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^lr lo, 13. Januar 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt i d. Dtschn. Buchhandel. 541 Nichtamtlicher Teil. Die katholischen Otganisationen für den Büchervertrieb. lSchluß zu Nr. 8 u. 9 d Bl.> Diese Erfolge bewirkten nun auch in katholischen Kreisen, daß man sich mit dem Problem lebhaft beschäftigte. Der erste Versuch wurde auf katholischer Seite in Würzburg gemacht. Dort bildete sich Ende 1899 unter dem Namen »Ilnitas« ein Verein mit dem Hauptzweck, »die Verbreitung katholischer Bücher und Schriften durch Kolportage« zu fördern. Die Mitglieder entrichteten einen Jahresbeitrag von 1 wofür sie jährlich eine VeceinSgade erhielten. In kurzer Zeit hatte der Verein durch Kolporteure 1009 Abon nenten auf katholische Zeitschriften gewonnen und ent sprechend war der Umsatz von Büchern und Schriften. Nach Ablauf von zwei Jahren wurde die Kolportage mit einer SortimentSbuchhandlnng verbunden, um das begonnene Werk auf einen sicheren Boden zu stellen. Zu diesem Zweck bildete man eine G. m. b. H. und stellte zur Leitung des Sortiments einen gelernten Buchhändler an. Diese Art der Organisation empfahl der intellektuelle Gründer des Nürnberger Unter nehmens, Kaplan Walterbach, zur Nachahmung in Städten'), und tatsächlich ist auch auf Veranlassung der Verbandsleituug der katholischen Arbeitervereine Süddeutschlands und des Katholischen Preßvereins für Bayern in München im Sep tember 1902 unter der Firma »Münchener Volksschristen- oerlag« als G. m. b. H. mit 20 000 Kapital eine katho lische Kolportagebuchhandlung gegründet worden. Wie der Name schon andeutet, war die Schaffung billiger Koiportage- schriften ihr Hauptzweck, und sie begann mit einer äußeren Nachahmung der Kolportageromane mit einem Werke »Im Zeichen der Jakobinermütze«, das SO Lieferungen zu je 10 H umfaßte. Das Nürnberger Unternehmen konnte sich aber nach dem Weggang Walterbachs nach München nur mehr kurze Zeit halten, nur die Sortimentsbuchhandlung blieb be stehen. Kaum ein glücklicherer Stern waltete über dem großen Münchener Unternehmen. Zunächst berechtigte die, von dem inzwischen verstorbenen Msgr. Haber eingerichtete Kolportage des Münchener Volksschristenverlags zu schönen Hoffnungen — wurden doch in den eisten fünf Jahren an nähernd >/, Million Bändchen der »Münchener Volksschriften« und der »Münchener Jugendschriften« avgesetzt —, die sich indes auf die Dauer nicht erfüllten. Huber war bald ge zwungen, die Kolportage an die Firma Butzon L Bercker in Kevelaer zu verlausen, die sie sofort an einen ihrer Geschäfts führer übergab. Er gründete damit 1908 die Düsseldorfer -Katholische Kolportage-Zentrale« mit dem Zweck, den einzelnen Kolportagen den Bezug zu erleichtern. Deshalb unterhielt er ein großes Lager aller einschlägigen Bücher und Schriften; aber auch dieses Unternehmen ist im Sommer des nächsten Jahres erloschen. Als bleibendes Ergebnis ist nur ein Ver zeichnis der »Bücher und Volksschcisten für die Mafsen- kolportage« geblieben"). Zur Versorgung der Arbeiterkreise in dem M. Glad- bacher Jndustriebezirke ist von seiten der Vorstände der katholischen Arbeitervereine von M. Gladbach im Oktober 1902 ein Kolportageunternehmen gegründet worden, für das ein besonderer Kolporteur angestellt wurde. In derselben ') Vgl. Soziale Tagcssragen, herauigegeben vom Volks- Verein sür das katholische Deutschland Hest 29: Katholische Kol- porlage. M.Gladbach 1992, S. 20. "> Jetzt Verlag von Butzon L Bercker in Kevelaer. Bilrsenblatt für den Deutsche» Buchhandel. 70. Jahrgang. Zeit hat in Köln ein Komitee aus der Sozialen Konferenz und Delegierten des Karlelloerbandes der katholischen Ver eine Kölns mit einer Firma, die sich schon vorher mit der Kolportage katholischer Zeitschriften befaßt hatte, einen Ver trag abgeschloffen, der die Firma unter dem Titel »Katho lische Vereinskolporlage- berechtigte, als einziges em pfohlenes Unternehmen aufzutretcn. Geschäftsführung und Auslöhnung der Kolporteure lag in der Hand der Firma. In Mainz ist das nach Klagenfurter Muster >v02 ins Leben getretene »Komitee zur Verbreitung guter Lektüre«, das wohl hauptsächlich die Unterstützung der Mainzer -Druckerei Lehrlingshaus« zum Zweck hatte, nach einigen Jahren des Bestehens wieder eingcgangen. Inzwischen war auf der Generalversammlung des Ver bandes katholischer Industrieller und Arbeilerfreunde, des Verbandes »Arbeiterwohl« am 5. August 1902 in Düffel dorf zur Errichtung einer katholischen Kolportage aufgefoidert worden, und auf der 49. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands im selben Monat des Jahres 1902 kam das Problem der katholischen Kolportage zum erstenmal in Mannheim zur Sprache, wobei folgender An trag angenommen wurde: »Unter den Veranstaltungen, die die Hebung der Volks bildung erstreben, hat sich auch die Einrichtung einer katholischen Kolportage, wie sie in einzelnen Städten bereits durchgeführt ist, als ein besonders geeignetes Mittel erwiesen. Derselben muß eine umso höhere Bedeutung zuerkannt werden, als die Kolportage glaubensfeindlicher und sitten loser Bücher, Schriften und Zeitungen immer größere Ver breitung gewinnt und bei dem allgemeinen großen Lese- bedürfnifse auch im katholischen Volke Eingang findet.« Der Arbeitersekretär Giesberls führte dazu aus, daß die Katholiken zwar über sehr viele schöne Schriften verfügten, aber keine Mittel hätten, sie ins Volk zu bringen.') Auf der nächsten Katholikenoersammlnng in Köln rief Zeitungs-Ver leger Lenfing-Dortmund aus: »Vor allem ist endlich auch auf unserer Seite dringend notwendig eine planmäßige Kolportage, um durch sie den maßlos Glauben und Sitten gefährdenden Büchern und Zeitschriften entgegenzuwirken. Ganz Deutschland muß mit einem Netz katholischer Kolportage überzogen werden, wenn anders unser gutes katholisches Volk nicht dem Unglauben und der Sittenlosigkeit ver fallen soll«. Auf dem 10. Delegiertentag der Arbeitervereine der Erz diözese Köln zu Essen im September 1904 wurde eine Resolution angenommen, »daß insbesondere durch Schaffung geeigneter Zentralen die Möglichkeit geboten werde, gute katholische Unterhaltungslileratur lieferungsweise nach Art der Kolportageromans weiten Kreisen zugängig zu machen». Eine eigene Kolportage von Haus zu Haus haben die katholischen Milsionsgesellschaften »Gesellschaft des göttlichen Wortes» in Steyl und die »Pallotiiner» in Limburg a. d. L. durch Agenten und Laienbrüder mit ihren Kalendern, Gebet büchern und Zeitschriften aukgesührt, die aus ihren eigenen Druckereien hervorgehen, angeblich mit gutem Erfolg. Als im Jahre 1902 infolge Todesfalls eine Buch- ') Freilich äußerte sich der Generaldirektor Pieper des Volks vereins auf der Katholiken-Versammlung 1907 genau im gegen teiligen Sinne: das größte Hemmnis der kath. Kolportage liege in dem Mangel an geeigneten billigen volkstümlichen und guten Schriften, noch mehr im Fehlen guter volkstümlicher und billiger Reproduktionen von Kunstwerken. 71