerstag 12 Uhr. üalholiken-Versammlung in Mainz 1911 («. bis Itt. Angust). Den Fcstzug betreffend. Auf zahlreiche Anfragen sei mitgeteilt, daß die Eisen- bahnverwaltung bereit ist, Extrazüge für die Teilnehmer des Festzuges zu stellen, wenn zu einein Zuge mindestens 230 Teilnehmerkarten garantiert sind. Diese Teilnehmer brauchen nicht einem bestimmten Vereine anzngehören, son dern können sich auch im Anschluß an einen Verein melden. Auch Frauen und Kinder sind dabei eingeschlossen. Weiter brauchen die Teilnehmer auch nicht aus einem Orte zu sein, iondern es können sich die Anwohner von verschiedenen Orten einer Bahnstrecke zusammentun. Die bei Extrazügcn gewährte Fahrpreisermäßigung beträgt fast die Hälfte. Am einfachsten geschieht die Anordnung von Ertrazügen bei der Eisenbahndirektion Mainz. Daher ist es unbedingt not wendig, sich beizeiten bei der Festzugskommission oder auch Verkehrskommission anzumelden. Am einfachsten erfolgen die Anmeldungen zur Fahrt gemeinschaftlich mit der An meldung zum Festzuge bei dem Vorsitzenden der FcstzugS- komnlission, Professor Ledroit, Mainz, Bonifatiusstraße 2". Alle Einzelheiten sind aus Fragebogen zu ersehen, die auf Verlangen zugesandt werden. Im Interesse einer Ermög lichung der Beförderung der gewaltigen Massen, die an einem Katholikentage zusammenströmen, ist es unbedingt nötig, daß die Anmeldungen, namentlich bezüglich der Fahrt, wie von der Festzugskonimission erbeten, vor 1. Jum erfolgen. Bemerkt sei noch, daß Preisermäßigung bei den Fahrkarten nur erfolgen kann, wenn die Hin- und Rückfahrt mittels Ertrazuges erfolgt. Aus Stadt und Land. tHorlle-naa au» d»m Havptbiatt.) ' Zur Behebung der Mängel im (tzütrrwngcnvcrkcli: hat der Sächsische Mühlenverband eine Eingabe an die Generaldireltion der Staatseisenbahnen gerichtet und uni Abhilfe des Mangels an gedeckten Güterwagen gebeten, da hierdurch zu bestimmten Zeiten oft Verzögerungen in der Güterbeförderung eingetreten sind. Tie Generaldirektion der Staatseisenbahnen hat dem Verbände daraufhin er widert, daß der auf wenige Wochen sich znsa'.nmendrängende verstärkte Herbstverkehr im letzten Jahre es der Limits- eisenbahnverwaltung leider trotz aller Bemühniigen nicht immer möglich gemacht habe, alle Wagcngestellnngen a»f den gewünschten Zeitpunkt zu erledigen. Immerhin stelle die Zahl der ausgefallenen Wagen einen an sich nur ge ringen Prozentsatz der tatsächlich gestellten Wagen dar. Wenn in einem bestimmten Falle von 5 gestellten Wagen keiner gestellt werden konnte, so spreche die Generaldirektion ihr Bedauern hierüber aus. Mangels Angabe der Station und des Bestellers sei ihr aber nicht Gelegenheit geboten ge wesen, die besonderen Umstände dieses Falles zu erörtern. Tie bedeckten Güterwagen seien in den Jahren 1909 und 1910 um 10 Prozent und im Jahre 1911 um 6 Prozent ver mehrt worden. Es sei dies eine Vermehrung, die die in Sachsen vorgekcmimeiien Ausfälle weit übersteige. Für die Jahre 1910/11 sei vom Landtage ein Betrag von rund 10 Millionen Mark für die Vermehrung des sächsischen Wagenparkes bewilligt worden. Einen so starken Wagen park bereitznhalten, daß auch zu den Zeiten des stärksten Verkehrs Ausfälle nicht Vorkommen können, könne mit Rücksicht auf die finanziellen Kräfte des Staates nicht in Frage kommen und werde auch bei keiner Verwaltung er reicht. —* Z n ui D r e s d n e r M argarete n t a g. Bei sämtlichen Dresdner Bankhäusern, bei den Kunsthandlungen von Arnold, Richter und Sinz, bei den Musikalienhand lungen von Bock, Klemm und Nies, bei der Buchhandlung von Tittmann und im Lahmannschen Sanatorium auf dem Weißen Hirsch sind von heute an im Vorverkauf Eintritts karten zu 3 Mark für den Zwinger und außerdem Theater- Programms zu 2 Mark für das Schäferspiel zu entnehmen. Die im Vorverkauf erhältlichen Eintrittskarten sind mit fortlaufender Nummer von 1 bis 3000 versehen und gelten gleichzeitig als LottericloS für einen eigenartigen Gewinn. der unter polizeilicher Aufsicht vor Beginn des Festes ge zogen werden soll. Herr Stadtbaurat Erlwein wird nämlich cin kostbares Autographen-Album stiften, das den eigen händigen Namenseintrag aller hervorragenden Vertreter der Künste enthalten soll. Der Nachmittagstee am 12. Mai um 1 llbr des Zentraltheaters, wobei Tee und Gebäck unent geltlich von Damen der Gesellschaft gereicht werde», wird ganz besondere Attraktionen bieten. — Das reizende Dresdner Dichterbuch wird freundlicherweise i» der städti schen Zentralbibliothek, in deren Zweigstellen und in der Lesehalle zum Kaufe ausgclegt werden. Es hat auf diese Weise jeder die Möglichkeit, sich vor dem Kaufe davon zu überzeugen, welche hübsche Erinnerung er sich für den Preis von nur 1 Mark zueigncn kann. — Auf den Erfrischungs- ranin der Ortsgruppe Dresden des abstinenten Frauen bundes Johann-Georgen-Allee 16 sei besonders aufmerksam gemacht. — Auch wird es gewiß interessieren, daß das Cafö von Haag in der Ausstellung von 3—7 llbr den Kaffee zu gunsten der gemeinnützigen Veranstaltung verschenkt. — Ebenso wird das Restaurant Petcra, Viktoriastraße 28, sein Tiner znm Preise von 3 Mark dem Margaretentage zu wenden. — Ein Vergnügungsanzeiger wird vertrieben wer den, der nur 20 Pf. kostet. Am Schlüsse desselben befindet sich ein Coupon, der bei der Oesterreichisch-Deutschen Treschand-Gesellschaft, Waisenhausstraße 20, III., mit einer Schätzung des Ertrages des Margaretentages, ohne Abzug der Unkosten, bis zum 14. d. M. früh 10 Uhr einzureichen ist. Für die drei richtigsten Schätzungen sind Preise von 300 bez. 200 und 100 Mark ansgesetzt. —* Eine Aenderung der allgemeinen Bestim- mungen über die Vergebung von Arbeiten und Lieferungen für die Stadt Dresden ist vom städtischen Versassungsamte ausgearbeitet und in einem Druckvortrag »iedei gelegt worden. Ehe dieser Vortrag zur Vorberatung -n den dazu besonders eingesetzten gemischten Ausschuß ge bricht wird, soll er zunächst den Stadtverordneten, der Handels- und der Gewerbekammer, dem JnnungsauSschusse, der Presse und den Jnteressentenvertretungen, welche in der Sach - Eingaben au den Rat gerichtet haben, mitgeteilt werde i. Der Handelskammer und den erwähnten Inter essenten soll anheim gegeben werden sich binnen Monatsfrist über die Aenderungen zu äußern. —* Im Mario n etten-Theater Münchener Künstler aus der Internationalen Hygiene-Ausstellung, das sich schon so viele Freunde erworben hat, gibt es am Freitag, den 12. Mai, eine interessante Premiere! — Wolfgang AmadäuS Mozarts Jugendwerk: Bastien und Bastienne wird mit Figuren und Dekorationen von Prof. Jakob Bradl zum ersten Male ansgeführt. Für den Bastien singt Herr George Fink- Sattler, Wien, für die Bastienne Fräulein Maria Weber, München, und sür den Dorf- zauberer ColaS Herr Ludwig Feuchtinger, Wien. In dem kleinen Orchester wird bei dieser Aufführung zum ersten Male das altertümliche Cembalo zu hören sein, welches der Münchner Komponist Richard Trunk bei der Instrumen tierung der kleinen klassischen Metsteropern, die er sür das Münchner Künstler-Marionetten-Theater schrieb, des öfteren erfolgreich anwendet. Mozarts Bastien und Bastienne folgt dann in der anschließenden Vorstellung um 9 Uhr- — 44 — Ta der Gewitterregen ausgehört hat, entschließt sich Franz alsbald znm Aufbruch. Draußen steht Jans Nichte, die ihn anscheinend erwartet hat. Ihr blei ches und verstörtes Benehmen ist Franz ausgefallen, er schrieb es aber der Gewitterfurcht zu, obschon es ihm auch wieder sonderbar erschien, daß dieses Natnrkind solche Schwächeaiiwandlungcn haben könne. „Tie tapfere Mitz hat Angst vor dem Blitz," scherzt er und reicht ihr die Hand znm Abschiede. Sie bringt kein Wort hervor, sondern umschließt nur seine Rechte mit festem Drucke. Immer sonderbarer kommt sie ihm vor. Als er in freundschaftlichem Mitgefühl ihre Hand streicht, bricht plötzlich cin wildeS Weinen los: der ganze Körper des Mädchens wird von Krämpfen erschüttert. Franz steht ratlos vor diesem elementaren Gefühlsansbruch, den er sich nicht erklären kann. „Was hast du, Kleine? Willst dn's mir nicht sagen? Vielleicht kann ich dir helfen." Ec wartet vergebens auf Antwort. Nach einem schnellen Händedruck ist sie in der Dunkelheit verschwunden. Franz schreitet fürbaß, mit seinen Gedanken bei der ferne» Geliebten, die in Gefahr ist, einem Verbrecher anheinizufallcn. Immer wieder guält ihn der Gedanke, wie er sie vor dem Schurken retten könne. Wie nun, wenn dieser die Angabe Janohmes bestreitet? Hat er, Franz, Beweise? Ein Schatten huscht unfern hinter einen Ginsterstrauch. Unwillkürlich bleibt Franz stehen und lugt scl-arf nach der Richtung. Er muß sich getäuscht habe», den» sein gutes Auge entdeckt nichts; viel- lcicht war es ein aufgeschrecktes Wild, das sich wieder geduckt hat Wie oft ist Franz diesen Weg im Mondenschein wie in dichter Finster nis gegangen, ohne daß ihn auch nur die leiseste Furcht befallen hätte. Heute ober hat er ein unbehagliches Gefühl, über das er sich nicht Rechenschaft geben kann. Unweit von der Landstraße sticht vom dämmernden Horizont ein Baum ob, unter dem sich cin Heiligenbild befindet: Mutter Anna Franz fallen die Sagen ein, die sich an die Stelle knüpfen und abends am Kaminfeuer der Höfe umgehen. Da ist cin Bauer von der Kirmes hcimgcfahren. und als er bei Mutter Anna anlangte, wurde ihm von unsichtbaren Händen das Pferd im Laust ausgeschirrt; der Bauer scbwor, daß er nüchtern und bei vollen Sinnen gewesen. Die Pferde der Bauernkutschen, die nächtlicherweile vor- beikamen, wurden hier plötzlich angcrufcn und standen sofort still. Eine dritte Geschichte: Der GröndjeSbauer hat einmal nach einem Pferdekaufe um Mitternacht den Ort passiert und grausige Stimmen vernommen, die ihm, dem starken Manne, die Knie schlottern machten: am anderen Morgen lag ein wunderfein Kindlein in seidenen Windeln vor Mutter Anna, das vom Grönd- jesbauer ins Haus genommen wurde: als es vier Jahre war. Versclgvand es spursoS . . . Franz hat stets über die Phantasien seiner Landsleute, die steif und fest daran glauben, gelacht; woher sie entstehen, kommt ihm jetzt zum Bewußtsein. — 41 — Ec sieht nicht in den traurigen Augen die unsagbare Liebe, er hört nur das Sci>eidcwort. Sein Stolz ist tief verletzt. Ein roher Mensch aus der Hefe des Volkes bat ihn hier gedemntigt, und dieser Mensch hat dunkle Rechte ans das Mäd chen, das er wie eine Heilige verehrt hat. „Wirst du mir die Erklärung geben?" Sie ienkt den Kopf. .Dann sind unsere Wege geschieden!" Die Tür fällt ins Schloß. Schallendes Hohngelächlcr des Holländers folgt Franz auf die Straße. Lena ist aus eine» Stuhl gesunken. Als der aufgezwungene Bräutigam aber die Hand um ihre Schultern legt, fliegt sie wie von einer Viper gebissen auf und stürzt aus dem Zimmer, um oben in ihrem Stübchen ihr verlorenes Glück zu beweinen. 4. Unter dem großen Birnbaum vor der Heidehütte sitzen Janohme und Franz Brinkmann an einem Spätsommerabend. Der üppigen, grellen Frühlingsblüte des Ginsters ist die Sommerblüte des bescheidenen Heidekrautes gefolgt, und auch von dieser sind nur noch ver spätete Nachkömmlinge übrig, die mit blaßroten Köpfchen ans dem braunen Gesträuch lugen. Schwül-heiße Lust, die kein Windhauch bewegt, lagert über der Heide. Selbst eine Krähe, die mit schweren, Flügelschlage heimwärts strebt, scheint von ihrer ermattenden Einwirkung beeinflußt. „'S gibt ei» Gewitter!" sagt Jan mit einem prüfenden Blick in die Wolken. „Dann muß ich sehen, daß ich heimkomme," bemerkt Franz. „Wart's lieber hier ab! Es bricht eher los." Franz fügt sich dem erfahrenen älteren Freunde, dessen Autorität und Rat er in jeder Beziehung achtet. So hat er ihm auch soeben d'e Geschichte seiner Liebe und deren trauriges Ende erzählt. „WaS du mir da von der Lena erzählst," nimmt Jan den Faden wieder auf, „das wird sich wieder geben. Was ist das für'» Mann, den sie jetzt nehmen will?" „Ein holländischer Schiffer, Gert van Moolen!" „Modome!" Es liegt in dem Ausrufe so großes Erstaunen, daß Franz verwun dert anjblickt: „Kennst Lu den Menschen, Janohme?" „Ob ich den kenne? So gut wie du! Weißt du noch den Abend vor fünf Jahren, wo du mit dem Studieren aufhören wolltest, wie da die Kom» miese einen schossen, den ich hier ins Haus trug? T-a) war Gert van MoolenI" Nun ist das Erstaunen bei Franz. Allmählich wird es hell in ihm: die Narbe an der Stirn des Holländers, die von der Schußwunde stammte, muß ihm den letzten Zweifel nehmen. „Sechs Wvckxm hat er damals hier gelegen," fährt Jan fort. „Nachher ist er noch ein paarmal gekommen. Scheint den Schmuggel stark zu betreiben."