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Stummer 218 — 25 Jahrgang -mal wöch. Bezugspreis für Septbr. 3,0b einschl. jvestellgelo. Anzeigenpreise: Di: Igesp Pelitzeile «L. Stellengesuche Ai L. Die Petitreklamezeil«. 89 Milli meter drell. 1 Ossertengeüühren für Selbstabholer 2» bei Uedersendung durch dt« Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L. Sonntags-Nr. 15 Geschäftlicher Teil: I. Hillebrand in Dresden HyiN'I'Il«»»« KoKI Oresäen ^ SttvVIllI'llll 7 öerte (ZusIitSten blieängste Preise SiicklMe tzronnaoend, 25.Septemver 1926 Im Jolle höherer Gewalt erlischt seo« Berpsltchiung aus Lieferung sowie Erfüllung v. AnzeigenauftrSgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern, ruf üdernrltt. Anzeigen übernehmen wir keine Der. antwortung Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte wevd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags. Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dre«i»n. volMMUNg OeschüstSsteU«, DruN uud Berta«, Saronia. vuchdnickere, Dresden-», t, Polterslratze 17. .^ernrul 21012. Poitich,Skonto Dresden 117S7 Bankkonto: Dresdner Bank, Dresden Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen BallSzettung Dresden.AlMadi i. Polierstratze 17. Nernrnt 20711 -I0I2. Die Wege -er höheren Schulreform in Sachsen — Eine Denkschrift -es Dolks- bil-unasvr.nifteriums — Möglichst weilgehen-e Vereinheitlichung Dresden, de» 24. September. Bon Ser 'iceuvronung des höheren Schul wesens ist auch in Sachsen in den letzten Jahren mehrfach die Rede gewesen. Sie war auch schon Gegenstand des poli- ti'chen Kampfes. In der Aera Wünsche-Fleihner waren wir in Sachsen nahe daran, daß um ein .Haar unser höheres Schulwesen von Grund ans zerschlagen und im Sinne einiger radikal-utopistischer Schnlreformer ..mit unserer Zeit in Ein klang gebracht" ivorden wäre. Glücklicherweise !)at das die Entwickelung der parlamentarischen Verl>ältnisse zur großen Koalition verhindert. Man wird dafür die Verzögerung gern in Kauf nehmen, die Sachsen gegenüber anderen Ländern auf diesem Gebiete scheinbar erlitten hat. Denn heute ist man dop pelt im Vorteil. Einmal liegen schon praktische Erfahrungen anderer Resormoestrebungen vor. Des weiteren darf man von der Verzögerung nur eine gründlichere und sachlichere Belzand- lung der überaus schwierigen und verantwortungsvollen Ma terie erwarten. Das Ergebnis der Vorarbeiten ist denn auch eine sehr um fangreiche. nicht nur das Programm der Zukunft, sondern auch einen geschichtlichen Ueberblick über die Vergangenheit enthal tende Denkschrift, die das Ministeriuin für Volks bildung nunmehr den gesetzgebenden Körperschaften und der Oeffentlichkeit vorlsgt. Ueber den Inhalt dieser Denkschrist mckite Volksbil-ungsminifter Dr. Kai er tn einer Pressekonferenz am heutigen Vormittag nähere An gaben. Der Minister wies darauf hin, daß die Reform unbe dingt an die geschichtliche Vergangenheit anknüpfen müsse, da die höhere Schule Sachsens nicht etwas willkürlich Geschaffenes, sondern ein organisch gewachsenes Gebilde ist. Wenn unser höheres Schulwesen als lebendiges Gebilde erhalten werden soll, dann müsse es auch organisch weitere nt- w ickelt werden. Deswegen bringe die Denkschrist auch keinen völligen Umsturz, und wolle nicht auf Kosten der höheren Schule etivas ganz Neues schassen. Ihr Ziel war es vielmehr nur. die höhere Schule unter Erhaltung des wertvollen Alten, unter Be seitigung des überflüssig gewordenen veralteten und unter mög lichst vollständiger Aufnahme des neu aufgetauchten Bildungs- B'tes. dem Leben wieder nahe zu bringen. Die Denkschrift enthält die Gedanken des Volksbildungs ministeriums darüber, wie die höhere Schule den jungen Men schen in ein geordnetes Verhältnis zu Nation und Staat, z» Leben und Beruf und nicht zuletzt zur Wissenschaft bringe» soll. Die höhere Schule soll die Erziehung von starken Persönlich keiten anstreben. Dies Ziel zu erreichen, ist in der Jetztzeit doppelt schwer, einmal deswegen, weil unsere Schüler schon jetzt a» einer gewissen Ueberburdung leiden, zum andern weil die neue Zeit eine solche Fülle neuen, insbesondere auch deutschen Kulturgutes geschaffen l,ot. dos unbedingt Ausnahme im Lehr plan erheischt. Es mußte also unter Herabsetzung der als zu hoch empfundenen wöchentlichen Stundenzahl der Schüler gleichwohl in den verbleibenden Stunden mehr Wissen vermittelt «rl)alten, ohne daß dicket das Ziel der Schule herab gesetzt wurde. Denn das ist ausdrücklich zu betonen, daß ins besondere unsere Hochschulen, aber auch unsere praktischen Be rufe, eine Herabsetzung des Zieles nicht vertragen können, wenn wir deutsche Wissenschaft, deutsche Technik, deutsche Wirtsäzaft auf ihrer Hohe erhalten wollen. Nötig ist Ücker, daß veraltetes Bildungsgut (Was ist aber veraltet? D. Red.) über Bord gewor fen wird, daß die Schulung des Intellekts und des Wissens durch moderne Arbeitsmethoden erleichtert und geivcn-rleistet wird, und daß die Ausbildung unserer höheren Lehrer bereits von der .Hochschule an auf diese Erfordernisse mehr als bisher eingestellt wird. Schließlich ist es nötig, daß die höhere Schule noch mehr Rücksicht nimmt ans die verschiedenen Richtungen der Begabungen »nd Neigungen, daß sie bereits von dem Zeit punkt an, in dem der Schüler fähig ist, sich für einen Beruf zu entscheiden oder doch wenigstens Hinneigung zu einem Berufe zu empfinden anfängt, dieser Richtung aus das praktische Leben Rechnung trägt und dem Schüler — unter .Hintanstellung anderen Bilüungsgutes — besonders die Stoffe und Arbeitsmethoden vermittelt, die sein künftiger Be rns nohelegt. Diese Entwicklung hat das sächsische höhere Schulwesen bisher schon — bewußt oder unbewußt — genommen; sie wird nicht durch eine starre Typisierung der höheren Schule aufgs- halten werden dürfen, sondern weiter ansgebaut werden müssen. Die höhere Schule leidet an einer weitgehenden Zersplitte rung und Planlosigkeit, die einen Wechsel der Schule, wie ihn die Freizügigkeit unserer Bevölkerung vielfach erfor dert, außerordentlich erschwert. Dem soll dadurch abgeholfen werden, daß der Unterbau der höheren Schulen möglichst bei allen Schularten einheitlich ansgebaut wird, so daß während der ersten 3 Jahre am besten aber noch wahrend der 2 Jahre des Mitelbaues ein Wechsel innerhalb der einzelnen Schulart vorgenommen werden kann. Nimmt man dazu, daß dann im Oberbau durch Gabelung und Abteilung an ;eder Schule für die verschiedenen Berufskomplexe Gelegen heit zu intensiver Vorbildung gegeben wird, so wird man die nach dem Inhalt der Denkschrift beabsichtigte süchsiscize höhere Schule als die „gegliederte höhere Einheitsschule" bezeichnen dürfen, die aus einen möglichst weitgehenden gemein samen Unter- uns Mittelbau eine im ivesentlichen nach Beruss- komplexen gegliederte, aber durch eine Gruppe von Kernfüchern zusammengehaltene Oberstufe trägt. Mit Einheitsschule im landläufigen Sinne hat diese Schule allerdings nichts zu tu». Frühere Pläne, die höhere Schule mit der Volksschule so eng zu verbinden, daß eine allge mein« Einheitsschule daraus erwüchse, muß ein Unterrichis- minister, dem die Erhaltung des Niveaus in der Ausbildung der Schüler höherer Lehranstalten Pflicht ist, ablehnen. Die Ergeb nisse, die ähnliche Versuche in anderen Ländern gezeigt haben, ermutigen nicht dazu, dies Experiment auch in Deutschlnnv zu unternehmen.» Das, was die Einheitsschule nach der Ueber- zeugung ihrer Verfechter vor allem bringen soll, nämlich die Erfassung aller Begabungen im Volke, die der Weiterbildung wert sind, wird, soweit dies überhaupt möglich ist. bereits jetzt und durch die Neuregelung ermöglicht werden können. Wenn auch grundsätzlich an der neun stufigen höheren Schule festgehalten werden muß, so ist es doch schon jetzt möglich für Begabte, die den Anschluß an die Sexta versäumen mußten, in Ausbauschule n und Ausbauzügen erst nach vollendeter Volksschulzeit in die höhere Schule ausgenommen zu werden, ivas dann von wirklichen Begabungen noch übrig bleibt, hat die Möglichkeit, durch die in Sachsen seit etwa drei Jahre» bestehenden I m mo t u r e n p r ü s u n g e n noch den Weg zur Hochschule zu finden. Im übrigen mag auch einmal betont werden, daß die Schule und insbesondere die höhere Schule es nicht allein sind, die Persönlichkeiten schaffen. Unzählige Einrichtungen und Tatsachen außerhalb der Schule, das ganze Leben in seinen Anforderungen und Vielfältigkeiten, bildet Persönlichkeiten aus, die dem Volke und dem Staate eben so wertvolle Glieder sind, und ebenso ivertvolle Dienste zu leisten imstande sind, wie die Masse derer, denen die höhere Schule diesen Weg eröffnet. Jeder Kundige weiß, daß die sächsische Unterrichtsoerwal- tung mit dieser in sächsischen Kreisen historisch begründeten und organisch gewordenen und noch schärfer herauszuarbeitenden be weglichen Einheitsschule sich bewußt von der preußischen Regelung abgeivaickt hat. Preußen hat vier bestimmte Schultypen geschaffen, deren jedem ein bestimmter Knlturkreis zugewiesen worden ist; Sach se» dagegen strebt nach einer möglichsten Bereinheit- sichung der h ö h e r e n S ch u le. Und es darf ausgesprochen weiden, daß nach unserer Ueberzeugung die gegliederte höhere Einheitsschule mit ihrem gemeinsamen Unter- und Mittelbau und der Beweglichkeit im Oberbau einmal der Ausgangspunkt für eine allgemeine deutsche Reform der höheren Schule werden könnte. Wichtiges wäre schon erreicht, wenn alle höheren Schulen Deutschlands (mit Ausnahme der Schulen mit grundständi gem Latein, für die eine besondere Vereinbarung getroffen iverden müßte), sich über einen gemeinsamen Unter bau, vielleicht auch einen gemeinsamen Mittelbau einigen könnten. Die Anpassung auf der Oberstufe wäre dann das Reiseziel. In diesen grundsätzlichen Fragen wird man der Denk schrift des Kultusministeriums weitgehend folgen können, mag man auch, wie wir, die immer stärker werdende Zurückürüngung der humanistischen Bildung als einen Verlust an Kulturgut be dauern. Ans die Einzelheiten der umfangreichen Denkschrift wird aber noch zurückzukommen sein, insbesondere soweit sie die Fragen, der P r ! oa t sch n l e n , des Religions- »nd Pir l o s o p h te - U n t e rr ich t c s behandelt. Diese Fragen sind auch für uns von so grundlegender Bedeutung, daß sie einer eingehenden Stellungnahme bedürfen. Die Grundsätzliche Verwirklichung der Ziele der Denk schrift bleibt naturgemäß der gesetzlichen Siegelung des Landtages überlassen, und zwar des neuen Landtages, so daß diese Bildungsfragen auch im Wahlkampfe eine bedeutsame Rolle spielen iverden. Das Ministerium hat aber auch die Möglichkeit, auf dem Verwaltungswege Neuregelungen im Sinne dieser Denkschrift durchzuführen. So insbesondere in den inter nen Fragen des Lehrstoffes und Lehrplans, Von Ostern 1927 ob soll so bereits in allen neunstusigen höheren Schulen, mit Ausnahme der humanistischen Gymnasien, in den Klassen von Sexta bis Quarta als erste Fremdsprache das Englische eingeführt werden. Ferner ist für eine vertiefte pädagogische Ausbildung der Lehrkräfte in Leipzig ein praktisch- pädagogi ches Seminar eingerichtet worden. Das vieles gebessert iverden nann, wird von niemand geleugnet. Es wird sich nur darum handeln, an Hand dieser Denkschrift, die neuen Mittel und Wege zu prüfen, die uns wirklich io unseren Rildungs- bestrebungen vorwärts bringen können. England» Genf und Paneurvpa (Bon unserem Londoner Vertreter.) London, den 23. September Trotz allen Hemmungen, die noch immer der Koh- lenstreilr dem englischen Wirtschaftsleben auserlegt, bucht man es hier als ein Aktivum der inneren Politik, daß eine so ungeheure Krise ohne tiefgreifende Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sich vollziehen kann. Es scheint, daß der Grundsatz schiedsrichterlicher Entschei dung doch zuletzt im Kohlenstreik triumphieren wird. Es ist ein echt englisches Manöver, wenn Baldwin den Ar beitern rät. auf die nationale Regelung der Arbeits- und Lohnbedingungen zu verzichten und in die von den Un ternehmern als einzig annehmbar erklärte örtliche Rege lung zu willigen, zugleich aber, durch Einsetzung eines paritätischen unparteiischen Schiedsgerichts dafür Bürg schaft leisten will, datz Uebereinstimmung zwischen der nationalen und örtlichen Regelung herrschen soll. Der Schiedsgerichtsgedanke beherrscht die innere und äußere englische Politik, und zwar nicht im Sinne juristischer, sondern zweckmäßiger Entscheidungen. Die englische Jurisprudenz hat ja von der römischen den Grundsatz geerbt, daß jeder Rechtssatz einem bestimmten Zweck entstammt und einen Zweck hat. Der große deutsche Romanist Rudolf Ihering hat in seinem Werke „Der Zweck im Recht" diesen Satz ausführlich begründet, aber die deutsche Wissenschaft und Rechtsprechung haben die Anwendung der deutschen Gedanken den praktischen Engländern überlassen. So betrachtet man denn auch den Völkerbuno von hier aus nicht als eine Einrichtung zur Erzielung absoluter Gerechtigkeit, sondern als ein Mittel zur Ver meidung van Konflikten, zur Ausgleichung von Inter essen, gewissermaßen eine Kompromißbörse. England steht der Unterredung von Thoiry sehr freundlich gegen über, ganz besonders dem Plan, die Kontrolle von Deutschlands Abrüstung nicht mehr von nationalen Kom missionen, sondern durch den Völkerbund ausüben zu lassen, wobei man allerdings von der Voraussetzung aus geht, daß die Völkerbundskontrolle nicht weniger ernst haft und tiefgehend sein werde, als die bisher geübte. Man würde es aber Deutschland nicht verdenken, wenn von deutscher Seite aus der Wunsch geäußert würde, daß die Kontrolle des Völkerbundes sich nicht nur auf Deutsch land beschränke, sondern sich über alle Völkerbundsmit glieder zu erstrecken hätte. Durch einen derartigen Vor schlag würde Deutschland — so meint man hier — viele Länder auf seine Seite bringen; wenigstens würde man die aufrichtig Friedenswilligen unzweideutig, je nach ihrer Haltung zu diesem Vorschlag herauserkennen. Falls der Vorschlag aber- abgelehnt würde, hätte Deutschland jedenfalls moralisch nichts verloren, und wahrsctzetiilick gewisse Sympathien gewonnen. Die Frage Paneuropa wird viel erörtert, nichi im Sinne der Phantastik, die aus Europa, sei es nun mi> England und Rußland, sei es unter Ausschluß beidei Länder, sei es unter Ausschluß des einen oder des ande ren, einen Bundesstaat machen möchte. Man hat hier schnell erkannt, daß die ganze Bewegung doch eigentlich nur auf eine Freihandelsbewegung herauskommt. Wer vom gänzlichen Abbau der Zollgrenzen innerhalb Euro pas spricht, übersieht doch die Schwierigkeiten, die sich z. B. schon aus dem Kapitel der Monopole und indirek ten Steuern entgegenstellen. Die einfache Frage: Was machen Sie mit den Tabaksmonopolen von Frankreich. Spanien, Italien, Oesterreich. Ungarn, Tschechoslowakei? Was machen Sie mit der Besteuerung der Tabakfabri kate in England und Deutschland? — ist noch nie von einem Paneuropäer beantwortet worden. Und solcher Fragen gibt es noch gar viele (Zucker- und Alkoholsteuern u. a. m.). Aber der gesunde Kern der paneuropäischc» Bewegung: möglichst viel Freihandel in Europa, der einen inneren europäischen Markt schafft, der auch durch die Kraft des freihäiidlerischen Prinzips in der ganzen Welt den Abbau überhoher Zollschranken nach sich ziehen wird, diesen Kern hat man hier ans aller Rhetorik doch herausgeschält. England mutz sich aber in seinem eigen sten Interesse zum Freihandel bekennen, nicht nur wegen seiner Industrie, sondern weil das britische Reich der größte und rationellste Rohstofferzeuger der Welt ist »nd weil sein dauerndes Interesse darauf gerichtet sein muß, für seine Rohstoffe überall offene Türen zu finden. Die Politik, die Rohstoffpreise sehr hoch zu halten, und auf diese Weise bei minderem Umsatz an hohen Preisen zu verdienen, wird jetzt von Englands maßgebenden Wirt schaftsmännern als falsch erkannt. Sie muß ja notwen dig in den außercnglischen Produktionsgebieten zur Forcierung der Produktion und damit zu einem für Eng- land auf die Dauer schädigenden Wettbewerb führen. Ganz besonders wird die Konkurrenz der chemischen In-