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«t» «beareiflicherweise da» Nundes-PrSsidium avtevnend ver- M. Do»kbar wird es begrüßt. daß die evangelischen Jung- kinasvereine zahlreich erscheinen und einen 25 Mann starken «ösannen^hor stellen wollen. Mit Freuden wird der Antrag begrübt und »um Beschluß erhoben, dah zum Sedansest« alle Kombattanten vvn 1870/71 freien Zutritt iu sämtlichen Ver- onstaltunsen im AuSstellunaSpalaste haben sollen. Auch die- jenigen aiten Krieger, welch« einem MilitärverelnSvcrbande nicht anaehören» sollen diese Vergünstigung geniesten. Das weitere Programm wird in der nächsten Wochensitzung er- läutert werden. — In den lebten Tagen find in einem Teile von Dresden, wie bereit» erwähnt, vereinzelte Fälle von Typhus und von Erkrankungen unter thpbusverdächtiaen Erscheinungen beob- achtet worden. Obschon ihre Zahl klein ist. habe» sie doch, wohl mit infolge der sofort angestellten Erürteru»gen über ihre Ursache und der zur Verhütung einer Writerverbreitung der Krankheit ge troffenen Vorsichtsmaßregeln, in dem betreffenden Stadtgebiete einige Beunruhigung hrrvorgerufen. Um von vornherein über triebenen Gerüchten und unbegründeten Befürchtungen vorzubengen, wich seitens de» Rate» darauf hingewiesen, daß vir Zahl der Er krankungen bisher insgesamt nur 16 betrügt, die sich auf 14 Haus haltungen verteilen. Da sie auf ein relativ sehr kleines Stadt gebiet beschränkt sind, so ist eS wahrscheinlich, daß sie durch eine gemeinsame Ursache hrrvorgerufen worden sind, die in dem Ge» nasse infizierter, von auswärts eingeführter Lebensmittel Milch, Obst. Gemüse, Backwaren oder dergleichen! zu suchen ist. Da gegen ist die auch laut gewordene Vermutung, die Erkrankungen seien aus das Wasser der städtischen Leitung zurückzuführeu, schon um deswillen als völlig unbegründet zurnckzuweisen, weil ja dasselbe Leitungswasser in allen Teilen der betreffenden Vorstadt und auch in den benachbarten Stadtvierteln getrunken wird, ohne dah dort Thphuserkrankungen ausgetreten sind. Cs liegt also nicht der geringste Anlaß zu einer Beunruhigung vor, zumal die Gesundheits-Polizeibehörde dieser Angelegenheit nach wie vor alle notwendige Aufmerksamkeit zuwendet und, wie bereits benierkt wurde, alle Maßregeln zur Verhütung einer Weiterverbreitnng der Krankheit getrosten hat. — Eine bemerkenswerte Verbesserung ist gegenwärtig an der nach der Marienstraße gerichteten Front des Hauvtvost- gebäudeS in der Ausführung begriffen. Tort war bisher an einem der Fenster des Kellergeschosses ein Briefeinwurf mit drei Oefinungen eingerichtet worden, wodurch die zu beiden Seiten d«S Halleneiugangrs ausgestellten Ständer-Briefkästen überflüssig wurden und daher beseitigt werden konnten. Trotz der inancherlet Hinweise ließ sich die Beobachtung nicht unterdrücken, daß dieser Einwurf beim Publikum sich nicht der wünschenswerten Benützung erfreute. Zum Teil mochte hierzu der Umstand beitragen, daß er hinter den vorspringenden Mauerschäften etwas versteckt ge legen war. Diesen Uebelstand zu beseitigen ist der Zweck der jetzigen Maßnahme». Es wird ein geschmackvoll hergestellter schmiedeeiserner Vorbau angebracht, der oben in vergoldeten Buch staben die Bezeichnung „Brief-Einwurf" trägt. Die bisherigen drei Einwurfs-Ocffnunaen sind beibchailen worden, wodurch gleichzeitig eine oberflächliche Sortierung der aufgcgebenen Post sendungen bewirkt wird. Die Sendungen gelangen direkt in die im Kellergeschoß befindlichen Abstempelungs-Räume, von wo aus sie durch Fahrstühle nach den oberen Geschossen gebracht und den Sortiersälen und Briefabfertigungsstellen überwiesen werden. — Im Gegensatz zur 1. Dekade des Jul i. die ungeheure Mengen von N r ede r > chl ä g e n brachte, war die 3. Dekade außerordentlich niederschlagsarm. Das Minus an Niederschlägen gegen das Mittel war so groß, das; in manchen Flußtälern nur eine oder «zwei Einheiten gemessen wurden, während normalerweise etwa 28 bis 30 Einheiten fallen. — Brausteuer, ergo 5 Pfg. mehr pro — Tasse Kaffee. DieLunzenauer Gastwirte sind mutige Männer. Nicht bloß, daß sie in Zukunft das Bier aus 0,4- statt aus OH^ttäsern schänken, dabei aber den alten Preis beibchaltcn, sie haben auch gleich die Gelegenheit der Braustcner benutzt, um den Preis für die Tasse Kaffee von 15 aus 20 Pfg. zu erhöhen. So bringen sie nicht nur die Bier-, sondern auch die Kaffeetrinker in Harnisch und beschwören noch dazu einen Sturm des — zarten Geschlechts gegen sich herauf. — Ein Bierkrieg ist nun auch in Döbeln von sozial demokratischer Seite «inaeleitet worden» nachdem jetzt vier Zchntel, statt fünf Zehntel - Liter Lagerbier für 15 Pfg. ver- rauft werden. Eine große Volksversammlung nahm nach sehr lebhafter Besprechung eine Resolution au, wonach die Bier- Verteuerung entschieden verurteilt wird und die Teilnehmer sich verpflichten, nur dort Bier zu trinken, wo kein Prcisaufschlag erfolgt rst. Falls der Bierboykott erforderlich wird, sollen dazu die nötigen Schritte getan werden. — Nach dem soeben erschienenen 8. Jahresbericht besuchten die Handelshochjchule zu Leipzig im Studienjahre 1905/06 720 Studierende. Davon waren 338 Reichsdeutsche und 382 Ausländer. Letztere überwoacn somit die Deutschen um 12 Prozent. Vom Auslande war Rußland mit der größten Anzahl von Hörern vertreten s217>, dann kam Oesterreich- Ungarn mit 84 und Bulgarien mit 25 Studierenden. Die meisten Besucher slllj standen im 20. Lebensjahre, 86 im Mter von 26 bis 30 Jahren. Augenfällig verschieden war das Alter der Studierenden im Verhältnis zu 'hrcr Nationalität. Während von den 111 Zwanzigjährigen 72 Ausländer und 39 Deutsche waren, war das Verhältnis bei den Sechsund zwanzig- bis Dreißigjährigen gerade umgekehrt, 23 Ausländer und 63 Deutsche, ein Beweis, daß die Ausländer viel zeitiger reifen. Das größte Kontingent zu den Besuchern stellten die Abiturienten von höheren Handelsschulen, wobei die Ausländer wiederum bedeutend iiberwogen, während van den an zweiter Stelle stehenden Kausleuten mit Einjähria-Freiwilligcn-Zeugnis das deutsche Element stark nbcrwoa. Von den Vätern der Studierenden waren gerade die Hälfte s360> selbständige Unter nehmer im Handel, Bankwesen und Großindustrie und nur 10 Unterbcamte. Die Handelswelt rekrutiert sich somit vor- nehmlich aus eigenen Kreisen. — Leipzig. 3. August. Gestern abend wurde hier auf Ersuchen der König!. Staatsanwaltschaft Guben der bei der Güterabfertigungsstelle des preußischen Bahnhofs Plagwitz Lindenau stationierte Bahnassistent Adalbert Theophil Piat kiewicz aus Benschen in Schlesien wegen Mordversuchs gegen seine geschiedene Ehefrau festgenommen. — Nachdem er in Zwickau einen Diebstahl von 2000 Mark in Gold und Silber verübt, ist gestern der 1878 in L.-Volkmarsdorf geborene Geschirrführer Gustav Bruno Alfred Fiedler flüchtig ge worden. Er ist 1,68 Mieter groß, schmächtig, hager, blaß, blond, hat blondes Schnurrbärtchcn, fuhrt vermutlich Land sturmschein auf den Namen Rudolph Woldcmar Pötzsch, geb. am 23. 10. 86 zu Zwickau, bei sich. — Leipzig, 3. August. Wie alljährlich, seit den Zeiten König Augusts des Starken, hielt die von diesem privilegierte Le i pz i ge r F i s cher i n n u ng heute am 3. August wiederum ihren festlichen Umzug durch die Stadt mit den üblichen Fahnen- saluten vor den Gebäuden der Behörden. Die stattliche, in der schmucken weißen Fischerklcidung marschierende Schar führte Herr Fischerobcrmeister Linke an. Nachmittags fand bei großem Zulauf des Publikums Aalringcn und Wasscr- pantomime in dem gegenüber dem Mückenschlößchen liegenden Teiche statt. Abends beschloß in ./Stadt Nürnberg" Ball die Festlichkeit. -- Die Buchdrucker<snnung in Leipzig beschloß, bei der Regierung ihre Auflösung zu beantragen, da man Zwangs- Innungen für ungeeignet halt, als Grundlage für die Zu- lammenfallung der Gewerbe zu dienen. Sie wird voraussichtlich in einen freien Berufsverein des deutschen Buchdruckcrgewcrbes umgewandelt werden. — Der Bezirksausschuß der AiiitShauptmannschaft Leipzig nahm hinsichtlich der Einverleibung von Möckern, Stunz, Stötteritz, Probstheida. Dösen und Dölitz in seiner gestrigen Sitzung eine ablehnende Stellung ein. — Der Verband derStudierendenan derBerg akademie Freiberg hatte eine allgemeine Studenten Versammlung einberufen, die jedoch nicht stattfinden konnte, weil die Polizei wegen zu später Anmeldung die Genehmigung ver lagt hatte. Gegenstand der Verhandlungen sollte «ine Be sprechung des Vorgehens der dortigen Polizei gegen einige Studenten sein. Auf einen Vorschlag des in der Versammlung anwesenden Rektors Oberbergrats Professors Dr. Papperitz, der eindringlich zur Ruhe und Besonnenheit mahnte, wurde die Einberufung einer neuen Versammlung bis zum Beginn de» neuen Studienjahres vertagt. — In F al ken a u bei Flöha wurde der Grundstein gelegt zu einer Turnhalle nebst Kegelbahn. Diese Halle, für Schule. Feuerwehr und Turnverein bestimmt, läßt die Baumwollspinnerei Georg Liebermann aus eigenen Mitteln erbauen. Die Kosten dürsten 35000 kllkk. betragen —> I» Neustadt i. Sa. beging am 1. Agaust der Privatus Friedrich Gustav Lehmann in körperlicher und geistiger Rüstigkeit sein fechzigjähriges Bürger- I u b i l ä u »>. — Der Baunntrrnehmrr Ritsche aus Burkau bei Bischofswerda ist Donnerstag abend in der 11. Stunde auf der Straße zwischen Schönbrunn und Burkau tot anfaesnnde» worden. Ritsche hat aus dem Rade nach Hause fahren wollen, ist jedoch auf bis jetzt noch unerklärliche Weise vom Rade gefalle» und infolge SchädelbruchS verstorben Der Verunglückte ist erst 34 Jahre alt und hlnterläßt eine Witwe mit zwei noch uiicrzoge- nen Kindern. — Kamenz, 3. August. Gestern fand im benachbarten Cunnersdorf auf einem vom Rittergutsbesitzer v. Lippe zur Verfügung gestellten Terrain die feierliche Grundsteinlegung zu der e v a n g e l i s ch e n K i r ch e statt. — Innerhalb weniger Tage sind seitens sammelnder Kinder weit über 20 000 Nonnensalter auf dem hiesigen Rathause abgegeben und die Prämie von 1 Pfg. für ie llO Exemplare ausgezahli worden. Goldene Worte an die deutschen Stndenten. Der bekannte Volkswirtschaftslehre! Professor Dr. Adolf Wagner schreibt anläßlich des 25jährlgeil Jubiläums des Kysshäilser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten unter der Ueberschrist: „Freuet Euch des Deutschen Neiches!" in den „Akademischen Blättern" fol gendes : .Lasset Euch die Freude am neue» Reiche nicht ver derben ! Seid dankbar für das, was Ihr ^inn schon als festes Besitztum, wie etwas »selbstverständliches, anseht, und was doch Eure Väter nicht zu erhoffen wagten. Lernt aus der Geschichte, wie es vor 1866, seit 1815 und vordem jahrhundertelang bei uns aussnh. Vergleichet damit die Gegenwart, vergleichet die Stellung, die das unter Preußen geeinte, iveniigleich nur drei Viertel unserer in Mitteleuropa zusamiueuhängeud wohuendcu Volksgenossen umfassende neue Reich in der Welt einniiiimt, mit dem Janiinerbilde des alten Reiches. Vergleichet die inucre Ent wicklung, die wirtschaftlichen, die sozialen, die Kulturverhältnisse bei uns in der Gegenwart mit denen jedes anderen Gemciinvcsciis auf der Erde, auch der mächtigsten und blühendsten Kulturslanten unserer Zivilisation. Dann werdet Ihr stolz und dankbar sein, in dieser Zeit zu leben, wo der Deutsche wvhl sagen darf: „Es ist eine Freude und ein Stolz, Deutscher zu sein". Gewiß, es ist nicht alles ideal bei uns. Aber wo ist das aus der Welt anders'/ Es ist Kritik zu üben an mancherlei, an Kleinem und Großem. Es ist niemals zu rasten, niemals mit allem einfach zufrieden zu sein. Es ist stets mit Eifer an Verbesserungen im nationale» und sozialen Zusammenleben, au Recht und Sitte, an Reich und Ge sellschaft fortzuarbeiten. Aber- es ist doch »imuicr bloß zu kriti sieren, nimmer sich einzubildcu, daß dies die „wahre Leistung" sei, wahrend es bestenfalls nur den Boden dafür ebnet, die Bahn dafür eröffnet, die Richtung dafür cmzcigt. Auch hier muß die positiv nnfbauende Arbeit immer erst yinzukommen. Die kan» aber freilich nur langsam, planmäßig, wohlüberlegt, besonnen erfolgen, iw feste» Anschluß an Kaiser und Reich, im Vertrauen zu seinen leitenden Autoritäten, i» williger Ucbcrilahiiie der Pflichten und Lasten, auch an Blutstener und Gcldstener, die ein großes Gemeinwesen einmal nnoermcidlich tragen muß, in der Unterordnung eines jeden als Glied uutcr die Ziele der Gemeiu- schast, mag eS sich ui» die Ausdehnung und Verstärkung der deut schen wirtschaftlichen und politischen Machtstellung im Kreise der Völker und Staaten, in der Weltwirtschaft oder um die innere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung Handel». Kom- »itlitonc»! Ihr nennt Euch mit Recht und mit Stolz „deutsche" Studenten. Gedenkt der Pflichten, welche Euch dieser Name aufcrlegt. Hütet Euch vor den Extremen, dem Byzanti nismus nach oben, aber nicht minder vor dem heute mehr verbreiteten und »och gefährlicheren nach nuten, vor dem br aue m e n Philistertum, das alles gehen läßt, wie cs will, wie vor dem phantastischen Jagen nach utopischen Zielen. Seid dankbar für das, was Eure Väter errungen, feiert demütig und dankbar gegen Gott die drei großen Tage des 3. Juli l866, des 2. September 1870, des 17. Oktober I88l, den schmerzlichen, aber notwendigen Tag von Königgrütz, de» herrlichen Trinniphtag von Sedan, den fast noch herrlicheren der kaiserlichen Botschaft, wo der Sieger von Sedan, der da einst gerufen: „Welch eine Wen dung durch Gottes Fügung!", das soziale Evangelium verkündete von der Pflicht von Staat und Gesellschaft auch zu sozialer Hilfe, worauf die dieser Bedürftigen Anspruch hätte». Dieser sozialen wie der dcutschnntiounlcn Gesinnung huldiget offen, frank und frei. Und nochmals: Freut Euch des Reiches, in dem erst für die prak tische Betätigung solcher Gesinnung der Boden bereitet, aber auch der Erfolg gesichert ist. Das rufe ich Euch an den Tagen Eures Kysshäuserfcstes zu." Die konservative „Deutsche Tagesztg." bemerkt hierzu: „Das sind in Wahrheit goldene Worte, die nicht nur denen gelten, an die sie unmittelbar gerichtet sind, sondern der gesamten deutsche» Studentenschaft. Sie verdienen iiin so mehr Beachtung und Be herzigung, als unsere studierende Jugend teilweise einem philiströsen Pessimismus oder einer verhängnisvollen völkischen Gleichgültig keit zu verfallen droht. Wie sehr die Warnung vor dem Byzantinismus am Platze ist, das weiß jeder, der die Eigenart der beiden letzten Jahrzehnte kennt." Das Horoskop für Rntzlari- stellt die „Tägl. Rundsch " aus Grund der zunehmenden Um botmäßigkcit im Heere und in der Flotte in Form eines inter essanten Vergleichs mit der sranzösifchen Revolution folgender- maßen: „Die Entwicklung der Dinge in Rußland bietet seit Jahr und Tag erschreckende Analogien und Parallelen zu den Ereignissen der großen französischen Revolution Blättert man iu Taines Schilderungen jener Schrcckenszcit so drängt sich das noch ganz besonders auf durch die mogffk- artige Darstellung, die, Stcinchen an Stcinchen, Einzelheit an Einzelheit fügend, sich oft liest wie russische Berichte von heute Die gefährlichsten von allen diesen Parallelen sind aber die. die sich bieten, wenn man hier und dort die Zustände und die Entwicklung im Heere betrachtet. Wehe dem Hause Romanow, wenn diese Entwicklung so wie bisher fortfährt sich zu gleichen. „Welche Gewalt," jo beginnt Taine seine Schilderung des Verfalls der bewaffneten Macht, „hat man der allgemeinen Erhebung entgegenzusehcn? Die 150 000 Menschen, welche die Ordnung aufrecht haften sollen, sind ebenso gestimmt, wie die 26 Millionen, welche unter dieser „Ordnung" zu leiden haben, und dieselben Mißbräuche, Ab neigungen und andere Ursachen, welche die Auflösung der Nation herbeiführen, lösen auch die Armee aus." So entsteht die gefährliche Frage: „Welches Los ist besser, das des Sol- datcn oder das des Rebellen?.... Unter so bewandten Um ständen wäre es besser, wenn der Soldat nicht nachdächte. Aber die Offiziere geben ihm gerade das Beispiel zum Nachdenken. Auch sie sind oppositionelle Politiker geworden. Einige Jahre vor der Revolution räjonnierte und beschwerte man sich schon in der Armee: die neuen Ideen gärten in den Köpfen, und zwei Regimenter korrespondierten miteinander." Das sind die von Taine zitierten Worte eines Augenzeugen der großen Revolution. Lesen sic sich nicht wie ein Stimmungsbcricht aus dem heutigen Rußland? Man weiß, wie cs wcitcrgcht. Die Organe der Gewalt entziehen sich immer vollständiger ihrer Pflicht, der Ungehorsam des Volkes bemächtigt sich der Trup- pen. Abteilungen der Garde verweigern den Dienst. „Alle Patrioten scharen sich um sie, zahlen ihnen Wein und Eis, verleiten sie in Gegenwart der Offiziere zur Desertion." Sie sind für die Disziplin verloren, bilden geheime Gesellschaften verpflichten sich, nichts gegen die Revolution zu unternehmen Am Morgen des verhängnisvollen 14. Juli sind von je sechs Bataillonen der Garde fünf abgefallen. Die Gewalt, die man zur Niederwerfung der Revolution entsendet, schließt sich ihr an. Aus den Verteidigern der Regierung werden ihre Be zwinger, aus den Soldaten des Monarchen seine Gefängnis Wärter und Wächter, endlich seine Henker. Taincs Geschichts schreibung erweist sich hier so recht nach Schillers Wort als rückwärts gewandte Prophetie, die düster dräut: „Ist dieser Damm einmal durchbrochen, gibt es keinen weiteren D-amm mehr, und die Ueberschwemmung ergießt sich wie über «ine ununterbrochene schiefe Ebene."- Im übrigen wird über di« Vage noch gemeldet: Die Berhandlnngen über den Eintritt von Nicht- ureaukraien in das Kabinett sind ins Stocken ge- raten. Gras von Heyden ist auf seinen Landsitz abgereisi. Tie Meldung, »ach der zur Teilnahme an der Sitzung des Miniffcrrates Mitglieder des Reichsrates und Nichl»Bureaukraten hinzugezogen werden tollen, erweist sich als unbegründet. Nach einer Moskauer Blättermeldung ist der Mörder des Deputierten Herzenslein ein russffcher Gendarm, namens Nischeikin, welchen zu verhaften der örtlichen finnischen Polizeibehörde gelungen fein soll. Während der Tätigkeit in der Reichsdnma erhielt Herzenjtcin zahlreiche Drohbriefe. Am Tage vor der Ermordung wurde ihm sein von der Geiellschaft zur Bekämpfung der Anarchie und Revolution unlerzeichncles Todesurteil zugeslellt. Tie in Moskau erscheinende reaktionäre Abendzeitung Masut" verzcichnete das Gerücht von Herzen- teins Ermordung bereits acht Stunden vor dessen Tode. Die militärische Bewachung der Straßen und öffentlichen Gebäude Petersburgs, darunter der Post-, Tele- araphen- und Telephonämter, ist erheblich verstärkt worden. Seit vorgestern abend wird die Newa nachts von einem aus der baltffchen Werst liegenden Kreuzer aus durch Schein werfer beleuchtet. Die dort ankernden Kriegsschiffe und Jachten erhielten Befehl, sich in voller Kainpsvereitfchast zu halten. Von der deutsch-russischen Grenze wird gemeldet, daß die Vor kommnisse in Russisch-Polen die preußische Regierung veranlaßte», sofort die Konzentration von Gendarmerie an der Grenze anzuordne». Auch aus der russischen Seite ist der Wachdienst verstärkt worden. TnjieSlleschichte. Koloniales. Gouverneur v o n P n t I k a m c r hat einem Bericht- rstattcr des „Berliner Lokal-Anzcigers" in Bayreuth erklärt, daß er niemals in irgendwelcher Form Ebrcnantcilicheine oder Anteilscheine von Kameruner Gesellschaften erhallen habe oder bei diesen unter irgend einem Vorwände auch nur im gering sten beteiligt gewefen sei. Tie eidliche» Auslassungen der Vorstände und Beamten aller Kameruner Gesellschaften würden die Haltlosigkeit der gegen ihn von feindlicher Seile ausgc- trenien Beschuldigungen ergeben. Zu der Behauchung, daß er im Falle, daß der Disziplinarhos aus Dienstentlassung er kennen sollte, eine hochdotierte, leitende Stellung in einer der jenigen afrikaniichen Gesellschaften einnchmcn würde, die ihm als Gouverneur von Kamerun nahegcstanden haben, bemerkte Herr von Puttkamer, daß er mit keiner der Gesellschaften einen sich hieraus beziehenden Vertrag abgeschlossen habe, daß hierüber nicht einmal Vorbesprechungen statlgcfunden hätten. Vor einer Reihe von Jahren, als noch niemand eine „Assäre Puttkamer" ahnte, habe ihm der Fürst Hohenlohe-Oehlingen, der Präsident der Nordkamcruner Gesellschaft, scherzhaft geiagt, dah, wenn er nicht Gouverneur von Kamerun wäre, er eine vortreffliche Kraft sür die Nordkameruner Gesellschaft sein könnte. Er habe aber erwidert, daß er eben Gouverneur von Kamerun sei. Das sei alles, was sich aus seine eventuelle Uebernahmc einer leiten den »Stellung in einer afrikanischen Gesellschaft beziehe. Was den bis znm lleberdruß behandelten Fall Eckardtstein betrifft, so dürfte das Disziplinarverfahren. über dessen Gang er keine Aussagen machen dürfe, volle Aufklärung bringen. Die „Hamb. Nachr." lassen sich von ihrem oft gulunter- richtcten Berliner Mitarbeiter schreiben: „Ta das Bekleidungs- Wesen der Schutztrupve feit einiger Zeit ausschließlich dem Oberkommando untersteht, handelt es sich, auch abgefcken von der Persönlichkeit des Verhafteten, formell ausschließlich um eine Angelegenheit der Schutztruppe und nicht um eine wiche der Ko l o n i a l a b t e i l u n a. Ganz von der Mitverantwortlich keit an der Entwickelung des SYstemsFisch er -Tivvels- kirch ist die letztere indessen insofern nicht sreizusprechen, als dieses in dem vor einigen Monaten in den Ruhestand über- getretcnen, bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt nahezu allmächtigen Wirklichen Geheimen Legationsrat Hellwig einen Protektor gehabt hat, dessen Autorität jeden Widerspruch von vornherein wirkungs- und aussichtslos machte. Er hielt mit großer Zähigkeit an dem Herkommen fest und vergaß, daß, was unter kleineren Verhältnissen sich bewährt hatte, den größeren einer neuen Zeit nicht mehr zu entsprechen brauchte. »So war der Hauptmann und spätere Major Fischer, der von Anfang an das Äusrnstun-gswesen der Schutztruvpen geleitet hatte, sür ihn ein für allemal und ohne Kontrolle der entscheidende Sach verständige in allen einschlägigen Fragen. Bedenken, die der Fischcrschcn Praxis gegenüber innerhalb des Amtes gelegentlich austauchtcn, wies Hellwig als lächerlich zurück. Für das Schick sal des Majors Fischer wird von entscheidender Bedeutung »ein, welches Ergebnis die Untersuchungen über die Qualität der von der Firma Tippelskirch u. Eomp. gelieferten und von Major Fischer abgenommenen Ware, soweit solche noch jetzt möglich sind, haben werden." Der Mitteleuropäische Wirtschastsverein der Verein in Oe st erreich-Ungarn zu rechnen hatte, läßt sich der Geschäftsbericht wie folgt vernehmen: „Leider. waren, wie im Vorjahre, so auch wahrend des Zeitraumes, über den wir hier zu berichten haben, die inncrpoliiijchen Verhältnisse im nachbarlichen Donaureiche nichts weniger als ruhiae und geklärte. Der Vcrfassnngskonslikt in Ungarn hat die Aufmerkiamkeit aller am öffentlichen Leben beteiligten Kreise dieses Landes derart in Anspruch genommen, daß von einer Betätigung des Mitteleuropäischen Wirtschastsverclns in Ungarn im Dienste der gemeinsamen Sache noch nickst die Rede sein konnte. Die gespannten Verhältnisse in Transleithanicn haben auf Cislests anien u. a. insofern ungünstig zurückgewirkl, als die Ratifikation der bereits geschlossenen Handelsverträge längere Zeit in Frage gestellt war, der Abschluß neuer Ver träge hintangrhalten wurde und außerdem die Frage der Rege lung des wlrtschastspolitijchen Verhältnisses zwischen den beiden Reichshälften, die Frage: „Zollbündnis oder Zoll trennung?" einen lähmenden Einsluß ausnlste. Der ungariiche Konflikt ist nunmehr beigelegt und die Bahn sür eine inter nationale Betätigung der Vereine somit frei geworden. Es steht zu hoffen^ daß demnächst Vertreter der drei Mitteleuro päischen Wirtfchastsvereine in Deutschland, Oesterreich und Ungarn zu einer Beratung über verschiedene Angelegenheiten ein erstes Mal zusammentreten werden. Ein Meinungsaus tausch hierüber ist zwischen den Geschäftsstellen bereits in die Wege geleitet." Tic vorstehend angekündiglc erste, K onserenz der internationalen Komitees der drei Wirtschastsvcreine wird am 26. und 27. Oktober in Wien stattsindcn. Deutsches Reich. Gegen den Personalrcferentcn der Kolonial abteilung Geh. Rat ».König wird, wie man der „Tägl. Rund- schau" berichtet, ein Disziplinarversahren «inaclcitcl. In der Untersuchung gegen Major Fischer ist, nach dem „B. T". bereits eine große Anzahl von Zeugen vernommen worden, in erster Reihe v. Tippelskirch selbst, sodann Frau v. Tippelskirch. ferner Angestellte der Firmn, und schließlich mehrere Personen, zu denen Major Fischer in näheren Be ziehungen gestanden hat. Gegen «inen Vorschlag, am 31. August, dem Todestage Lassallcs, oder am 2. September, dem Scvantage, wieder große Wahlrechts - D e in o n st r a t i on s v c r j a in m l u n ge n zu veranstalten, schreibt die sozialdemokratische Magdeburger „Volksstimme": „Wir können diesem Vorschlag keinen Ge- schmack abgewinncn. Man kann doch nicht bis in alle Ewigkeit Prolcsl'vcrfanimlnngcn abhalten, denn diese machen um so weniger Eindruck, ic oster sie wiederholt werden, und schließlich werden es auch die Arbeiter müde, immer dasselbe zu Horen und dasselbe zu beschließen. Wir glauben zwar auch, daß im Verlauf der Wahlrechtsbewegung noch Versammlungen not wendig werden, aber dieie müssen zu gegebener Zeit abgehaltcn werden, wenn die Silualion cs crioroerl, und nicht an irgend einem beliebigen Kalendertage, der dazu noch im Hochsommer liegt. Im übrigen sollte doch der bisherige Verlauf der Wahl- rcchtsbcwegung fo viel bewiesen haben, daß mit Protestvcr- fammlungen in ein paar Großstädte» das preußische Wahlrecht nicht abgeändcrt wird. Vorläufig hat unsere Wahlrechts!»- Dresdner Nachrichten. Br. SIS. Seite 3. Sonnabend. 4. Sagost L30«