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zuahmen versuchte, wird nun planmüßig vorbereitet; nicht mehr ungeschulte Bolt-Haufen wird der künftige Diktator aufrufen, sondern geschulte Soldaten in bis her nicht gekannten Zahlen. DaS Wesentlichste ist aber, daß für dies« Millionen von Soldaten auch in einer von uns nicht erreichten Weise die Vorbereitungen im Frieden getroffen find, um sie zu Truppenkörpern, zu Bataillonen, Regimenter», Divisionen, Armeecorps und Armeen zusammenzufafien, mit Führern und StÜben auSzustatten. Frankreich besitzt schon jetzt, Dank seiner unaufhörlich fortschreitenden, vom Parlament mit der größten Bereitwilligkeit und erstaunlichen Geldbewillig ungen geförderten HeereSverfasiung, erheblich zahlreichere Kadres zur Einfügung seiner Wehrfähigen als wir, und «S hat sein Heer im Frieden viel reicher mit Berufs offizieren ausgestattet, die in großer Zahl zur Führung der Neuformation verfügbar sind. Daß man in Frank reich die Aufstellung von Reserve-Armeen beabsichtigt, ist kein Geheimniß mehr. Die Mannschaften sind vor handen, die Stäbe werden binnen Kurzem auch geschaffen fein; im Uebrigen eignet sich die ganze Gliederung des französischen HeereS vortrefflich, um aus dem Bestehenden heraus Neubildungen in gewaltigem Umfang in der Mobilmachung erstehen zu lassen. Bei den heutigen Mafien spielt die Gleichförmigkeit der Eintheilung und Gliederung eine große Rolle. Diesen Vorzug besitzt die französische Armee in hervorragendem Maße. Ein Armeecorps ist wie das andere gebildet bis auf die letzte Train-Kompagnie. Das französische Heer kennt nicht die mannichfaltige» Unebenheiten und Verschieden heiten, die unserm deutschen Heere in Folge seiner eigen artigen Entwickelung anhaften. Jeder Mobilmachungs befehl kann im Ministerium gleichlautend für sämmt- liche Corps, für alle Regimenter erlassen werden. Jedes Linien-Regiment füllt seine vier Bataillons-Kadres, da hinter stellen sich die Reserve- und Landwehr-Bataillone auf, in dem einen Bezirk wie im andern. Wo es sich um Organisation und Bewegung von Millionen han delt, ein nicht zu unterschätzender Vortheil." Zum Schluß heißt es dann, daß es die höchste Zeit sei, zu untersuchen, ob nicht einzelne Theile der deutschen Armee erweitert und verstärkt werden müßten. Der selbe Gegenstand wird auch vom „Ham. Korr." in einem Aufsatz besprochen, den auch die „Nordd. Allg. Ztg." übernommen hat. In London ist seit einiger Zeit ein Ausstand unter den Dockarbeitern ausgebrochen, der sich in aller Stärke fühlbar zu machen beginnt. In den Londoner Docks ruht die Arbeit völlig. Das Haus Anderson, Ander son u. Co. hat 170 mit Maaren beladene Lichterkähne an dem South West Jndia-Dock liegen, aber es ist unmöglich, die Maaren an Bord der Schiffe zu be kommen. Neun große Segelschiffe cher N.'w-Zealand- Gesellschaft liegen ungeladen in diesem Dock. Der „Ruapehu" hätte schon am vorigen Dienstag mit 500 Auswanderern abfahren sollen, es ist aber noch immer keine Aussicht zur Abreise da. Aehnlich steht es mit den vor dem East Jndia- und dem Royal Albert- Dock liegenden Indien- und Chinafahrern. Die großen Dampfschiffsgesellschaften sehen sich zu entschiedenen Maßregeln genöthigt. Die Peninsular- und Oriental- Gesellschaft läßt gegenwärtig einen ihrer Dampfer in Antwerpen völlig befrachten und hat ihre eintreffenden Schiffe angewiesen, in Southampton zu löschen, wo sie auch wieder Ladung einnehmen werden. Dem Aus stande der Dockarbeiter und Schiffsstauer im Osten Londons haben sich nunmehr etwa 4000 Lichterschiff arbeiter und Hunderte von Kärrnern angeschloffen. Ganze Schiffsflotten liegen müßig. Fast alle Waaren- märkte ruhen, da die ankommenden Zufuhren nicht ausgeladen werden können. Namentlich der Produkten markt leidet. Die vom Festlande angekommenen Butter- und Schinkenvorräthe sind noch nicht ausge laden. Auch im Thee- und Zuckerhandel macht sich der AuSstand fühlbar. In den Docks thürmen sich die Maaren zu Bergen an und eine Menge Klagen wegen verspäteter Ablieferungen wird die Folge sein. Die Eisenbahngesellschaften haben bekannt gemacht, daß sie nicht für die Maaren haften. Von auswärts kommen keine Arbeiter an, und wenn diese Stockung noch lange anhält, wird die unter dem AuSstande stark leidende Geschäftswelt bald einen Druck auf die Dockgesell schaften auSüben, dem Ausstande durch Zugeständnisse ein Ende zu setzen. Die Ausständigen, etwa 30000 an Zahl, zogen von den West-Jndia-Docks wieder nach der Cup, um den Schiffsmaklern und Kaufleuten einen Begriff von dem Umfange des Ausstandes bei- zubringe». Bislang sind diese Kundgebungen ohne irgend welche Ausschreitungen verlaufen, allein die Be hörden lassen eS nicht an Vorsichtsmaßregeln mangeln, um etwaige Ruhestörungen schleunigst zu unterdrücken. Die Dockgesellschaften erklären, daß sie mit nur unbe deutendem Gewinn arbeiten und die Forderungen der Arbeiter auS diesem Grunde nicht zu bewilligen im Stande seien. DaS Elend der Ausstehenden, deren Verdienst, auch wenn sie Arbeit haben, stet» recht und gewiß ist, muß schon groß sein. Zu Hunderten wandern sie Nachts obdachlos in den Straßen deS Ostendes umher. — Dem Ausstande der Dockarbeiter haben sich auch andere Arbeiter zugesellt. So wird auS London gemeldet, daß die Arbeiter der Kohlenge- scllschaft von KingS Croß, einer der größten Kohlen handlungen Londons, auf die Aufforderung der aus ständigen Dockarbeiter, die sich zu dem Ende in ge ordnetem Zuge nach KingS Croß begeben hatten, am Montag die Arbeit ebenfalls niedergelegt haben. Ebenso sind die Arbeiter der großen BiScuitfabrik von Peek, Frean u. Co. dem Ausstande beigetreten. — Eine Meldung vom Dienstag besagt, daß der AuSstand der Steinkohlenträger der hauptstädtischen Zentralbahn höfe Kings Croß und St. PancraS sich auf die Kohlen niederlagen der „Great Northern Railmay" ausgedehnt hat. — Der Leiter der größten Gasfabrik, welche vier Fünftel Londons mit Gas versieht und etwa 50000 Straßenlampen speist, macht in der „Times" darauf aufmerksam, daß, wenn der gegenwärtige Zustand nicht bald aufhöre, London in Finsterniß liegen werde. Deutsches Reich. Ueber den Besuch des Czaren ist man noch ganz im Ungewissen. Von der Nachricht über eine in Berlin cingegangene „amtliche Anzeige," daß der Kaiser von Rußland bestimmt am 28. d. M. zum Gegenbesuch in Potsdam eintreffen werde, will man an allen maßgebenden Stellen, die doch unter richtet sein müßten, gar nichts wissen. Die Antwort lautet überall verneinend und in aller bestimmtester Art gerade in Potsdam. Auch wenn der Czar nur auf wenige Stunden und mit dem denkbar kleinsten Gefolge käme, müßten doch immer die obersten Hofämter davon unterrichtet sein, um irgend ein Ceremoniell auszu arbeiten, da ohne ein solches der Besuch eines fremden Fürsten gar nicht denkbar ist. Aber selbst dort scheint man am allersorglosesten zu sein, was durch die gerade gegenwärtige Beurlaubung von Beamten bewiesen sein dürfte. In der russischen Botschaft, wo noch vor einigen Wochen eine fieberhafte Thätigkeit in den Kaiserzimmern des ersten Stockes herrschte, liegt Alles im tiefsten Frieden. Wenn die Ankunft des Kaisers Alexander so nahe be vorstände, könnte wohl auch keine Beurlaubung im Botschaftspersonal erfolgen, wie es augenblicklich der Fall ist, indem der Botschäftsrath Baron von Budberg noch erst am Sonnabend vor Antritt seines Urlaubs Abschiedsbesuche machte. Die Nachricht von einer Zu sammenkunft in Stettin beruht lediglich auf Bermuthung. Es ist keineswegs zu bedauern, daß in Folge der neuen Spiritussteuer nicht mehr so viel Branntwein getrunken wird wie früher; aber während man bei Einbringung des neuen Steuergesetzes die Abnahme nur auf 15 Proz. veranschlagt hatte, beträgt dieselbe in Wirklichkeit viel mehr. Wenn man Deutschland mit 48 Mill. Einwohnern und 9,600,000 Haus haltungen annimmt, so kommen von dem zu Genuß zwecken in der Zeit vom 1. Juli 1888 bis 30. Juni 1889 versteuerten Spiritus (zusammen 2,352,000 Irl) auf eine Haushaltung 25 1 Spiritus (gegen 37^ 1 früher). Da nun aber zum Spiritus noch */z Wasser zugegossen werden müssen, wenn er genußfähig sein soll, so würde man 75 1 Trinkbranntwein für eine Haus haltung (gegen 112^2 1 früher) annehmen können. Auf den Kopf der Bewohner kämen sonach 25 1 Brannt wein (früher 371/2 1). Das ist eine hocherfreuliche Seite des Spiritussteuergesetzes. Daß trotzdem die Einnahmen des Staates aus der Steuer vom Trink branntwein größer sind als früher, wo mehr Brannt wein getrunken wurde, ist eine andere erfreuliche Seite. Wenn daraus die Opposition den Schluß zieht, daß der arme Mann für weniger Genuß mehr zahlen muß, so bedenkt sie nicht, welcher moralische Gewinn durch den verminderten Branntweingenuß dem Volke erwächst. Frankreich. Der vielgenannte Grenz-Kommissar Schnäbele, welcher 1886 von dem Berliner Kommissar v. Tausch wegen Spionage verhaftet und später wieder freigelafien wurde, ist an die Pariser Präfektur versetzt worden, um dort die Fremdenpolizei zu leiten. General Julion, der älteste der französischen Brigade- Generale, ist in Epinay im Alter von 91 Jahren gestorben. 1814 gehörte er zu den Gardes du Korps Ludwigs deS Achtzehnten und war seit 1840 Brigade- General. Er machte den spanischen Feldzug von 1825 mit und befehligte beim Ausstand von 1849 daS Pariser Stadthaus. Nach Wiederherstellung deS Kaiserreichs wurde er (4. Aug. 1852) «egen seiner ultraroyalistischen Gesinnungen in Ruhestand versetzt. Italien. DaS Bombenattentat, welches am 18. August auf dem Colonnaplatz zu Rom Schrecken verbreitete und einige Verwundungen zur Folge hatte, scheint dennoch nicht, wie die italienischen Blätter ge neigt waren anzunehmen, die bloße That eines Ver rückten gewesen zu sein. Der „Riforma" zufolge hat die am 21. August ei folgte Verhaftung deS der That verdächtigen unterstandslosen Arbeiters Frattini die Polizei auf die Spur einer zahlreichen, bisher unbe kannten Anarchistengruppe geführt, welche sich „Revo lutions-Kasino" nennt. Dänemark. Die geheimnißvoll, mit Ausschluß aller fremden Offiziere, nördlich von Kopenhagen unter nommenen Marineübungen sollen das Endresultat haben, daß ein Seeangriff auf Kopenhagen sowohl längs der seeländischen, als auch der schwedischen Küste gänzlich unmöglich sei. Das neue Fort bei Charlotten- lund, zwischen Kopenhagen und Klampenborg liegend, soll sich ausgezeichnet bewährt haben als strategischer Glanzpunkt in der modernen Küstenvertheidigung. Alle Angriffe, sowohl nächtliche als versteckte Torpedoversuche, wurden unfehlbar zurückgeschlagen. Das „Bcrl. Tgbl." meldet aus Kopenhagen, der Zar treffe Freitag früh in Fredensborg ein. Es giebt in Dänemark eine Partei, welche noch immer darauf rechnet, daß das Land die „abgetrennten Glieder" nach einem großen Kriege wieder mit sich ver einigen werde. Diese Bestrebungen werden von Blättern der Rechten lebhaft unterstützt, von den Zeitungen der Linken, namentlich dem „Morgenbladet," aber heftig bestritten. Letzteres Blatt schreibt u. A.: „Dänemarks Bestand ist durchaus entschieden bedingt von einem fried lichen Verhältnisse zu Deutschland. An dem Tage, an welchem wir uns auf großpolitische Abenteuer einlafsen und auf Deutschlands Niederlage bauen, wird Däne marks Todtenglocke geläutet. Wenn unsere Berech nungen fehl schlügen, wäre Dänemark damit aus der Zahl der Nationen ausgelöscht, und selbst wenn die be rechnete Niederlage wirklich kommen werde und wir einen augenblicklichen Erfolg erzielten, würde er nur von kurzer Dauer sein; wir würden in einen großpolitischen Brand geworfen werden, in welchem wir bald vernichtet sein würden. Und der Ernst der Lage, in der wir uns befinden, ist so groß, daß jede Zweideutigkeit, jedes Schwanken von unserer Seite das Schlimmste von Allem ist. Wir müssen wissen, was wir wollen, danach handeln und es vor allen Dingen unseren Nachbarstaaten klar machen, was wir wollen." Balkanftaatcn. Von Kreta treffen wieder ungünstigere Nachrichten ein. Trotz der Verkündigung des Standrechts und der Ankunft von Verstärkungen soll neuerdings im Distrikt von Kanea wieder Anarchie herrschen. Nach Berichten von dort verüben die Mohammedaner allerlei Greuelthaten. Christen und Muselmänner bekämpfen sich unaufhörlich. Felder, Weinberge und Häuser werden verwüstet; 5 Christen wurden im Distrikt von Kisamo getödtet. Diese Nach richten erzeugten große Aufregung in Griechenland. Wenn die Zustände fortdauern, dürfte vielleicht die dortige Regierung nicht verhindern können, daß griechische Freiwilligenkorps den Insurgenten Hilfe leisten. Griechenland. Aus Athen wird gemeldet: Am Montag wurden heftige Ecderschütterungen wahr genommen, die sich über ganz Griechenland erstreckten. Dieselben haben im Allgemeinen nur Schäden ohne Bedeutung verursacht, ausgenommen auf Patras und in Miffoloughi, wo einige Häuser eingestürzt, andere schwer beschädigt sind. Menschenverluste sind nicht vor gekommen. Rauchloses Pulver. (Aus dem „Deutsch!» Wochenblatt".) Frankreich hat schon zwei Mal durch geschicktes Ausnutzen technischer Neuerungen auf dem Gebiete des Waffenmachens seinem Heere ein Uebergewicht über die gegnerischen Streitkräfte gesichert, und durch den Schleier des Geheimnißvollen, welches sich über die neuen Erfindungen verbreitete, auf feindlicher Seite das Gefühl des Unsicheren hervorgerufen, welches man in keiner Weise auf theoretischem Wege fortzudrsputrren Vermochte. Im Feldzuge 1859 waren cs die versiegelt nach Italien gesandten gezogenen Geschütze, welche, ge schickt verwandt, wesentlich zum Erfolge der französischen Waffen beitrugen, im Jahre 1870 sollten die Mitrailleusen Gleiches leisten und erwartete man von den Chaffepots ein Wiederholen der Wunder von Mentano. Hatte man seiner Zeit mit gezogenem Ge schütze und Chaffepots die Führung auf dem Gebiete des Waffenwesens übernommen, so hat man auch jetzt wieder durch Einführung eines rauchfreien Pulvers für Gewehr und Geschütz seine Rivalen im Wettbewerb um die beste Waffe geschlagen und zunächst wrede-um die Führung auf diesem Gebiete an sich genssin. Allem Anscheine nach wird dieser Siez jedoch von nicht allzulanger Dauer sein. Die in Deutschland hoch ent wickelte Pulverfabrikation hat schon lange ihr Augen merk auf die Fertigung rauchfreien Pulvers gerichtet,