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aV 132, 10. Juni 1912. Nichtamtlicher Teil. ««ü-ntiau >.». Il'-Hn, 7043 Käufern bei einem jeden wiederkehrenden festlichen Abschnitt ein besonders reich besetzter Tisch gedeckt, und mit dem zu nehmenden Raffinement heutigen Lebens ist auch der Schmuck der Tafel immer schöner und kostbarer geworden. Früher waren es die -Auswahlkataloge«, in denen einfach und schlicht Bücher zu Preisen von 20 Mark an aufwärts serviert wurden. Jetzt werden die Leckerbissen eines verwöhnten bibliophilen Geschmacks zumeist noch in ein zartes Geranke schwarzer und farbiger Illustrationen gesetzt, an sich schon appetitreizend, in ihrem zierlichen Aufbau inmitten solcher Pracht aber unwiderstehlich. Der neue Katalog 100 der Firma Githofer L Ranschburg in Wien gehört unstreitig zu den schönsten dieser Art, besonders in seiner Luxusausgabe, die übrigens 12 Kronen oder 10 Mark kostet. In seiner feineren Aus stattung bildet er einen ansehnlichen Quartband von V und 135 Seiten, ist auf feinem, geschöpftem Papier splendid ge druckt — oben Goldschnitt, am Seiten- und Unterrande unbeschnitten (>»v«c tsmows») —, hat S6 Textillustrationen, 5 kolorierte und 11 schwarze Tafeln und ist auf seinem Umschläge mit der farbigen Wiedergabe einer entzückenden Bordüre geschmückt, die einem der angezeigten Werke — einer Ausgabe der Briefe des Hieronymus — entnommen ist. Die einfache Ausgabe hat etwas kleineres Format, natürlich auch geringeres, aber immerhin noch recht gutes Papier und weniger Tafeln. Den Inhalt des Katalogs bilden Manuskripte und aus den Jahren 1485—1500 stammende chalkographische, xylographische und typographische Inkunabeln. Interessant ist es, daß sich unter den angezeigten Werken auch eine kleine Sammlung befindet, die ihre Ge schichte hat. Sie geht, wie das Vorwort sagt, in ihren An fängen auf einen schlesischen Bibliophilen des 17. Jahrhunderts, Johann Gottfried Troilo von Lessot, zurück, kam dann nach Schlackenwerth in den Besitz des herzoglichen Hauses von Sachsen-Lauenburg und verblieb dort. Sie gehörte einer Tochter dieses Hauses, der Gattin des Fürsten Octavio Piccolomini, der »krincipiss» kiceolowinia«, und späterhin dem Markgrafen Ludwig Wilhelni I. von Baden, der die Prinzessin Sibylla von Sachsen-Lauenburg gcehelicht und da mit auch die Herrschaft Schlackenwerth erhalten hatte. Von ihm wurde sie dem dortigen Piaristenkollegium geschenkt. Manche der Bücher haben das hübsche Wappenexlibris des Troilo mit dem Sinnspruche -diasoi— patt — wori«, viele den handschriftlichen Provenienzvermerk Piccolomini und wieder andere das kleine Exlibris des Markgrafen von Baden. In einigen wenigen ist der wechselnde Besitz sogar dreifach in dieser Art bezeichnet. — Die Zutaten der Firma sind freilich bedeutender, als diese kleine geschlossene Kollektion es ist; auch die Huth-Auktion hat einen Beitrag gestellt. Die Abteilung der Manuskripte ist nicht sehr umfang- reich, sie zählt nur 38 Nummern, enthält aber einige wert volle und anziehende Stücke. In der kleinen Reihe von I-irres ä'bvirrss, die angezeigt werden, ragt eins ganz be sonders hervor, das von Sigismundus de Sigismundis im Jahre 14S8 geschrieben und mit Miniaturen geschmückt ist, einem hervorragenden italienischen Künstler, den Bradley in seinem Diotlovar)- ok vainlnturists »ON6 ok tbs wost äistivgaisbaäl cop^ists anä oalligrapbers ok bis time» nennt. Das kostbare Gebetbuch enthält 5 blattgroße Miniaturen, 11 Bordüren mit Blüten- und Blattwerk und zahlreiche große und kleinere gemalte Initialen. Der Künstler hat sich in der zierlichen Handschrift selbst zweimal genannt und hat dabei auch das Jahr ihrer Herstellung angegeben. Das kommt nicht oft vor. In den meisten Fällen kostet es sogar sehr viel Mühe und Arbeit, wenn man auch nur die Schule, der ein solches Kunst werk entstammt, und die Zeit, in der es entstanden ist. mit einer gewissen Sicherheit feststellen will. Es soll 18 000 Kronen kosten. — Ein anderes köstliches Stück ist eine für 9000 Kronen ansgebotene Handschrift der Rime des Francesco Petrarca aus dem 15. Jahrhundert mit zwei ge malten ganzseitigen Titelbildern, drei die Ansangsblätter der einzelnen Abschnitt« umrahmenden Bordüren, fünf großen stguralen und 400 kleineren Initialen, goldgehöht auf blauem Grunde. Zwei hübsch ausgeführte farbige Tafeln des Katalozes vermitteln eine nähere Anschauung der beiden Kostbarkeiten. Unter den Inkunabeln (Nr. 39—266) sind an erster Stelle 40 Metallschnitte aus dem 15. Jahrhundert angezeigt, eine Leidensgeschichte Christi in Bildern. In einer ein gehenden Monographie, die in Straßburg beiHeitz erschienen ist, haben sie im Jahre 1908 schon eine Beschreibung durch Georg Leidinger erfahren; damals waren sie noch in «Münchener Privatbesitz«. Im Kataloge erscheinen sie ohne Preis und mit der Bemerkung »verkauft«. — Für 4000 Kronen wird dann ein kolorierter Holzschnitt (258X374 ww) ausgeboten- »Die Verkündigung an die Hirten«, besten Entstehungszeit Professor Schreiber, der ihn für den Katalog beschrieben hat, um 1465 ansetzt. Aus einer Doppeltasel ist er zu Beginn des Verzeichnisses wieder gegeben — Ihm folgen die gedruckten Bücher aus dem Zeit alter der Inkunabeln, darunter manch wichtiges und be gehrenswertes Stück. Es sind 41 Druckstätten mit 118 ver schiedenen Druckern vertreten, und unter deren Erzeugnissen sind 20 Drucke angezeigt, die von den Bibliographen bisher entweder gar nicht oder nicht ausreichend, nicht äo visu be schrieben worden sind. So fördert noch immer fast ein jeder neue Antiquariatskatalog neue, noch nicht bekannte Drucke zutage, und damit wird, wenn der geplante -Gesamtkatalog der Wiegendrucke« erst zu erscheinen beginnt, deren Zahl weit über die ursprüngliche Schätzung hiuausgewachsen sein; natürlich nicht nur durch solche Kataloge, sondern auch durch die vielen Entdeckungen, die man bei der systematischen Durchforschung namentlich kleiner Bibliotheken macht. Dis Titelaufnahmen sind sehr verständig und gehen in ihrem Beiwerke nicht über das Notwendige hinaus; textliche Beschreibungen werden nur da gegeben, wo solche in den be kannten bibliographischen Handbüchern bisher nicht existieren, dann aber stets und mit großer Sorgfalt. Auch die Wahl der Abbildungen ist recht geschickt und vielfach mit Rücksicht auf die Besonderheiten der angezeigten Exemplare getroffen worden. So ist — um ein Beispiel zu geben — unter der Titelausnahme von Laläorinus: Luetoritatss äeers- toruw. 6ölv, Lstsr von Olpe 1477. 2" das Kolophon reproduziert, das in dem vorliegenden Exemplar da durch merkwürdig ist, daß es die richtige Datierung leigt, während andere bekannte Exemplare den Druckfehler 1470 sür 1477 haben. Auf diese Weise gewinnen die Fak similes auch einen instruktiven Wert. Die Register am Schluffe sind sehr reichhaltig und vielseitig und durch eine Statistik derjenigen Drucke des Katalogs erweitert, die in Berlin, im Rritisb Ilasvuw, in der Bodleiana und in der Hofbibliothek in Wien nicht vorhanden sind, die bei Hain und bei Pellechet fehlen usw. Es bleibt nur noch übrig, einige der hervorragendsten Bücher aus dem Verzeichnisse einzeln zu nennen: Nr. 81. Rodami Ralonäarit äno pro nnnis 1477—1637. sOooln: klicolaus ttvete 1476.f 4". 3250 Kronen. Nr. 82/83. Lorgonronsis: Oe olaris naultoribus. porrara: I-oreoio Rosst 1497. 2". Ein Exemplar sür 2600, eins für 4800 Kronen. Nr. 92. Rtblis. 6srrnaatoa. Die neunte deutsche Bibel. Nürnberg: A. Koberger 1483. 2°. 1800 Kronen. Nr. 164. lZraänala Romavum. Basel, Michael Wenßler für I Jac. von Küchen 1488. 2". 2400 Kronen. 8t7»