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Redaktioneller Teil. 239, 13. Oktober 1916. Presse und Oe (Zuotickien. Für den Buchhandel viel störender und sür den Stand der wissenschaftlichen Tätigkeit in Belgien kennzeichnend ist das nahezu völlige Versagen der wissenschaft lichen und Fachpresse mit Einschluß der srühcr so zahlreichen Publi kationen der gelehrten Gesellschaften und Berufsorganisationen; die Ausnahmen kann man tatsächlich an den zehn Fingern ab- zählen! Es ist eine reine Ironie des Schicksals, daß sich unter diesen auch die offizielle »Uibliograpbis cke In Leigigue« (jetzt vier Nummern im Jahr, anstatt 24) befindet, um die nicht nur quanti tativ, sondern auch qualitativ so außerordentlich unbedeutende buchhändlcrischc Produktion zu verzeichnen. Im Bnchverlag sind innerhalb der letzten sechs Monate immerhin einige größere Bücher erschienen, wiewohl auch ihre Anzahl im Verhältnis zu der großen Zahl bedeutender Vcrlagshandlnngcn und Buchdrnckercien — die Weltausstellungen von Brüssel, ISIO, und Gent, 1913, legten hierfür beredtes Zeugnis ab — so gering ist, daß man auch hier nur von einer Fortdauer der seit der Okkupation geübten, mehr oder weniger gezwungenen Passivität sprechen kann. Die juristische Bcrlagshandlung Bve.Ferd. Larcier,Brüssel, brachte einWerküber ilnfallhastpslichtheraus: UauIOtrarck, vss aveickents survenus aux personnes (Leeickents cks ckroit eominun): kissponsabilite et reparation civiles. <8", 729 S. Geb. Fr. 13,—> sowie eine Neu auflage ihrer altbekannten Gesetzsammlung in einem Bande: Pockes beiges et l.ois usuelles, von .1. äe le Court, (19. Ausl. 8°, 1848 S. Lederbd. Fr. 16.—); die Etablissements E. Bruylant ließen auch in diesem Jahre das belgische Handbuch der Aktien gesellschaften erscheinen: Reensil kinauoisr 1916 (Gr. 4". Lwd. Fr. 25.—) und ebenfalls eine Neuauflage ihrer gleichermaßen verbreiteten einbändigen Gesetzsammlung: Gervais et lileebelinclr, Oes cvckes beiges et lois speeiales (8. Ausl. 8", ca. 1600 S. Lederband. Fr. 10.—). Diese Ausgabe enthält als Supplement eine Zusammenstellung derjenigen Erlasse des Deutschen General- Gouvernements, durch welche die belgische Gesetzgebung zurzeit abgeändcrt wird <19 S.>. Auf den Krieg bezieht sich auch eine gediegene Abhandlung des bekannten Rechtsanwalts und Ab geordneten Paul Wauwermans: Oa guerre et Iss ckroits prives (lisquisitions — vominages et cksstruetions — ^ssuranev» — Laux — Oontrats ck'smploi, ckspöts sto. — 1ttut oivil — Oegislation) 4". 68 S., zweispaltig, (ltä. cks I» Revue generale äes Fovietes. Fr. 2.50.) Ein größerer, völkerrechtlicher Kommentar aus der Feder eines anderen Abgeordneten erschien in der Etappe, bei Ad. Hoste, Gent, wie überhaupt die Provinz jetzt verhältnismäßig regsamer ist als die Hauptstadt: Ulbert Aevbelz'nek, Oa Con vention cke In Rave eoneernant les Oois et Coutumes cke la guerre sur terre <4°, 574 S., Fr. 18.—>. In Lüttich erschien im Selbstverlag von Fern. Lemaire: tzuestions cke regiines et sataires et ä'Organisation inckustrielle. (8". 125 S. Fr. 3.50.) Der Antiquar Alb. de Tavernier Fils in Antwerpen verlegte ein bei I. E. Buschmann hergestclltes, rei zendes Bändchen von Heiligenlegenden von dem geschätzten Folkloristen Emil von Heurck: Ouirlancke cks 8aints, mit 30 kleinen Originalholzschnitten aus dem 18. Jahrhundert, die aus den Beständen einer der berühmten flämischen Bilderbogen- sabriken in Turnhout herstammen. (Auflage nur 300 Exemplare; l6", gcb. Fr. 3.50.) In Brüssel erschienen ferner: Der 2. Band einer reich illustrierten architektonischen Monographie (in der Art T. Clement, I. Ghobert, C. Huart <4°, Kommiss.-Verlag von H. Lamertin. Fr. 20.—>. Band I dieses durch die Vorarbeiten für den Wiederaufbau zerstörter Ortschaften aktuell gewordenen Werkes erschien 1914 in halbem Umfange. (Preis Fr. 10.—.) Das 3. Sonderheft Oe Rome« (die Zeitschrift selbst erschien während des Krieges nicht): Oe relevement cke nos cites in dustrielles (4», 28 S., mit vielen Illustrationen, Plänen usw. Fr. 1.—>. Ed. Simmel, Oommont I'bomme toima son visu, eine volkstümliche Darstellung der Entstehung der Religionen. (Jllustr. kl. 8", 99 S., lmxriinsrie vooperative Oueiker, Fr. 1.25). Die mehrfach erwähnte, von einem Deutsch < Österreicher (A. Norz) übernommene belgische Wochenschrift »O'lnkornration« hat ihre rege politische Tätigkeit durch Herausgabe einer weiteren Anzahl deutschfreundlich geschriebener Broschüren 1298 fortgesetzt, großenteils Übersetzungen aus anderen Sprachen: pullerton, 6. 8t., 1.0 verite sur I» Nation »Ilelnancke (kl. 8°, 148 S. F. I.—); Lruee-Olasier, 3., Oe ruilitarisrne anglais (8", 47 S- Fr. 1.—): 0. Vax, Opiilions ck'un general beige 6N aetivite sur l'intervention cke 1a Leigigue ckans la guerre mondiale (8°, 56 S-, Fr. I.—> enthält den hauptsächlichen Bestand der unter obigem Pseudonym (— auckax) im Jahre I9II veröffentlichten Alarm schrift "8ituation cke la Lelgigue en Provision ck'un eonklit kraneo- germaiu», die damals nicht nur nicht beachtet wurde, sondern sogar bald nach dem Erscheinen aus dem Buchhandel verschwand. — Emile Huygens (Gent): Oes keobes vapitaux cke la Lelgigue. <8°, 72 S. Fr. —.80.) Ebenso groß wie die gesamte belgische Produktion dürfte die Anzahl der allein in Deutschland über Belgien erschienenen Bücher und Broschüren sein. Ta sic in regelmäßigen halbjährlichen bibliographischen Übersichten zusammengesaßt hier besonders mit geteilt werden, können wir jetzt darüber hinweggehen, doch er scheint es angebracht, von dem Erscheinen einer ausschließlich Belgien gewidmeten neuen Zeitschrift »Der Belfried« schon jetzt Kenntnis zu geben, mit der der Insel-Verlag den Buchhandel um eine originelle, zeitgemäße Schöpfung bereichert hat. Das erste Heft (Juli) enthält Beiträge von den Prosessoren Hampc und Wacntig, dem bayrischen Abgeordneten Dirr, dem Dichter Rudolf Alexander Schröder, Aug. Grisebach und eine Reihe von 7 Bild tafeln mit flandrischen Rathaustürmen, deren slämische Be nennung Belfried (sranzös. bekkroi) wie bereits früheren bel gischen Zeitschriften so auch dieser deutschen Monatsschrift den Namen gegeben hat. Die Zeitschrift, die sich besonders der flä mischen Seite des belgischen Problems anzunchmen scheint und als Organ der deutschen »Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in Belgien« in Zukunst auch nationalökonomisch-soziale Fragen be handeln wird, ist typographisch vorzüglich ausgestattct und be rechtigt bei ihrem billigen Preise <1 »11 für das Hast, 10 »« im Abonnement) zu den schönsten Hoffnungen. Der »Oerels beige cke la Oibrairie« versandte in diesen Tagen ein Rundschreiben, durch das er von der Erhöhung sämtlicher Schulbücherpreise um lOtztz Mitteilung machte. Dagegen sollen die von einigen Berlagshandlungen, darunter der größten hiesigen Firma, gestrichenen Freiexemplare den eigentlichen Sortiments buchhandlungen wieder bewilligt werden, während ihre Streichung gegenüber de» Papierhändlern und anderen Auchbuchhändlern aufrecht erhalten werden soll. — Das ist die einzige Äußerung unseres belgischen Buchhändlervereins seit fünfviertel Jahren, auch ein Zeichen des noch immer andauernden Stillstandes der buchgewerblichen Tätigkeit. Am 21. August ist der seit dem Kriege unterbrochene Postpaketvcrkehr mit Deutschland wieder aus genommen worden; das wird auch den buchhändlerischen Verkehr zwischen den beiden Ländern sichtlich beleben und einen schnelleren Bezug deutscher Bücher ermöglichen; hoffentlich lassen sich die zurzeit noch sehr störend wirkenden Ausfuhrbestimmungen von Belgien nach Deutschland (Zensur und Ausfuhrerlaubnis) auf ein Mindestmaß an Zeitverlust zurücksühren, damit der Buch handel vollen Nutzen aus dieser Berkehrserleichterung zu ziehen in der Lage ist. Da die eigentlichen buchhändlerischen Nachrichten trotz der langen Berichtspause immer noch so knapp geblieben sind, sei es mir gestattet, auch diesmal wieder von dem geistigen Leben in Belgien zu berichten. Nachdem die Umwandlung der Genter Hochschule in eine slämische Universität von dem General gouverneur beschlossen und deren Eröffnung unter dem Rektorat des Professors der Psychologie Hoffman» sür das kommende Wintersemester in Aussicht genommen worden ist, mehren sich in den Zeitungen die Stimmen für die Wiedereröffnung der übrigen Landcs-Universitäten Brüssel, Löwen und Lüttich, um der ge zwungenen Untätigkeit und der dadurch vielfach hervorgerusenen Verwahrlosung der studierenden Jugend ein Ende zu machen.