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177, 3. August 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f, d. Dtschn. Buchhandel. 8927 nissen eines halben Jahrtausends aus dem Leben der Universität. Nicht zum wenigsten auch eindrucksvoll durch die Bedeutung dieser Ereignisse, durch die verständnisvolle Hingebung aller Mitwirkenden, durch die Begeisterung der ungeheuren Menge der Schauenden, die ihren Weg umsäumte. Das Wetter war zweifelhaft, wechselnd zwischen zaghaften Sonnenblicken und drohendem Gewölk; doch blieb der Tag bis gegen Abend ohne Regen, eine ganz ausnahmsweise Gunst in der betrüblichen Wetterlage dieses Hochsommers und eine recht wesentliche, dankbarst empfundene Grundlage des Gelingens. Mönchisch gekleidete Scholaren in großer Zahl, Baccalaureen, Magister, Professoren, geführt von Herolden, gefolgt vom Troß der Karren und der Bewaffneten, eröfsneten den Zug, eine Gruppe von gegen 400 Mann, die den Einzug der Prager Universitäts auswanderer im Jahre 1409 zu lebendigster Anschauung brachte. Ihnen folgte die fast noch wirksamere Gruppe mit dem Mark grafen Friedrich dem Streitbaren, dem Bürgermeister und den Ratsherren der Lindenstadt, der Geistlichkeit, einer blühenden Mädchengruppe, vornehm gekleideten Bügern und Bürgerfrauen, die den Fremdlingen gastlichen Willkomm boten: die Grün dung der Universität Leipzig. Es folgte der Einzug der Witten berger Professoren und Studenten zur Leipziger Disputation, 1519, zwischen Luther und Eck. Weiter: Kurfürst Moritz von Sachsen, begleitet von der Kurfürstin, vom bunt-prächtigen Hofstaat zu Fuß und zu Pferde, einem interessanten Jagdzug, dem Rektor Kaspar Börner und seinen Räten, Edelleuten, Edeldamen, Bürgern, Professoren, Studenten und dem bewaffneten Gefolge. Es folgte Tilly an der Spitze von 60 geharnischten Pappenheimern in Be gleitung der an ihn entsandten Professoren. Die Zeit des Auf blühens nach dem Dreißigjährigen Kriege und der weiteren Ent wickelung des Zeitalters zum Luxus der Trachten im achtzehnten Jahrhundert zeigten die folgenden Gruppen. Leibniz, Lessing, die Neuberin gaben diesen Bildern kulturgeschichtliche Mittelpunkte. Die weiteren Gruppen, alle von beständig gesteigerter Wirk samkeit durch künstlerische Ausarbeitung der Effekte, Buntheit der Trachten und Wucht der Massen, zeigten den größten Leipziger Studenten Goethe, daneben Christian Fürchtegott Gellert, die Familie Oeser, Käthchen Schönkopf und Goethes Freund Behrisch, weiter die bekannte Faust-Szene in Auerbachs Keller, die Zeit der Befreiungskriege mit Theodor Körner und den Lützowschen Reitern, das Leben und Treiben der studentischen Landsmann schaften, der Burschenschaften und Korps im Beginn des neun zehnten Jahrhunderts, das Revolutionsjahr 1830 mit der Leipziger Bürgergarde. Eine Anspielung auf das Walten der Zensur, das Begräbnis der Wissenschaften durch Nachtwächter, bildete den humorvollen Schluß. Dem Festzug ging am Morgen des 30. Juli ein weihe voller Akt in der prächtigen Wandelhalle der Universität voraus. Vor dem Hauptportal am Augustusplatz empfingen der Rektor, der Prorektor, die vier Dekane, der Kultusminister und der Kreishauptmann die hohen Fürstlichkeiten: den König von Sachsen, den Vertreter des Deutschen Kaisers Prinzen August Wilhelm von Preußen, die Großherzoge von Baden und von Hessen, den Herzog von Altenburg, den Kronprinzen von Rumänien, den Regenten von Reuß ä. L., den Erbprinzen Bern hard von Sachsen-Meiningen, Prinz Max von Sachsen, Prinzessin Mathilde von Sachsen, Prinz und Prinzessin Johann Georg von Sachsen, die beiden Söhne des Königs: Kronprinz Georg und Prinz Friedrich Christian, die Herzoge Georg Alexander und Karl Michael von Mecklenburg, den Prinzen zu Schaumburg-Lippe und Eine glänzende Versammlung, auch in der äußeren Er scheinung höchst wirkungsvoll durch die Farbenpracht der aka demischen Amtsgewänder und der Uniformen der hohen Offiziere, hatte sich in dem schönen weiten Raume eingefunden. Vom glockenreinen Gesang der Thomaner begrüßt, erhob sich als erster Seine Majestät der König zu einer eindrucksvollen Rede. Warm und mit herzlichem Danke an Seine Majestät hieß er den hohen Vertreter des Kaisers willkommen, in Seinem Namen und dem aller Angehörigen der Universität. Er begrüßte die Universität zu dieser würdigen, prächtigen Halle, geschmückt mit den Denkmälern fürstlicher Gönner und Wohltäter, hervorragender Zierden der Universität und der auf den Schlachtfeldern für König und Vaterland gefallenen Helden. Er freue sich, als dritter seiner lieben Universität Leipzig zu ihrem Ehrentage ein außer- gewöhnliches Geschenk übergeben zu können.' »Indem Ich Euer Magnifizenz Mein von einem Leipziger Künstler geschaffenes Standbild übergebe, spreche Ich den Wunsch aus, daß es den jetzigen und späteren Studenten ein Beweis dafür sein möchte, mit welchen warmen Gefühlen Ich für Meine liebe water erfüllt bin. Ich drücke das am besten mit den Worten des Kur fürsten Moritz aus: Ich will Mich gegen die Universität also be zeigen, daß sie daran spüren soll, daß Ich sie lieb habe.« Nach den Worten des Königs fiel die Hülle von dem durch Professor vr. Seffner geschaffenen Marmorstandbild. Es zeigt in meisterhafter Gestaltung den König als keetor wa^llitieeutigsiwue, angetan mit den Zeichen dieser höchsten akademischen Würde. Begeisterte Jubelrufe folgten diesem feierlichen Akt. Rektor Professor vr. Binding begrüßte hierauf mit herzlichem Dank zunächst den hohen Vertreter Seiner Majestät des Kaisers und wandte sich darauf mit innigen Dankesworten an Seine Majestät den König, für die Gabe und insbesondere für die Gesinnung, aus der heraus diese kostbare Gabe der Jubilarin dargebracht sei; damit verband er zugleich den Dank der Univer sität für die Verleihung der Universitätsfahne in den alten Reichs farben, die das Wahrzeichen der Universität für alle Zeiten bleiben solle. Hierauf erfolgte die feierliche Immatrikulation der König- lichen Hoheiten Kronprinz Georg und Prinz Friedrich Christian von Sachsen. Nachdem das stimmungsvolle Lalvuw kae rsZew der Thomaner verklungen war, zeichnete Exzellenz Professor vr. Wundt die Geschichte der Leipziger Universität in einer meisterhaft an gelegten, von großen Gesichtspunkten und freimütiger Auffassung getragenen Festrede, die tiefen Eindruck machte und dem 77jährigen Gelehrten einen Beifallssturm eintrug, wie er in so spontaner Gewalt in dieser vornehmen Versammlung kaum erwartet werden konnte. Mit der Verkündigung der Ehrenpromotionen und dem Gesang der prächtigen Motette des alten Tbomaskantors Johann Sebastian Bach »Alles, was Odem hat, lobe den Herrn« schloß die eindrucks volle Feier. Für die Herren Antiquare! — Durch Betrug hat am 25. Juli d. I. ein unbekannter junger Mann nachstehende wissen schaftliche Bücher erlangt: 1. Erlenmeyer und Stein, Jodwirkung, Jodismus usw. Therapeutische Monatshefte 1909, Nr. 3. 2. Plate, Der gegenwärtige Stand der Abstammungslehre. 1909. Leipzig, B. G. Teubner. 3. Merzbach, Die krankhaften Erscheinungen des Geschlechts sinns. Wien und Leipzig 1907. 4. Riedinger, Uber die Wirkung moderner Projektile. Würz burg 1909. 5. vr. H. Schmidt, Kompendium der Röntgentherapie. 2. Auf lage. 1909, Berlin. 6. Westermarck, Sexualfragen. Leipzig, Klinkhardt, 1909. 7. Brandenburg, Die harnsäurefreie Kost, ihr Wert und ihre Zubereitung. Berlin 1909. 8. Förster, Lebensführung, ein Buch für junge Menschen. Berlin 1909. Es wird um sofortige Nachricht ersucht, falls diese Bücher bereits angekauft sind oder noch angeboten werden sollten. — L. V. v. 3097. — Leipzig, den 30. Juli 1909. Die Kriminalabteilung des Polizeiamts der Stadt Leipzig. * Zum Leipziger Universitäts-Jubiläum. — Das neuer dings zutage tretende Bestreben der bei dem Arrangement großzügiger Festlichkeiten maßgebenden Faktoren, durch Monopolisierung der photographischen Be- richterstattung sich entweder einen materiellen Vorteil zu schaffen oder jedweder Konkurrenz ist leider auch bei dem Leipziger Universitäts-Jubiläum zur Geltung gebracht worden. Angesichts des Umstandes, daß sich 1159*