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Beilage zu Nr. 65 der ..Sächsischen Vottszeilung" vom 18. März W«s ist Ultra«o»tanism»s? Eine Antwort auf diese so oft aufgeworfene, aber stets so verfehlt beantlvortete Frage, versucht ein neuer Kämpe, -er eben in der Person des ocltkatholischen Professors Goetz- Bonn auf dem Kampfplatz erscheint, ausgerüstet mit einem dickleibigen Buch: „Der Ultramontanismus als Weltan- schaumig auf Grund des Syllabus", Bonn 1905. Hier heißt eS Seite 9 bis 10: „Der Ultramontanismus ist seiner Geschichte nach eine Partei, die, an sich undeutschen Ursprunges, auf romani schem religiösen und kulturellen Boden gewachsen, im Ka tholizismus von kleinen Anfängen an und unter heftigem Widerstreben der national-deutsch gesinnten Katholiken übermächtig groß geworden ist, eine Partei, die, unter Ver keimung der besonderen Lage des deutschen Katholizismus in einer konfessionell gemischten Kultursphäre, unter einsei tiger Versvlg-ung romanisch klerikaler Kultnrideale, dabei brutal und skrupellos in der Wahl ihrer Mittel, sich als allein berechtigte Vorfechterin des katholischen Kultnridcals ausgegeben hat. Es ist eine Partei, der es geglückt ist, sich die äußere Organisation der katholischen Kirche in weitem Maße dienstbar zu machen, die an geistig minder Hobe In stinkte der' Masse appelliert hat, dadurch eine religiöse De magogie großzog, welche feinere Geister abstieß und iso lierte. eine Partei, die den Wert katholischer Kultur nach -er Masse der Mitläufer und nicht nach deren geistiger Be deutung bestimmte, die, immer weiter auf diesem Wege vor- ichreitend, numerisch sich mit einem Schein von Recht als die allein berechtigte Vertreterin der katholischen Weltan schauung ausgeben konnte, die alle ihr früher und heute widerstrebenden Katholiken als Abtrünnige verketzerte, eine Partei, die schließlich doch im Grunde nicht religiöse Hebung -es Katholizismus bezweckte oder erreichte, sondern deren Endziele die kulturelle Beherrschung deutschen nationalen Lebens durch ibr fremdes romanisches Kulturideal ist." Wer jetzt noch nicht weiß, was Ultramontanismus ist. -cm ist wirklich nicht zu helfen. Es ist doch alles so klar gesagt, so klar wie ein grüner Waldsee, bei dem man auf dem tiefsten Grund sehen und die Steinchen zähleil kann. Doch wir erlauben uns die Frage: Wie war es denn beim Septenatsrummel, als gerade die Liberaleil dem Zentrum die richtige katholische Gesinuuug absprackien, well es entgegen einer Parole von Nom seine politische Stellung nahm? Wer hat damals gefordert, die Katholiken müßt'ii dieser, das politische Gebiet betreffendeil päpstlichen Wei sung von jenseits der Berge folgen? Das waren die Libe ralen. Und was bezeichnet man liberalerseits als „Ultri- »lontanismus"? Daß die Katholiken ihre Weitungen — nickst bloß religiöse, sondern eben auch politische — von „lenseits der Berge" bekämen. Wer hat also damals dem .Ultramontanismus" als zu recht bestehend das Wort ge redet? Der Liberalismus auf der ganzer: Linie, ja der machte sich des Ultramontanismus schuldig, aber nicht die als „ultramontan" verschrieene Partei. Ki tncumnos, ptiillmopluiu murwinuon! (Hättest du geschwiegen — wärst ein gescheiter Kerl geblieben!) Aus Stadt und Land. —* Das König!. Staatsarchiv zu Magdeburg ^ ist dem Königl. Sachs. Allertumüvercin (Sitz DrrSten) als l ordentliches Mitglied beigerretcn. —* Gestorben ist auf seinem Tute Zschorna der i Königl. Kammerherr Major v. Borberg. Der Versiorbene war Begründer und langjähriges Vorstands »nitglicd des Dresdner Rennvereins und ein begeisterter Freund des Sports. —* Aufsehen erregt hier die Verhaftung des Inhabers des bekannten Etablissements Stadt München in der Zahnsgasse. Zeißner. der vor kurzem schon von sich reden machte, als er plötzlich verreiste, ohne irgend welche Dispositionen zu hinterlassen. so -aß die Lokalleitmig seine Umerbeaniten übernehmen mußten. Veranlassung zu der Verhaftung sollen Unregelmäßigkeiten sein, die sich Zeißner bei der Abrechnung m:t einer Brauerei hat zu schulden kommen lass.'u. —* Eine Ausstellung sächsischer Miniaturen soll im Laufe des nächsten Jahres in Verbindung mit einer Sächsischen Kunstausstellung in den Räumen des Sächsi schen KuastvereiilS ans der Vrühlscheu Terrasse siannnden. — * Der erste diesjährige Jahrmarkt wird am :i. und 4. Avril abgehalle». Sonntag, den 2. Avril, iil -aS Auspacken und der Warenverkauf von l I Uhr vormittags an gestattet. An jedem der drei Verkausslagc ist der Warenverkauf spätestens abends 9 Uhr eüizustc llen. Weißer Hirsch. Das Kurhaus ist nach einer gründ lichen Renovation wieder eröffnet worden: der neue Besitzer, Herr Nöhrmeister Voigt, l>at auch neue Bewirtscixiftung eingeführt. Lockwitz. Die elektrische Bahn Niedersedlitz—Lockwitz Kreischa soll bereits im Spätherbst dem Betriebe übergeben werden. Der Bau dürfte bald beginnen. Pirna. Durch das Stadtveror-netenkollegium erfolgte Mittwoch abend nochmals eine Ablehnung -es Ratsbeschlnsscs über die Aufstellung des hier zu errichtenden .König Albert- Denkmals auf den: Obermarkt. Ins Treffen geführt wurden dabei hauptsächlich verkchrspolizeiliche Bedenken. Frriherg. Die Vorbereitungen für den Empfang Sr. Majestät des Königs am 0. April sind sckwn im Gange. Rödcrau. Zn den: mysteriösen Leichensnnde an der Bahnstrecke Falkenbcrg—Rödcrau ist »veiler zu berichte»:, das; das Kind, in zwei Tücher gehüllt, zwischen den beiden Babngleisen aiisgesunden wurde. Die gerichtliche Ob duktion lxck ergeben, daß das Kind gelebt bat, so dos; die Vermutung, es bandle sich um ein Verbrechen, an Wahr scheinlichkeit gewinnt. Wurzen. Auch unsere Stadt durcheilte die Freuden botschaft. daß zu zwar noch nicht festgesetzter, aber doch nicht langer Zeit Se. Majestät der König Friedrich August unsere Stadt mit seinem allerhöchsten Besuche be ehren und erfreuen rverde. Riesa. Zwei Schüler des hiesigen Technikums wurden ans ihren: Zimmer in bewußtlosem Zustande, mit schweren Brandtvnnden bedeckt, aufgefunden. Während der eine, der noch Lebenszeichen von sich gab, in das Krankenhaus über geführt wurde, erwiesen sich bei dem Uveiten alle Wieder belebnngSversnchc als erfolglos. Wie sich das Unglück zu getragen bat. ist noch nicht aufgeklärt. Vermutlich ist durch eine zu Boden gefallene glimmende Zigarre eine Decke in Brand geraten, und das Feuer lat ßcb dann aus das übrige Mobiliar des Zimmers, das teilweise angekoblt gesunden wurde, übertragen. Dem sich dabei entwickelnden Rauche sind dann die beiden jungen Leute znn: Opfer gefalle::. Chemnitz. Bei der Audienz der Abordnung der sächsi- sichen Aerztekamniern am Sonntag erklärte der König den: ärztlichen Delegierten anS Cbemnitz gegenüber, daß er dem nächst. 'ei eS zur Eröffnung der Znxüten Erzgebirgisck)en Gartenbauausstellung oder zum Kreistnnsest bestimmt wieder nach Chemnitz kommen und dabei auch die neue städtische Nervenheilanstalt in Augenschein nehmen nvrdc. Für die KönigSeinzngs-Stistnng sind ans Anlaß eines Jubiläums von einem Chemnitzer Bürger, der seinen Namen nicht genannt wissen will, Herrn Oberbürgermeister Dr. Beck weitere Eintausend Mark überwiesen worden. Chrmnitz. Durch ein größeres Schadenfeuer wurde in der Nacht zun: Dienstag das ans Niederhermsdorfer Flur gelegene Wohnhaus nebst Stallgebände des Liebersschen Gutes, an der Flnrgrenze von Niederbermsdors-Gablenz (Chemnitz) gelegen, vollständig cingeäschert. Am Brand platze waren außer der Gablenzer und HermSdorser Feuer wehr die Chemnitzer Bernfsfeuerwehr mit der Automobil spritze erschienen. Annnbrrg. Im benachbarten Sehma wird mit O-ftern in der Volksschule als obligatorischer Gegenstand Posa mentier-Zeichenunterricht eingeführt. Ter Unterricht wird von einem Fachlehrer erteilt. Auerbach i. V. Ter Gastwirtsverein für Anerbach und Umgegend hat an die städtischen Kollegien zu Auerbach die Bitte gerichtet, die z» dem sächsischen Gemeindetage abge- ordiieten städtischen Vertreter möchten gegen die von der Regierung geplante Geineiiidestenerresorm, insbesondere gegen die Gewerbesteuer, die Tanzstener nsw. stimmen. Rcichrnbach i. V. Der seit Dezember vorigen Jahres vermißte Fabrikarbeiter Franz Hermann Müller wurde jetzt als Leiche in einem bis vor kurzen: mit Eis bedeckten Wasser tümpel anfgefilndeii. Rcichrnbach i. V. Tie vierjährige Tochter des Fabrik arbeiters Hempel ist beim Spielen in den Mühlgraben der Nothschen Pappenfabrik gefallen und ertrunken. Lcngenfrld i. V. Nach dem gegenwärtigen Stand der Arbeiten dürfte die Eröffnung der Bahnlinie Lengenfeld- Mhlan am 1. Mai stattsinden. Plaucn. Tie ans die Station Pirk i. V. angewiesenen Bewohner des VogtlandeS hatte:: eine Petition an die Königliche Generaldireltion der Sächsi'chen Staatseisen- bahnen versaßt, dahingehend, daß in: Sommerfahrplan für 1905 ein Personenzug eingelegt werden wöchte zwischen OelSnitz und Planen in der Zeit zwischen 0 Ubr 20 Minuten und l l Uhr 31 Minuten abends. Daraufhin ist den Ge- slichstellern die erfreuliche Nachrickst zu teil geworden, daß während des Sommerfahrplanes versuchsweise ein Personen- — 04 — Hut in der Hand haltend, zu mir eintrat, fall ich gleich, daß ihn etwas mächtig erregt lxiben mußte, denn sein sonst so fröhliches und lachendes Gesicht zeigte ganz ernste Züge. Vorsichtig schloß er hinter sich die Tür, und leise fragte er: „Euer Gna den. kann ich Sie vielleicht sprechen?" „Ganz gewiß, :vas gibt cs denn, Andreas? Heraus damit. Was be unruhigt Sie?" „Hm . . . Gebrauchen Euer Gnaden heute den Wagen?" „Ich glaube, wenigstens nicht heute vormittag: denn ich möchte lieber ein wenig spazieren gehen. Ich muß nach meinen Patienten sehen, und mein erster Besuch soll Rory Bonrnes gelten." „Wenn Euer Gnaden dorthin wollen, würden Sie es nicht für ange bracht halten, sich einen Gendarmen zur Begleitung milzunehmen?" „Ich soll unter Bewachung ansgehen?" rief ich ans. „Durch das Land l-erumspazieren mit einem Polizisten im GefolgeI Warum denn das aber?" „Hm . . Euer Gnaden müssen nämlich wissen," erklärte Andreas fast schüchtern, „daß der Sclmß gestern abend nicht dem Lunrpen gegolten hat. den er getroffen hat." „Ach so, Sie glauben, es war auf mich abgesehen?" ..Jawohl, Herr." „Und »voraus schließen Sie das?" „Na, das ist doch so klar, wie das liebe Sonnenlicht, Euer Gnaden," entgegncte er. „Hat uns denn nicht fast jede Menschenseele in Mhlrea ge sehen, als »vir am Morgen wegfuhrcn?" „Nun, und »vas dann?" „Und haben sich nicht alle denke»: können, daß »vir des Abends auf dem selben Wege zurückkehren würden?" „Das »väre nur eine ganz logische Folgerung gewesen." „Hat wohl aber auch nur einer ahnen können, daß wir ans dem Heim wege den Lumpe:: bei »ins haben würden? Gewiß nicht: sie haben aber auf den Wagei: geschossen und mich dabei fast getroffen, »vofür sie Gott strafe. Aber mir galt es nicht, wenn sie auch einen von uns beiden enttveder töten oder vielleicht auch nur zun: Lande hinausgraulen wollten." „Da war es ja ein Glück für mich, daß ich Jbren Einwendungen zum Trotz den betrunkenen Lumpen, »vie Sie ihn nennen, mit auf den Wagen ge nommen hatte, denn sonst »väre ich getroffen und vielleicht auch getötet worden, und mit jeder Aussicht, den Mörder des Herrn Craig zu entdecken, »väre es für immer vorbei gewesen." „So ist es, Herr." bestätigte Andreas im ernsteren Tone, „und das woll ten sie gerade." . „Glauben Sie?" „Euer Gnaden meinten sie, als sie den Spitzbuben Rorh trafen! Und ich bin fest überzeugt." fuhr er leise flüsternd fort, „daß die, die gestern abend auf den Wagen geschossen haben, keine anderen »varcn, als die, die den Herrn ermordeten. Nehmen Sie sich in allst, Herr!" Nachdem sich Andreas so von der Last, die sein Herz bedrückte, erleichtert hatte, verlieh er das Zimmer, vorsichtig die Tür hinter sich schließend. — 01 — es mir jedoch ganz unmöglich, die Schwere seiner Verletzung festznstellen: alles, »:>aS ich tun konnte, bestand darin, daß ich eine Flasche bervorbolte, um ihm etnxls Branntwein einznflößen, und Andreas befahl, so rasch als nur irgend möglich nach der Wohnung des Verunglückten zu fahren. „Tort unten ist sie schon." meinte Andreas und zeigte dabei nach eine::: Lichte, das aus der Finsternis uns entgegenlenchtete. „Dann beeilen Sie sich." rief ich ihn: zu. Während des Weiterfahrens sann ich über die Bedeutung des Vorge- fallcnen nach. Wen: batte der Schuß gegolten und »:vr hatte ihn abgefeuert? Meiner Ansicht nach konnte der Schuß wobl nicht für mich bestimmt genasen sein, denn ich »vor nur nicht bewußt, daß ich hier irgend »vellln: Feinde hätte. Dagegen »vor der Mann, den ich bei mir hatte, als ein vollendeter Lnnip be kannt, und nnniöglich war es wohl nicht, daß es ans ihn abgesehen ge wesen war. Während ich hierüber iiachdacbte, hatte Andreas von der Straße aus eine:: aiisgcsabrenen Seitenweg eingclcnkt, und nachdem der Wagen eine Strecke hin und her geschüttelt worden war, kamen »vir in einen mit Steinen gepflasterten Hof und hielten vor der Tür eines Bauernhauses. So sah es >:>enigstei:S anS: denn es war von Scheunen und Schuppen umgeben, und dicht dabei waren auch ein paar Heuschober. „Hier ist es, Euer Gnaden!" rief Andreas, dem Pferde die Zügel auf den Rücken »r^rfcnd. Dann sprang er vom Wagen, während ich sitzen blieb und den Verwundeten hielt. Mit dem Peitschenknopfe klopfte er heftig an die Tür, die auch sofort, obschon langsam und vorsichtig, geöffnet wurde. Ein Weib im Unterrock und einer kurzen Jacke, eine angezündete Lampe bock» haltend, erschien. „Bist du es, Rorn?" fragte sie, in die Dunkelheit hinansschanend. „Jawohl, es ist Rory!" brummte Andreas. „Leuchte bierber, Weib, bis »vir ibn bercinbringen, denn er ist bcinabe tot." Ohne darüber das geringste Erstaunen zu bezeigen, machte das Weib ein paar Schritte vorwärts und hielt die Laterne doch über ibrem .Kopfe, »nährend Andreas und ich den Mann, der ein ganz ansekmlicheS Körpergeivicht hatte, von: Wagen hoben und ins Hans trugen. Die Haustür fübrte rechts in eine Art Küche, in deren einer Ecke ein Bett stand. Wir legten unsere Last auf das Bett nieder, und ich beeilte mich, die Schwere der Verwundung sestznstellen. Zn meiner großen Beruhigung fand ich, daß die Verwundung an und für sich verhältnisniäßig unbedeutend war, aber unglücklicherweise betraf sie den bereits verletzten Arni. Das Gewehr war mit Schrot Nr. 1 geladen ge wesen. aber znm Glück ans einiger Entfernung abgeschossen worden, so daß die Kugeln sich verstreuen konnten. Nur ein paar verirrte Körner waren ins Fleisch gedrungen, und doch nnr der Mann infolge seines großen Vlntverlnstes ohnmächtig geworden. Ich machte mich sofort daran, die Wunde zu verbinden und den Mann ins Leben znrückznrnfen. Das letztere war dm-chans »ich» leicht, »nd es kostete viel Zeit, bis ich endlich die Genugtuung hatte, zu scben, daß der Mann die Augen ansschlng. Er richtete indessen seinen Blick nicht auf mich, sondern ans das Weib neben ihm. Es bcrübrte »nick: eigentümlich, daß die Frau bisher kein einziges Wort gesprochen hatte, oblvohl sie alles, »vas ich verlangte, bereitwillig herbeibrackste. in