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Zäctisiscsie VolKsreitunE Auf der Felsenkanzel des Areopag zu Athen steht Paulus und verkündet die Botschaft von „dem unbekann ten Gott". So hatte vorher der letzte Prophet bereits ge sprochen, der Täufer am Iordansstrand; „Zn eurer Mitte steht derjenige, den ihr nicht kennt," ein schweres, ernstes Wort. Auf weiten Bahnen von unvorstellbarer Aus dehnung wandeln im Weltenraum die Sterne. Scheinbar lind es nur kleine Lichtpunkte, in Wirklichkeit aber ganze Welten, viel größer noch als unsere Erde. Mit dieser eilen sie seit Jahrtausenden um die Sonne. Noch andere, größere Sonnen, deren flackerndes Licht aus unendlichen Fernen grüßend zu uns dringt, sind die Lichtherde und Mittel punkte für eine neue Fülle von Gestirnen. Sie alle aber haben nur einen Zweck: „sie dienen (nach einem schönen Wort des Kanzelredners ?. Vonaventura, das ich hier wiedergebe), der Sonne aller Sonnen, von der alles Licht, alles Leben, alle Ordnung, alle Kraft kommt, Gott. Mit Flammenschrift steht seine Herrlchikeit und Größe droben am Firmament geschrieben." „Die Himmel verkünden die Ehre Gottes, und das Firmament die Werke seiner Hände." Die ganze weite Welt mit all ihren Reichtümern, ihren Schätzen, ihrem Fortschritt, ihren Erfindungen und Ent deckungen ist nichts anderes als ein Wort von Gott, der sie schuf, der allem, was Odem hat. das Dasein gab. Vor de» Menschen steht er da, in ihrer Mitte lebt er. sie sollen ihn sehen und erkennen — und sie kennen ihn nicht. Ob nicht einmal eine Zeit kommen wird, früher oder später, vielleicht auch jetzt schon, da die Menschen sich tief und wahr darüber schämen werden, daß in unsern Tagen so viele mit dreister Stirn und kühnem Wort das Dasein des ewigen Gottes, ihres Schöpfers, zu leugnen wagten? Kleiner als die Gotteswelt ringsum, aber ungleich be deutender noch als diese Außenwelt, ist die Innenwelt des geistigen und freien Menschne. Auch in ihm leben und walten geheimnisvolle Gesetze; auch er kreist um seinen Mittelpunkt, um eine Sonne, mag er sich dessen vojlauf be wußt sein oder nicht. Im Menscheninnersten, diesem stillen Heiligtum, lebt die Wahrheit und sehnt sich nach Liebe. Strahlen sind es von der ewigen Wahrheit und -er ewigen Liebe, von Gott, der ewigen Sonne, die da das Licht der Wahrheit und die Wärme der Liebe zugleich ent senden. Der Menschengeist forscht, sucht, ringt, verlangt Mach der vollen Wahrheit. Das Menschenherz klopft und Wägt rastlos der höchsten Liebe sehnend entgegen, wenn es sie auch zumeist erst durch viele Irrungen hin findet. Tief auf dem Meeresgründe der Menschenseele ruht das Verlangen nach dem Höchsten. Gott lebt in ihr. Zn jedem hohen, wahren Gedanken blitzt sein Licht auf. In jedem Mahnruf der pochenden, quälenden, warnenden Stimme des Gewissens redet sein Wort. Sein Bild sind wir. „Zn ihm leben wir, bewegen wir uns, sind wir," Tag für Tag. Zn unserer Mitte steht er — und wir kennen ihn nicht. Noch höher als alle Erdenschöpfung steht die Wunder welt des Uebernatürlichen. In ihr ist die ewige, unsicht bare Sonne das sichtbare Zentrum der Menschheit gewor den: Christus als Gottes- und Menschensohn. Er trat in diese Welt, ward ihr Angel- und Mittelpunkt, ihr Herz, ihr Pulsschlag, ihr Licht und Leben. Was vor ihm war, zeigt auf ihn. Was nach ihm kam, geht von ihm aus. Wie ein weiter Friedensbogen spannt sich sein Segen über die alte und die neue Menschheit. Auf ihrer Höhe steht er. der Einzige, Unvergleichliche. Der Sterne sind viele um ihn her. Er allein ist die Sonne. Belebende, befruchtende, weckende und wärmende Strahlen gehen ununterbrochen von ihm aus. Unter ihrem Einfluß wird es licht und hell und heiß. Neue Lehren führen die Menschheit aufwärts: sittliche Kräfte werden neu, wirksam und machen sie stark; neuer Eottesgeist belebt das fast schon verstorbene Gebein der Gesellschaft: verjüngt schaut die Erde zu ihm auf; er wird ihr Erlöser, ist es, bleibt es für ewige Zeiten. Zn ihrer Mitte steht er, und sie kennen ihn nicht. (Nach ?. Vonaventura.) Sein Wort ist auch heute noch vielen nur ein „Ruf der Wüste". Sie glauben nicht an ihn, sie bauen nicht auf ihn, sie beugen sich nicht vor ihm, sie wollen ihn nicht. Wollen sie sich selber erlösen? Wollen sie sich nur auf ihre eigene Kraft stellen? Wer weiß, was sie wollen? Zhn anerken nen, ihm folgen in Armut, Demut, Reinheit, Opfersinn, nein, das wollen sie nicht; sie kennen ihn nicht! Die ihn aber redlich suchen und ihm folgen wollen, arm, verlassen, gedrückt, leidgeveugt, die werden ihn finden. Ihnen wird er ein Heiland, ein Erlöser des bedrückten Volkes. Dann schwinden alle Schatten, die sonst auf dem Menschenleben lasten, alle Not und alles Leid. Er richtet die zagenden, unterdrückten, mutlosen Herzen wieder aus. Zn ihrer Mitte steht er, sie glauben an ihn, sie hoffen auf ihn, sie kennen ihn und beten ihn an. (Adolf Donders „Heimkehr", Herder-Freiburg.) Adolf Donders „Heimkehr", Adventsgedanken E. Vorbeck : Unser Kripperl. E. v. Ungern-Sternberg: Träume. Hermann Wodak: Advent der Tumben Brüder. Fünf Minuten Kopfzerbrechen. Unser Kripperi Zwischen den silbernen Bergen das alte, weitläufige Kloster. Schneeballen und glitzernde Schreie schießen durch den glasblauen Himmel. In den Mauernischen läuten noch ver spätete Glocken. Ein Pater kommt über den heiteren Hof. Knaben schwärmen an ihn heran. Ein Jauchzen entsteigt ihrer Schar. Zwischen den beiden, ungleich behelmten Türmen grünt der Kirche Kuppel. Die steinernen Heiligen auf dem First hüllen sich in zugewehte Hermelinmäntel. Auf ihren Köpfen blühen weiße Kräng« und wallende Federbaretts. Kindliches Gelächter knattert u» ihr« zugefrorenen Ohren. Ein seltsamer Tag! — «nd sie schütteln ihr« lockigen Haare, daß die Flocken stieben. Unter de« Joch des ehrwürdigen Portals verstummt die Jugend. Dt» vorlauten bleiben noch eine Weile zurück und streife» ihr« lecken Worte mit den Schnceklumpen an den Schuhsohlen alr Innen, wie ein Vergwerksgesang durch die gewaltigen, dicken, gotischen Strebepfeiler gehauen, der Kreuz gang. Ein Kran- von acht Kapellen. Die Wände geweißt, der Fußboden mit Ziegeln belegt. Eia dienender Bruder verbeugt sich vor dem Pater und riickt an feinem abgeschabten, glänzenden Käppchen, das seinen kahlen Schädel bedeckt. Seine große Hakennase ist vor Külte gerötet. Die knochigen Hände unterm Skapulier gefaltet. Ein selige» Lächeln nistet in den tausend Fältchen seines hageren Erficht«». Weil di« Buben kommen, di« vornehmen, die gräf lichen. und sein Werk bewundern. Einfaches, kindliches Herz, das stets einen Festtag hat. Das sich offenbart in schlichten, bescheidenen Werken. Das im Schatten der Abtei schlägt. Das die Altäre schmückt zu allen Zeiten des Jahres. Das in Langer Erwartung in den Advent «intritt und zitternd psalmiert: „Uoruto cosii ckssupsrl" Das mit inbrünstig gefalteten Händen im Lichterschein der heiligen Nacht kniet: „kusr nutus sst nodis". Das zerknirscht die Asche der Fastenzeit auf seine kleinen Sünden streut und das froh lockend zu Ostern aufersteht. In immer gleicher Andacht und mit dem frommen Eifer kindlicher Seelen bereitet dieser Bru der die Feste de» kirchlichen Kalenders. Und sein Abt segnet ihn dafür. Er hat eine Weihnachtskrippe gebaut. Unter einem schma len Fenster. Nun ist ste fertig. Der Pater führt seine Zög ling« herein. Ei« schieben und drängeln. Jeder will vorne stehen, um alle» genau zu beobachten. Di« Augen funkeln. Kreuzen hin und her. Wissen nicht, wo sie zuerst Hinblicken sollen. Der Bruder streicht sich dt« stoppeligen Wangen. „Eöilt, IKeen i» «urn, «et KripPrU" Und er liest in den roten, er- Vor» L. Vordeck hißten Bubengesichtern. Ob sie sich freuen? Ob sie alles ver stehen? Da ist die herrliche Stadt Bethlehem, darin das heilige Paar keine Herberge fand. Marmorne Paläste, Säulen, Kirchen, Kuppeln. Ein Taselmalcr hat vor hundertundfünfzig Jahren alles auf die Leinwand gezaubert. Unwirklich, bunt, kraus, aber lieblich und edel „Daß man glei mölket, aus was füer einem aPradtes die zwoa heiligen Lait austrieb'n wurn sain!" Davor klüftet sich ein wildes, steiles Gebirge aus gestärkter, bemalter, beglimmerter Leinwand. Höhlen sprengen sich in die Felsen. Und schmale, mit weißem Sande bestreute Pfade ziehen längs gefahrvoller Abgründe. Tannen wachsen aus dichtem Moos. Baumstämme liegen entwurzelt. Und Gießbäche aus sprühendem Silberpapier stürzen in die Tiefe. In den Schluch ten Hausen wilde Tiere. Bären, Wölfe und sogar Löwen. „Itzt san's no wüild, oba nachher, wenn's Christkindl geburn is, da weiden's mit den Lamperln auf der Wiesen und san zoahm, daß 's sogoar den Hürten aus der Hand fröß'n. Weil's so in der Heilgen Schrüst geschrüben stöht!" Und Räuber lauern auf friedliche Reisende. Schlimme Gesellen mit struppigen Haaren und Bärten. „Recht zum Firchten san's I" Sie hocken in ihren Unterschlüpfen bei einem wärmenden Feuer, das eine versenkte Taschenlampe verursacht. Und sie spielen nach Landsknechtsart Karten. Unweit von ihnen ziehen Maria und Joseph dahin. Die heilige Jungfrau sitzt auf dem Eselchen und Joseph führt es am Zaumzeug. Beide sind wie Rokokobauern gekleidet. Auf den goldenen Locken der Allerseligsten wippt ein breitrandiger, be bänderter Florentinerhut. Ein enges, blaues Mieder mit einem «» R rAUNLS L V vr,8«ro-8terr>b«rr Fallende Blätter, Herbstakkordef Müder, fahler Sonnenschein. Fremde Erde, fremde Menschen . . . Herz, mein Herz, warum denk ich dein? Frierende Seele, kein Vergessen. „Torheit" singt der kalte Wind. Einsam gliih'n noch wenig Kohlen, Bis auch sie verloschen find. Einsam schlägt und tickt die Wanduhr Stunden in die Ewigkeit. Trüb« flackern falsche Träum«, Träum« der Vergangenheit. Ilttllllttlttl,,,,,„HI,,,,,,„NH, Spitzentuch verleiht ihr eine aufrechte, königliche Haltung und unter dem weitgebauschten, geblümelten Seidenrock lugen zwei winzige, goldene Schuhchen hervor. Der heilige Joseph hat auf seinen grauen, strähnigen Haaren einen schwarzsilzeruen Drei spitz mit goldener Rosette und über einer langen, buntgestickten Weste trägt er einen flaschengrünen Eehrock mit Silberknöpfen. Seine hölzernen Beine stecken in handgestrickten Wollstrümpfen. Derbe Schnallenschuhe schützen seine Füße vor den Steinen der beschwerlichen Steige. In der freien Hand hält er einen Hirten stab und eine Straminreisetasche, aus der in einem Blütcnkranz die Worte „Gute Reise!" eingestickt sind. „Do hat er dem Christkindl seine Wiudl drinnen," erklärt der Bruder. „Und wisset, die beesen Räuber söhn gornöt die heil'gen Laitl da; söll hat der Schutzöngel scho akurat so eing'richt ." Im Tale unten weiden die friedlichen Herden. Silberne Bächlein aus Spiegelscheiben tränken die Lämmer. Die Hirten stehen daneben und reden mit lebhaften Armen von den schlechten Zeiten. Sie sind echte Rokokoschäfer. Kniehöschen, Watteau wämser und runde, blumenbesteckte Hütchen, „Eöilt, ös san nette Mandl?" Ihr Lieblingsplatz ist ein Ziehbrunnen, Auf seinem Rande sitzt ein kleines Mädel. Es sieht aus, als ob es jeden Augenblick aufspringen und ein Tänzchen nach einer Spiel dosenweise flattern könnte. Ueber grüne Hügel schlängeln sich weiße Psade zum Stall aufwärts. Er ist eine Grotte, wie es in der Bibel zu lesen steht. Aber davor ragen Säulenstümpfe und halten ein Stroh dach. Ein Ochs steht vor einer Raufe Heu. „Itzt kommen's olle Tog a ganz kloanes Stickerl weiter vur, die Muettergottes und der heilge Joseph. Wenn s Mettenzeit is, do leg' i das Christkindl dann ins Kripperl und zund die Licht! oa, daß ös nur so der Staat is." Die Buben kichern und stoßen sich an. Ein Blondkops wagt die ungeduldige Ein wendung: „Aber die brauchen doch für den kurzen Weg keine vier Wochen!" — Da wird der Bruder ausgeregt: „Viertausend Ioahr hat's dauert, bis unser Heiland kommen is, do braucht au Dir die Zeit nöt allzu lang wörd'n, Vuab noaseweisiger!" Der Pater mahnt zum Gehen. Ein Echuste und Eescharr echot vom Gewölbe. Draußen glitzert der Schnee. Hände greifen in ihn und ballen flinke Geschosse. Der letzte, der aus der Tür kommt, wird aus dem Hinterhalt zu Boden geworfen und mit Eiszapfen gewaschen. So will es die lleberlieferung. Und einer schreit wie ein Indianer: „Jetzt bin ich der Wols und bis Weih nachten kann ich dich noch zehnmal aussressen, du Schaf!" Der Pater hat seine liebe Not mit den Bengeln. Alle machen Unsinn. Nun lachen sie über den einsaitigen Bruder, recht laut und spöttisch, als ob sie vertuschen wollten, daß sie zu vor noch mit großen, heißen Augen die Kinderherrlichkcit be wunderten. Aber sie wollen doch keine „Bnbies" mehr sein. Und abends bauen sie in ihrem Spielsaal selber eine Krippe, aber eine richtige, eine vernllnstige. Gleichsam „mit allem Komfort der Neuzeit", Ein Bastler legt eine elektrische Lichtleitung an und ein anderer zerbricht sich den Kops darüber wie man eine» echten Wasserfall mit Abfluß konstruieren könnte. Sie schnitzen selber ihre Figuren. Dir Vorlage nehmen sie aus el'nographi- schen Werken, Alles muß historisch einwandsrei sein. Wie alles fertig ist, holen sie im Triumphgeheul den Bruder aus seinem Winkel herbei. Der schüttelt den Kopf: „A geh, s'is ja a ganz a nettes Zuig, was ihr da zammg'richt' habt, oba a Bisserl z» neimodisch und a Wengerl zu ölektrisch. Do föihlt no null!" Die Buben lachen. „Sogar neidisch ist er auch noch!" — I» der Tür dreht sich der Bruder um: „In zwoanzig Ioahr kommt'» all wieder und seid froh, wenn's dem Bruder Jackerl sei Kripperl oaschau'n kennt," Und in zehn Jahren denkt einer schon: „Zwischen silberne» Bergen das alte, weitläusige Kloster. Jetzt baut der Brude» Jakob sein Kripperl. Und die Adventsglocken läute» noch." Selbsthilfe. Als Ich in das Abteil stieg, saß nur ei» älterer Herr darin, bescheiden in die Ecke gedrückt. Er laß eifrig in einem Buche mit technischen Abbildungen. Ich zog die Zeitung hervor, um das Echo des Weltgetriebes z» hören. — Beim nächsten Halten wurde die Tür aufgerisien, unv in lauter Unterhaltung nahmen drei junge Männer Platz. Sie glaubte» wohl, am Stammtisch zu sitzen. Die dröhnende Rede slog in ihrem Dreieck von Mund zu Mund, man erzählte sich von de» letzten Sportereignisjen und stritt über Möglichkeiten und Er folge. Erst bittend, dann verweisend schaute der ältere Herr aus seiner Ecke aus die jungen Leute. Ein gesammeltes Lesen war ja wirklich unmöglich. Aber er hatte keinen Erfolg. Was geschah da plötzlich? Ein schalkhaftes Leuchten ging über des Alten Gesicht. Er nahm sein Buch wieder vor die Augen, und mit voller, wohltönender Stimme begann er seine» Text ver nehmlich und langsam zu lesen. Er las die Beschreibung eines Motors und von seiner Pflege. Verdutzt blickte» wir alle ihn an. und ich mußte an mich halten, nicht laut zu lachen. Da, tönende Dreieck verstummte jäh. und das Abteil war in ein Vor lesungszimmer verwandelt. Der Alte las. ohne eine Miene zu verziehen, sein Kapitel.nende. Dann war er still, »nd es blieb still im Abteil, bis ick^ Xzder bald aussteigen mußte