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Beilage zum „Elbeblatt und Anzeiger". MZ>2. Donnerstag, den 2. Mat 1878. 81. Jahr-. betreffend das Auftreten des Koloradokäfers -ei Mülheim a. Rh. und bei Schildau und die zu dessen Vertilgung ergriffenen Maßregeln. ä.. Umfang der Jnfection. Fünf Wochen nach dem ersten Austreten des Kolorado-Käfers bei Mülheim a. Rh. wurden da selbst am 27. Juli vorigen Jahres neue Spuren desselben entdeckt und zwar zunächst 40—SO Larven verschiedener Größe aus einem von dem ursprüng lichen Jnfectionsheerde etwa 28 Meter entfernten Kartoffelacker. Ungefähr 80 Meter weiter zeigte sich am 30. Juli eine zweite Freßstelle. Von einer mit 30—3K voll wüchsigen Larven besetzten, und von diesen bis aus die Blattrippen abgefressenen Kartoffelstaude aus, wurden die an anderen in der Nähe befindlichen Stauden haftenden Larven, deren Gesammtzahl auf annähernd 350 sich schätzen ließ, mit der fort schreitenden Entfernung ganz aümählig kleiner, bis die am Weitesten entfernten nur die Größe eines Stecknadelkopfes zeigten, mithin auf ein Alter von nur etwa 2 Tagen hindeuteten. In der Fortsetzung der so festgestellten und durch Markirung aller iuficirten Kartoffelstauden genau sichtbar gemachten Freßlinie der ihrer Größe wie ihrem Alter nach in ununterbrochener Reihe abnehmenden Larven wurden hintereinander vier Packete mit im Ganzen etwa 150 Eiern, und dann in einer Entfernung von 4 Fuß von dem letzten dieser Eierpackete der weib liche Käfer gefunden, von welchen offenbar die ganze angegebene Brut herrührte. Entwickelte Puppen ergab die sorgsame Auf schüttung des Erdbodens an denjenigen Stellen, an welchen die vollwüchsigen Larven auf den Kartoffel pflanzen gefunden worden waren nicht, wohl aber hatten sich bereits 8 Larven unter die Erdoberfläche begeben, und sich daselbst in einer Tiefe von 14—15 Centimetern ihr Puppenlager eingerichtet, ohne jedoch die Umwandlung in die Puppe selbst schon vollzogen zu haben. Der Weg, welchen der Mutterkäfer — nach der Entwickelungsstufe der Larven und Eier zu urtheilen in 24 Tagen — zurückgelegt hatte, betrug eben so viele Schritte. Am 3. August v. I. entdeckte der Besitzer eines bei Schildau (Kreis Torgau) gelegenen, den Probst- Hainer Feldmarken angehörigen Kartoffelfeldes an einer bereits stark befressenen Stelle dicht bei einander 50 bis 70 lebende Exemplare und an den folgenden Tagen bis zum 8. August bei wieder holter Absuchung des Feldes regelmäßig 4—5 Exem plare des Kolorado-Käfers, welche er sofort durch Zerdrücken- oder Zertreten tödtete. Bei den in Folge der Anzeige des Vorfalles eingeleiteten amt lichen Ermittelungen wurden am 9. August ferner 10, am 10. August noch 6 Exemplare des Käfers, und außerdem am 10. und 11. August bei den durch hierzu requirirte Militär-Mannschaften ausgeführten Durchsuchungen des Feldes Eierpackete aufgefunden, welche, in sehr großer Zahl an den Kartoffelblättern abgesetzt, gleich den zuletzt entdeckten Käfern an den verschiedensten Stellen des Feldes sich befanden Aus einigen derselben waren soeben die noch ganz' kleinen und haufenweise vereinigten Larven hervor gegangen. Außerdem fand sich in nächster Nähe der acht Tage zuvor von zahlreichen Käfern befressenen Stelle eine einzelne, 4—5 Tage alte Larve, wäh rend ein auf mindestens 20 Quadratmeter ausge dehntes Ausschütten des Bodens mittelst des Spa tens in der Umgegend der oben erwähnten Freß stelle zur Auffindung von Puppen nicht führte. Die durch diesen Tatbestand als wahrscheinlich begrün dete Annahme, daß der offenbar seit mehreren Wochen schon bestehende Jnfectionsheerd nicht der einzige in der dortigen Gegend sei, erhielt bald ihre Bestätigung. Bereits am io. August würde eine zweite Freß stelle in einem ungefähr 20 Minuten entfernten Kartoffelacker m der Flurmarkung Langen-Reichen- bach-zur Anzeige gebracht. Die Absuchung des nur '/» preußischen Morgen großen» mit dürftigen Stau den besetzten Feldes hatte an demselben Tage die Auffindung von 14 Käfern zur Folge, während am 12. August außer noch mehreren anderen Käfern Hunderte von je 60—70 Eier enthaltenden Packetcn — in einer Ecke des Feldes an jeder Staude, stellenweise sogar Blatt um Blatt — demnächst auf Larvcnheerde von größerem Umfange vermit telt wurden. Noch an demselben Tage stellte sich die Jnfec tion eine» dritten, zwischen den beiden letzgenannten etwa in der Mtte liegenden, in den Fluren des Dorfes Probsthain belegenen Kartoffelfeldes heraus und bis zum 8. September v. I. stieg die Zahl der in de« Feldmarken von Probsthain, Langen- Reichenbach und Schildau ermittelten inficirten Grundstücke, welche theils in größerem, theil» in geringerem Umfange mit Käsern, Larven und Eier- packeten besetzt waren, bi» auf siebzehn. v. Schutzmaßregeln. Von dem bei dem erstmaligen Auftreten des Jnsects zu Mülheim a. Rh. angewandten Vertil- gungsverfahren ist in den späteren Fällen insofern abgewichen worden, als zum Abbrennen des Kar toffelkrautes statt des Petroleums, und ebenso zur demnächstigen Desinfektion des Erdreiches statt der Kalilauge Benzol zur Anwendung gebracht worden ist. Man hat nämlich bei der zweiten Heimsuchung der Mülheimer Fluren 1. die der Vernichtung preisgegebene Fläche Kartofsellandes mit einem SO Cm. tiefen und 40 Cm. breiten Graben umgeben, 2. Sohle und Wände des Grabens mit Roh- penzol besprengt, 3. das grüne Kraut durch Feuer vernichtet, wo bei als Brennstoff mit Benzol getränkte Säge späne dienten, 4. demnächst die abgebrannten Flächen sehr sorg fältig umgegraben, und etwa vorhandene Puppen aufzufinden und zu vernichten, 5. sodann die Ackerkrume des ganzen Feldes mit Benzol getränkt, zweimal tief gegrubbert und schließlich scharf eingeeggt. Für die Wahl des Benzols war die Annahme bestimmend, und zwar: a. beim Abbrennen des Kartoffelkrautes: daß Benzol länger und besser brenne, und eine intensivere Hitze entwickele, gleichwohl aber erheblich billiger sei, als Petroleum, k. bei der Desinfektion des Bodens: daß Kalilauge, welche die Puppen des Käfers nur im Falle unmittelbarer Berührung zer störe, nicht bis zur Tiefe des Puppenlagers m das Erdreich eindringe, daß vielmehr die Puppen nur durch Entwickelung tödtlicher, die Hohlräume des Erdreiches erfüllender Gase, namentlich der Produkte der Theer- destillation (Schwefelkohlenstoff, Theeröl, Roh benzol und Rohnaphtalin) erreichbar seien, wobei die Schädlichkeit des Einflusses der Theer- producte auf die Fruchtbarkeit des Bodens nicht un erwogen geblieben ist. Von der Ausführung eines ferneren Vorschlages: den Boden mit Schwefelkalium oder Schwefel calcium, alsdann aber verdünnte Schwefel säure nachzugießen, ist aus dem Grunde abgesehen worden, weil es zweifelhaft erschien, ob die durch Verbindung jener Stoffe beabsichtigte Erzeugung von Schwefelwasser stoff, welcher die Puppen zerstören würde, in der Ackererde hinreichend wirksam sich vollzieht. Im Uebrigen haben die dargestelltcn Maßregeln im Laufe des gegen die inficirten Kartosfelpflan- zungen der Feldmarken Schildau, Probsthain und Langen-Reichenbach in's Werk gesetzten Vertilgungs verfahrens insofern noch eine weitere Abänderung erfahren, als man hier das Kraut der von dem Jnsecte befallenen Felder in der Regel nicht abge brannt, sondern mit der Sichel abgcschnitten, in Körbe geschafft, hierauf in tiefe Gruben untergebracht, durch aufgegossenes Benzol des- inficirt und eingestampft, demnächst aber die Grube mindestens 70 Cm. hoch mit Erde bedeckt hat. Bei zahlreichem Vorkommen des Jnsectes wurde außerdem die betreffende Ackerfläche selbst fumgepflügt, mit dem Exstir pator gelockert, mit Benzol getränkt und durch Eggen wieder eingeebnet. Q Ursprung der Jnfectionen. Die Bemühungen zur Ermittelung des Ursprunges der Jnfectionen bei Schildau sind bisher erfolglos geblieben. Nur so viel ließ sich aus dem Thatbe- stande schließen, daß es sich hier nicht um eine erst vor Kurzem erfolgte Einschleppung handeln könne. Die in großer Zahl angetroffenen Käser mußten vielmehr offenbar aus Larven hervorgegangen sein, welche fthon S bis 6 Wochen vorher daselbst wirk sam gewesen und einem bereits zu Anfang oder Mtte Juck vorhandenen Weibchen entsprossen waren. Die zweite Jnfection bei Mülheim anlangend, hat man es wr nicht zweifelhaft angesehen, daß die selbe von Käfern herrühre, deren Puppen am 29. Juni diese» Jahre» durch die Bearbeitung des Bodens nicht zu Tage gefördert, und auch von den Wirkungen der nachfolgenden Desinfektion de» Erd reiche» nicht berührt worden waren. v. Beobachtungsresultate. Al« Ergebniß der bei den obenerwähnten In- sectionen angestellten Beobachtungen ist Nachstehen des verzeichnet worden: 1. der Kolorado-Käfer setzt die Eier auf den Sartoffelpflanzen stets auf der unteren Seit« des Blattes und -war auf den näher an dem Fuß der Pflanze al» an der Spitze derselbe« befindlichen Blättern ab. Demgemäß erfordert die Auffindung der Eier und der kleinsten, an dem unteren Theile der Pflanze befind lichen Larven ganz besondere Sorgfalt, 2. die Eierablage geschieht in einer gewissen Reihenfolge, so daß, wenn man beim Beginne einer Jnfection den verschiedenen Entwickelungs stufen der Larven und Eier folgt, und die betreffenden Stellen durch Stangen kennzeich net, die Auffindung sowohl der Stellen, an welchen die Puppen sich bereit» in der Erde befinden, als auch des Mutterkäfers selbst verhältnißmäßig leicht, ist, 3. der Käfer wählt für seine Nachkommenschaft meistens besonders kräftige Pflanzen aus. 4. Anscheinend verlassen die Larven die Mutter pflanze nicht, so lange ihnen dieselbe noch Nahrung gewährt. Demnächst wandern sie auf «ine Nebenpflanze, 5. die Larve steigt zum Zwecke der Verpuppung, ohne erst eine Wanderung vorzunehmen, un mittelbar von der Pflanze, welche sie zuletzt befressen hat, in den ucker derselbe« befind lichen Theil des Erdbodens herab und richtet sich daselbst in einer Tiefe von 14—15 CM. ihr Puppenlager ein. 6. Von besonderem Interesse ist die Wahrneh mung, daß der Käfer, so lange er eittzem und ungestört bleibt, die Eier auf einen ver hältnißmäßig sehr kleinen Raum beschränkt. 7. Die Fortpflanzungsperiode des Jnsects um faßt einen Zeitraum von ungefähr 40 Tagen. Da der Proceß des KirchenvorstandeS zu Riesa gegen Herrn von Welck unfern geehrten Lesern von Interesse sein dürfte, so bringen wir Folgende» hier mit zu-, Abdruck. Der iroeeß des Kirchenvorstandes zn Riesa gegen Herrn von Welck. Am 23. März 1878 ist eine Entscheidung bekannt gemacht worden, gegen welche der Kläger rechtzütig Bemfüng eingewendet hat, weil man die Ansichten der ersten Instanz über die Verschiedenheit zwischen dem bürgerlichen Gesetzbuch« und dem vorher gültigen Rechte nicht für richtig hält. Die Entscheidung erster Instanz lautet wie folgt: „In der vor dein königlichen GerichtSamte im Be zirksgerichte zn Dresden anhängigen Rechtssache des KirchenvorstandeS zu Riesa, Klägers an einem, Kurt Heinrich Freiherrn von Welck, Beklagtens und LitiSde- nunciantens am anderen, der Stadtgemeinde zu Riesa, Litisdenunciatin am dritten Theile, erkennt auf Grund der ergangenen Akten das königliche Bezirksgericht zu Dresden für Reckt: Daß eS bei der von dem Beklagten bewirkten Streitankündigung und bei der von der Litisdenuu- ciatin hierauf abgegebenen Erklärung bewendet. Anlangend die Hauptsache, so hat das Suchen des Klägers, mmaßen eS angebracht, nicht Statt, und ist Kläger dem Beklagten die von diesem auf gegenwär tigen Rechtsstreit veranlaßten Kosten, soweit solche zur Erstattung geeignet sind, — wiewohl mit Aus nahme der durch die LitrSdenunciation entstandenen, als welche Beklagter unter gleicher Beschränkung dem Kläger und dem LitiSdenunciaten zu vergüten, ver bunden ist — zu erstatten schuldig. Dresden, den 26. Februar 1868. Königliches Bezirksgericht. WVllner.