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Lmmtag. 10. April 1S27 — .Dresdner Nachrichten* — Nr. 1öS Seile 5 Tauben-Sreud und -Leid ln der Großstädte Palmsounkag 1927. Vi« weit auch für einen Christen der Palmsonntag, mit dem wir di« Konfirmation verbinden, »urllckltrgt. wird von ihm immer rin stiller Glan» Nachleuchten, der einst die sunge Seele erfüllte Draußen der sprossende Frühling, und ein heiliger drin in der Brust, wo Leben zu froher Entfaltung drängte. Die der Einsegnung Harrenden standen wie in der Gartentür. Bisher hatte der schützende Zaun treuer Gorge und Lieb«, so weU eS nur irgend ging, Not und Gefahr von ihnen serngehalten. Für die Zukunft galt eS, daß an Stelle der Bewahrung die Bewährung trete. I» lies verpflichtendem Gelübde warb sie versiegelt. Ob das Siegel unversehrt bleiben oder ob die Zeit eS aufbrechen werde? Unabweisbar mischt sich bei dieser Frage in Frömmigkeit und Andacht eine leise Sorge ein. Konfirmation ist kein bloß äußerlicher und wenn auch „och so finniger Brauch. Sie setzt eine sür Las ganze Leben geltende Entscheidung voraus. Und was einst in Jerusalem am Palmsonntag geschah, zeigt, wofür sich der Mensch ent- scheiden müsse — für das Königtum Jesu, »baß in seinem Namen sich beugen sollen alle derer Knt'e, die im Himmel und aus Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen be kennen sollen. Laß Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes des BaterSI" iPhil. 2.10.11.) Eine Einsegnung solcher Art irgendwie nachahmen zu wollen, ohne sie mit dem Königtum Jesu in Verbindung zu bringen, kann nur zu einer trostlosen Entweihung führen. Aber eS liegt wohl zugleich das Geständnis darin, daß man Kinder nicht ohne eine innere Bindung lassen und in eine zu mal beute von schlimme» Gefahren erfüllte Freiheit hinaus- weise» dürfe. Bleibt nur die Frage übrig, um welche Ideale eS sich dabet handle. Was wir im Blick aus unsere Jugend, soweit sie keinen Palmsonntagögeist atmet, erleben, muß unS doch in dessen heiligem Bann halten, muß u»S eifriger als se in ihn treiben. Statt dessen haut man wohl auch, wie einst die Juden den Oelberg abwärts, Zweige von de» Bäumen, doch nicht, um sie zur Huldigung des Herrn zu verwenden, svndern um sie verdorren zu lassen. Dennoch — das Königtum Jesu ragt weit und unzerstörbar über all diesen Wahn hinaus, und wollen wir. daß sich nicht eine immer dunklere Wolke Uber unsere Zukunst lagert, dann müssen wir in erster Reihe wieder die Kinder unter jenem sammeln, damit nicht auch ihre jungen Knie schon steif werden, wenn cs gilt, sie im Namen Jesu zu beugen, und ihre Zungen nicht stumm, wenn wir diesen zur Ehre GotteS des Baterö anbeten. DaS Königtum Jesu über den Kindern — in tausend Bilder», in tausend Liedern ist es verherrlicht wurden. Es wäre daS gar nicht denkbar, wenn es nicht zu Recht, nicht auS Erfahrung heraus hätte geschehe» können. Soll aber die Konfirmation eine Bindung für das ganze Leben einschlicßen, dann frage sich jeder, bis zum Aeltesten, was er an ihr gehabt, was sie Ihm in de» Führungen seines Lebens bedeutete und ob er von der Hoffnung getragen bleibt, eins» auch in seiner letzten Stunde gesegnet zu werden. „Wer mich bekennt vor den Menschen," spricht der Herr, „den will ich auch bekennen vvr meinem himmlische» Vater." DaS König tum Jesu ist die Ehre des Baterö. cl>. — Auszeichnung. Der »Irma Oscar R u k l a n d, Inhaber Paul TschicrSkc, DreSdcn-A, 1, Bttzthunistraste 7, Fabrik und Großhand lung santlärcr Einrichtungen, wurde anläßlich der Juicinalionale» öaarsorurertugung für ihre Spczial-Frtscur-Waschbeckc» Nr. 1114 F und Artseur-Säulcn-Waschtiichc Nr. 1155 .-V »itl Fußstütze in der Laute des „Ebrenkreuz für hervorraaeude Leistungen" verliehe». — Plaßmustk. Im Anschluß an den Wachaufzug ivielt am Sonn tag aus dem Wasfenplatze vor dem Blockbantc N e u st ä d t e r Markt, etwa von 141 bis 142 Uhr mittags, die Kapelle des 1. Rat». stnlantcrie-Rcgimcnts IN iLeitung Obermusikmctster Thiele): „Mit LtM und Eisen", Marsch von Mathke; „Fridericiana", Ouvertüre im Stile Friedrichs des Großen, von Zimmer: Angcrcihte Stillte au» der Oper „Der Freischütz" von Weber: „t Armcemarsch Nr. 72 non Wieprecht: 1>t Armcemarsch Nr. 2N6 von Ircnkler. — Die Dresdner Filmsirmo Link« ch Es-, von der in de» letzten Monaten auch in Dresdner Lichtspielhäuser» nennenswerte Kultur- sitmc vorgcsübrt wurden, begibt sich mit Unterstützung des italieni schen und deutschen Konsulat» über Rom und Neapel nach Sizilien, Insel Malta und Afrika <Tripoli»>, um dort neue Kulturfilme zu lurbcln. Der technische Stab, E. A. Linke al» Kameramann und Günther Sanderson als künstlerischer Beirat, verläßt Dresden be reits am Montag, dem 11. April. — Dresduer Philharmonie — Gewerbchaus. Sonntag 148 Uhr im Geivcrbehause: Wunschkonzert der gesamten Dresdner Phil harmonie. Dirigent: Florenz Werner. U. a. Florentiner Marsch: Ouvertüre „Mignon": Fantasie „Walküre": Ouvertüre „Diebische Elfter": Bach-Gounod-Mcditatton: Fantasie an» „Samson": „Faust"- Nalzcr: „Mariza": „Fledermaus". Karten bei F. RieS, Scestraßc 21, und an der Abendkasse. — Sapla» Fahscl hält nächsten Dienstag, den 12. April, abend» 8 Ilkr im Künstlerüausc lnicht am 11. Aprils seinen Vortrag. Er spricht über das Thema: „Kunst und Moral." Karte» bei F. Nie», Scestraßc 21. — Zu dem Prozeß Kunze, über den wir in Nr. M8 berichtet haben, teilt uns Herr Holzhändlcr Hermann R ä » tz s ch t» Hinter- gersdors bei Tharandt mit, daß er nicht identisch sei mit dem Holz- Händler in Hintergcrsdorf, bei dem der vormalige Oberstcucrinspelior Robert Kunze als Steuerberater und Stcuerbuitstührer tätig ivar. Um dl« Kuppel von Tan Marco Flattern silberweiße Tauben . . . Wem wären dies« Dichterworte «Ich« schon tnS Gedächtnis gekommen, wenn er die dichten Taubcnschwärme tm goldigen Lichte der Morgrnsounc um Frauenktrche-Kuppel. Kreuzktrche. Hofktrche ober sonstwo um dte hochragenden Türme unserer Stobt ihre Kreise ziehen sieht! Zwar find eS bei un» nicht die silbern schimmernden, schneeigen Rassen, die man von alterS- her in Venedig besonders hegt und pflegt, io daß sie zu einer Sehenswürdigkeit der Lagunenstadt geworben sind, dte dort kein Fremder, besonders wenn sie tn nach Tausenden zählen den Scharen gefüttert werden, mehr missen möchte. ES sin- in Dresden zumeist verwildcrte Arten, ein Gemisch aus Felseu» und Haustauben, durch Zuchtwahl zu gesunden Sippen geworden, dte mil violett glänzendem Ring um den Hals oder mit schwarzen Quer» binden über den Flügeln oder sonstwie mit metallisch- blangrün oder violcttgrau schimmernden Besonderheit«» des Gefieders aus Dresdens Plätzen umhcrstolzieren und mit girrender und gurrender Selbstverständlichkeit Hctmatrecht beanspruchen. Kein Zweifel, Sie Tierchen find schön, mögen sie nun, zahllos und unbekannt nach Neun' und Art. tn hohem Bogen auf den Thcatcrplatz oder den Neumarkt hcrnteder- schweben: mögen sic, mnntrr hcrumtrtppelnd und so gar nicht scheu, ganz nahe an uns herankommend, rechts und links hernmäugcn. sicher ,,»d kopsnickenb ihr Futter aufpicken: oder mögen sie schließlich kokett und selbstherrlich ans Dachfirsten und Gesimsesteincn, auf Sen Türmchen, Rosetten und Akanthusblätlern ui'serer Barockbauten sitze», sich aiisplnstern und dann wieder, keiner Katze erreichbar, scelenruhig dahin- schrettcn. Wer wollte leugnen, daß all diese Taubenschwärme daS Städtcbild verschönern und ihm im Sinne des Heimatschußes eine besondere Note geben? Sicherlich liegt es auch durchaus im Sinne des Tier schutzes. diese herrenlosen Tiere, dte des Menschen Auge und Herz erfreue», zu schonen und jedenfalls nicht auszurotten. Aber jedes Ding hat zwei Seiten, und auch hier stoßen mancherlei Interessengegensätze hart aufeinander. Es sei zu- nächst einmal festgestcllt, daß der Behörde nichts darüber be kannt ist. daß sich unter den vielen verwilderten Tauben, die außer ans unseren öffentlichen Plätzen, besonders auf der Albrechtstraße, ans der Nikolai-, Zöllner-, Nürnberger und Werücrsiraßc, ferner in der Neustadt, vor allem in der Kaserncnstraße beobachtet ivcrdcn können, und sicherlich noch an vielen anderen Plätzen nisten, sich kaum je so- genannte Flüchter befinden, wie vielsach fälschlich angenommen wird. Es handelt sich durchaus um verwilderte Stämme, die niemandem gehören, also im Sinne des Wortes „vogclsrei" sind . . . Und nun sehe man sich auch einmal das Sündenregister der Tauben a». die nnii einmal keine Hhnnng haben von der Rücksicht nahme auf ihre Umgebung und stubenreine Sauberkeit. DaS WohlsahrtSpolizciamt kann ein Lied davon singen. Seit Jahren hören die Beschivcrden der Hausbesitzer wegen un- aushörlicher Beschmutzung durch Tauben nicht mehr auf. Ganze Häusersassaden, so am Neumarkt oder anderswo an vielen Plätzen der Stadt, sind von oben bis unten verun reinigt, und manchmal sind sogar die Gang bahnen trotz fort gesetzter Reinigungen in ekelerregender Weise.cheka-lkt". Und dann die Verunreinigung unserer weltberühmten Barock, bauten, deren setngegliedcrte Architektur den Tauben aller hand Schlups-winkel und Nisüplätzc geradezu anbietet. Wie sehen die steineren Verzierungen des Zwingers und der Frauenkirche, oder die Figuren aus den Dachrändern der Hof kirche und das prächtige Gespann auf dem Semperbau in der Nähe oft aus? Man kann geradezu — ein in Fachkreisen ge- brauchtes Wort — von einer Taubenarchitektur über der historischen sprechen. In regenreichen Jahren ist eS nicht so schlimm, aber immerhin, die Verschmnkurrg der öffentliche« Gebäude kau« auch der nicht leugnen, der die Tauben liebt. Und das ist aber nicht alles. Die Ablagerungen der tm Kalk enthaltenen Salze. Säure» und zersetzenden Abfall produkte schaden zweifellos un Laufe der Jahrzehnte dem Gestein. Reim Zwinger ist das sicherlich auch mit der Fall ge- wesen. Wenn schon die i»i Rauche und Ruß der Großstadt enthaltenen Säuren im Steine Zersetzungen Hervorrufen, die dann zusammen mit Frost und Feuchtigkeit khr langsames, aber sicheres ZerstürungSmerk selbst am härtesten Material ausübcn, so muß das bei Ablagerungen in flüssiger Form natürlich noch viel mehr der Fall sein. Das liegt aber keines wegs jm öffentlichen Interesse. Jedenfalls gibt es zu denken, wenn z. B. in einer Beschwerde nachgewiesrn wird, daß das Dach der Schutzhalle zum Ausstellungsgebäudc auf der Brühl- ichcn Terrasse infolge von Verschmutzung durch Tauben schwer beschädigt worden ist. Das Wohtfahrtspolizeiamt hat deshalb Interesse daran, daß »i« «»gemeinheit znr Tanbensrage in bcr Großstadt di« recht« Einstellung gewinnt und über Mißbräuche aufgeklärt wird. Wir habe» schon angedeutet. daß die Hausbesitzer, die übe» dauernde Verschmutzung der Dächer und Frontseiten ihre: Gebäude zu klagen haben, und daß schließlich die Oefsentltch- kett, der der Schutz unserer historischen Bauwerke am Herzen liegen muß — mit dem gleichen Rechte gegen dte Tauben kämpft, wie etwa der Taubensreund den behördliche» Schutz seiner Lieblinge fordert. Es bleibt daher den zuständigen Stellen kaum etwas anderes übrig, als dauernd dafür zu sorgen, daß die Tauben wenigstens nicht ü b e r h a n d n c h m c n. Me kann daS nun geschehen? Es ist und bleibt jedenfalls verboten, die Tauben zu füttern und damit ihrer Vermehrung, vielleicht unbewußt, Vorschub zu leisten. Es ist auch vorgekommen daß Fuß gänger aus Brotresten, die von solchen Fütterungen stammten, ausgerutscht sind und Schaden genommen haben. Wer beim Füttern betroffen wird, zieht sich die dasnr anSgcsetztc Strafe zu. Die Befürchtung, daß dte Tauben, wenn sie nicht gefüttert würden, verhungern müßten, ist ganz unbegründet. Der vor zügliche Zustand, in dem sie sich meist befinden, und ihre weit mehr als erträgliche Vermehrung bezeugen das Gegenteil. Sie finden auch ohne organisierten Freitisch in der Stadt Futter genug. Weiterhin kann durch Abschlägen oder Vergitterung der Simse der Zuflng der Taube» cingeschräntt werden. Hänsigcs Ansstören oder Absprttzen hat gleichfalls die Wirkung, daß die Tauben ohne Grausamkeit dort serngehalten werden, »nd vvr allem nicht nisten, wo sie nicht erwünscht sind. Ein viel umstrittenes Kapitel ist daS behördliche Wegsaugen herrenloser Taube». Um den durch die Vermehrung der Tauben hcruvrgcruseiicu Uebelständen entgegenzutreten, werden in den Monate» März, April. September und Oktober an mehreren Tagen jeder Woche, in -en Monaten Mat bis August an zwei Tagen jeder Woche tu den frühesten Morgenstunden durch eine beauftragte Person Tauben iveggesangen. Damit die Kinder nicht vom Unterrichte abgehalten werden und aus anderen Gründe» päd agogischer Natur mutz das Einfangen, das jeweils durch das Wohlsahrtspolizeiarnt öffentlich bekannt gemacht wird, spätestens eine halbe Stunde vor Beginn bcS Volks schulunterrichts erledigt sein. Wenn sich auch unter den Tauben keine Flüchter be finden, so mag eS doch hin und wieder Vorkommen, daß, wenn Tierfreunde trotz des Verbotes die Tauben füttern, auch Haus tauben an der mühelos ausgcfundcnen Tafel tcilnchmen. Es ist aber zu beachten, daß die Tauben zum Zwecke -es Fanges nicht durch Fütterung angelockt werden dürfen, was noch viel fach fälschlich angenommen wird. Taubeiibeiitzcr werden jedenfalls gut tun. während des Fanges ihre Tauben in den zündende „Der Hidalgo" us-w. Man kam von den Lippen dieses Meistersingers nicht los. Ihm gehörten aller Herzen. Das bewies nicht zuletzt auch der stürmische Beifall, mit dem man dem Künstler für beglückende Gaben und Zugaben dankte. Am Flügel saß Tr. Arthur Chitz als ausgezeich neter Begleiter und Mithelfer am wohlgelungcncn Werke. Tic Veranstaltung lVercinshaus) nmr recht gut besucht. Der letzte Abend tn der kommenden Woche verheißt „Lieder von Tondichtern ans der sächsischen Heimat". t Tänze Erika Rüger. Wie ein Gesellschastsabend in guten, kunstfrcundlichcn Kreisen, in deren Mitte eine junge Tänzerin die ersten Flügclschläge wagte, vollzog sich das erste öffentliche Auftreten von Erika Rüger im Künstlcrhaus. Noch spukt in ihrem Kopse allerhand durcheinander: altes Ballett, Duncan-Lchule, Volkslied, Nattonaltanz. Noch tut dte Tänzerin, wie die meisten Anfänger, des Guten zu viel: an Handbewegungen, Schleiern, Kopfschmuck, Blumen. Wenn sie sich von alledciß wird frei gemacht haben und zu sich seßber, zur technischen Kultur des Körpers an sich, wird gekommen sein, werden das gute Verständnis und der ehrliche Ernst, wo mit Erika Rüger an das Gestalten musikalischer Vorlagen hcrantrttt, sich lohnen. Für diesmal bedeuten das Tanz- gcbilde nach Teilen der Chopinschcn Ow-Moll-Polonäsc, ein jarbensroher russischer Tanz und drei Walzer nach BrahmS den Höhepunkt. In Teilen von Webers „Aufforderung zum Tanz" sah man auch nette pantomimische Züge. Die Num- mer fand lebhaften Beifall und mußte wiederholt werden. Schumanns „Dräumerei" und Mozarts „Komm, lieber Mai," »erlangen eine schlichtere Aufmachung. Das Allegretto aus Mozarts Ballettmnsik „I.e-c> potit» rioiw" war eine gelunacnc Anlehnung an die Hclleraucr Neubearbeitung. Als Mtt- wirkendcn hatte die Tänzerin den Konzertmeister Goldbcrg vom Philharmonischen Orchester gewonnen, der mit virtuoser Bravour Händel, Brnch und Mozart-Kreisler spielte, begleitet von dem tüchtigen Pianisten Kehrer, »nd mit diesem auch bei den Tänzen erfolgreich mitwirktc. Beifall und Vlnmcn zeigten Erika Rüger, daß man ihrem guten Willen freund- schaftlicsie ?l,ls»»»»tcr,ing entgegenbrachte. ,-1>- s- Vortragsabend. Werner v. Vlumcntkal svrach am Freitag vor einer kleinen, aber interessierten Gemeinde über das Thema: „Kleist »nd die kulturelle Krise der Gegenwart." Am 18. Oktober d. I. voll- enden sich 100 Jahre, seit Heinrich v. Kleist z» Frankfurt a. O. geboren wurde: der Abend war daher zugleich als eine Vorfeier dieses ErtnnerungStages gedacht, «ns den nicht immer ganz klaren» aber begelsternngsvollen und sarm- gewandten LuSführungen des Redners leuchtete der Grund, gedanke hervor, daß Kleist als unbeirrbarer Verfechter des deutschen Idealismus und als Vorkämpfer für soziale Ge- rcchtigkeit und für eine deutsche Volksgemeinschaft auch noch heutigen Tages, ja in der von Parteizerklüstung, Materia lismus nnd Kulturunterschätzung beherrschten Gegenwart erst recht, zu einer geistigen Führerpersünltchkeit berufen sei. Freilich sei cs nicht ganz leicht, bis zum Kern -eS Kleistsche» Wesens und Geistes vorzudringen und seine faustische Natur, seine tragische Dichterpersünlichkeit und seine hohe Kultur. Mission voll zu erfassen. Kleist wolle nicht bloß flüchtig ge- lesen, sonder» erarbeitet sein, um innerlich erworben und voll gewürdigt zu werden. Die Tragik der feurigen, genialischen Dichtersccle Kleists erblickte der Vortragende in dem sür den Dichter unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dculschcm Idealismus und soldatisch eingestelltem Preußen tum, zwischen dem Geist von Weimar und dem von Pots dam. Mit einer Reihe von Briefstellen, dte der Redner ver. las, und mit Hinweisen auf den „Prinzen von Homburg", „Die Hermannsschlacht" und auf andere Werke suchte er diese Auffassung z» bekräftigen. Den Abschluß des beifällig a»f- gcilvmmcncn Vortrages bildete die rhetorisch recht gute Vor lesung der Novelle „Das Erdbeben tn Chile". —ckt. i Sächsisckier Ünnftverel» zu Dresden, Brühltcke Terrasse. Heute vormittag 14>2 Uhr Eröffnung »er FrühiahrSau»- stellung, die vorwiegend »er einheimischen Ktiristlerschwft ge widmet ist. LonderauS-stellungen von E. R. Dietzc, Erich B-iichavald« Zinninald, Erich Fr-aatz, Ulrich Henke, Hann» Hcrzing. Theo Rosen« Hauer, Georg Lieber«, Willi Nowak lLeehau» bei Dalz-burgi, Ferdinand Slaegcr lMtincheni. Besondere« Jntereiie wirb auch die Ausstclliing „Bon Ingres bi» Eözanne" erregen, die Aquarelle und Han-dzcichn»ngrn srainvstscher Meister de» tlt. Jahrhunderts au» dem Besitz der berühmten Wiener Lammlung Aldertina enthält. Gcüssnel Sonntag» von 1411 bi» 142, werktags von 10 bis ü Uhr. s Die Galerie Arnold zeigt eine vorzügliche Auswahl von Werken von Lchmtdt-Rottl-.iss und Einzelwerke von Kirchner, Notdc. Ko- kolchka. Heikel, und eköiinel die Ausstellung von Phltogravbie» be- rühmter Persönlichkeiten der Jliicst", Berlin. s Galerie Nene Kunst Fides iLtruvestr. lg, Aquarelle »nd Zeich nungen von Justus Abbo. Pol Easscl und E. L. Kirchner, ferner Graphik von Erich Hecket nnd Lck»»idt-Nottl»ss. — Im Kabinett am Ferdinand Splatz-Webereien nnd Keramik der Werkstätten von Giidcnhall. i Knnstauostellung Max Sinz. Londeransstelliing Will» Tledien, München,- LondcranSstellung Eonrad Pia», München. Siegfried Wagner erziihll. Dieser Tage ist. wie mg» „ns schreibt. Siegfried Wagner, der Lohn Richard Wagners und Enkel Franz Liszts »ach sechzehn, jähriger Abwesenheit wieder in London eingetrosse». wo er mit seiner Frau, der Töchter von Klinümorth. und vier Kindern für kurze Zeit Aufenthalt genommen hat. Er gib, dort als Gastdirigent mit dem Nationalorchcstcr ein Kvnzci in der Albcrt-Hall, an derselben Stelle, wo vor einem halbe Jahrhundert sein Vater für seine Werke, die damals noch i,i England als Zukunftsmusik aalten, im Rahmen einer Kon.zer, ausftthrung Propaganda machte. Einem Berichterstatter de, „Daily Chroniclc", der Siegfried Wagner über leine pcrson lichcn Erinnerungen an Vater und Großvater befragt hatte erklärte er: ./Sie dürfen nicht außer acht lasse», daß ich erst dreizehn Jahre zählte, als mein Vater starb. Glcichwoh! erinnere ich mich an ihn sehr genau. Er steht vor meinen- geistigen Auge als ein ungewöhnlich jovialer Herr, der ce liebte, mit Freunden und Bekannten zu lachen und zu plaudern. Im -er lebten Zeit lebte er begreiflicherweise sei, zurückgezogen Ich weiß noch genau, wie er in Italien den „Parsifal" komponierte. Wir hörten ihn öfters am Klavier die komponierten Stücke durchspielen. Ich erinnere mich auch ganz gut. wie er uns abends vorzulesen pflegte Eine der letzten Sachen, die er lnS, ivar Shakespeares „Richard II ", und dieses Drama beschäftigte ihn noch in Venedig, kurz be vor er starb. Liszt pflegte öfters zu uns zu kvinmcn und bei »ns zu bleiben. Ich lebe ihn noch, wie er mit -meinein Vater zusammensaß. wie beide schwatzten und lachten. Liszt spielte unS abends manchmal ror. Mein Gedächtnis bewahrt noch heute die Erinnerung an sein wundervolles Spiel von Stücken Chopin», den mein Vater außerordentlich gclicb! hat." Aus die Frage de» Berichterstatters, ob noch Dokumente seine» Vaters unveröffentlicht geblieben leien, crk'ärie Sica- jrtcd Waancr, daß hier nur noch der Briefwechsel zunschen König Ludwig von Bauern und seinem Vater in Frage komme. „Wir haben die Frage oft erörtert," sagte er, „ob wir diesen Briefwechsel oder einzelne Briese daraus ncr öffentlichen sollen, aber wir haben »nS schließlich gesagt, daß die Zeit für diese Veröffentlichung vielleicht noch nicht ge kommen ist. Indessen dürsten diese Briese eines Tages der Ocssentlichkeit zngänaltch gemacht ivcrdcn," Einem anderen Londoner Berichterstatter bekannte Siegfried Wc>o„er, da>> er niemals die Musik eines modernen englischen Komvonisten gehört liabe und sich deshalb kein Urteil über die moderne englische Mi'«k gestatten hürse, „Ich habe nichts von Elaar oder Holst gehört," fügte er Hinz», „nnd ebensowenig etwas von den modernen sranzöstschen und deutschen Komponisten. In Banrenth beschäftige ich mich nur mit den klassischen Kv»>- ponistcn. Beethoven. Liszt, Bach »nd meinem Vater, In meinen Mußestunden aber macht es mir viel Vergnügen, Jazz, mustk zu hören oder ein gutes Theaterstück zu scln'n." tDaß Siegfried Wagner a» Jazzmusik besonderes Vergnüge > habe, möchten wir nach unseren eigenen Erlebnissen mit ihm doch be zweifeln. Re-.s