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Kummer 1SL — 27. Jahrgang DMelnl «mal ivöchentl. mit den Illnflr. GrattröeNagen .Die ,md »Für unsere Netnen Leute', sowie den rerlbcfl„A«7i St. ! enuo-BIatt", ..ltntcrhaltiing und Wisse»*, »Die Well der «enn*. ..ilecztltchec Ratgeder*. .Da« g»te Buch*. .Filmninb- s»iin*. Monatlicher Bezugspreis S Ml. «inschl. Bestellgeld. iit>^elnummer IN 4. Sonnabend- ». Sonntagnummer SU j. Haitpischrisileiter! Dr. <S. TeSczhk, Dresden. Donnerslag, den 14. Juni 1928 BerlagSor«, Dresden Anzeigenpreis«, Die Igespaltene Petttzeile »« Familien- anzeigen u. Stellengesuche SN ^. Die Petttrellamezetle. 89 mm breit. 1 Für Anzeigen außerhalb des BerbreitnngSgebieteS ^N ^. die Pelilreklaniezeile I.itN^.Osferiengeb.S« Falle höherer Gewalt erlischt >ede Verpflichtung ans Liesenmg sowie Erfüllung v. Anzeigen.Auslrügen ». Leistung v. Schadenersatz, «eschästlicher Teil: Artur Len,. Dresden. Geschäftsstelle, Druck«.Verlag: Germania. N.-G. sür Verlag und Druckerei, Filiale Dresden. Dresden-«. 1. Polterslraße l7. Fernn,s2l0l2. Postscheckkonto Dresden r7NZ. Bankkonto Stadtban' Dresden Nr 81719 Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzettung DreSden-Altltadl 1. Polierstratze 17. Fernru, 20711 und,1012. W«M -es M« WM Berlin. 13. Juni. Der Reichstag beginnt seine Plenarverhandlungen heute nachmittag. In dieser Sitzung wird der Namens aufruf der Abgeordneten und damit die Konstituierung des Reichstages erfolgen. Am Donnerstag wird die Wahl des neuen Reichstags Präsidiums vor sich gehen. Es dürste sicher sein, daß zum Präsidenten des Reichstags wiederum Herr Loebe gewählt wird. Die Vizepräsidenten werden nach der Stärke auf die Fraktionen verteilt. Es steht der Deutschnationalen Volkspartet, dem Zentrum und, was ein Novum ist, auch den Kommunisten je ein Sitz im Präsidium zu. Das Zentrum wird wiederum als Vizepräsidenten den Abgeordneten Esser präsentieren. Als Schriftführer sind die Abg. Frau Teusch und Abg. Schwarz vorgesehen, sofern das Zentrum zwei Sitze erhält. Die Frage, ob der Reichstag ebenso wie der Preußische Landtag auch den Kommunisten einen Vize- präsrdentenposten einräumen soll, hängt davon ab, daß die kommunistische Fraktion bereit ist, eine Erklärung abzugeben, daß sie die Geschäftsordnung beobachten und einhalten will. Es ist. selbstverständlich, daß nur unter einer solchen Voraussetzung an die Wahl eines kommunistischen Vizepräsidenten gedacht werden tonn > Die kommunistische Neichstagsfraktion hat zur Eröffnung des Reichstages einen Antrag auf eine politische Gene ralamnestie für die proletarischen politischen Gefangenen eingereicht. Ferner fordert die kommunistische Fraktion die sofortige Freilassung des verhafteten Reichstags abgeordneten Kippenbergcr- Hamburg. Die Kommunisten werden verlangen, daß diese Anträge sofort verhandelt werden. Müller-Franken verhandelt Berlin, 13. Juni. Die Reichsregierung ist in Ausführung des Beschlusses, den sie unmittelbar nach den Reichstagswahlen gesoßt hat, gestern offiziell zurückgetreten. Die amtliche Meldung, die über diese Tatsache Auskunft gibt, hat folgenden Wortlaut: „Reichskanzler Dr. Marx begab sich heute vormittag zum Reichspräsidenten und Lberbrachte ihm die Demission des Ee- samtkabinetts. Der Reichspräsident nahm die Demission ent gegen, ersuchte aber das Kabinett» bis zum Zusammentreten der neuen Reichsregierung die Geschäfte weiterzufiihren." Die Weiterfiihrung der Geschäfte durch diese Reichsregie rung ist eine rein formale Angelegenheit. Es ist selbstverständ lich, daß eine geschäftsfllhrende Regierung da sein muß, bis eine neue Regierung die Zügel ordnungsgemäß ergreifen kann. Nach dem Rücktritt des Kabinetts berief der Reichspräsident sofort den Führer der sozialdemokratischen Partei Hermann Müllerzu sich und beauftragte ihn mit der Bildung der neuen Regierung. Darüber wird amtlich mitgeteilt: „Im Anschluß an die Demission des Gesamtkabinetts emp fing der Reichspräsident den Abgeordneten Hermann Müller- Franken und erteilte ihm den Auftrag zur Bildung der Regie rung. Abgeordneter Müller-Franke» hat diesen Auftrag an genommen." Der offizielle Schritt zur Neubildung der Regierung ist nunmehr getan. Hermann Müller l-at auch bereits die not wendigen Verhandlungen unternommen. Nach dem Empfang bei Hindenburg hatte er Besprechungen mit dem Zen trumsführer von Guörard, dem Abg. Leicht von der Bay rischen Volkspartei und dem Abg. Koch- Weser von der Demo kratischen Partei. Es handelte sich in diesen Besprechungen erst um die Fühlungnahme zur Feststellung der Bereitwilligkeit der Parteien, sich an der Koalitionsbildung zu beteiligen, aber noch nicht um Personalfragen. Um die Mittagsstunde empfing Müller-Franken sodann den Abgeordneten Dr. Scholz von der D. V. P. zu einer Besprechung, die ziemlich lange dauerte, ferner den Reichswehrminister (gröner und den Abgeordneten D r e- w i tz von der Wirtschaftspartei. Am Nachmittag fand eine Verhandlung zwischen den Unterhändlern der sozialdemokratischen Fraktion unter Führung des Abg. Müller-Franken und der des Zen trums unter Führung des Abg. v. Guörard statt. Vom Zen trum nahmen an dieser Verhandlung weiter teil die Abg. v. Guörard. Stegerivald, Perlitius. Esser und Dr. Wirth. Diese Verhandlung nahm ziemlich zwei Stunden in Anspruch. Zwi schen diesen Parteien wurde, wie das Nachrichtenbüro des BDZ. hört, zunächst verhandelt, weil beide Fraktionen sich schon über ihre Forderungen im klare» sind, während z. B. bei der Deut schen Volkspartei erst noch die für heute angesetzte Fraktions sitzung abzurvarten ist. In den Verhandlungen zwischen So zialdemokraten und Zentrum gelang cs gestern schon, in gelöst en Punkten eine Verständigung' zu erzielen. Im ganzen cheinen dadurch also die Verhandlungen über die Regierungs bildung schon zu einem Teil gefördert zu sein. Die Verhand lungen sollen heute fortgesetzt und durch diejenigen mit den anderen in Betracht kommenden Parteien ergänzt werden. Wie rasch es gelingen wird, zu einer Einigung zwischen den Fraktionen zu gelangen, ist gegenwärtig noch nicht zu sagen. Optimisten glauben. Ende der Woche werde das Ergebnis vor liegen, Pessimisten, die Verhandlungen würden noch weit über die nächste Woche hinausgehen. Bei den heteiligte» Fraktionen herrscht aber wohl allgemein die Auffassung, daß man rasch zu einer sachlichen Einigung gelangen muß. Dieser sach lichen Basis haben die bisherigen Verhandlungen gegolten. Hauptschwierlgkeiten bilden der Finanzausgleich, die Reichs reform und die Organisation der Reichswehr für den die Sozialdemokratie besondere Wünsche hat. Eine große Rolle spielt auch das Verhältnis der Reichsregierung zur Regierung in Preußen, wo bekanntlich die Deutsche Volksvartei mög lichst rasch in die Koalition hineinkommen will. lieber Personalfragen ist in den bisherigen Ver handlungen überhaupt noch nicht gesprochen worden. Es ver lautet lediglich, daß der Abg. Mllller-Franßen. an den Reichs arbeitsminister Dr. Brauns das dringende Ersuchen gerichtet hat, daß er in seinem Amte verbleiben möge. Dr. Brauns und die Zenirumsfraktion haben diesem Ersuchen zugestimmt, aller dings unter der Voraussetzung, daß Dr. Brauns alsbald einen längeren Erholungsurlaub antritt. Erste Sitzung -er Jerrrrumsiraklion Berlin. 12. Juni. Die Zentrumsfraktion des Reichstages hielt heute nach den Wahlen ihre erste Sitzung ab. Sie wurde eröffnet vom Vorsitzenden der letzten Neichstagsfraktion, Abg. v. Euerard, der zunächst mit herzlichen Worten die gesamte Fraktion und in erster Linie ihre nen gewählten Mitglieder begrüßte. Es sind dies die Abg. Warnke (Schneidemühl), Hartwig (Oppeln), Dr. Drees (Osnabrück), Bielefeld (Recklinghausen), Riesener (Gladbeck), Dr. Hermes (Köln-Aachen), Nauheim (Essen), Fahrenbrach (Düsseldorf) und Dr. Föhr (Fxeiburg). Herr von Guerard wies dann noch auf die große Verantwortung und die schwierige Arbeit hin, die alle Mitglieder der Fraktion erwar tet. Während der Besprechungen des Abg. von Euerard mit Hermann Müller wurde die Fraktionssitzung von Abgeordneten Stegerwald geleitet, der nach einem kurzen Bericht über die vom Vorstand abgehaltenen Besprechungen ein Bild der allgemeinen politischen Lage entwarf, lieber die Regierungsbildung wurde nicht verhandelt. Vielmehr nahm die Fraktion die Berichte der Vorsitzenden der einzelnen Arbeits kommissionen entgegen. Dr. Bell berichtete über die Wahl rechtsfrage. Es liegen hier bestimmte Vorschläge für eine Aenderung des Wahlrechtes vor. Dr. Perlitius behandelte das Siedlungsproblem und der Abg. Lammers die Fragen der Wirtschaft. Die Wahl des Vorstandes der neuen Zentrumsfraktion wird erst dann stattfinden, wenn die Bildung der Regierung abgeschlossen ist. Jungwähler und Zenlrumsparkei Von Dr. Heinrich Krone. M. d. R. Die Frage, wie die Jungwähler am 20. Mai gewählt haben, ist in der deutschen Oeffentlichkeit lebhaft erörtert worden. Die Urteile darüber schwanken. Von seiten der Parteien ist man leicht geneigt, von einem politischen Ver sagen der Jugend zu sprechen. Darin liegt eine starke Uebertreibniig. Auch von Hentrumsseite sollte man mit einem solchen Urteil vorsichtiger sein und dabei tiefere Ur sachen unserer Wahlvcrluste nicht übersehen. Dr. Schauff, dessen kürzlich erschienenes Buch über „Die deutschen Katholiken und die Zentrumspartei" (Verlag Bachem, Köln) uns zum erstenmal genaue statistische Unter lagen über das Verhältnis von Konfession und Partei gab, weist in einem Aufsatz über „Die Soziologie der Wahlen" im „Heimatdienst" darauf hin, datz die Wahlbeteiligung der jüngeren Altersklassen eine geringere ist als die der höhe ren Altersstufen, ja, datz die 20- bis 24jährigen, die bei normaler Wahlfolge das erstemal zur Stimmabgabe auf gerufen werden, am schlechtesten wühlen. Die Erstmalig keit des Wahlaktes reizt also die jungen Menschen nicht in dem Matze, wie man es erwarten könnte. Daraus eine Her- anfsetzung des aktiven Wahlrechtes gar auf 25 Jahre for dern zu sollen, heitzt den Hebel an der verkehrten Stelle an setzen. Eine tiefere und umfassendere Weckung des politi schen Verantmortlichkeitsgefühls ist die richtige Folgerung. Nach welcher politischen Richtung die Wahlentscheidung -er Jugendlichen am 20. Mai und bei früheren Wahlen nusgefallen ist, darüber lätzt sich kein sicheres Urteil ab- geben. Wenn es möglich ist, so wäre für kommende Wahlen eine gesonderte Auszählung zumindest der Stimmen der W- bis 24jährigen angebracht, ähnlich der mancherorts -mchgefiihrteil Sonderung von Männer- und Frauenstim men. Dann wären auch über die politische Einstellung der Jugendlichen genauere Anhaltspunkte vorhanden; so sind wir auf Beobachtungen und Schluhfolgerungen der verschie densten Art angewiesen, zu denen am besten die im vollen Jngendleben stehenden Führer unserer grotzen Jugendver- ßflnde in der Lage sind. Wenn auch in unseren eigenen Reihen die Meinung ge äußert worden ist, datz die zu uns gehörigen Jugendkreise nur in geringein Ausmaß Zentrum gewählt haben, so ist diese Auffassung falsch. Gewiß hat ein Teil katholischer Jugendlicher, besonders aus der katholischen Jugendbewe gung christlich-sozial, besser gesagt Dr. Ehlen, gewählt; aber weit gefehlt wäre es, hinter den für die Christlich-soziale Reichspartei abgegebenen Stimmen nur Jugendliche sehen zu wollen. Wer die Verhältnisse im Westen kennt, weiß darüber mehr zu sagen. Der weitaus größte Teil der katholischen Jugend hat zur Zentrumspartei am 20. Mai Ja gesagt, ein Ja, das letzten Endes dem Gefühl tiefer weltanschaulicher Verpflichtung entsprang, für manche ein Ja nach Schwanken, das dem nicht unerklärlich bleibt, der mitempfindet, welche Fülle von Fragen unsere geistig, politisch und sozial so zerrissene Zeit auf den jungen Men schen einstürmen läßt. Wo ist denn der große sittlilbe und religiöse Elan und Rythmus, der uns alle und gerade den Jugendlichen mitträgt und fortreißt? Ueber Ansätze geht er doch nicht hinaus. In diesem Zusammenhang müssen wir auf das nicht zum erstenmal erörterte Thema „Alt und Jung" Hin weisen. Zwischen beiden lagert Spannung. Als radikal und revolutionär gilt die Jugend, als abgekämpft und den Aufgaben einer neuen Zeit verschlossen wird das Alter an gesehen. Der Grund dafür ist, daß die Blickrichtung auf unsere Zeit bei beiden doch eine verschiedene ist. Sie ist picht nur eine Frage des Altersunterschiedes, wie die meisten glauben. Mag auch das Wort „Zeitwende" über schwänglich sein, daß aber in das Blickfeld unserer heutigen Jugend neue Problemkreise getreten sind, Fragen, die die vorhergehende Generation nicht so berührten, steht außer Zweifel; dazu haben Kriegs- und Nachkriegszeit doch zu viel Fragen in den aufnahmebereiten Seelen der jun gen Menschen zurückgelassen. Die Frage nach oer Ueber- windung des Krieges als des Mittels die naturgegebenen Spannungen zwischen den Völkern zu lösen steht' nun ein mal im Denken der jungen Eeneratlon und weit mehr als früher wird heute der Wirtschaftsmiperialismus hinter -eu Bölkerspannungen gespürt. Man sucht nach Mitteln, diese Zustände zu ändern und fragt sich, was nicht nur oie Politik, sondern auch der einzelne dabei tun und leisten kann. Heute wird nun einmal — das ist Tatsache, über die man nicht hinwegsehen sollte, weil sie eben da ist — das Relative und Zeitbedingte unseres heutigen kapitalisti schen Wirtschaftssystems deutlicher empfunden, der Kapi talismus wird nicht mehr als das Wirtschaftssystem, son dern als ein aus einer besonderen Geisteshattung und Zeit Die heutige Nummer enthält die Beilage »Unterhal tung.« nd Wissen". geborenes und damit wandelbares Wirtschaftssystem ge sehen. Das bedeutet nicht, datz diese Teile unserer Jugend marxistisch gesonnen seien. Es geht bei diesen Frage stellungen noch nicht um Lösungen. Man hat zu viel Ehr furcht vor dem eigenen Ungenügen und dem Werden in der Zeit, um sich mit einer bestimmten Lösung zu identifizieren. Aber darin liegt die Spannung zwischen alt und jung in der Politik und in den Parteien, datz die ältere Generation diese Fragen nicht so dringend empfindet, besser gesagt, unter ihnen nicht leidet und die Jugend als Phantasten und praktisch unbrauchbare Theoretiker abtut. Darin hat die „Bayerische Volkszeitung" vom 24. Mai 1928 durchaus recht, wenn sie schreibt, „Diese Jugend iuibren besten Schichtenleidet viel unmit telbarer an unserer Zeit und sie setzt der Zer- rissenheit, Unehrlichkeit und seelischer Kälte dieser Zeit viel bewußteren und unbestechlichen Widerstand entgegen als die ältere Generation, deren beste Kräfte der Riesenaus- wand des Krieges verschlungen hat". Da dem so ist, mutz endlich seitens der Par tei die auch heute noch so oft an zu treffen de Mißachtung auf hören, die man dem ent egenbringt, was an Jdeenbewegung und ielsetzung aus der Jugend kommt. Darin ist schon manches anders geworden, und ich glaube, datz das Zentrum, abgesehen von den extremsten Flügelparteien rechts und links, für das Ideengut der Jugend das meiste