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fHanntag, 4. November 1623 We SilMlmz w dn TschkchoslWadki ^ Wir entnehmen der „Neuen pfälzischen LandeSzeitung" Knien interessanten Aufsatz über die Entwicklung der Wirtschaft- sichen und kulturellen Verhältnisse in der Tschechoslowakei. DaS Watt schsrwt: Die tschechoslowakische Republik feiert» am S. Oktober den 6. Jahrestag ihrer Gründung. Mit unleugbarem Geschick haben eS die Tschechen verstanden, in, mitten eines allgemeinen Zusammenbruches ihren Staat aufzu- bauen und so fest zu gründen, daß er bisher allen ihn noch be- drohenden Gefahren getrotzt hat. In erster Linie ist die» aller- ding» dem geschulten Beamte «Heer -zu verdanken, daS die Republik von dein alten österreichisch-ungarischen Staat geerbt hat und daS von allem Anfang an die Zügel der Verwaltung straff in die Haikd nahm. Der wirtschaftliche Reichtum der tschechoslowaki schen Länder, wie nicht minder, der opferwillige Sinn der Be völkerung ermöglichten in kurzer Zeit die Stabilisierung der Währung auf einer verhältnismäßig hohen Stufe. Auch die bisherigen Wirtschaftskrisen hat der neue Staat ebenso wie die sozialen Erschütterungen der ersten Zeit mit staunenswerter Fähigkeit überwunden. DaS Ergebnis der letzten Gemeinderats wahlen zeigt, daß die Bevölkerung, allen sozialistischen Experi menten abhold, sür Ordnung und Arbeit stimmt. Die verhältnismäßig günstige Finanzlage ermöglichte auch der Tsche choslowakei größere Summen, als es die anderen Nachfolgestaaten imstande waren, sozialen und Bildungszwecken zuzuführen. Diese materiellen Vorteile kommen in gewissem Motze auch den Minderheiten der Tschechoslowakei zugute und wenn diese noch nicht für den neuen Staat gewonnen sind, so ist daran die alte Wahrheit schuld, daß der Mensch nicht allein vom Brote lebt. Im alten Staate haben sich ja auch die Tschechen trotzdem sie die gleichen materiellen Vorteile wie jetzt und viel leicht noch in höherem Grade besaßen, weil eben ein großes Wirt schaftsgebiet größere Vorteile bieten kann und trotzdem sie darüber hinaus auch in kultureller Beziehung die weiteste Freiheit genossen, „bedrückt" gefühlt, weil ihnen die politische Unabhängigkeit fehlte. Die gleiche Unzufriedenheit tritt ihnen nun vonsciten der Slowa- ken und der Minderheiten entgegen und wird Wohl überhaupt erst befchwicküigt werden können, bis sich der nationalistische Kampf, der heute noch immer die europäischen Völker in feind liche Lager spaltet, löst. Anzeichen dafür sind schon gegeben, indem der Katholi- z ismus, die einzige, geistige Macht, die in diesem Lande die Völker vereinigen kann, ohne die berechtigten Interessen der ein zelnen Nationen zu verletzen, überall in der Tschechoslo wakei einer neuen Blütezeit entgegen geht. Ge rade in der tschechoslowakischen Republik hatte die katholische Kirche den wütendsten Ansturm zu bestehen, der ihre Anhänger nur umso fester aneinander schloß. Heute kann sowohl die orthodoxe Be wegung als auch die Richtung der tschechoslowakischen National kirche als abgeschlossen angesehen werden. Beide „Kirchen" wer- den auf dem Weg aller Sekten an innerer Zersetzung zugrunde gehen. Der von den tschechischen Freidenkern ungeduldig erwartete Kulturkampf konnte bisher überhaupt nicht be gonnen werden, da die Katholische Volkspartei so stark ist, daß ihr Ausscheiden aus der Regier nngskoali- tion den Bestand einer tschechischen Negierung un möglich mache» würde. Das katholische Problem hat aber in der Tschechoslowakei noch deshalb eine überragende Bedeutung, weil von seiner Lösung auch die Versöhnung der Tschechen mit den Slo waken abhängt. Trotz aller materiellen Vorteile, die die Tschechen den Slowaken gebraclu haben, fanden sie bei diesen be- greifticherweise keinen Dank, weil gleichzeitig versucht wurde, die ererbte Religion der Väter aus den Herze» des slmvakischen Volke? zu reißen und ihm einen Huß - Kultus aufzndräiigen, dem in dcni slowakischen Volke alle geistigen Wurzeln fehlen. Auf wirtschaftlichem Gebiete haben die Tschechen ihre Tüchtigkeit längst bewiese». Die Grundlagen des neuen Staates sind gelegt. Aber sür seinen Weiterbestand ist eS ebenso notwendig, daß die staatliche Gemeinschaft auch eine Brücke findet zwischen den einzelnen Nationen, die sie bilden und ihnen die Fortführung ihrer religiösen Tradition ermöglicht. Erst wenn an'ch diese Probleme von den tschechischen Staatslenkern gelöst sein werden, wird der neue Staat als ganz gesichert betrachtet werden können. Vorläufig hält di? außenpolitische Lage die Aus tragung dieser innerpolitischen Fragen zurück. Der Außenminister Vene sch hat e» bisher geschickt verstanden, den durch die Frie densverträge geschaffenen labilen Zustand in Europa auszunützen, um „zwischen den Strömen" zu schwimmen, aber die katastrophale Lage in Deutschland, daS wirtschaftliche Herabgleiten Polens, daS noch immer gespannt? Verhältnis zu Ungarn bergen Unruhemomente, die aiuf die Dauer nur durch eine entschiedene Stellungnahme gebannt werden können. Die jüngste Reise Masaryks und Beneschs schien anzudeuten, daß eine solche Ent scheidung gefallen sei. Allem Anschein nach hat aber Benesch dis Stellungnahme der britischen Neichskonferenz gegen die fran zösische Reparationspolitik, vor allem die jetzt akut gewordene Ge fahr eines Zerfalles Deutschlands wieder schwankend macht. Das vorbereitete ?nge Bündnis mit Frank r-e ich ist noch nicht geschlossen. Da die Tschechoslowakei an den deutschen Reparationen nicht unmittelbar interessiert ist, fürchtet sie den Zerfall Deutschlands vor allem deshalb, weil dann in dessen Süden die monarchistische Bewegung Oberhand gewinnen könnte. Auch diese Sorge hat dazu beigetragen, daß die Tschechen bisher eS nicht wagten, daS wirtschaftliche Problem des Donau raumeS anzugehen. Aber gerade diese Fragen sind die dringendsten und nur durch ihre Lösung können sich nicht nur die Tschechoslowakei, sondern auch alle anderen Nachfolgestaaten von den Vorgängen in Westeuropa bis zu einem gewissen Grade unabhängig machen. Gewiß hat die Tschechoslowakei durch ihre Teilnahme an der Sanierung Oesterreichs bewiesen, daß sie diese Notwendigkeit erkennt, aber seither ist sie auf diesem Wege nicht fortgeschritten, so daß die Handels- und V.wkehrsbeziehungen zwischen den Nachfolgestaaten noch viel zu wünschen übrig lassen. Der GoldMlen-GejehknImrf lieber diesen Entwurf wird dem „Lokal-Anzeiger" folgendes mitgeteilt: Die geplante Neuregelung stellt sich dar als eine der Maß nahmen, die auf Grund des Ermächtigungsgesetzes entscheidend in die Wirtschaft eingreifen sollen. Unter Aufhebung des Reichs. Mietengesetzes soll eine Verordnung mit Wirkung bereits vom 1. Dezember 1623 in Kraft treten, die etwa folgende Neuregelung der MietzinSbtldnug vorsieht: Zugrunde gelegt werden soll die Friedensmicte, und zwar für Dezember zunächst 2Ü Prozent, also ein Fünftel der FricdenSmicte. Diese Grundztffer soll sich, wahrscheinlich von Monat zu Monat »m je 16 Prozent erhöhen, so daß spätestens binnen Jahresfrist die lOllprozentige Friedcnsmiete erreicht wäre. Die monatliche Fricdensmicte-Grundzahl soll je desmal mit der NeichSiudexzifser multipliziert werden. Das Produkt soll dann die Gesamtmonaismicte dar- stellen, so daß all? anderen, durch das ReichSmictengesetz gcschas. fenen Zuschläge sortfallen würden. Von der so errechneten Miete aber soll der Hausbe sitzer nur anfangs 26 bis schließlich 16 Prozent erhalten; den größeren Rest, den Löwenanteil von 66 bis 86 Prozent des Auf kommens will das Reich beanspruchen. Zur Sicherung dieses Ncichsanspruches soll eine allen anderen Belastungen vorangehende Grundschuld eingetragen werden. Ein Verbot der Hypo- thekenauf Wertung steht mit dieser Maßnahme in Zusam menhang. Die Verwaltung der dem Reiche vorbehalbenen 66 bis 80 Prozent der Mieten soll nicht dem Reichsarbeits-, mich nicht dem Wohlsahrtsminister übertragen werden, sondern vielmehr dem Reichs finanzminister. Daraus glaubt man schließen zu müssen, daß der „Entwurf über Regelung der Mietzinsbildung" mit sei ner angeblichen Zweckbestimmung: „Zur Förderung des Woh- nungsbaues" andere Zwecke bemäntelt. Eine Bestimmung des Entwurfs besagt nämlich, daß der Finanzminister berechtigt sein soll, besondere Verwcndungsgrund- sätze aufznstelleii, soweit aus dem Noichsanteil an den Mieten lftcträge für Wohiiungsbauten flüssig gemacht werden. Dies? Fas sung scheint den Wohnungsbau zu einem nebensächlichen Zweck der Neuregelung zu mache». Es scheint außer allem Zweifel, daß die Reichsrcgierung den Goldmietcnentwurf, zu dessen Durch führung u. a. auch der gesamte Hausbesitz in Zwangs korporationen zusammengeschlossen werden soll, im Hinblick auf großpolitisch? Zwecke geschaffen hat, vor allem zur Stabilisierung der Mark. Der Entwurf erscheint jedenfalls zu vier Fünfteln alz S t e u e r e ntw u r f. bestimmt dazu, wei tere Deckung für die Renten mark unter Be- Haftung deS städtischen Grundbesitzes zu schaffen. Nr. 2,5. Seile 8 Mt Kiiksemiiche Die Stimmung an der Börse und die Kursbewegung war in dieser Woche fast ausschließlich abhängig von dem Urt?ii, daS die Spekulation, die Oeffentlichkeit und das Ausland über die Währungsreform fällte. Dieses Urteil änderte sich im Verlaufe der Woche völlig. Zunächst herrschte Zurückhaltung und Un- sicherheit, weil man über den Verlauf der Währungsreform von einem gewissen Optimismus erfüllt war. Man erhoffte von der Einführung der Goldanleihe eine Entspannung am Dcvisenniarkte, von der Einführung der Rentenmark eine Verminderung de» Schatzwechselkredites des Reiches, ?ine Aufsaugung der Papier- niarkmasscn und eine Abnahme der Inflation. Aus-diesem Opti mismus über die Währungsreform heraus rechnete man zunächst mit einem Aufhören der Jiiflationshausse und im Zusammen hangs hiermit mit Kursrückschlägen. Die Unsicherheit, die sich in einer Uneinheitlichkeit der Stimmung äußerte, wurde noch durch neue Geldschwierigkeiten und durch die Gefahren der in neren Krisis verschärft. Sehr bald änderte sich aber das Börsen bild völlig. Die Einschränkung des Devisenfrxivcrkehrs führt« zu einer Abwanderung von Geldmitteln und Spekulanten vom Devisenmärkte zu den Effektenmärkten. Eine An zahl von Spekulanten nützte die Möglichkeit, Goldanleihe kulant bei den Darlehenskassen zu lombardiere» weidlich ans; für di? durch Lombardierung erlangten großen Papiermarkkcedite kaufte man neue Goldanleihe und Effekte». So entstand auf dem Rücken der Geldanleihe, die bestimmt war, die Inflation abzugraben, eine neue Jnflationsguell?. Als dann die Neichsbank angesichts des Emporschnellens des Kurses der Goldanleihe sowie angesichts der neuen starken Devisennachfrage mit dem Devisenkurse nach oben ehe» mußte, brachen alle Hoffnungen zusammen, die man auf ie neuen Währungsreformmaßnahmen ges?ht hatte. Die Auf- wertungs- und Jnflationshausse feierte neue Orgien, wobei man freilich einschränkend bemerken muß, daß die Umstände auch jetzt durchaus nicht umfangreich waren. Dafür sorgte schon die von Tag zu Tag größer werdende Materialknapphxit. Die Dinge liegen jetzt wieder so, daß Verkäufe eigentlich nur dann heraus- komnren, wenn zur Anschaffung von Lebensmitteln oder Lohn, geldcrn größere Papiermarkbcträge gebraucht werden. Begünstigt wurde die neue gewaltige Aufwärtsbrwegung, die neue Billionen kurse, Kursverdoppelungen, ja Kursvervierfachungen von einem Börsentage zum anderen brachte, durch die Geldflüssigkeit als Folge der neuen Inflation sowie durch neue Auslandskäufe. Auch die Aussicht auf eine Wiederaufnahme der Arbeit an der Ruhr tat das ihre. Die börsentechnischen Momente, die diesmal den Haupgrund für dis neue Jnflationshausse abgaben, drängten alle anderen Momente wirtschaftlicher und politischer Natur in den Hintergrund. Bevorzugt waren die sogenannten Halbvalutapapiere, sowie Kaliwerte, die Anilinpapiere, die Aktien ?lek- irischer Trustgesellschaften die Schiffspapiere und dis P e tr o l e u m w er t e. In den Anilinwerten, besonders ui badische Anilin, wollte man englische Käufe bxmerken, in Elbe- schiff,-.Hit tschechische Käufe. Am Elektromarkte kaufte das Aus land, insbesondere die Schweiz A. E. G., eine rheinische Gruppe Lahinever Aftien. Für Schifsalatswerte regten nocy im beftm- deren die Pool-Verhandlungen mit Amerika an, für Hapag, Ge rüchte über die Abstoßung gewisser Anlagen im Neuyorker Hafen. Montanwerte hatten ruhiges Geschäft unter Bevorzugung dev StinneSwerte; etwas größer war das Geschäft in den Oberschle siern, man nimmt an, daß die polnische Negierung dies?» Werken schließlich weitgehende Erleichterungen gewähren werde. Bei Görlitz Lüders und Hirsch Kuvfer sprach man von besonderen Transaktion, bei Augsburg, Nürnberg von einer Jnteressen- Gemeinschaft. Das starke Anziehen der Seidenpreise als Folge der Vernichtung eines Teils der japanischen SeidenproduktionS- gebiete rief lebhaftes Interesse für Kunstseideakti?n hervor, so für Rottweiler Pulver und Dynamit. Petroleumwerte erfuhren eine stürmische Aufwärtsbewegung, man erblickt in der Einfüh rung der Deutschen Erdöl-Aktien in Wien den Vorboten neuer großer internationaler Geschäfte. Auch in den einheimischen Wer ten nimmt die Materialknappheit immer mehr zu. Unter den Valutapapiercn stiegen besonders die österreichischen und die ungarischen Renten. Eine besonder? Note bildete die besonders scharfe Aufwärtsbewegung der rheinischen und der bayrischen Werte. Dabei ist man sich darüber klar, das; die ein. zelnen Glieder des Reiches wirtschaftlich ans einander angewiesen sind. Lebhaft erörtert wird die Möglichkeit der Noti? rung in Goldprozenten. An die Frage wie dereinst die kleineren Aktionäre Goldeinzahlungen bei KaPitalSsrhöhungen leisten sollen, denkt man freilich vorerst noch nicht. ^ie Schwarzen und die Rot n Von Konrad von Bolanden. (81. Fortsetzung.) De»lr euch, jeder Teufel hat einen Knüppel, oderPrügel, oderHam- mer, oder Steine, u. dies?r ganze Teufelstroß mit Prügeln ».Knit teln stürzt ans euch los, werfend, schlagend, stoßend, tretend, — so war's wieder vor der Jesuitenkirch', bis an die Rheinbrück'. Durch die Stadt und den Schloßgarten batten die Mannheimer geschrieen: „Schlagt die Pfaffen alle tot. — hin mit ihnen!" Jetzt, an der Rheinbrück' riefen sie: „Werft sie in den Rhein, — ersäuft sie!" — Und ihr solltet nur gesehen haben, wie die armen .Katholiken sich schlagen, werfen, treten und mißhandeln ließen! O, — eS war zum Erbarmen! Beinah' hält' ich mein Wort ge brochen, daS ich dem Schröterfritz gegeben Hab'; denn ich konnt's nimm?r aushalten. Uebrigens kann ich unserem Schröter nicht genug danken, daß er mir das Wort abgsnommen hat; denn jetzt fäß' ich im Zuchthaus, weil ich ein Dutzend Mannheimer totge schlagen hätt'. Man konnt's gar nimmer ansehen! Da fielen auf einmal vier Kerle über einen Geistlichen her, schlugen ihm ins Gesicht, und riefen: „In den Rhein mit dem Pfaff!" — Nichtig, die Hunde packten den arm?n Herrn, stießen ihn gegen das Ge länder und schier gar hätten sie ihn hinabgeworfen. Flugs sprang ich hin, und ich weiß nicht, wie's war, — die vier Kerle lagen ans einmal am Boden, weil ich sie zusammengehauen hatte; denn ich war schrecklich wild." Der Kreis lachte vergnügt. „Ja," — bestätigte Mühsam, „das tat er mit seinen Fäusten! Und als er den Wiesenbaum erwischte da wurde mir's Angst; denn er hätte di? Mannheimer schockweis zusammengebaucin. Allein der Neckarschleim roch die Lunte und ging dem Schmied hannes ehrerbietig aus dem Weg'. — Eins Hab' ich gesehen, das pergess' ich mein Lebtag nicht," fuhr Mühsam fort. „Da geht ein iKasinamann. Die Mannheimer werfen ihn mit Steinen, sie schla gen ihn auf den Köpft ,»S Gesicht. Ein krummnasiger Jud' reißt ihm den Hut weg. zerdrückt den Hut, stampft mit den Füßen daraus k?rum. Andere schlagen mit kurzen Stöcken den Mann auf den Kopf, — er will mit den Händen f-inen zersch'aqenen 'Kopf schützen. Die Kerle aber schlagen ihn auf die Hände, da» Blut spritzt ihm aus den Fingern, läuft ihm aus dem Kopf über baS Gesicht. ES war schrecklich! Der arme Man war weiß wie die Wand, er bat und flehte, daß sich ein Stein hätt' erbarmen 'mögen, — die Kerle aber fluchten, schimpften und schlug?» in einem fort. So lang' ich leb', bergest' ich den blutigen Mann nicht!" „Wißt ihr, was ich versprochen Hab', ihr Männer?" rief der .Schmied. „So lang' ich leb, wird kein Kreuzer in Mannheim ver- zehrt, — für keinen Kreuzer in Mannheim gekauft, — und sollt' ich noch tausendmal dorthin kommen. Würden'» alle Katholiken so machen, jener miserablen Stadt keinen Kreuzer zu lösen geben, dann würde sie gestraft, wie'S recht ist." Die ganze Versammlung trat dem Gelöbnisse deS Schmied» ^Hannes bei. Dresden-Altstadt Lchloßstraße 49 eSSS» Täglich da» bekannt« vorzüglich «»»»erwählt« Aonditoreibüsett zu oliden Pretzen Und während die Entrüstung zu Waldhofen in Hellen Flam men loderte gegen Mannheim, beging Knapper die llnklughcit, die Arbeit des Pöbels öffentlich im Ochsen zu rühmen. „Die Mannheimer haben ganz recht gehabt!" versichert? er. „Die Pfaffenkuechte hätten sollen wegbleiben, — jawohl! Ich bin uit geprügelt worden, werd' auch nit geprügelt. Lest nur die Zeitung, — da könnt ihr finde», daß die Schwarzen eigentlich angefangen haben. Kein Mensch hätt' ihnen was zuleid getan, wären die Schwarzen nit so frech gewest, die Mannheimer zu ver. spotten. Aber das Spoiicn isch ihnen vertrieben worden, — ich mein'! Die Schwarzen sind einmal tüchtig gepufft worden, — ganz gut so!" Diese Rede fuhr in das Lager der Schwarzen wie eine zündende Bombe. Der ganze Ort kam in Aufruhr. „Ist das ein Ortkvorstand?" rief der Schmiedhannes. „Er hält zu den Ma»»h?imer Prügelbuben, — was? Weg muß er. — wir können so einen Bürgermeister nicht brauchen!" Der Gemeinderat erschien klagend vor dem Amtmann und verlangte Knapper? Entlassung. „Daraus wird nichts!" entschied der Bureaukrat. „Bürger. Meister Knapper tut seine Schuldigkeit, — bin ganz mit ihm zu frieden." . „So, — mit ihm sind Sie zufrieden?" brach der Schmied hannes im Zorne los. „Merkwürdig ist's doch, wie Sie mit?inem Bürgermeister zufrieden sein können, der sich freut, tveil recht schaffene Männer mißhandelt wurden, der Spitzbuben daS Wort redet! Wir aber sind nicht zufrieden mit dem Bürgermeister, — wir mögen ihn nimmer, jetzt ist'S gerat»' genug! Wir können ihn nicht brauchen, den Neligionsspötter, den Wirtshaushocker, den Mcthrgesellen!" „Nehme Er sich in acht!" drohte der Amtmann. „Kann all?s beweisen, was ich sage," versetzte kühn der Schmied. „Schweigt! Knapper bleibt im Amte, — ihr alle habt ihn zu respektieren," wiederholte der Beamte. „Zu respektieren? Du lieber Gott!" rief verächtlich der Schmied. «Wir respektieren nur Leute, die Respekt verdienen. Knapper verdient aber keinen Resp?kt. Die Gemeind' mag ihn nimmer, — aus ist's und vorbei, ich sag's Ihnen, Herr Amtmann, — aus und vorbei!" „Die Gemeinde muß sich fügen!" „Nein, Herr Amtmann, die Gemeind' besteht auf ihrein Recht," sagte Mühsam entschlossen. „Die Gemeind' ist nicht da für den Bürgermeister, sondern d?r Bürgermeister für die Ge- meind'. Und wenn die ganze Gemeind' so einen Menschen ans tausend Gründen nimmer will zum OrtSvorstand, dann muß ein rechtschaffener Mann Bürgermeister werden." „Ihr seid anmaßend, unbotmäßig! Es ist genug, — geht heim und laßt die Hetzereien, sonst komme ich so über euch, wie es keinem lieb ist." „Gut, Herr Amtmann!" rief der Schmied. „Behalten Sie den Bürgermeister, weil er Ihnen gefällt. Von nnS Gemeinde räten aber geht keiner mehr in eine Sitzung, solang' dieser Mensch OrtSvorstand ist." Und so geschah cs. Bei Angelegenheiten, in denen die Mit- Wirkung deS Gemcindcrates gesetzlich gefordert irird, versagten die Unentbehrlichen jeden Dienst. DaS Amt versuchte die Bil dung eines gefügigen Gemeinderates. Der Versuch mißlang; denn kein Bürger zeigte Lust, die Ehrenstelle zu übernehme». Die Ver achtung gegen Knapper war gründlich und allgemein. DaS Amt kam in Verlegenheit. Der Bürgermeister erhielt ?incn Wink, die Stelle freiwillig niederzulcgeii. Allein der Mann wäre lieber von: Leben geschieden als vom Bürgermeisteraiiite. „Danke freiwillig ab," riet klug Frau Margaret, „sonst geht eS dir wie dem Stephan: — du wirst fortgejagt und hast die Schande." „Wnrum nit gar! Ich bi» Borjemeeschter, — jawohl! Mich kann man nit fortjagen, wie so einen armseligen Schulmeister," Dennoch erfüllte sich Margaretens Prophezeiung. Knapper empfing aus Amt und Würde di« Entlastung. Betäubt stand der Entthronte vor dem schrecklichen Demissi onsdekret. Dann saß er stundenlang düster, immer vor sich hin starrend. Endlich brach eine Flut schwerer Flüche gegen die Re gierung los. In wilder Heftigkeit stürmte er nach dem Ochsen und versuchte den Ingrimm zu ersäufen. Der Versuch hafte schlimme Folg?n, Knapper sank auf das Krankenlager, wurde am ganzen Leibe gelb wie eine Zitrone, und als dem Arzte nach vieler Mühe gelang, das Nebel zu bändigen, fuhr es nach den Augen, setzte sich dort fest und zerstörte die Sehkraft. „Blind, — mein Gott, — blind!" rief händeringend der Unglückliche. „Lieber sterben, als blind." Er starb nicht, wohl aber Trotz und Nebermut starben in ihm. Das Herrchen, täglicher Besuch seit der Krankheit, redete viel und verständig von Gottes Hand, di? strenge und gütig den Irrenden ewiger Bestimmung entgegenführe. Auch wußte er schlagend und zart zu beweisen, es sei hoher Gewinn, gegen daS irdische Licht das ewige einzutauschen, und jeder beneidenswert, dem solches begegne. „Gret," — rühmte Knapper, „daS Herrchen isch ein Engel l Ich Hab' ihm soviel Unrecht getan, — j?tzt sch' ich's ein. Weiß Galt, ich bin ein recht erbärmlicher Mensch gewest!" Und als Frohmann wieder kam, begann reuevoll der Blinde: „Herr Hochwürden, seit Wochen besuchen Sie mich jeden Tag! Sie trösten einen kranken, blinden Mann, wie sonst kein Mensch trösten und aufrichten kann. DaS Hab' ich an Ihnen nit verdient! Schwer drückt'ö mich, waS ich g?gen Sic getan Hab', Können Sie mir verzeihen?" „Von ganz?m Herzen, lieber Freund! Ich bitte, denken Sie nicht mehr an daS Vergangene. Alles sei vergeben und; vergessen." (Fortsetzung folgt.)