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Die neue sächsische Gewerbesteuer Daß man aus der Truhe des im Grunde längst der Vergangenheit allgehörenden Ertragsteuersystems die Grund- und Gewerbesteuer wieder hervorgezo gen hat, erklärt sich nur aus der Notlage unserer Staats- wirtschaft, die alle finanztheoretischen Skrupel über windet. Schließlich ist immer die föderalistische Struktur unseres deutschen Staatswesens die Ursache von Inkon sequenzen auf finanzwirtschaftlichem Gebiet gewesen. Nor dein Kriege hatte man das unausgeglichene und zu vielem Tadel Anlaß gebende Nebeneinander von indirek ten Stenern und Zöllen im Reich und direkten Steuern in den Ländern. Seit der zentralistischen erzbergerischen Iinanzrcform von 1919 20 hat man diesen Mangel be seitigt, dafür aber eine neue Unmöglichkeit eingetauscht, eben das Wiederauftreten von Ertragsteuern (Objestt- steuern). mit denen man die Länder einigermaßen zu- sriedenstellte, neben den sonst üblichen Subjektsteuern nach Einkommen und Vermögen. Dabei erlebt man es natürlich, daß diese grund sätzlichen Erörterungen bei der parlamentarischen Be handlung heute keinerlei Rolle mehr spielen Die Bera tung der Gewerbesteuer im Landtag trug den Charakter einer reinen politischen Machtfrage. Der Kampf der äußersten Linken ging allein darauf aus. diese Steuer, weil sie den „Besitz" trifft, möglichst einträglich zu ge stalten. Also reine Agitationspolitik, da nirgends klarer wie bei der Gewerbesteuer die Rückwirkungen auf das Gedeihen der Wirtschaft und die Tatsache der Steuer- Ueberwälzung auf der Hand liegen. Um so mehr muß man es begrüßen, daß die sach liche Arbeit der Regierungsparteien gegenüber dem bis herigen Zustande ganz wesentliche Verbesse rungen durchzusetzen verstanden hat. Genossenschaft liche Betriebe, soweit sie sich auf den Kreis ihrer Mit glieder beschränken, sind steuerfrei. Ebenso die freien Berufe, soweit nicht besondere Anstalten oder Unterneh mungen unterhalten werden. Die Land- und Forstwirt schaft fällt unter die Steuer nur mit ihren Nebenbetrie ben gewerblicher Art (sie wird durch die Grundsteuer stärker erfaßt). Besteuert wird wie bisher der Wert des gewerblichen Anlage- und Betriebskapitals und der Ertrag. Bon dem Kapital wert sollen künftig alle mit dem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammen hänge stehenden Schulden abziehbar sein, mit Ausnahme der zum Erwerb oder zur Erweiterung des Unterneh mens aufgenommenen. Für die Bewertung sind die Ein heitswerte des neuen Neichsbemertungsgesetzes maß gebend. Der Ertrag entspricht im wesentlichen dem Gewinn im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Nur dürfen z. B. Zinsen für das im Betrieb arbeitende fremde Vermögen nicht abgezogen werden. Kapitalien bis 5000 Mark und Erträge bis 1600 Mark sind steuerfrei. Der Steuersatz für die Kapitalabgabe ist pro gressiv gesteigert und „durchgestaffelt". Er beträgt 0.5 v. T. für die ersten 10 000 Mark und steigt für die letz ten Beträge der großen Kapitalien bis auf 2 v. T. Beim Ertrag beläuft sich die Steuer auf 0,75 v. H. für die ersten 10 000 Mark und steigt für die höheren Beträge bis auf 3 v. H. Ist der Ertrag im Verhältnis zum arbeitenden Kapital besonders hoch, so erhöhen sich diese Sätze bis zu 50 Prozent. Fällig ist die Steuer in vier Teilzahlungen am 15. Juni, September, Dezember und März. Besonders umkämpft aber war in dem Gesetz die Höhe des gemeindlichen Zuschlags rechtes. Als Höchstsatz sind 150 Prozent der Staatssteuer fest gesetzt worden, jedoch mit der Maßgabe, daß der Zu schlag zur Gewerbesteuer dem zur Grundsteuer gleich sein muß. Damit wollte man Ungerechtigkeiten gegen Gewerbe einerseits oder Landwirtschaft andererseits von vornherein unmöglich machen. Wird von einer Gemeinde kein besonderer Beschluß über die Höhe des Zuschlages gefaßt, so wird der Zuschlag in gleicher Höhe wie die Staatssteuer ' erhoben. Gehen die Gemeinden über 100 Prozent (also bis 150 Prozent) hinaus, so bedarf ihr Beschluß der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Regelung des Gemeindezuschlags bedeutet zweifellos einen erheblichen Fortschritt gegenüber den bisherigen Höchstsätzen, die anfangs 300, zuletzt noch 200 Prozent betrugen. Vom wirtschaftlichen Standpunkt durchaus zu rechtfertigen ist schließlich auch die Tatsache, daß für 1924 und 1925 eine Nachzahlung nicht stattfinden soll. Das Gesetz hat rückwirkende Kraft bis 1. April 1926. In Wirtschastskreisen wird diese Neuregelung zweifellos als eine Erleichterung empfunden werden, wofür auch die starke Mehrheit spricht, die das Gesetz im Landtage ge funden hat. Denn an jenen Idealzustand, der die Er tragsteuern als unvereinbar mit dem heutigen Steuer system ansieht, ist wohl in absehbarer Zeit nicht zu denken. M. D. Das S tad tst e » e r a m 1 Dresden wendet sich in folgen der Zuschriii gegen falsche Befürchtungen hinsichtlich der Ge- m eind e Zuschläge zur Gewerbesteuer: lieber die Wirkung des neuen Gewerbesteuergesehes, das der Landtag am 0. Juli 1920 verabschiedet hat. und das dem nächst im Sächsischen Gesetzblatt bekanntgemacht werden wird, hört man besonders aus den Kreisen der Gewerbetreibenden die Besorgnis, das; die neue Steuer wesentlich höher als bisher und für viele Gewerbetreibende untragbar werden würde, zumal wenn die gemeindliche Znschlagssteucr hinznkommt Diese Be sorgnisse sind, soweit sich bis jetzt übersehen loht, unbegründet. Während die Stadt Dresden im Rechnungsjahre 1925 aus der Gewerbesteuer einschließlich Nrbeitgeberabgabe rund 4 579 900 Reichsmark Einnahme ernclcn konnte und daraufhin in den Haushaltvlan für 1920 fünf Millionen Reichsmark mutmaß lichen Ertrag der Gewerbesteuer eingestellt hat. ist leider nicht damit ,;u rechnen, daß diese Summe einaehen wird. Schon nach dem bisherigen Snstcm der Boraus'ahlungen. bei dem jeder Gewerbebetrieb, außer der sogenannten Nrbeilaeberabgabo, die ja jetzt wcgfällt. einen festen Satz von 90 Reichsmark für das Jahr und außerdem 1 Prozent des Betriebsvermögens zu lei sten hatte, sind in den ersten drei Monaten des Rechnungs jahres 1920 bei der Gewerbesteuer einschließlich Arbeitgeber abgabe nur 740 057 Reichsmark eingeganoen: auf das Jahr ge rechnet würde also die Einnahme nur 2 900 228 Reichsmark be tragen Aber auch nach der Veranlagung aus Grund des neuen Gewcrbesteuergesetzes wird der Ertrag nicht höher wer den. Denn wenn man berücksichtigt, daß die Regierung nach der wesentlichen Ermäßigung der Steuersätze durch den Landtag als Ertrag der staatlichen Gewerbesteuer nur noch 13.6 Millionen Reichsmark erwartet, so würde sich bei Annahme des Höchst satzes von 150 Prozent gemeindlicher Zuschlagssteuer für alle Gemeinden Sachsens ein Ertrag der gemeindlichen Zuschlags steuer von 20 250 000 Reichsmark ergeben. Entsprechend dem bisherigen Verltziltnis. in dem das Dresdner Aufkommen an Gewerbesteuer zu dem Aufkommen in ganz Sachsen steht, wer den sich hiernach für Dresden nur 2937490 Reichsmark als Ertrag der gen; ein blichen Zuschlags st euer zur Gewerbesteuer im ganzen Rechnungsjahrs ergeben. Die Vorauszahlungen, die inzwischen geleistet worden sind, müssen dabei auf die endgültige Veranlagung angerechnet werden. Die ser Ertrag bleibt also weit hinter den im Haushaltsplan ein gestellten fünf Millionen Reichsmark zurück, trotzdem die Er tragsschätzung mit 150 Prozent gemeindlichem Zuschlag rechnet. Daß die Schätzung des Gcwerbestcuerertrags durch die Regierung nicht zu niedrig ist, ergibt sich aber auch aus Ver anlagungen, die das Stad t st eucramt auf Grund der neuen Bestimmungen unter Zugrundelegung von 150 Prozent gemeind lichem Zuschlag probeweise vorgenommen hat: Ein Bäckermei ster, der 1925 nur 152,25 RM. als Vorauszahlung geleistet hat, würde allerdings nach den neuen Gewerbesteuerbestimmungen unter Zugrundelegung der vom Finanzamt vorgcnommenen Ver anlagung seines tatsächlichen Einkommens im Kalenderjahr 1925 92.50 RM staatliche Steuer und 138,75 RM. gemeindlichen Zu schlag nach 150 Prozent, insgesamt also 231,25 RM. Gewerbe steuer zu zahlen haben. Dagegen würde z. B. bei einem Kürsch- ncrmeister die Steuer gegenüber den für 1925 in Höhe von 928 95 RM. geleisteten Vorauszahlungen nur insgesamt 251,25 RM. betragen. Ebenso würde ein Schankwirt, der 1925 1278.10 NA!. Steuer bezahlt hatte, nur 1 153,35 NM. für das Jahr 1920 zu entrichten haben. Ganz auffällig sind aber die Steuererleich terungen bei den großen Aktiengesellschaften: Eine Brauerei, die 1925 20 020.70 RM. als Gewerbesteuer vorausgezahlt hat, würde 1920 nur insgesamt 5 521,75 NM. zu bezahlen haben. Eine andere Aktiengesellschaft, die 1925 82 432.25 RM. gezahlt hat. braucht nur noch 28 208,10 NM. zu entrichten. Und dabei ist bei der Veranlagung des Ertrags nicht nur das Betricbs- jahr 1925, sondern das wirtschaftlich noch günstigere Betriebs, jahr 1924 mit berücksichtigt worden. Die hier angeführten Beispiele betreffen nicht etwa nur besondere Ausnahmefälle, sondern auch bei den zahlreichen an deren Probeveranlagungen, die das Stadtsteueramt vorgcnom- men hat. zeigt sich, daß die Steuer gegenüber 1925 sich bei der Mehrzahl der Fälle ganz wesentlich vermindern wird. Irgendwelcher Grund zur Beunruhigung über die Wir kung des neuen Gewerbesteuergesetzes besteht also für die Ge werbetreibenden nicht. Dagegen ist es fraglich, ob und wie das städtische Finanzamt sich Ersatz für den Einnabmcaussall schassen kann. Dresden Wiislhoss -b Dresden. »u. zull. Der am Sonntag bei einem Schaufliegen zum Gedächtni!, Immelmanns auf dem Flugplatz Kaditz verunglückte Kampf flieger Oberleutnant a. D Wüsthoss ist heule morgen 8 Uhr verschieden : Der 70. Geburtstag des Gcheimrat Ilgen brachle dem Jubilar eine überaus große Fülle von Ehrungen und Glück wünschen. Oberbürgermeister Blühcr ließ im Namen der Stadt dem großen Wohltäter Dresdens Glückwünsche in einem Dokument der Anerkennung und des Dankes übermitteln Ver treter von Handel und Industrie. Abordnungen von Studenien- Verbindungen und besonders zahlreiche Sportverbände brachten ihre Glllckmlinsckw dar. Schon am Mittwochabend setzten die Ehrungen seitens des Dresdner Turngaues und des Dresdner Turn- lind Sportvereins 1807 ein. Den ganzen Donnerstag über wetteiferten die verschiedensten Korporationen in Dankbarkeits- bezeugungon und Ehrungen. Noch abends in der 10. Stunde nahm ein vom Sportverein Guts Muts veranstalteter im posanter Fackclzug im Garten des Geheimrats Aufstellung und beglückwünschte in herzlicher Weise ihr so verdienstvolles Ehren mitglied. Eine große Menschenmenge hatte sich angesammett und wendete dem Jubilar stürmischen Beifall, als «r in beweg ten Worten für ail die Glückwünsche und Ehrungen dankte. : Di.c Einwohnerzahl Dresden mit Albertstadt. Zäh- lungscrgebnis vom 8. Oktober 1919 für Dresden einschl. der eingemcindeten Vororte: 587 758. Vorläufiges Zäh- lungSergebnis vom 16. Juni 1925: ortsanwensende Be völkerung 607 824, Wohnbevölkerung 6 1 8 68 4. Fortschreibungsergebnis für den 1. Mai 1926: 621 500. : Ein niederträchtiger Betrug. Wegen Unterschlagung hatte sich der 1888 geborene frühere Bankbeamte, jetzt angeb liche Kaufmann Willi Robert Bauer vor dem Amtsgericht Dresden zu verantworten. Der Angeklagte hatte von einer hochbetagten Kaufmannswitwe deren Wertpapiere (Altbesitz) zur Verwertung erhalten, dies auch getan, aber den daraus erzielten Erlös in seine Taschen wandern lassen und so die betreffende Kleinrentnerin in übler Weise geschädigt. Bauer wurde zu fünf Wochen Gefängnis verurteilt und ihm eine Bewährungs frist unter der Bedingung zugebilligt. daß er den angerichteten Schaden der alten Dame voll erseht. : Nach Image» verkehr. Wegen Auswechselung von Fahr drähten werden in der Nacht vom 23. zum 24. Juli die Nachtwagen der Linien 6, 8 und IN über die Augustus- brücke geleitet. : Kraftpostlinie nach Ionsdors. Die am 1. Juli neu er- öffnete Kraftpostlinie Großschönau (Sa.)—Waltersdorf—Ions dors bietet eine günstige Gelegenheit zum Besuche des Zittauer Gebirges. Die Wagen um 10.20 Uhr vorm, an Sonntagen und 1.30 Uhr nachm, an allen Tagen stellen die schnellste Verbindung mit Ionsdorf Uber Waltersdorf (Fahrpreis 70 Pfg. bis Ions dors) zwischen den Zügen 6.03 Uhr und 9.35 Uhr vorm, ab Dres- den-Hauptbahnhos dar. während die Fahrt 4.50 Uhr ab Groß schöna» (Sa.) nach Waltersdorf (Stadt Wien) zu 40 Pfg. die rascheste Verbindung ab Dresden-Hanptbahnhof 1,22 Uhr nachm, ermöglicht. : Straßenbahn Loschmitz-Pillnitz. Die Beinarbeiten in Nieüerpoyritz sind soweit vorgeschritten, daß, mit Aus nahme eines kurzen Notgleises.am Gustavheim, die neuen Gleise bis zur .Haltestelle „Kepvschlaß Hosterwitz" benützt wer den können. Die Wagen der Linie 18 verkehren infolgedessen von Sonntag, den 25. Juli, an bis zu dieser Haltestelle. Um die letzten Bauarbciten auf der kurzen Endstrecke zwischen Keppschloß und Endpunkt Pillnitz nicht auszuhalten, muß vom gleichen Tage an der bisher der Weiterbeförderung der Fahr gäste dienende Kraftomnibusbetrieb eingestellt werden. Die Fahrgäste müssen also das Endstück zu Fuß zurücklegen. Es wird mit allen Mitteln versucht werden, die Bauzeit nach Mög lichkeit abznkürzen. damit der unerwünschte, durch die Etroßen- vcrhöltnisse bedingte Zustand schnellstens beseitigt wird. Der Kerr -er Wett Roman von Robert Hugh Be »so». Autorisierte Ucberietzung aus dem Englischen von H. M. von Lama. (11. Fortsetzung.) ES war mmer ein ziemlich zerstreuendes Leben, das er führte, ein lieben, nicht ohne Gefahren. Eines Tages, kurze Zeit nach seinem Besuch in Brighton, als er eben seinen Brief beendete, teilte ihm sein Diener, den Kopf zur Türe hereinsteckend, mit, daß Fatber Francis unten sei. „In zehn Minuten," sagte Perch, ohne aufzusehen. Er schrieb die letzten Zeiten, entnahm den Bogen der Maschine und begann, unbewußt das Latein ins Englische übersetzend, das Geschriebene zu überlesen. „Westminster, den 14. Mai. Eminenz! Seit gestern bin ich in den Besitz einiger weiterer Nacyrichtcn gelangt. Es scheint als gewiß, daß die Vorlage, betreffend den Gebrauch des Esperanto für alle staatlichen Angelegenheiten, im Juni eingebracht werden wird. Ich habe dies durch Johnson erfahren. Wie ich schon früher auseinandersetzte, ist dies der letzte Stein zur Befestigung unserer Beziehungen zum Kontinent, was in diesem Augen blicke zu bedauern ist... Ein großer Zudrang der Juden zum Freimaurertum ist zu erwarten. Bisher hatten sich die Juden bis zu einem gewissen Grade ferngehalten, dvch hat die Abschaffung der Gottesidee das ihrige getan, diejenigen Juden, welche nicht Anhänger der Idee eines Persönlichen Messias sind, und deren Zahl in der letzten Zeit bedeutend angcwachsen ist, in die Bewegung herein- znziehen. Auch hier ist es der „Menschheitsglaube", der am Werke ist. Ich hörte heute in diesem Sinne dein Rabbi Simeon in der City sprechen, und der Beifall der ihm zuteil wurde, hat einen tiefen Eindruck bei mir hinter lassen. Es besteht au cheine sich immer mehr steigernde Erwartung, daß das Auftreten des Mannes unmittelbar bevorstehe, der an die Spitze der kommunistischen Beivegung treten und ihre Kräfte enger zusammenschließen werde. . Ach schließe einen umsangreichen diesbezüglichen Aus schnitt ans dem „Neuen Volk" bei, der allgemein Wider ball gefunden hat. Man jagt, daß die Umstände hiirdrän- gen aus das Erscheinen eines solchen Mannes in allernäch ster Zeit, daß während der letzten hundert Jahre Pro pheten und Vorläufer erstanden seien und sich ein Aufhören derselben in letzter Zeit seststellen läßt. Es ist merkwürdig, wie dies im großen ganzen sich mit den Lehren des Chri stentums deckt. Ew. Eminenz wollen bemerken, daß das Bild der „Neiliiten Wogetz mit einer gewissen Berechtigung angewandt wird... Ich hörte heute Pon dem Abfall einer alten katholischen Familie, der Wargraves von Norfolk, samt ihrem Kaplan Micklcm, der, wie es scheint, seit längerem schon in dieser Richtung tätig ist. Die „Epoche" berichtet dies in Anbetracht der besonderen Umstünde mit Befriedigung; aber leider sind solche Fülle jetzt nicht mehr außergewöhnlich.... Es besteht viel Argwohn unter der Laienwelt. Sieben Priester der Diözese Westminster haben sich in den letzten drei Monaten von uns loSgcsagt; andrer seits freut es mich, Eurer Eminenz zu berichten, daß Se. Erzbischöfliche Gnaden diesen Morgen den eranglikani- schen Bischof von Earlisle mit einem halben Dutzend seines Klerus in die katholische Gemeinschaft ausgenommen hat. Wir erwarteten dies schon seit einigen Wochen. Ich lege auch Ausschnitte bei aus der „Tribüne", der „Londoner Trompete" und dem „Beobachter", mit meinen diesbezüg lichen Bemerkungen. Eure Eminenz wollen daraus er sehen, wie groß die Erregung bezüglich dieses Ereig nisses ist. NB. Es dürfte sich empfehlen, die forinelle Exkom munikation der Wargraves und genannter acht Priester in Norfolk, bzw. Westminster, bekanntzugeben, im übri gen jedoch weiter keine Notiz davon zu nehmen." Perch legte den Bogen weg, raffte die anderen fünf oder sechs Papiere, die leine Äuszüge und Bemerkungen enthielten, zusammen, setzte seine Unterschrift unter den Bericht und steckte alles in den bereitliegendc», bedruckten Umschlag. Dann nahm er sein Birett und begab sich zum Lift. Der Moment, als er durch die Glastüre in das Sprech zimmer eingetretcn war, genügte ihm, um zusehen, daß die Krisis gekommen, wenn nicht schon vorüber sei. Father Francis sah elend und krank aus, aber es lag eine eigen tümliche Härte um seine Augen und seinen Mund, als er so wartend dnstand. Er schüttelte jäh den Kops. „Ich bin gekommen, um Ihnen Lebewohl zu sagen, Father. Ich kann cs nicht länger ertragen." Perch bemühte sich, keinerlei Bewegung zu zeigen. Ec deutete kurz nach dem Stuhl« hin und nahm auch selbst Platz. „Alles..ist zu Ende," sagte sei» Gegenüber mit voll kommen sicherer Stimme. „Ich glaube an nichts. Seit einem Jahre habe ich an nichts mehr geglaubt." „Sie haben nichts gefühlt, wollen Sie sagen," ant wortete Perch. „Das wäre nicht das Nichtige, Father," fuhr der andere fort. „Ich sage Ihnen, daß kein Funke von Glaub« in mir geblieben ist. Ich kann dies nicht einmal mehr begründen. Ich kann nur allem Lebewohl sagen." Perch hatte nichts mehr zu sagen. Er hatte dem Manne während eines Zeitraumes von über acht Mo naten zugesprochen, seit Father Francis ihm anvertrant hatte, daß sein Glaube im Schwinden begriffen sei. Er begriff vollkommen, wie der Fall lag; er fühlt« inniges Mitleid mit diesem armen Manne, der hineingerissen wor den war in den sinnverwirrenden Wirbel des Triumphes des neuen Menschentums. Aeußcrlichkeiten hatten gerade kn der Gegenwart zum Erschrecken an Kraft gewonnen, so daß es schwer war, sich ihrem Zwange zu entziehen, und der Glaube war, ausgenommen für diejenigen, die sich in ihrem Innersten bewußt waren, daß Wille und Gnade alles und Gefühl nichts bedeuteten, gleich einem Kinde, das in dem Räderwerke einer ungeheure» in Gang befindlichen Maschine herunikrabbelt: es konnte ja wohl lebend davonkommen, es koirnte aber auch ebensogut zu nichts zermalmt werden. Jedenfalls waren Nerven aus Stahl erforderlich, um unter solchen Umständen noch aus zuhalten. Es war schivcr zu entscheiden, inwiefern ein eigenes Verschulden vorlag, und dvch sagte es Perch sein Glaube, daß ein solches vorlag. Zn Zeiten des Glaubens würde schließlich an chein sehr unzulängliches Erfassen der Religion einer Probe standgehalten haben ;in dieser Zeit materiellen Strcbens aller konnte nur der Demütige und Reine dauernd seinen Glauben bewahren, es sei denn, daß geradezu ein Wunder geschah, ein Wunder von Ignoranz, die etwa noch Schutz gewährte. Die Verbindung der Psycho logie mit dem Materialismus schien in der Tat, von einer Seite betrachtet, für alles eine genügende Erklärung zu gebeu; es bedurfte eines starken, übernatürlichen Empfin dungsvermögens, um in ihre Praktische Unzulänglichkeit einzudringen. Und soweit Father Francis' persönliche Per- antwortlichkeit in Frage kam, konnte er sich des Gefühles nicht erwehren, daß das Zeremonielle in seiner Religion einen zu breiten, das Gebet aber einen viel zu geringen Raum einnahm. Aeußcrlichkeiten hatten alles Innerliche in ihm aufgesogen. ^Fortsetzung folgt.)