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Nummer 287 — 27. Jahrgang rvcheim »mal WSihenti. mit den tlliistr. «rattidetlagen .Dl» iSeil' und .Für unlere Nein»« Leute', lowle de» Tertbetiagen ,k>. Bemio-Blatt'. .ltnlerbattlmo imd Wissen'. ,Dte Welt der ssralck. .VerzlUchei Ratgeber' Da» gute Buch', .Illmnmd- I«au'. Monatlicher BezngSvretS S MI. etntchl. Bestellgeld, »lnjklnnmmer 10 Tonnabend- ». Eonntagnummer ltO /. Hauvllchrsttlelter- Tr. <S. DeSczvk. Dresden. Freitag, den 2S. November 1S2S Vertag-or« > TreSden Anzeigenpreise, Die Igelvaltene Petitzetle 8<» z. rannUen- anzeigen u.Stellenge'uche SO^. Die Petitrellamezeile «1mm breit. I sslilr Anzeigen ausserbalb de» Berbre>>nng?gebt««e< cko^ die BetitreNnmezeile > .tto^e. Osterlengeb.ro Im Fall« bbberer Gewalt ersticht iede Bervssichlnng auf Lieferung «owt« krtüllung v. Anzeigen-Auslrssgen n. Leistung v. Schndeueriatz. Me'chSttlicher Teil Artur Lenz. Dr-»do> ÄclchSstSfteNe. Truck».Vertan: Germania. A.->» >ür Verlag und Druckerei. Filiale Dresden. DreSken-A. t. PolierltratzeN. FernrnkSioiL. Postlchecklonto Dresden »7oa Vg„sson'" «regdtban» DreSde" Nr «171" Für christliche Politik und Kultur lliedaktton der Sächsischen VolkSzettung DreSden-AItstadl 1. Polierstratze 17. Fernrui Mit und rioir. Lohn und Wirtschaft Erst in acht Tagen eine entscheidende Antwort an Deutschland zu erwarten Man kann die Höhe des Lohnes unter zweierlei Gesichtspunkten betrachten, unter dem sozial-ethischen und unier dem rein wirtschaftlichen. Sozial-ethisch wird die Forderung lauten müssen: Die Höhe des Lohnes muß dem Arbeiter eine menschenwürdige Existenz und Befriedi gung der wichtigsten Kulturbedürfnisse gestatten. Wirt schaftlich betrachtet lautet die Forderung: Der Lohn must jich der gesamten Wirtschaftslage und dem Stande des einzelnen Unternehmens anpassen. Die beiden Forderun gen brauchen sich an such nicht zu widersprechen, können es aber. Wir sind durchaus der Meinung, dast ein Unter nehmen. das infolge seiner wirtschaftlichen Lage einen menschenwürdigen Lohn nicht zahlen kann, kein Recht zur Existenz hat Wir sind aber auch der Auffassung, dast. wenn beim Lohn die Voraussetzung der menschenwürdi gen Existenz gegeben ist. auf der anderen Seite auch die wirtschaftlichen Verhältnisse non grösttem Einflust auf die Lohnhöhe sein müssen Wir wissen sehr genau, das; man über den Begriff „menschenwürdige Existenz" min ebenfalls wieder streiten kann, aber dieser Begriff ist in diesem Zusammenhang nicht zu definieren. Wenn diele äusterste Grenze des Lohnes erreicht ist. setzt das Streben ein, einen noch höheren Lohn zu erhalten, ein Streben, das sowohl vom sozialen, wie auch vom wirt schaftlichen Standpunkte nur begrüßt werden kann, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Es ist nun leider eine Tatsache, dast trotz der vielen Lohnerhöhungen, die wir nun seit Jahren schon beob- achten können, das Realeinkommen weder des Be amten noch des Arbeiters gestiegen ist. Der berühmte Wirtschaftler Kasse! war es, wenn wir nicht irren, der neu lich den Satz prägte: „Eine Lohnerhöhung ist nur bei gleichbleibenden oder sinkenden Warenpreisen gerechtfer tigt." Eine Erhöhung des Reallohnes kann in zweierlei Weise eintreten: entweder durch eine Senkung des Preisniveaus der wichtigsten Nahrungsmittel und Be darfsgegenstände oder durch eine Erhöhung des Nomi nal- und Realeinkommens. Sie tritt nicht ein durch eine blost nominelle Erhöhung des Einkommens, das heißt sie tritt dann nicht ein. wenn trotz der Erhöhung des Loh nes nur dieselbe Menge Ware gekauft werden kann wie bisher. Eine derartige Lohnerhöhung ist eine Täuschung. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn eine solche Erhöhung nicht noch andere weittra gende Folgen hätte. Diese bestehen darin, daß es immer viele Menschen gibt, deren Einkommen der Nominal erhöhung für einen bestimmten Kreis nicht folgen, die aber genötigt sind, die höheren Preise anzulegen. Diese Menschen erleiden also durch eine derartige Erhöhung des Aominallohnes eine Verschlechterung ihrer Existenzbedin gungen, sie müssen ihre Lebenshaltung einschränken. Eine derartige Lohnerhöhung hat aber des weiteren die höchst nachteilige Auswirkung, dast sie uns unter Umständen im Anslande konkurrenzunfähig macht, denn das Ausland kümmert sich selbstverständlich um Lohnerhöhung in Deutschland nicht. Konkurrenzunfähigkeit unserer Indu strie im Ausland aber bedeutet Unmöglichkeit der Aus fuhr und letzten Endes Arbeitslosigkeit. Das Wesentliche ist. um es noch einmal zu sagen, dast die Lohnerhöhung eine Erhöhung des Real lohn es ist, also eine tatsächliche Erhöhung der Kaufkraft für den einzelnen bedeutet. Wir sagten eben, daß jede andere Lohnerhöhung Täuschung ist. man kann nach weitergehen und sagen, dast jede andere Lohnerhö hung frevelhaft sein kann, gerade wegen der Wirkung auf die Kreise, denen man mit der Erhöhung etwas geben will. Aber, so wendet man ein, ist es denn nötig, dast zugleich mit einer Lohnerhöhung auch die Preise steigen? Tie Frage ist wie folgt zu beantworten: Iede Lohn erhöhung muß preis steigernd wirken, wenn sie nicht durch erhöhte Produktivi tät der Arbeit ausgeglichen wird. Die Mög lichkeit. eine Lohnerhöhung etwa durch Verminderung der Gewinnspanne des Unternehmens auszugleichen, er scheint heute in den meisten Fällen als ausgeschlossen, wäre allerdings auch von geringer Wirkung: die For derung wird im übrigen auch kaum mehr vertreten. Selbstverständlich könnte die Lohnerhöhung ausgeglichen weiden durch erhöhte Rationalisierung der Produktion. Hier kommt es darauf an. ob die Möglich keit zu einer solchen gegeben ist. Von der Industrie darf man mit Recht sagen, daß sie hinsichtlich der Rationali sierung bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegan gen ist. und daß eine weitere Rationalisierung nach ame rikanischem Munster das Gegenteil desfen bringen mutz, was mit ihr erstrebt wird. Ob Rationalisierung beim Handel noch möglich ist, soll dahingestellt sein. Rationa- Schleppen-e Verhandlungen Paris, 22. November. Havas berichtet aus London, daß die Gerüchte, die von einer Meinungsverschiedenheit zwischen den alliierten Regie rungen über die Einberufung der Reriarationskonferenz wissen wollen, falsch seien. Nichtig sei dagegen, dass die interessierten Negierungen von Anfang an in völlig normaler Weise ihre Ver handlungen geführt hätten. Die Antwort der eng lischen Regierung, die dem deutschen Botschafter in London übermittelt wurde enthalte die Nuisassung der eng lischen Negierung, die bereits van Lord Ehusendun den Ver tretern der alliierten Negierungen mitgetsilt worden sei. Zurzeit erwarte man eine Antwort der deutscben Reaie- runa ans das letzte englische Memorandum. Erst dann werde die Mitteilung der alliierten Negierungen erfolgen, das-, sie die Einladung der Neichsregierung annchmen, eine Antwort, die in etwa acht Tagen erfolgen dürste Interessant sei, festzustellen, so führt die Havasnate aus. das, man in englischen, meist gut unterrichteten Kreisen, der Auffassung sei, datz die Arbeiten der beiden Kommissionen sich unabhängig von der Lösung der Frag« der Rheinlandräumung abspielen würden. Die Rede Strese- manns werde in Londons offiziellen Kreisen als befriedigend bezeichnet. Paris, Lg. November. In Pariser politischen Kreisen ist es allgemein aufgefallen, datz sich der französische Ministerrat, der am heutigen Dienstag vormittag stattfand, so wenig mit der autzenpolitischen Lage be schäftigt hat. Wie hierzu verlautet, ist man der Ansicht, datz vor allem die Rede Stresemanns, die nach französischer Auf fassung in mehreren Punkten der französischen These und dem Versailler Vertrag entgegengesetzt sei. eine besonders ein- gehende Aussprache erfordere. Autzcrdem werde Poin- carö mit den Botschaft > der alliierten Länder und mit Parker Gilbert neue Unterhaltungen haben müssen, bevor ent- giiltige Entscheidungen über die bevorstehenden Verhandlungen zur Revision des Dawesplanes fallen könnten. Die Prüfung lisierung bedeutet selbstverständlich ebenfalls Erhöhung der Produktivität der Arbeit. Ist nun aber die Forderung nach Erhöhung der Produktivität der Arbeit bei einer Lohnerhö hung auch wirklich die Voranssetz n n g für diese Lohnerhöhung, immer verstanden als Neallohnerhöhung. also Erhöhung der Kaufkraft? Ein einfaches Beispiel mag zeigen, datz eine Lohnerhöhung, falls die Boraus setzungen der vermehrten Produktivität der Arbeit nicht vorliegen, immer eine Steigerung der Preise im Ge folge haben mutz. Das Beispiel: ein Handwerker, etwa ein Schuhmacher, beschäftigt zwei Gesellen, die zufälliger weise auch noch Söhne des Meisters sein sollen. Beide Gesellen haben bisher je einen Wachenlohn von 60 Mark bekommen. Die beiden werden nun bei ihrem Meister und Vater vorstellig, er möge doch ihren Wochenlohn auf 80 Mark erhöhen. Was wird der Meister erwidern? Er wird sagen: „Dann bin ich genötigt, meine Schuhpreise zu erhöhen, denn nur aus diese Weise ist es mir möglich, euch den höheren Lohn zu geben." Selbstverständlich könnte er auch sagen: „Wenn ihr in der gleichen Arbeitszeit um ein Drittel mehr arbeitet, kann ich es auch machen ohne Preiserhöhung." Ob aber diese Möglichkeit der Mehr arbeit gegeben ist. ist eine andere Frage. Sie wird zu ver neinen sein, w enn der Betrieb schon bisher mit allen nöti gen Maschinen — oder so rationell als möglich - gearbeitet hat. Bleibt also nur: Preiserhöhung. Was für den klei nen Meister gilt, gilt für die gesamte Volkswirtschaft. Auch hier mutz bei Lohnerhöhungen eine Preissteigerung eintreten. falls nicht die Voraussetzung der erhöhten Pro duktivität der Arbeit gegeben ist. Es kann keinem Zweifel unterliegen, datz die Hoch konjunktur des Jahres 1927 vorbei ist. Industrie'und Handel haben schwer zu Kämpfen. Bei den hohen Prei sen, die Deutschland durchweg hat, wird der Kampf um den Auslandsabsatz immer schwerer. In vielen Export, erzeugnissen ist das Ausland heute viel billiger als Deutschland es sein kann. Eine Unterbindung des Ex ports aber hat Arbeitslosigkeit zur Folge, ganz abgesehen dieser wichtigen Fragen werde deshalb bis zum Kabinettsrat am kommenden Donnerstag und zum Ministerrat am kommenden Svnnabend zurückgestellt werden. Wie „Echo de Paris" erfährt, werden außer dem Gouver neur der Bank von Frankreich, Morean, als französischer Ver treter im Finanzsachverständigenausschutz zur Prüfung der Re parationsfrage Quesnay von der Bank von Frankreich und Professor Allix von der Sorbonne, der sich bereits in einer Mission in Berlin aufgehalten habe, genannt, da Sergent und Parmentier die Uebernahme dieser Posten abgelehnt hüten. Moskau tritt Deutschland zur Seite Kowno, 20. November. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist die Rede Dr. Strese manns im Reichstag in russischen offiziösen Kreisen mit größter Aufmerksamkeit ausgenommen worden. Man bedauert, datz der Minister in seiner Rede die deutsch-russischen Beziehungen mit keinem Wort erwähnt hat. Die Kritik über das englisch- französische Abkommen sei nicht genügend scharf ge wesen, wie es angesichts der großen Bedeutung dieser Angelegen heit zu erwarten gewesen wäre. Die Anklagen gegen Frank reich und England bewiesen, datz die deutsche Außenpolitik das englisch-französische Flottenabkommen gegen Amerika und Ruß land nicht billige. Die drei Fragen: Räumung, Reparation und Rüstung würden in der Form, wie sie vom Reichsautzen- minister hervorgehoben wurden, von russischer Seite volle Unterstützung finden, soweit sie dem Frieden dienen. London, LO. November. Wie Reuter erfährt, hat die gestrige Rede des Reichsministers Dr. Stresemann in amtlichen Kreisen Großbritanniens wenig Ueberraschung verursacht. Man ist der Ansicht, daß dis Rede lediglich eine wiederholende Darstellung der deutschen Ansichten über die Frage der Reparationen und der Rheinland besetzung ist. Die Rede wird als eine im ganzen durchaus sachgemäße Darlegung des Falles angesehen, wie er sich vom deutschen Standpunkt aus ergibt. Es wird anerkannt» datz die allgemeine Tonart der Rede in vieler Beziehung freundlich ist. davon, datz wir ohne Export die ungeheuren Anforderun gen, die von unseren früheren Feinden an uns gestellt werden, niemals erfüllen können. Wir erleben heute in der westdeutschen Eisenindustrie einen schwe ren Lohnkampf. Ohne genaue Kenntnisse der wirtschaft lichen Verhältnisse der Eisenindustrie ist es natürlich schwer, ein absolutes Urteil zu fällen: aber unbestrit - ten ist auf jeden Fall, datz auch die Eisenindustrie einen schweren Kampf um ihr Bestehen kämpft: unbestrit - ten ist ferner, datz wir im Zeichen niedergehender Kon junktur sind. Gerade die letztere Tatsache läßt aber eine Eisenpreiserhöhung außerordentlich gewagt erscheinen, für den Inlandsabsatz sowohl wie für den Auslands markt. Ter Hansa-Bund hat neulich eine Zusammenstel lung veröffentlicht, wonach eine Anzahl von Auslands aufträgen und die verschiedenen Angebote darauf neben einandergestellt wurden. Es zeigte sich dabei, datz Ita lien, Holland, Norwegen. Rußland, Schweden. Amerika. Belgien. Griechenland, Luxemburg. Frankreich durchweg billigere Angebote machen konnten, als die Selbst kosten der deutschen Konkurrenz waren. Es soll bier nicht untersucht werden, worauf diese Möglichkeit zurück zuführen ist. aber eines mutz gesagt werden: wenn die Eisenpreise erhöht werden, so werden wir im Auslande noch weniger konkurrenzfähig sein, als wir es heute schon sind. Wir wollen und können nicht in dem schweren Kampf, der im Westen gekämpft wird, Stellung nehmen für den einen oder anderen. Worauf es uns hier an kommt. ist lediglich die Beantwortung der Frage: Soll und kann die nur nominelle Erhöhung des Loh nein Kommens so weltergehen.hat der Arbeiter ein Interesse an einer derarti gen Entwicklung? Beide Fragen sind mit einem glatten Nein zu beantworten. Wenn die Erhöhung des Lohnes nicht eine solche des Reallohnes sein kann, sollte man von Lohnforderungen absehen. Momente taktischer, etwa gewerkschaftstaktischer Natur, dürfen hier nicht ausschlaggebend sein. Wir glauben auch, datz die christlichen Gewerksäiaf-