Volltext Seite (XML)
r»amm»r tS8 Sächsische Dvlkszeiiung Notizen Der Skandal um den Film „Im Westen nichts Neues" hat eine Lücke in unserer Gesetzgebung enthüllt. El ist sehr bedauerlich, daß es keine gesetzliche Handhabe gibt, sofort gegen einen Schandfilm dieser Art einzuschreiten Den politiscken Nuh,-n davon haben die Nationalsozialisten, die jetzt in großer Form gegen den Film demonstrieren und sich als die Retter der deutschen Kultur aufspielen. Es ist sehr zu begrüßen, daß die Re gierung bereits die Initiative ergriffen hat. eine Vorführung derartiger Filme in Deutschland unmöglich zu machen. Es wird ein Gesetzentwurf vorbereitet, nach dem ausländische Filme, die gegen das Ansehen, die Würde und die Ehre des deutschen Vol kes verstoßen, nicht mehr in Deutschland ausgeführt werden dür fen, auch nicht in einer für deutsche Zuschauer zurechtgeschnitte nen Fassung Ein solcker Gesetzentwurf ist außerordentlich notwendig, denn schon mebr als einmal ist es vorgekommen, daß eine aus ländische Filmgesellschaft nicht nur aus der Hetze gegen das Deutschtum klingende Münze schlug, sondern sogar den Versuch machte, sich für diese Hetze auch noch vom deutschen Volke durch Vorführung des Films in einer umgefärbten Fassung bezahlen zu lassen, — Dieser Gesetzentwurf sollte rasche st ens erledigt werden! Auch gegen im Inlande hergestellte Filme dürften die Filmpriifstellen und vor allem die Oberprüfstelle wesentlich let tischer sein als bisher! Die „Nationalsozialistische Lehrerzeitung" bringt In ihrer 4, Folge (September IVO, Seite 8) in großer Aufmachung einen Vorschlag für das Schulprogramm der National sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Dort liest man: Die gesamte deutsche Schule ist Staatsschule, d, h, der Staat allein errichtet die Schule, leitet, verwaltet und beaufsichtigt sie. Für diese Schule gibt es keinen Ersatz, weder durch Privatschulen, noch durch Schulen anderer Organisationen, noch durch Privatunterricht. ... Die deutsche Volksschule ist Ein heitsschule Sie ist reichgeglicdert, jedoch so, daß alle Glieder aufs engste miteinander organisch verbunden sind. Die Einheit wird auch dadurch gewahrt, daß die Bekenntnisse nicht getrennt wer den, Alle christlichen Bekenntnisse wollen den Menscl)en zum Tat- chiistentum erziehen, allen ist Christus das Vorbild, alle glauben an den gleichen einigen Gott, deshalb können die christlichen Kirchen nicht eine Zerreißung der deutschen Volksgemeinschaft nach Bekenntnissen verantworten. Wenn sich allerdings eine Kirche der Verpflichtung, deutsche Kirclze zu sein, entziehen will, dann hat der Staat auch nicht mehr die Pflicht, sie zu schützen So fordern wir: Die deutsche Schule ist eine positiv christliche Gemeinschaftsschul e," Diese Grundsätze lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Sie stehen im Widerspruch zu den kanonischen, für den Katholiken bindenden Vorschriften über die Erziehung der Kinder, » Wer ist Alexander Soubkoff? Ein Mann, der ver gessen zu werden verdient. Ein hübscher Bursche, der es verstan den hat als Zwanzigjähriger einer sechzigjährigen Hohenzollcrn- prinzessin — der Schwester des ehemaligen Kaisers — den Kops zu verdrehen. Bekannt ist. daß die Prinzessin den jungen Men schen geheiratet und daß er ihr ganzes Vermögen durchgebracht hat. Die unglückliche Frau ist an dem Kummer über ihren schrecklichen Irrtum gestorben, Soubkoff hat sich seitdem als Staatenloser in Deutschland, Belgien, Frankreich und Luxem burg umhergetriebcn, von einem Lande zum anderen geschoben. Nun kommt aus Luxemburg die Nachricht, daß Soubkoff. der dort zuletzt als Tellerwäscher tätig war, in letzter Zeit Zei chen von Geistesstörung gezeigt habe. Da seine Heilung wenig wahrscheinlich lei, spreche man davon, ihn zu internieren. Man habe die Zustimmung seiner Familie dazu erlangt. Seine in Bonn lebende Mutter sei vor einigen Tagen in Luxemburg eingetroffen, um sich über das Befinden ihres Sohnes zu unter richten, Man dürfe nicht überrascht sein, wenn Alerauder Soub- koff binnen kurzem zur Beobachtung in eine Klinik übergeführt und dann endgültig interniert würde. Das Ende eines Aben teurers .... Auf dem Weae nach Europa Man hat den Viscount d'Abernon. der von 1020 bis 1926 englischer Botschafter in Berlin war, als den Vater des Locarno-Vertrages bezeichnet. Dieser Vertrag, der im Wechsel spiel der politischen Meinungen so stark umstritten ist. hat jeden falls in der europäischen Politik der Nachkriegszeit Epoche gemacht. Er ist Voraussetzung der Rheinland-Räumung und umschließt die Anerkennung Deutschlands als souveräne Macht durch seine ehemaligen Kriegsgegner, Locarno bedeutet einen Höhepunkt, der ohne die mühevolle Arbeit der vorhergehenden Leidensjahre nicht möglich gewesen wäre, Viscount d'Abernon hat in diesen schioeren Jahren auf dem Posten gestanden, dem vielleicht die heikelsten Aufgaben zufielen. Der englische Bot- sämfter in Berlin sollte die durch den Krieg zerissenen Fäden wieder ankniipfen, Deutschland wieder einfüge» in das Spiel der englisclien Politik, gleichzeitig aber Rücksicht nehmen aus das besonders enge Verhältnis seines Landes zu Frankreich, Diese Ausgabe hat d'Abernon glänzend gelöst. Er hat sich als guter Sachioalter seines Landes, aber zugleich als aufrichtiger Freund Deutschlands bewährt Auch in innerdeutschen Fragen, so bei der Stabilisierung der Mark, hat sich sein Rat als außer ordentlich wertvoll erwiesen. Der Rechenschaftsbericht, den d'Mcrnon in seinen Er innerungen norgelcgt hat, ist zweifellos eines der interessante sten Memoirenwerke der letzten Jahre. Viel interessanter als die Erinnerungen von Staatsmännern der Vorkriegszeit, die vo„ einer versunkenen Welt z» erzählen wissen, d'Abernon schildert Ereignisse, die unmittelbare Bm-aussetzung der gegen wärtigen politischen Konstellation in Europa bilden, Locarno war der Höhepunkt dieser Politik, und so bildet der Bernd „Locarno", der das dreibändige Memoircnwerk abschlicßt, den Höhepunkt des ganzen Werkes. Hier werden die Jahre 1024 bis 1026 geschildert. Das Londoner dlbkommen sDaives-PIan), Locarno lind Deutschlands Eintritt In den Völkerbund werde» behandelt. Aus vielen kleinen Miniaturbildern entsteht ein ge waltiges Gemälde der gigantischen Anstrengung, mit der sich Deutschland nach dem Ungllicksjahre 1022 aufgerichtet hat. Eine ernste Mahnung für das ganze deutsch Volk, die Früchte dieser Anstrengung nickt leichtfertig aufs Spiel zu setzen, eine War. nung für alle, die dl« Leistung von gestern verachten und zer« stören wollenl Tempel verteidig! sich Das Disziplinarverfahren gegen den Präsidenten der Landesversicherungsattstalt Dresden. 10 Dezember. Im Disziplinarverfahren gegen den Präsidenten der Lan- I desversicherungsanstalt Tempel fanden am Dienstag zunächst > Lokalbesichtigungen in der Landesversicherungsanstalt und in der Wohnung Tempels statt. Sodann wurde die eigcnt- liehe Verhandlung fortgesetzt. Es kam darin zu aussehenerregen den Feststellungen, Zunächst wurde vom Vorsitzenden, Land gerichtspräsidenten Dr, Heinze, bei der Vernehmung des Be schuldigten zur Sache festgestellt, daß Tempel in die Verrech - nungssummenfürdieBauten auch alle diejenigen Be träge eingesetzt hat, die für das Röntgenlaboratorium, für die Filmunterkunft, für feuersichere Schränke, medizinische Verbesse rungen u, dergl, verausgabt worden waren und die gar nicht genehmigungspflichtig waren Dadurch habe sich Tempel durch einen Irrtum in ein falsches Licht gesetzt, denn es handle sich da bei um beachtliche Summen. Hinsichtlich des Erweiterungsbaues der Lungenheilstätte ln Coswig verteidigte sich Tempel damit, daß er die Genehmigung zu die sem Bau deshalb nicht eingeholt habe, weil er der Meinung war, daß aus 8 Ff der Reichsversicherungsordnung eine derartige Pflicht zur E-nholung der Genehmigung nicht hergeleitet werden könne Erst durch die Notverordnung vom Juli 1030 seien diese Erweiterungsbauten wortlautgemäß mit in die Genehmigungs pflicht ausgenommen worden. Einen breiten Raum in der Ver nehmung des Angeklagten nahmen sodann die Erörterungen wegen des gegen Tempel erhobenen Vorwurfs der hartnäckigen Nichtbefolgung und ungehörigen Kritislerung dlenstbehördllcher Anordnungen ein. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, daß Tempel auf die Auf forderung des Landesversicherungsamtes, sich bezüglich Angriffen in Zeitungsartikeln dienstlich zu äußern, überhaupt nicht geant wortet habe, sondern die Sache dem Gesamtvorstand der Landes versicherungsanstalt unterbreitet habe und daß dann der Vor stand beschlossen habe, die Angelegenheit auf sich beruhen zu las sen, daß also sein — Tempels — Verhalten gewissermaßen eine Sabotierung der Aufsichtsbehörde bedeute, ver mochte der Angeklagte eine restlos befriedigende Antwort nicht zu geben. Er gab selbst zu, daß dieser Vorfall unbefriedigend sei, hat aber, zu bedenken, daß der Präsident des Landesversiche rungsamtes, Geheimrat Dr Haenel, gegen ihn voreingenom men und befangen gewesen sei. Das Verhältnis zwischen Dr Haenel und Tempel habe daher zu wünschen übrig gelassen. Als ungehörig wird es auch bezeichnet, daß Tempel, als er schließlich nach Mahnung dem Landesversicherungsamt Antwort gegeben hat, das Vorgehen der Aufsichtsbehörde als bedauerlich bezeich- nete. Tempel gab zu seiner Verteidigung an, daß das Landes versicherungsamt im Verkehr mit der Landesversicherungsanstalt sich der gleichen Ausdrucksweise bedient habe. Die zahlreichen eingeholten Gutachten fachärztlicher Auto ritäten über Tempels Tätigkeit lauten ohne Ausnahme glänzend. Es sind darunter Gutachten der Professoren Aßmann, Seliheim und Weick'cl in Leipzig sowie Prof, Dr. Galewskis in Dresden, Sie spenden durchweg Tempels Arbeiten höchstes Lob, Das säch sische Landesgesundheitsamt nennt die von Tempel geschaffenen Anstalten die vollkommensten der Welt. Auch hin sichtlich des Vorwurfs über die Verschwendung ihm anvertrauter Gelder beim Einbau der vielgenannten Treppe in der Landes versicherungsanstalt verteidigt sich Tempel, — Am Mittwoch soll der Angeschuldigte über den Ausbau seiner Privatwohnung gehört werden Sodann werden die ersten Zeugenaussagen fol gen, Der Fortgang der Verhandlungen ist ein derart schleppen der, daß es zweifelhaft erscheint, ob der Prozeß bis Ende dieser Woche durchgeführt sein wird. » Die heutige Verhandlung im Disziplinarprozeß gegen den Präsidenten Tempel begann mit einer sensationellen Erklärung, Der nationalsozialistische „Freiheitskampf" hatte gestern einen offenen Brief an die Richter veröffentlicht mit der Unterschrift der Schriftleitung, der einen großen Beeinflussungsversuch der Richter darstcllt. Der Vorsitzende Präsident Dr. Helnze erklärte, er müsse zu seinem Bedauern davon Kenntnis geben, daß in einer Zeitung an die Disziplinarkammer ein offener Brief gerichtet worden sei. Die Disziplinarkammer werde sich durch derartige Machinationen nicht im mindesten beeinflussen lassen. Für sie sei das Ergebnis der Verhandlung maßgebend. Die Kammer wird sich nur richten nach dem. was sich in der Berhandlung ergeben Hab« und nach dem, was sie für recht und billig halte. Sie werde dabei weder nach rechts noch nach links sehen und sich durch nichts beeinflus sen lassen. Darauf begann die Zeugenvernehmung Als erster Zeuge wurde Ministerialrat Dr, Haenel vernommen, Er bestritt, daß bei ihm Voreingenommenheit gegen Tempel Vorgelegen habe. Das Verhältnis zwischen ihnen sei zu Anfang sehr gut gewesen, erst durch die Presseangriffe habe es sich geändert. Das Perhält- nis zwischen Tempel und den in der Anstalt beschäftigten Aka demikern war nicht glücklich, und es wurde von beiden Seiten darüber geklagt. Die Einstellung einer Bausumme in den Vor anschlag der Anstalt bedeute noch keine Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde Sie sei aber später für den Anbau der Anstalt erteilt worden. Dagegen habe die Aufsichtsbehörde von dem Bau eines Tuberkulose-Heimos in Coswig nichts erfahren Auch der Anbau, der unter dem Vorgänger Tempels, dem Präsidenten Fräßdorf, 1920 errichtet worden sei, habe genehmigt werden müs- sen sauf diesen Präzedenzfall beruft sich Tempel bet seiner Ver teidigung) <Die Vernehmung dauert fort > Studenten gegen den polenterror Leipzig, 9, Dezember. Die Studentenschaften der Leipziger Universität und Handelshochschule hielten am Montag in den Wandelgängen der Universität eine stark besuchte Kundgebung gegen den Polenterror ab, zu der auch die Rektoren der beiden Hochschulen und zahlreiche Professoren erschienen waren. Nach dem Prof, Dr, Nerve von der Universität die verzweifelte Lag« der deutschen Minderheiten in Polen geschildert hatte, wurde eine Entschließung angenommen, in der einmütig Protest gegen die politische Entrechtung, Knebelung und Terrorisierung des Deutschtums in Polen erhoben wird, um die Blicke der gesamten zivilisierten Welt auf diese Gewaltakte polnischer Chauvinisten zu richten. Auch die Studentenschaft der Freiberger Bergaka- demie nahm in einer stark besuchten Versammlung Stellung zu den Uebergriffen der Polen gegen das Deutschtum in Ober« schlesien, Es wurde einmütig eine Entschließung gefaßt. In der gegen den polnischen Terror flammender Protest erhoben wird. » In seiner letzten Sitzung faßte der Allgemeine Studenten- Ausschuß der Leipziger Studentenschaft mit 20 gegen 6 Stimmen bei 6 Enthaltungen auf Antrag der Nationalsozialisten nach stehenden Beschluß: „Die akademischen Behörden sind zu veran» lassen, Ausländer, die durch den numerus clausus, vor allem in Ungarn und in Rumänien am Studium In ihrer Heimat verhindert sind, als Studenten nicht mehr zuzulassen," s. Die sächsischen Staatsbeamten zur Gehaltskürzung. In einer vom Bunt» Sächsischer Staatsbeamten in seiner Haupt, vorstandsfitzung gefaßten Entschließung wird u, a, zur Frag« der Gehaltskürzung Stellung genommen. In der Entschließung heißt es u, a„ die Annahme, daß durch die Festsetzung der Frei grenze auf 1500 RM, jährlich den untersten Beamtengruppcn weitestgehendes Entgegenkommen gezeigt worden sei. müsse von der Beamtenschaft als irreführend bezeichnet werden, da sich diese Freigrenze überhaupt nicht auswirken könne, Dom Reichstag wird gefordert, daß diese Freigrenze eine wesentliche Heraufsetznng erfährt. d'Slbernon erweist sich auch in diesem Dande als geistvoller Plauderer und sicherer Charakterschilderer. Die Skizzen, in denen er die El,araktere Stresemanns und Rainen Macdonalds um reißt. sind kleine Meisterwerke, Mit wenigen Worten weiß er eine wichtige Frage präzis klarzuskellen. Etwa wenn er hinsicht lich der Theorie Havensteins „Mark gleich Mark", die sich mit dem Willen zu unbegrenzter Vermehrung des Notenumlaufs verband, sagt: „Keiner wollte mir glauben, daß ein Mann von so großem Ruf, fich in einer Frage, für die er besonders maßgebend sein müßte, so gründlich irren könnte. Diese Ansicht war so ein- gewurzelt, daß die Währungsreform ohne die Einmischung der Vorsehung überhaupt nicht zustande gekommen wäre. Die Vor sehung griff allerdings zu einem drastischen Mittel, Einige Mo nate später war Havenstein tot. Auch Stinnes, ein überzeugter Anhänger der Havensteinschen Ansichten, starb, Helfferich, der Erzpriester der Inflation. Kam bei einem Eisenbahnunglück ums Leben, und Poincarh dessen Druck auf Deutschland die Zuflucht .zur Inflation nolwendig gemacht hatte, wurde ge- stürzt," — Mit diesen Sätzen mag eine Probe der Darstellung d»?lbernons gegeben sein. Wir wüßten ivenig Bücher politischen Charakters in diesem Jahre zu nennen, die so lesenswert sind wie dieser Memoircnband. * Es ist nicht mehr als selbstverständlich, daß d'Abernon trotz aller Offenheit seiner Erinnerungen über vieles schweigt. Nämlich dort, wo es das Interesse seines Landes und heule noch wirksamer persönliche Rücksichten erfordern. So ist es nicht ohne Reiz, gleichzeitig mit diesen englischen Memoiren ein Buch von deutscher Seite zu lesen, das die gleiche Periode aus führlich darstellt: die S tre se ma n n-Biographie von Anto- nina Vallentin, Die Verfasserin ivar während der ent scheidenden Jahre unter den Mitarbeitern des Außenministe riums: ein Bild Stresemanns, das an der Spitze des Bandes steht, trügt eine Widmung an seine „treue Sekundantin". Frau Vallentin hat die Ereignisse, die d'dlbernon schildert, gleichfalls aus nächster Nähe verfolgt. Sie bemüht sich gleichfalls, die Er eignisse so zu schildern, daß sie hineingestellt werden in einen großen Zusammenhang: „Dom Werden einer Staatsidee" lau» tet der Untertitel des Buches, Sehr geschickt ist die Verfasserin sdarin d'Abernon ähnlich) in der Kunst des Charakterisier« ns und die Porträts, die sie von d'Abernon, Maltzon. Spiecker u. a. ent wirft. sind scharf gesehen, wenn auch nicht immer gerecht. Begeisterung macht immer ungerecht. Das ist der wesent liche Mangel des Buches: Frau Vallentin ist so begeistert für ihren Helden, daß die anderen Gestalten, die damals auf der großen Bühne der europäischen Politik standen, notwendig er weise zurücktreten müssen, Olt entstehen dann Verzeichnungen, die geradezu grotesk sind — so, wenn Frau Vallentin von der „nachsichtigen Liebe" spricht, die Strosemann für Marx gehabt habe. Trotzdem ist das Buch reich an brauchbarem Material über die europäische Politik der Locarno-Jahre, es bietet besonder» hinsichtlich der Persönlichkeit und der Tätigkeit Stresemann» viele Einzelzüge, die bisher unbekannt waren. Das Werk der Frau Vallentin darf als der bisher beste Beitrag zur Slrese. mann-Literatur gelten. Es zeigt Stresemann, den ehemaligen Nationalliberalen machtpolitischer Einstellung, auf dem Weg« über die neue Staatsidee der deutfchen Republik nach dem fer- nen Zukunftslande der europäischen Zusammenarbeit. » Es muß seinen Grund haben, daß es gerade französisch« Staatsmänner sind, die mit besonderen? Eifer den Gedanken der europäischen Union vertreten. Man hat vermutet, Frank reich wolle a»f diesem Umwege seine Hegemonie in Europa für immer stabilisieren, Edouard Herriot, dessen Buch „V e r. einigte Staaten von Europa" jetzt in denlsclxr lieber« setznng erschiene» ist, wendet gegen diese Vermutung ein, daß Frankreich bei dem Ausgleich von Landwirtsclmft und Industrie in seiner Wirtschaft, seinen Kolonien und seiner Finanzkraft „sicherlich die Nation ist, die am meisten imstande ist, sich selbst zu genügen". Der Führer der französischen Radikalen fordert die Anerkennung, daß für Frankreichs Streben nach den Ver- einigten Staaten von Europa lediglich ideale Gründe maßgebend seien: der Wille, in Europa „ein Regime freier Arbeit in Gleich heit und Frieden" zu gestalten. Dieser Argumentation könnte man entgegenhalten, daß zweifellos Frankreich bei einer Katastrophe Europas am wei ten zu verlieren hätte, einfach deshalb, weil es am meisten b«. itzt. Das französische Interesse an diesem Problem ist also min- -estens materiell ebenso wöhlbegr linset wie ideell. Das hindert nicht, Herriots Darlegungen unvoreingenommen zu prüfen, denn auch Deutschland besitzt ein sehr starkes Interesse an einem R«. gime wirklicher Freiheit und Gleichheit in Eurorxr, — Herriot würdigt di« jetzige Lage Europas, gibt «in« kur.ze Geschichte der europäischen Idee und vertieft sich dann in ein« br«itt Dar-