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Mittwoch. S. Zun» 192S — „Dresdner Nachrschken" — Nr. 265 Sette 5 G..D.-A.-Sachsentag. Der in Greiz t. v. am v. und 0. Juni abgehaltene bte»- »hrtge Gautag de- Gewerkschaftsbundes der Angestellten, Gau Freistaat Sachse», nahm in seiner Gesamtheit einen dusterst eindrucksvollen Verlauf unter grvster Anteilnahme der Be völkerung und der Stadt Greiz, die Flaggenschmuck angelegt hatte. Den Höhepunkt bildete eine von mehr als 190V Per- soncn, darunter der Schlichter von Sachsen, Vertreter der Regierung, der Stabt, der örtlichen Behörden, der Bunde»- gltcderungen und befreundeter Organisationen, besuchte öffentliche Kundgebung, tn welcher der General- sekrctür de» GewerkschaftSrtngeS deutscher Arbeiter-, An- gestellten- und Veamtenverbänbe, BundeSmttglieb Reichstag»- abgcorbneter Ernst Le mm er (Berlin). Stellung nahm zur wirtschaftlichen Lage. Da» Thema lautete: »Die Ueberwtnbung -er wirtschaftlichen Not durch europäische WtrtschaftSverstänbt- gung". Seine etnstitndtgen Ausführungen, bte von hoher Warte anS alle einzelnen Phasen der sich immer mehr zu- spitzenden wirtschaftlichen Lage tn Europa eingehend be- lcnchtcten und als dringendste Notwendigkeit zur Besserung eine europäische Wtrtschaftöverständtgung forderten, hinter stesten einen außerordentlich ttesen Eindruck auf bte Ver sammlung. Ein BegrüstungSabend mit hervorragender Au», gestaltung im größten Saale der Stadt konnte die Zahl der Tagungsteilnehmer und Gäste nicht fassen. Auf künstlerischer Höhe standen Ltc Darbietungen de» Philharmonischen Orchesters, der rhnthmischcn Abteilung und des GängcrchoreS der Turnerschaft Greiz und der Städtemannschaft der ver einigten Grcizer Turnvereine, die dem Abend einen best- gelniigenen Verlauf sicherten. Breiten Raum nahmen die internen Arbeitstagungen ein. La fanden Geschäftsführer- und VorstandSsihungcn statt, wahrend die geschäftliche» Verhandlungen an den Nachmittagen des Sonnabends und Sonntags, zu welchen IM Ortsgruppen 250 Delegierte entsandt hatte», die Fülle dcS VeratungsstofscS kaum bewältigen konnten. Im Vordergründe standen die Jahresberichte. Der gewerkschaftliche Bericht des GaugeschästS- sührerS Oscar Rodtg (Leipzig) entrollte ein überaus reich- haltiges Bild von der Unmasse der geleisteten Arbeit auf ge werkschaftlichem, organisatorischem, wirtschastS- und sozial politischem Gebiete. Stark auSgcbaut sind das Iugendwescn, die BildungS- und Pressearbeit. Die Wahl des Vorstandes ergab die Wiederwahl der bisherigen AmtSinhabcr, u. a. als 1. Gauvorstcher Horst Geißler (Chemnitz). 2. Gauvorsteher Oscar Rodtg (Leipzig), l. Schriftführer Wtlh. Btnding, I, Kassierer Max Sauer, Bildungsobmann Fritz Mlyharezyk, Iugcndobmann Hans Heinrich, sämtlich in Leipzig. Für den diesjährige» Bundestag am 9. bis 0. September in Hamburg wurden Delegierte bestimmt. Die Wahl dcS Ortes für den nächsten Gautag fiel auf Leipzig. Eine Reihe von An träge» diente der Förderung dcS Bundes und der Inter essen der Angestelltenschaft. Den Abschluß der Tagung bildete die einstimmige Annahme einer Entschließung, dir einen scharfen Protest zum Ausdruck brachte gegen die immer stärker zutage tretenden Versuche von Arbeitgebern, die Folgen der Wirtschaftskrise einseitig der Arbeitnehmerschaft aufzncrlcgen. Im Sinne der Höherentwicklung unseres Kulturlebens stellen die Angestellten diesen Bestrebungen einmütig eine Reihe von Forderungen entgegen, die sich mit Verbesserungen tn der Er- wcrbSlvsenfürsorge, in der ArbeitSgericiitSgesetzgebung, mit einer Sicherung der Sonntagsruhe und einer Reihe weiterer brennender TagcSfragen beschäftigen. Die Entschließung bringt weiter zum Ausdruck, daß die Angestelltenschaft bereit ist. alle Bestrebungen zu fördern, die von außen her der deut- scheu Wirtschaft Erleichterung bringen können und durch eine europäische MirtschastSverständigung die Eingliederung der heute anarchisch zerrissenen Wirtschaft der europäischen Völker tn den Organismus der Weltwirtschaft gewährleisten. Dezirksausfchuh. Der Bezirksausschuß der AmtShauptmannschaft Dresden hielt am DienStag eine öffentliche Sitzung ab. Der Arbcitcr- Samariter-Kolonne L ö ß » i tz o r t s ch a s t c n (Sitz Nadebeul) beiviiligic man wie im Vorjahre eine Beihilfe von ION Mark zur Beschaffung von Verbandsmaterialien. Dagegen wurde -aS Gesuch der Gemeinde Coß mannsdorf um Genehmi gung zur anderwciten Verwendung einer im Vorjahre an gewiesenen Wegebaubcihilse abgelchnt, dazu aber beschlossen, die »i einem Rechnungsjahre nicht verwendeten Äegebau- beihilsemittel nicht alS Kassenbcstanü für das neue Rechnungs jahr vorzutragcn, sondern einem Wcgebaustock zuzuführen, über dessen Verwendung »vch Entschließung zu fassen ist. Die Stadigcmeindc Rabenau hatte um Erlaß der Nach zahlung aus die Bezirksumlage für bas Rechnungsjahr 1024 nachgcsucht. ES handelt sich um den Betrag von 28l4 Reichs mark. DaS Gesuch wurde »ach längerer Debatte wegen grund sätzlicher Bedenken abgelchnt. Doch einigte man sich dahin, die besondere wirtschaftliche Notlage Rabenaus auzuerkenncn und bei Verteilung von etwaigen HilfSgeldcrn die Gemeinde zu be rücksichtigen. Nachdem man die Wahl der Beisitzer für daö Wohnungsschicdsamt vollzogen, wurden dem Verein für naturgemäße Lebens, und -Heilweise in Kötzschenbroda 200 Reichsmark al» Beihilfe für bte F e r te n k i n d e r- pflege gewährt. Eine längere Aussprache rief zum Schlüsse die Anfrage des Parteisekretärs Sudtk (Soz.) an bte Amtshauptmannschaft in Sachen der «ilchrevifioue« hervor. Die Angelegenheit hat bekanntlich seit einiger Zeit tn den landwirtschaftlichen Kreisen der AmtShauptmannschaft stark« Erregung auSgelös«. Der AmtShauptmann betonte tn seiner Erwiderung zunächst, daß er einem Abbau de» Revisor» überhaupt nicht nähertreten könne, da der Bezirkstag über bte Sache bereit» verhandelt und beschlosten habe, von einem Abbau abzusehen. Hinsichtlich der Gefährdung dcS Re visor» bet Ausübung keines Amtes werbe dieser gehört wer den. Im übrigen werde man ihm im Hinblick aus die Klagen, bah bei dem Besuche verseuchter Gehöste die nötige Vorsicht auster acht gelasten worden sei. anheimgeben, diese Vorsicht allzeit walten zu lasten. Von einer Einschränkung der Milch, kontrolle sei keine Rede. Die NevisionSauSweise für Mai seien dem Bezirksausschuß zugegangeu. — Die Festsetzung des Tage» und der Tagesordnung für den nächsten Bezirkstag wurde auf Wunsch deS AmtshauptmannS in die nichtüsfcntliche Sitzung verwiesen. AattonalsoziaMrifche Arbeikerparlei. Die Ortsgruppe Dresden veranstaltet« am Montagabend in den Blmnensälen eine recht gut besuchte öffentliche Ver- sammlmig. Nach BegrüsmngSivort«» de» Vorsitzenden de» GauvevbanbcS Ostsachsen, Goß, der auf den bevorstehenden Parteitag in Weimar hinwics, auf dem Adolf Hitler reden werde, ergriff der NetchstagSabgeordneteDtetrtch- Franken das Wort z» seinen mehr als zweistündigen Aus führungen, die er unter der Ueberschrtift SteucrbolschcwismuS zirsam men faßte. Dietrich definierte zunächst den Begriff Bol- schcwismus als einen Vorgang, bet dem nationale Werte ent wertet werden, nm tn die Hände der Internationale übcr- geführt zu werden. Bei dieser Enteignung dcS Volkes zu- giinsten der internationalen Hochfinanz handele es sich um die Vernichtung ku l t u r e l l e r, p o l t t ts ch e r und Wirtschaft- ltcher Werte. Der Vortragende betonte, -aß sich der unver- hüllt« russische Bolschewismus nur der Form, nicht ab«r dem Wesen nach von den Bestrebungen der deutschen Linksparteien, dem „trockenen Bolschewismus", unterschevde. Tort der rück- sichtslvS-brutale Kampf gegen die K i r ch e, die E h e, die natio nale Monarchie, hier die zersetzende, alles uns Wertvolle hämisch ins Lächerliche ziehende untcrwühlende Kritik, die nicht dem Wunsche »ach Beseitigung etivaiger Mißstände entspringe, sondern in ihrem Endzweck ebenso auf Entwertung, auf Ver nichtung dieser Werte hinztel«, wie das durchsichtigere russische Vorgehen. Starken Beifall lösten die Worte Dietrichs aus, daß die freidenkerische Bewegung nie imstande sei, dem Bolle die sittlichen Werte zu geben, die die Religion ihm vermittle. Kino — Potemkin-Film — und Literatur würden dazu benützt, dem deutschen Volke Gefühls- und Gemütswerte zu entreißen und ihm seinen sittlichen Halt zu rauben. So sollte das deutsche Volk durch Untergrabung seiner Selbstachtung reif gemacht werden, die ihm von der internationalen Hochfinanz zugcdachte Sklavenrolle zu übernehmen: so sollte das Gefüge des Staates erschüttert werden, damit dieser zu einer Provinz der Weltkapitalsmagnaten herabsinke. Dietrich wandte sich sodann gegen di« Auffassung, daß die Inflation eine zwangsläufig« Folge des verlorenen Krieges gewesen sei, um sodann auf den ,/Kern- und Angel punkt des nationalsozialistischen Kampfes", das Dawcs-Abkommc«, zu sprechen zu komme». Er belegte zahlenmäßig die aus dem Industrtcbelastungs- und AufbringungSgesetz, dem Reichs bahngesetz und dem Mantelgesetz zum Dawcs-Abkommen sich für uns ergebenden Belastungen, die insgesamt Deutschland zu folgenden Tributzahlungcn ver pflichten: 1020: 1820 Millionen Reichsmark: 1027: 1707 Million. Reichsmark: 1028: 2990 Millionen Reichsmark: 1020 : 2570 Mil lionen Reichsmark,- 1090: 2570 Millionen Reichsmark,- 1991 und bis ans weiteres jährlich 2005 Millionen Reichsmark. Bis 1904 wären also rund 100 Milliarden »u zahlen, ein Betrag, der der Summe entspräche, die das deutsche Volk durch die In flation verloren habe. Nachdrücklich wandte sich der Redner gegen den „F ürst en- e n t c i g n u n g s r u m in c l". Nach dem zwischen dem Gesamt hause Hohenzollcrn und dem preußischen Staate abgeschlossenen Vertrage beanspruchte das Gcsamthautz Hohenzollcrn nur ein Sechstel, also 17 Prozent seines Besitzes. Bon dem Barver- mögen würde schon nach diesem Vertrage dem Gesamthause nur etwa '/»? verbleiben. Dabei seien die Schlösser usw., die doch nur einen fiktiven Wert darstcllcn und viel kosten, soweit sie den Hohenzollcrn verbleiben sollten, überaus hoch im Werte — -aS Schloß Bellevue V. mit der phantastischen Summe von 80>- Millionen Mark — angegeben: mährend die dem Staate übertragenen Werte sehr niedrig (Schack-Galerie!) ein geschätzt worden sesen. Für zehn Jahre DaweS-Aahlumgen, gleich 21 Milliarden, könnte die internationale Hochfinanz von den 4,7 Millionen Ar, die den Boden Deutschlands ausmachen, 4,9 Millionen Ar, den Ar zu ö Mark gerechnet, kaufen. Die ttebersremdung in In- dustrie und Landivirtschast würde zunehmen, der Unternehmer bestenfalls Prokurist seines eigenen Unternehmens, der Bauer Großknechi auf seinem eigenen Hose werden. Hierhin habe uns der im Sinne des WclikapitalS arbeitende intcrnalionale Marxismus mit seiner Entwertung nationaler Werte gebracht. Dte Nationalsozialisten würden den Kampf um Deutsch lands willen ausnehmen, sie würben um das Herz jedes Marxisten ringen, und, da sie alles aus Liebe zum deutschen Vaterland« tätrn, nicht müde werden in der Erfüllung ihrer Mission. LelrlebssltUegungsanzelger». Im Monat M a t 1920 hat sich dte Zahl der beim sächsischen Arbeit», und Wohlfahrtsministerium etngereichten Anzeigen über beabsichtigte Stillegungen industrieller und gewerblicher Betriebe nur unerheblich gegen den Vormonat verringert. Sie ist von 247 auf 220 weiter »urückgegangen. Diesmal entfiel die Höchstzahl der Anzeigen auf den Maschinen-, ripparate- und Fahrzeugbau, der mit insgesamt 00 Anzeigen vertreten war. Dte Textilindustrie ist mit 40 Anzeigen an die zweite Stelle gerückt. Aus der Eisen- und Metallgewinnung lagen 20 und aus der Industrie der Steine und Erden 19 Anzeigen vor. Mit 18 folgt das Bekleidungsgewerbe, 12 verzeichnet das Holz- und Schnitzstoffgcwerbe und 1t die Herstellung von Eisen-, Stahl- und Metcillwaren. Die Musikinstrumenten- und Spielwarentndustrie hat zehn Anzeigen eingcreicht, neun die elektrotechnische Industrie, Feinmechanik und Optik, und mit der gleichen Zahl ist die Papierindustrie und das Bervielfälli- gungsgewcrbe beteiligt. Auf daö Gcnußm-ittelgcwerbc, und zwar dte Tabakindustrie, entfallen vier Anzeigen, zwei ans die chemische Industrie und nur je eine ans die Leder- und Lino leumindustrie, die Kautschuk- und Asbestindustrie sowie das HanbelSgewerb«. SSngersahrl. Am Sonntag hatte der Sängerbund des Meißner Landes eine Sängcrsahrt nach WilS druff unter nommen, das mit Fahnen und Girlanden reich geschmückt war. 25 Vereine mit über 700 Sängern aus Meißen. Großenhain, Lommatzsch, Riesa, Oschatz, Borna, Daubnitz, Garsebach, Glan bitz. Gröba, Lonnewitz, Mcrzdors, Naundorf. Niederau. Zabel titz, Zehren, Zeithain und Zschöllau mit ihren Fahnen waren gekommen- Von 9 Uhr ab hatte Empfang der Sänger auf dem Marktplätze stattgesunben, von 11 bis 12 Uhr ivar Markt konzert der Staötkavelle, um 1 Uhr die -Hauptprobe in dem Schützenhanse mit anschließendem Festzuge. Eine besondere Wcihestunde war um 9 Ubr die Feier auf dem Markte. Nach BegrüßungSchören durch die Wilsdruffer Ortsgruppe unter Führung deS Lehrers Pank Htentzsch, zurzeit Ortsgruppenliedermeister und des Obcr- lehreS Kantor Htentzsch begrüßte der Ortsgrupvenvorsihende Ztcnert, Wilsdruff, und Bürgermeister Dr. Kronfeld die Fest- gäste. Bundeslicdermeister Kirchenmusikdircktor Gläser. Großenhain, leitete die Vorführung der acht Masienchöre. über 800 Sänger, die ausgezeichnet studiert und vorgetragen, einen idealen Gewinn für den ganzen Bund bedeuteten. Der neue Bundesvorsitzende Adelhelm, Oschatz, stellte sich seinem Bunde mit einer begeisternden, das deutsche Lied feiernden. Rede vor und zeichnete verschiedene Sänger der Wilsdruffer Vereine für 25jährige treue BnndeSmitgltcdschast durch prächtige Ehrenzeichen aus und überreichte dem Ehrenliedermcister der Wilsdruffer Liedertafel für über 25jährige Tätigkeit alS Liedermcister (1897) und Oberlehrer Alfred Hillig als früheren Dirigenten des Gesangvereins Sängerkranz. Wilsdruff, da» neu gestiftete Anstcckzcichen unter anerkennenden Worten, wofür Oberlehrer Kantor Htentzsch herzlicbsi dankte. Die ganze Marktseier verlief bei bestem Wetter ausgezeichnet, und ein nach Tausenden zählendes Publikum brachte rauschenden Beifall, In dem der Festfeier von 5 Uhr an im Löwen folgenden geselligen Beisammensein kam eS zu gemeinsamen OrtS. Gruppen- und Einzelvereinsgesängen und ernsten und hn- mortstischen Ansprachen, die eine sehr erfreuliche Iidelität er zeugten. Nur zu bald waren auch diese schönen Stunden »er. schwnnden, »nd man nahm mit vielen DankeSworten Abschied von der gastlichen Stadt und mit der Hoffnung srobcn Mieder- sehens znm für 1027 geplanten Bundessängerfcst in Oschatz. Wilsdruff aber kann stolz sein ans den ganz herrlichen Ver lauf dieser vom Wetter sv begünstigten Sängcrsahrt. — BerwaliungSakabemi« Dresden. Dr. Roch hält sein« letzte Borlesung über Erbrecht am 10. Iuirt von 5.80 Uhr nachmittags ab im Bttzthumschen Gymnasium, Dresden. Di« am 10. Mai aus- gefallene Vorlesung über Statistik l wird am 16. Juni, 5.80 Uhr nachmittags tn der Kreiizschule nachgeholt. — Eigentümer gelocht. Eine hier in Haft befindliche StiShrig« Frauensperson hat ein Geldtäschchen im Besitz, da« 150 Mk. altes Geld, 2 Photographien und 4 Postabschnitt« über Einzahlungen nach Hannover und Köln enthalten hat. Die will es <rm I. Pfingstfeirr- tag früh 5 Uhr in der Riiänitzstrahe gefunden haben. Es dürste aber tümcr gestohlen sein. Zur Aufklärung der Dach« wind der Eigcn- r erluckt, sich umgehend bel der Kriminalpoltzet »u melden. er sich durch seine Kantaten, Sonaten, Sinfonien und durch seine Oper ./Silvana" schon vorher einen Namen gemacht hatte. Das Jahr 1814 aber ist eS, daS seinen Ruf in Ruhm verwan dellc »nd ihn in ganz Deutschland volkstümlich machte, lange bevor sein „Freischütz" seinen Namen dann mit nie gesehener Schnelligkeit über die Grenzen Deutschlands hinaustrug. Der Osiund hierzu aber sind seine Lieder aus Körners „Leier und Schwert". Wie ist Weber dazu gekommen? In Prag hätte er schwer- Iich die Anregung dazni erhalten, denn die Teilnahme an dem Siege der deutschen Sache war dort sehr lau. Der Zufall wollte cs, daß Weber zur rechten Zeit an den Ort kam, wo die Flut nationaler Begeisterung am höchsten in ganz Deutsch land rauschte: nach Berlin. Am 9, August l814 kam er hier an. Er wollte seine Freunde besuchen, ein Konzert veranstalten und namentlich seine ,/Silvana" zur Ausführung bringen. Die Amsnahmc bei seinen Freunden war überaus freundlich und herzlich. Er schrieb an seine Brgut Karoline Brandt: ,Hch kann nicht leugnen, baß diese enthusiastische, beinahe über triebene Verehrung meiner Arbeiten und dies« herzliche Auf nahme von allen Seiten micht recht aufgeregt und meinem Geisic einen neuen Anstoß »nd Schwung gegeben hat, und ich hosie, recht viel zn leisten »nd neue Lust und Krgft zur Arbeit miiznnchmen." Auch dte beiden anderen Vorhaben konnte er austühren. Das Konzert fand zwar erst am 28. August statt, brachte aber einen völligen Erfolg und machte den Wunsch rege, ihn an Himmels Stelle an das Dirigentenpnlt der Oper zu berufen. Dagegen ließ die „Silvana", bte nach großen Schwie rigkeiten am 5. September zur Aufführung kam, die Berliner sehr kühl. Das lag weniger an der Musik, denn sie Ist mit der des „Freischütz" artverwandt, als an dem Gegensätze des sen» timental-romontischcn Opernstoffes voller Unnatur und pappencr Rüstungen zn dem eben vollendeten weltgeschichtlichen Drama, das in großen, erhabenen Zügen »oll echten, wilden, leidenschaftlichen Lebens vorübcrgcrauscht war. Aber eben dieser Umstand, der seiner Oper nicht günstig war. hat ihm einen viel größeren Erfolg eingcbracht. Berlin war mitten lm SiegeStanmel, eS glich dem Lager eines siegreichen Heeres, Napoleon war endgültig abgetan, preußische und russische Truppen durchzogen die Stadt. Die Stimmung war feierlich, festlich: das Volk, wohlbewnßt des selbsicrkämpftcii Sieges, wogte durch die Slraßen. Die Herzen waren geöffnet, mitteilsam und zum Enthusiasmus geneigt. Man erwartete den König und schmückte die Stadt,- man feierte die Heerführer und die Truppen und hatte für nichts weiter Sinn, als was den vaterländischen Stolz und die nationale Erhebung auSdrücktc und verherrlichte. ES gab Prologe und militärische Ballette, man malte Schlachtrnbilber und sang Kriegs- und Siegs- und FreihcitSliedcr. Was cs nach dieser Richtung hin an Liedern gab. nmrdc hcrvorgesucht, selbst dcS alten Noberfelds ,L)atcrlandslicd", von Eberwein komponiert Man hörte Hoffmanns „Lobgcsang an den Retter Deutsch lands". Methfesscls „KriegSlicdcr", B. A. Webers „Patrio tischen Nundgcsang", Himmels „Kricgslicder der Dänischen" Besonders begehrt waren Körners Öledichte, die schon durch Krafft, Bczwarzowsky, Grund, Gottfr. Weber eine musikalische Bearbeitung gesunden hatten. Für Karl Maria v. Weber was das alles eine neue Welt Er sah und lauschte. Es traten ihm Formen und Ideen und Empfindungen entgegen, die ihm bisher recht fremd geblieben waren. Die Vorstellungen und Begriffe von Freiheit, Vater land. Heldentum und Tyranncnhaß machten seine Seele warm, bewegten sein Denken, erstarkten innerlich -und erhielten bald solche Kraft, daß sie sein Inneres beherrschten und nach einem künstlerischen Ausdruck drängten. Wenige Wochen nachher kamen dte Früchte »um Vorschein, jene herrlichen Lieder, die alle dte vorhin genannten ins Dunkel zurückftießen und ihren Siegeslauf begannen. Auf Berliner Boden, auf dem preu- ßischen Enthusiasmus von 1814 ist di« AnSsaat geschehen. In Webers Leben kam eS wiederholt vor, daß einige Zeit nach anregenden Erlebnissen, namentlich auf einsamen Reise- wegcn, die empfangenen Ideen und Gedankengänge kitnst» lerische Richtung und Gestalt annahmcn, sich läuterten und klärten. So auch hier. Der Neisetzlan bestimmte — es lag eine Einladung de» -Herzogs von Gotha vor —, daß die Abreise von Berlin un mittelbar nach der „SIlvona"--Aufftthrung stattfinden sollte. Und so stieg Weber noch nachts in den Retsewagen — bei strömendem Regen. Es ging über Leipzig und Weimar. Der Regen plätscherte auch am nächsten Tage gleichmäßig aufS Wagendach, als wäre ihm anfgcgcben worden, dem Schaffen den die Sammlung zu erleichtern. Auch die Landschaft zwischen Berlin und Leipzig hat nichts an sich, scmand von der Arbeit abzulcnken. So fand ans dem Wege über Jüterbog—Witten berg die geistige Geburt schöner, emlglebendtger Gebilde statt. Weber drängte es, den fertigen Stoff, der ihm Kopf und Brust bewegte, zu Papier zu bringen. Nur kurz ist sein Aufenthalt In Leipzig nnd Weimar: er eilt weiter noch Gotha. daS er am 11. September erreicht. Er trifft aber den Herzog nicht an. Dieser ist nach Grosentvnna gereist, wo man kurze Zeit vorher Schwefelquellen entdeckt hatte, die nun durch den höchsteigenen herzoglichen Gcbrguch in Aufnahme gebracht wer den sollen. Am 12. September kommt Weber hier an und wird vom Herzog ausö beste empfangen. Einen stilleren, lauschigeren Ort zuan Dichten und Schreiben konnte er nicht finden. Daö Grün de» Waldes leuchtete in die Fenster de» uralten Schlosses. „Das uralte Schloß", so schreibt er an seine Braut, „in dem ich Haufe und in dessen schauerlichen Otemächcrn beim Klappern alter Fenster und Türen ich diese Zellen schreibe, umfaßt mich recht wohltätig mit seiner Stille und gibt mir im geistvollen Nmgange des Herzogs eine gemütliche Ruhe, in der ich recht viel zu arbeiten und zu leisten imstande wäre, wenn ich lange genug da Hansen könnte .... Den 19. komponierte ich zwei ne«e Lieder, ordnete meine Papiere und brachte von 11 Uhr morgen» den ganzen Tag bis 11 Uhr nachts beim Herzog zu, wo natürlich auch Gurgel und Finger herhaltcn mußten . . ." Die beiden Lieder, die hier so nebenbei erwähnt werden, sind „LützowS wilde Jagd" und „Schwcrtlted". Die Berliner Saat hat gleich am Anfang zwei der schönsten Blüten ausgchcn lassen! In das Waldesrauschen des stillen Gräscntonna mischte sich das Brausen tönender Begeisterung, das bald das ganze Land erfüllte. Was hätte hier nicht noch alles retfen können, wenn nicht plötzlich ein dringender Brief seines ThcatcrdirektorS Licbich den Aufenthalt beendet hätte. So mußte auch der Plan fallen, diese neuesten Lieder in einem Konzerte in Leipzig erklingen zu lassen. Nm 21. September ist Weber in Altcnburg, wo er am 29. September ein Konzert gibt m-n-d das frische Körncrsche Lied „Männer und Buben" niederschrcibt. Am 25. Sep tember ist er wieder in Prag. Hier entstanden dann die übrigen Lieder: am 19. Oktober das „Trinklied vor der Schlacht", am 20. Oktober das c i t e r l i e d". am 21. Ok- tobcr das „G e b e t v o r - c r S ch l a ch t". am 19. November das „Gebet während der Schlacht", am 20. November der „Abschied vom Leben". Die Stimmung hielt also an. „Leier un>d Schwert" waren damals seine liebsten Kinder. „Mögen sic Ihnen auch lieb werden", so schreibt Weber an Fridrich Nvchlitz, „die 4stlmmigcn habe ich hier mit 10 Stimmen gegeben, wo sie großen Enthu siasmus erweckten. Die vier mit Klavierbegleitung sprachen sich selbst anS. nur wünschte ich, daß Die in dem „Gebet wäh rend der Schlacht" nicht etwa ein Schlachtengcmäide sehen sollten, nein, daS Malen liebe Ich nicht, aber die wogende Empfindung in der Seele dcS Betenden nährend der Schlacht, indem er tn einzelnen betenden, andächtigen, langen Akzenten zu Ost>tt mit gepreßter Seele ruft — die wollte ich schildern." Das Schildern ist ihm sv gut gelungen, der in Berlin geschämte Enthusiasmus hat so treffend seinen Ausdruck ge linden, baß die Lieder unserem verwöhnten Gcschlcchtc noch vollauf genügen. Ihn selbst aber haben sie ringcrciht, ganz abgesehen von seinen -Hauptwerken, unter dte Männer, die, wie Arndt, Schenkendorf, Körner, Nhland, durch Ihre Begciste- rirng für edle nationale Güter unsterblich geworden sind. ^