Volltext Seite (XML)
« Nr. 118, Seit« 3 Der sächsische Staatshauöhaltpla» Dresden, 18. Mai. Das Gesamlministerium hat dem Land tag am Mittwoch die Entwürfe des ordentlichen und auher- ordentlichen Staatshaushaltplanes, sowie des Haus- haltgesetzes auf das Rechnungsjahr 1924 zugehen lassen. Der aus Goldmark-Grundlage gestellte Haushaltplan bringt zum er sten Mal« wieder einen Ausgleich der Einnahmen und Ausgaben des ordentlichen Haushaltes mit 228770019.— Goldmark. Dieses Ergebnis ist nur durch schärfste Einschrän kung der Ausgaben und durch äußerste Anspannung aller Ein nahmequellen, insbesondere durch Heranziehung der sogenann ten Auswertungsstener vom bebauten Grundbesitz, zu erreichen gewesen. Von den Ausgaben entfallen: 144224968 Goldmark, sd. s. 63,9 v. H.) auf persönliche Ausgaben, und zwar 139 893 858 Goldmark s62 v. H.) aus die Dienstbeziige der Be amten, Volksschullehrer und Angestellten, sowie aus die Ruhe gehälter, 4 331407 Goldmark (1,9 v. H.> auf die anderen persön lichen Ausgaben: 77 354934 Goldmark (34.3 v. H.) auf die fort dauernden sachlichen Ausgaben und 4190120 Goldmark (1,8 v. H.) auf einmalig« Ausgaben zu bestimmten Zwecken. Von den Einnahmen entfallen 135798000 Goldmark (60,2 v. H.) auf Abgaben, und zwar 65645000 Goldmark <29,1 v. H.) auf Reichssteuerüberweisung, 70 150 000 Goldmark (31,1 v. H.) auf Landessteuern, 20 649178 Goldmark <9,1 v. H.) auf Nutzung des Staatsvermögens und der Staalsanslalten, ein schließlich der Einnahmen der allgemeinen Kasscnverwaltungen, 35 899 416 Goldmark (18,7 v. H.) auf Erstattung von Dritten (Staatstheater, Polizeibeiträgen von Städten usw.), 33 726 425 Goldmark (15 v. H.) auf Verwaltungseinnahmen, einschließlich der Gcrichtsgebiihren. Der Staatsbedars der Zuschutzkapitel be trägt insgesamt 213413769 Goldmark. Der Staat erhält in voller Höhe den Landes anteil an der Kraftfahrzeugsteuer, Rennwettsteuer, Börsensteuer, und den Ertrag der Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen, der Schlachtsteuer und der Stempelsteuer. Dagegen ist den G c- meinden in voller Höhe überlassen worden der Landes- antcil an der Grunderwerbssteuer sowie die Hundesteuer, die Zugtiersteuer, die Vergnügungssteuer, die Getränkesteuer, die Beherbergungssteuer und andere Abgaben, wie die Feuerlöschab gabe, usw. - Von dein Landesanteile an der Einkommen- und Körperschaftssteuer erhält der Staat 45 v. H., von der Umsatz steuer 40 v. H., von der Grundsteuer 40 v. H., von der Gewerbe steuer einschließlich der Arbeitgeberabgabe 40 v. H. und von der Aufttiertungssteuer bis zum 30. Juni 5 v. H., später 10 v. H. Den Nest erhalten die Gemeinden. Der Landesanteil an der Erbschaftssteuer ist zugunsten des Reiches weggefallen. Unter den Lande? st euer» steht dem Ertrage nach an erster Stelle die Aufwertungsstcuer von dem bebauten Grundbesitze. Ihr Ertrag ist unter der Annahme, daß der Landtag, der in einer Sondervorlage vorzuschlagenden Erhöhung der Staatssteuer vom 1. Juli an von 8 auf 10 v. H. zustimmt, mit 34 Millionen Gold mark angenommen worden. Die schwebenden Schulden (ohne die Neichsdar- lebne zur Förderung des Wohnungsbauess betrugen am 31. März insgesamt 21 828 621 Goldmark. Darin sind die vom Reiche ge währten Besoldungen und Liquiditätskredite in Höhe von 19 605 399 Goldmark eingeschlossen, auch soweit sie an Gemein den (555 656 Golbmarks und an die Kirche (51893 Goldmark) ivcitergewährt worden sind. In dem dem Landtage vorgelegten Gesetzentwurf über den Staatshaushalt wird das Finanzministerium ermäch tigt, vor vorübergehender Verstärkung der Betriebsmittel der Laudeshauptkasse nach Bedarf, jedoch nicht über 30 Millionen Goldmark hinaus Schatzanweisungen auszugeben oder Darlehen auszuuehmen. Dieser Betrag erhöht sich, falls und soweit von der Befugnis nach 8 1 des Anleihegesetzes vom 24. November 1923 nicht Gebrauch gemacht wird, um den nicht be gebenen Betrag der Anleihe. Die Schatzanwcisungen können ver zinslich oder unverzinslich ausgegeben werden und auf inlän dische Währung oder Sachwerte lauten. Die Schatzauweisungen werden vom Finanzministerium auf die Zeit von höchstens 5 Jahren ausgestellt, und von der Staatskasse eingelöst. Der aufterordentliche Staatshaushalt weist folgende Positionen auf: Für außerordentliche Staats- zwecke werden insgesamt 8 465 000 Goldmark angesordert, da von 135 000 Goldmark auf den Geschäftsbereich des Innenmi nisteriums (für das Elsterbad) und 8 330 000 Goldmark auf den Geschäftsbereich des Finanzministeriums. Letzterer Betrag setzt sich zusammen aus 15 000 Goldmark zur Erwerbung von Kohlen- seldern, 830 000 Goldmark als Kavitalbedarf kaufmännisch ver walteter Staatsunternehmen, 1 Million Goldmark zur Erhöhung des Grundl>ap:ta?s der Staatsbank, 10,5 000 G -M. zu dem Bau der Talsverre Muldenberg. 4155000 Goldmark für den Bau mehrerer W a s s e r k r a f t a n l a g e n. 85000 Goldmark zu Darlehen an Verkehrsunternehmungen und 300 000 Gold mark zu Darlehen an Gemeinden zum Anbau von Obstbäumen auf Komunikationswegen. onnabend, den 17. Mai 1924 Tagesneuigkeiten Wieder ein deutschvölkischer Fehmemord Berlin, 10. Mai. Der Leichcnfund im Tegeler Forst hat nunmehr zur Aufklärung eine« großen Verbrechens geführt. Der Mord ist tatsächlich aus politischen Motiven verübt worden. Der Ermordete, ein ehemaliger Offizier. DammcrS, der unter dem Namen Müller in deutschvölkischen Kreisen bekannt war, ist von politischen Freunden verübt worden, weil er im Verdacht stand, seine Partei verraten und Beziehungen zu Kommunisten unterhalten zu haben. Als Mörder kommt ein gewisser Robert Grütte-Lehder in Betracht, der sich schon «n November v. I. damit gebrüstet batte, daß er einen Spitzel erschossen hätte. Grütte verleitete Müller zu einem Spaziergang in den Wald, im Verlaufe dessen der Mord zur Ausführung gelangte. Der dritte Teilnehmer bei dem Spaziergang, ein ge wisser Stcltcnkamp und ein gewisser Böttcher, der ebenfalls in die Angelegenheit verwickelt ist, sind in Haft genommen worden, während der Haupttäter flüchtig ist. Die beiden Verhafteten haben nach kurzem Leugnen ein umfassendes Geständnis abge legt. Der flüchtige Grütte-Lehder hat noch vor einiger Zeit an Steltenkamp einen Brief gerichtet, indem er ihm mittcilte, daß er nach Budapest zu dem erwachenden Ungarn gehe. Der ermor dete Dämmers alias Müller war eine ausgesprochene .Hochstapler natur und hatte bereits längere Gefängnisstrafen abgebützt. s Norwegische Hilssexpedltion nach dem Eismeer. Die norwegische Regierung rüstet zurzeit eine Hilfsexpedition nach dem nördlichen Eismeer aus, um die Besatzungen von fünf nor wegischen Rabbenfängerschisfen zu retten. Die Schiffe sind im Eise zerdrückt worden: die Besatzungen konnten sich retten und halten sich an der russischen Eismeerküste auf. ch Ter brennende Kirchturm. Aus Paris kommt die Nach richt, daß der Kirchturm in Az les Thermes aus unbekannter Urfache plötzlich Feuer fing, wodurch der ganze Glockenstuhl ver brannte und unter ungeheurem Getöse die sieben Glocken in das Kirchenschiff stürzten. ch Ausbruch der schwarzen Pocken auf einem Dampfer. Aus Neuyork wird gemeldet, daß sich unter den Passagieren der 1. Klasse desDamvfers „Präsident Roosevelt" ein Fall von schwar zen Pocken ereignet hat, und zwar zwei Tage nach der Abfahrt des Damvfers von Southampton auf seiner Reise nach Neuyork. Der an Pocken erkrankte Passanier Sinclair aus Neuyork ist gestorben und wurde nach altem Seemannsbrauch auf hoher See bestattet Neunzig erkrankte Passagiere wurden an Bord ge impft ch Explosion auf einem Leuchtschiff. Mantagvormittag er hielt das Marineministerium in Kopenhagen ein Radiotelegramm vom Annholt-Knobher-Leuchtschiff mit dem Ersuchen, umgehend Hilfe zu senden, da eine Explosion stattgefunden l>abe. Von dem Augenblick an war jede Verbindung mit dem Schiff unterbun den. Es wurden sofort zwei Fliegerboote mit Aertten und Ver bandsmaterial ausgesandt. Infolge des'nebligen Wetters hatten die beiden Flieger jedoch große Verspätung. Endlich am Abend kam die Nachricht, die Aufklärung über die Art und den Umfang der Explosion gab. Ein Behälter mit kombinierter Luft war explodiert, wodurch zwei Mann der Besatzung schwer verletzt wurden. ch Ein Emsdamvfer gesunken. Der Danufler „Maada" der Allgemeinen Speditionsgesellschaft Emden ist auf der Ems in folge einer Kesselexplosion gesunken. Die Maschinisten sind um- ackommen, während die übrige Mannschaft gerettet werden konnte. ch Radio im Samariterdlenst auf hoher See. Der Dampfer „Vercngaria", auf dem sich der neuernannte Kardinal Mun delein, von Rom kommend, befindet, war am 10. Mai nachmit tags in Neuyork erwartet worden. Die katholische Geistlichkeit des ganzen Landes hatte Abordnungen gesandt, um den Kardinal einen festlichen Empfang zu bereiten. Dieser konnte indessen nicht stattfinden, da sich die Ankunft des Schiffes bis Mitternacht verzögerte. Der Dampfer hatte näm lich auf der Ueberfahrt ans einen drahtlosen Hilferuf hin einem anderen Schisse, das er mit Erfolg aufsuchte, Samariterdienste geleistet und einen Schwerverletzten von diesem Schiffe über nommen, wodurch seine Reise um mehrere Stunden aufgehalten wurde. ß Das neue PalalS König AlfoiesoS ln Barcelona. In Bar celona ist alles für den bevorstehenden Besuch des Königs und der Königin von Spanien vorbereitet. Das Königspaar wird bei dieser Gelegenheit zum ersten Male Einzug in das neu« Palais halten, das ihm von den Monarchisten zum Geschenk gemacht wird. Der Zweck dieses Geschenks ist, zu bewirken, daß das königliche Ehepaar von Zeit zu Zeit auch in Barcelona weilt, wie es dies in San Sebastian und Sevilla zu tun pflegt. Man hofft, daß König Nlfonso auf diese Weise in engeren Kontakt mit Katalonien kommen wird. RWIüMUWl Von Han» Dominik. Copyright by August Scherl G. m. b. H. 1923, Berlin-Leipzig. (Nachdruck verboten.) (62. Fortsetzung.) Tie weiteren schlechten Nachrichten aus dem Jlital hatte Tvghon-Khan beinahe erwartet. Daß der General von Bülow hier in der Lotte des TelekdammeS einen starken Widerstand leisten würde, war für den alten Mongolenfeldherr» eine Selbst verständlichkeit. Deshalb hatte er ja seine Kerntruppen dort an gesetzt. Aber die Stärke des Widerstandes überraschte ihn. Die Berichte, soweit sie bisber Vorlagen, meldeten unge heure Verluste der Angreifer. Wenn Bülow seinerzeit Georg Jsenbrandt gegenüber von einem Thermopylen gesprochen hatte, das er hier errichten wolle, so bewiesen diese Meldungen, wie ernst er seine Worte gemeint hatte. Auch die Truppen, welche die chinesische Heeresleitung zur Umgehung der Telekstellung angesetzt hatte, kamen nur Schritt für Schritt und unter schwersten Opfern vorwärts. Ein Forciere» des Durchbruches an dieser Stelle würde in jedem Falle ungeheure Verluste erfordern und in, Erfolg zweifelhaft bleiben. , Ter große Erfolg mußte im Jrtyschtale gesucht werden. Die breite dsungarische Pforte erlaubte es, viel stärkere Kräfte vorzuwerfen. Waren sie hier erst einmal bis zum Siedlerland burchgedrungcn, Ivo eine freie Entfaltung der Front möglich wurde, dann war die Jlistellnng der Gegner so «m Rücken be droht, daß sie unhaltbar wurde. Aus dieser Gesamtlage ergab sich, den Vormarsch durch diS Jrchschtal init größter Schnelligkeit und stärksten Kräften zu be treiben. Noch am Abend dieses Tages ergingen die Befehle nach allen Seiten, und im Laufe der Nacht begab sich der Regent mit seinem Stabe von Khantt nach der dsungarischen Grenze. Hier erreichte ihn am frühen Morgen des 10. Juli die Meldungen, baß seine Spitzen den Gebirgszug zwischen Ust Kamenogorsk und Arlatsk gegen schwachen feindlichen Widerstand genommen hätten, einhnndcrtvicrzehn Kosaken unter dem General Licharew den Feinden widerstanden und ein Bollwerk gegen die gelbe Flut errichteten, da waren die so viel stärkeren Truppen der E. S. C. fetzt fast kampflos gewichen. Das stratetische Spiel schien ßewonnen. Weit offen stand das Völkertor, durch welches sich seit Tausenden von Jahren die asiatischen Stämme nach Westen ergossen hatten. Als dir Sonn« über die Berge des Altai heraufkam, chtand Loghon-Khan allein am Ufer des Jrtysch, den die Mongolen Kara ErthiS nennen. Sinnend schaute er den gen Westen strö menden Wellen des jungen Flusses nach. Hinter ihm war das Land sicher. Die ungünstigen Nachrichten von d«r Südfront ß Die Erfindung eines Geschosses, d»S den Mond erreicht. Der Professor an der amerikanischen Cleark-Un>versität im Staate Massachusetts Dr. Goddard gibt bekannt, daß er ein Ge schoß fcrtiggestcllt habe, das bis zu zehn englische Meilen Höhe aussteigen könne. Er fügt hinzu, daß seine Erfindung der erste Schritt aus dem Wege sei, mittels eines von der Erde geschleu derte» Geschosses den Mond zu erreichen. ß Eine Zigeunergeige von »»schätzbarem Werte. In Bel grad ist kürzlich eine Geige von unschätzbarem Wert anfgetaucht, die einer Zigeuaerfcunilie gehört und sich in ihr von Generation zu Generation vererbt hat. Der letzte Besitzer hat sie sterbend seiner Frau übergebe», damit sie spater die Geige dem Svhn einhändige. Durch die Not gezwungen, sah sich die Zigennerfran aber veranlaßt, das kostbare Instrument für 1200 Dinar einem Kasfeehausbesitzer zu verlausen. Diesem wurde die Geige von einem Kciffeehausmnsiker entführt, der sie seinerseits dem Violin virtuosen Nragni leihweise für seine Konzerte überließ. Dabei zeigte die Geige den ganzen Reichtum und die Kiangsülle ihres Tones. Aragni, der ihren Wert erkannte, wollte sie auch kansen. Der Plan wurde aber durch einen Jnstrumenienbaner vereitelt, während der Künstler noch bemüht war, das Geld für oen An kauf znsammenzubringen, ohne Zögern 200 000 Dinar auf den Tisch zahlte, um das kostbare Instrument in seinen Besitz zu bringen. Man weiß nicht, ob es sich hier um eine Amati oder eine Stradivari handelt, jedenfalls zeigt aber der Preis, den der Jnstrnmentenhändler anzulegen kein Bedenken trug, daß man es mit einer ungewöhnlich wertvolle» Geige zu tun hat. f Ter Schlafwandler auf dem D-Z»g. In höchster Lebens gefahr schwebte dieser Tage ein Passagier des Nachtschnellzuges von Drontheim nach Christicmia. Der Mann ist Schlafwandler und bekam einen Anfall seiner Krankheit, während er im Schlafwagen lag. Er schlug mit beiden Händen das Doppelfenster seines Abteils entzwei und kletterte auf das Dach des Wagens. Auf der Station Dvmbaas wurde er glücklicherweise von dem Schaffner entdeckt und ans seiner gefährlichen Lage befreit. Bei seiner Wanderung durch das zerbrochene Fenster hatte er sich zahlreiche Schnittwunden am ganzen Körper zugezogcn. Ein- Glück für ihn war cs, oaß er seine Nnchtwandernng gerade an-- getrcten hatte, während der Zug eine freie Strecke hatte. Sonst wurden durch die Meldungen wettgemacht, daß die Lnftgeschwader in seinem Nücke» teils niedergekämpft, teils vertrieben seien. Vorwärts ging es mit der Sonne. Er brauchte nur seinem Schatten zu folgen. Kaum hundert Schritte vvr ihm lag der Grenzgraben. Er wandte sich um und winkte sein Pferd herbei. Mit einem Schwange saß er im Sattel. Vorwärts! Nach ein paar Sätzen hielt er am Grenzgraben. In diesem Augenblick loderten links und rechts von seinem Wege mächtige Scheiterhaufen ans, die seine Getreuen ans u,»gestürzten Grenzpfählen errichtet hatten- Mit einem stolzen Lächeln quittierte der Regent die Huldigung. Ein Spornstoß! Sein Roß sprang in einem mächtigen Sah über den Graben. Ein Ruck i„ den Zügeln, das Pferd stand wie aus Erz gegossen. Er tvar auf erobertem Boden. Bon allen Seiten umbrauste ihn der Jubel der vorüberziehcnden Truppen. Toghon-Khan saß starr auf seinem Pferde. Die schwarzen Gkutaugen Nwit offen nach Westen gerichtet. Ter Ring an seiner Linken schien zu glühe». Seine Sinne wanderten. Aus den Truopen, die da neben ihm in modernster Aus rüstung vorivärts hasteten, wurden die Krieger der goldenen Horde, wie sie der große Dschingis-Khan vor acht Jahrhunderten nach Westen geführt hatte. Er sah sie vorwärtsstürmen. Er sah sie die weiten Steppen Vorderasiens überschwemmen. Er sah, wie die uralten Königreiche unter ihren Tritten zusammcnbrachen. Er sah, wie sic ihre Rosse an den blauen Wassern deS Hellespontes tränkten, wie sie der Donau stromaufwärts zogen, über das Balkangebirge ginge» . . . und bis an das Herz Europas stießen. Ihm nachl Seine Sporen stieße» gegen die Flanken seines Pferdes. Wütend stürzte das edle Tier vorivärts. Erst nach einer Weile brachte ör es in seine Gewalt zurück. Er war erwacht. Sein Auge überflog eine Abteilung marschierender Artil lerie. Seine Äuge hc„q an den glitzernden Rohren. Die Ge schütze waren von chinesischen Konstrukteuren gebaut. Ihre Lei stungen waren von einer bisher unbekannten Größe, und er wußte, daß Europa dergleichen nicht hatte. Tie Artillerie war sein- alte Waffe. Die Batterien dort neben ihm . . . waren sie nicht auch sein eigenes Werk? Wie würde diese neue Masse den weißen Gegner treffen? Ein kalter, frischer W'nd fahr ihm über das Antlitz. Er hob den Helm und badete seine heißen Schläfen i» dem erquickenoen Luftzug. Vorwärts! Vorwärts! . . . Ihm nach! Er beugte den Kops über seine Linke. Wie rotes Feuer erglänzte der Ring des Dsch'nglS-Khan in den Strahlen der Morgensonne. Seine Lippe» berührten das Gold. Ei» Schauer rann durch seinen Körper. wäre er unzweifelhaft durch eine» der auf dieser Linie zahl reichen Tunnels getötet worden. j- Der entgleiste „Lenin-Zug". Wie an? Riga gemeldet wird, hatte man im Süden Rußlands einen Spezialznq gebildet, der bestimmt war, das Andenkens Lenins zu verherrlichen. Die Lokomotive des Zuges war zu diesem Zweck mit einem großen Bild Lenins geschmückt. Ter Zug, der am 1. Mai z„m erste,, Male die Reise nach Moskau antrat, wurde hier von den Ver tretern der Sowjet-Regierung erwartet, die versammelt waren, um beim Eintreffen des Zuges eine große offizielle Feier ab- zubalten. Sic warteten indessen vergebens, denn der Zug war 154 Werst von Odessa entfernt entgleist. Die Sowict-Biätter brachten nicht ein Wort über den Unglücksfall, der jedoch durch die geretteten Passagiere bet ihrer Ankunft in Moskau be kannt wurde. Man spricht von einer großen Zahl Toter und Verwundeter. Vier Waggons sollen vollständig zertrümmert ist,,. Wie verlautet, handelt es sich um einen verbrecherischen An schlag ans den Zug. Man soll die Schienen aufgerissen haben, um die Entgleisung hcrbcizusnhren. f Der „vornehme" Nänberhanptnmnir. A»S Berlin schreibt man: Eine zwölfköpfige E>nbrecherbnnde, die tüchtig und fleißig arbeitete, sitzt nun hinter Schloß »nd Riegel. Ter Ehef der Abteilung „E-B" (Einbrecher-Bande) lebte feudal als Gentleman in einem vornehmen Hotel, wo man ihn für einen großen Ju- Welcnhändler (Berlin-Amsterdam! hielt. Er trat wie ein Gent ans, elegant, etwas vornehin müde, und er verkehrte in besseren Familien. Tort interessierte er sich für die schönsten Brücken ans Persien und naturgemäß für Brillanten. *We»n er „in 12 Uhr der Gnädigen die Hand geküßt hatte, entfernte er sich, um gegen 2 Uhr mit seinem Personal durch die Tür oder durchs Fenster wieder einen Besuch den Freunden abzustatten. Wer am ge schicktesten stahl, erhielt eine Prämie, und tver nichts vom Stedten verstand, wurde entlassen: er mußte «sich einer anderen Einbrecher firma zmvenden. Der gebildete Ches lernte in einer dunkle» Gegend Berlins zwei Schwestern kennen, die er als Ablegcstelle der Großbente benutzte. Tie Schwestern aber bekamen eines Tage-: Gewissensbisse und meldeten die Angelegenheit dem Polizeipräsi dium. Ein paar Beamte hoben den Schatz der Nibelungen und „Plombierten" den Betriebsleiter mitsamt dem Diebespersonal. Wetteifern« mit den Finten des Jrtysch, strömte» die men- golüchen Myriaden an seinen Ufern westwärts. Meile um Meile gewannen sie, bis die Gebirge znrückwichen »nd der Fluß sich znm See weitete. Jetzt strömten auch die Massen auseinander. Tie niedere Gebirgskette »»er vor ihnen war das letzte Hindernis Tie Sonne war höher gekommen. Doch der kühle Morgen wind hatte sich auch »m'hie Mittagszeit nicht gelegt. Im Gegen teil. Er war von Stunde zu Stunde kälter geworden. Jetzt ging eine seltsame Veränderung des Himmels vor sich. Tie Sonne verschwand hinter einem grauen Dunstschleier. Ein eisiger Llifistrom ans Norowesten kam den Marschierenden ent gegen. Welk und schwarz, wie verbrannt, hing das lästige Jult- lnnb an Bäumen und Sträuchern. Die Luft füllte sich mit Nebeln, die sich da und dort zu schwerem dunklen Gewölk zusammenballlen. Aber die Dunst- Wolken fiele» nicht i„ Tropfen zur Erde, sondern wurden von den Windstößen bald nach oben, bald nach unten gerissen. Kurz auftretcnde Windstille ließ auch sie manchmal stillstehen, daß sich die bizarren Formen wie dunkle Felswände vom Himmel ab- hobcn. Die Kälte nahm immer mehr zu. Der Wind wehte mit immer stärkerer Kraft. Tann war es plötzlich, als bräche das ganze Himmelsgewölbe zusammen. Erde und Himmel verschwanden in einem rasenden Schneestnrm, der sein unermeßliches Netz weit hin über seine Beute warf. Nur hi» und wieder vermochte das Auge durch das dichte Treiben der weißen Flocken dünne Kelle,, geduckter Gestalten zu erblicken, die sich mühsam durch das 5'haas vorwärtsknmpften. Tie Näder der Fahrzeuge schnitten bis an die Achsen in den Boden ec», der sich mit dem Schnee zu einem eisigen Kot vermischte. Peitschenhiebe und Rufe! Flüche i» allen Zungen Asiens schallte» durch die Lust. Dazwischen das ängstliche Schnauben der Pferde und das Gebrüll der Kamele. Immer häufiger brachen Tiere und Menschen erschöpft zu sammen. WaS ans dem Wege liegcnblieb, wurde rücksichtslos zur Seite gestoßen. Tie Hilferufe verhallte» ungehört im Geheul des Sturmes. Dazwischen die anspornenden Rufe der Offiziere. Vorwärts! . . . Vorwärts! . . . Jenseits der Berge winke,, die warmen Fluren Turkestans . . . Vorwärts! . . . Jenseits der Berge ist Sommer. Aber die Gebirge waren unsichtbar. Hinter den wirbeln den Schnccflvcken verborge«. Die Ebene, durch die sie mar schierte», von den immer mächtiger niedergehenden Schncemasse» bald mit einem dichten Leichentuch bedeckt. Gegen Mittag ließ die Gewalt des Sturmes nach. Für Augenblicke brach d>c Sonne durch das dunkle Gewölk. Es wurde Rast gemacht und gegessen. 'Fortsetzung folgt.)