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Jeutsche Freiheit das 3iel des Stahlhelms. Das Ideal des neuen deutschen Menschen. - Der Glaube an eine deutsche Zutunst. Die Botschaft des Bundes der Frontsoldaten. Der Auftakt -er Aamburger Slahlhetm- lagung. Hamburg, 1. Juni. Während -in allen Gauen Deutsch lands die ersten Soiidcrzügc des Stahlhelms znm grasten Aufmarsch in Hamburg sich in Bewegung setzten, begann heute iwrmitlag die Reihe der offiziellen Bcranstaltungcn mit feier lichen Kranzniederlegungen am Kaiscr-WUhelm-Denkmal, Wistmann-Denkmal und Bismarck-Denkmal durch die beiden Äniidcsführcr, die anschliestcnd die im BundeSstaböquartterver sammelte Presse bcgrusttcn. Den eigentlichen Auftakt des 8. Ncichssrviitsvldatcntagcö bildete die graste Veranstal tung im S a g c b i e l, zu der rund MM Menschen bereits eine Stunde var Beginn den riesigen Dvppclsaal füllten. Nach dem stürmisch bejubelten Einmarsch der Jahne» brachte der zweite Bundesführer, Oberstleutnant Duesterbcrg. die zweite Ltahlhelmbvtschaft zur Verlesung. Die Botschaft erklärt: „Der Stahlhelm kennt den Krieg und wünscht deshalb de» Frieden. Nur Wille nnü Kraft zur Verteidigung erhalten den wahren Frieden. Das furchtbare Hamburger GistgaS- «ngliick zeigt, was unser wehrloses Volk in einem ZnknnftS- lricqe zu erwarten hat. Nur die Gleichberechtigung in der Mclustürke aller Rationen sichert den Frieden. Der Stahlhelm fordert, dast eine deutsche Außen politik, die wirklich Erfolge erringen will, ihre ersten An strengungen nach innen richtet. Er lehnt die Anpreisungen »an Scheinerfolgen und Umsälschung von Niederlagen in Er folge ab. Der Stahlhelm fordert nachdrikckllchst den Wider ruf der Kriegs? chnldlüge. Wir lehnen den Völkerbund ab. solange er ein Machtmittel der bis an die Zähne gerüsteten Sicgcrstaatcn bleibt. Der Stahl helm erkennt den Raub der deutschen Heimat und Lolonialgebiete nicht an. kr lehnt den Verzicht ans den siir Deutschlands Wirtschaft notwendigen Ostranm ab. Er lehnt die Reparationen, die eine Wiedergutmachung bedeuten sollen, ab. weil sic in Wahr heit zn einer Kriegsentschädigung geworden sind, die nur mit wirtschaftlichen und militärischen Zwangsmitteln von Deutsch land erpreßt ist. Niemals werden wir zngcben, dast diese rein politischen ZahlnngSfordernngen in Ansprüche umgewandelt werden, für die die Grundsätze des bürgerlichen Schnldrechts gelten nnd dast Versprechungen ans die Räumung besetzter Mistete ein Handclsgcgenstand werden. Ter Stahlhelm erkennt, dast durch die bolschewistische !>clsre und Bewegung in besonderer Weile der Grundsatz des Privateigentums bedroht ist. Wir verteidigen auch das kleinste Privateigentum als Grundlage jeder Kultur. Nachdem Oberstleutnant Ducstcrberg die von der Ver sammlung begeistert ansgcnvmmcnc Kundgebung verlese» hatte, ergriff der erste Gründer und Vundcösührcr Franz Scldte das Wort z» einer längeren Ansprache, in der er, oft von spon tanem Beifall unterbrochen, etwa folgendes ansführte: »Mit unseren Aufmärschen verbinden wir im Stahlhelm eine Idee, wie sic auch dieses Mal in der Botschaft ihren Ausdruck findet. Der Aufmarsch ist in diesem Jahre deshalb »ach Hamburg gelegt, weil Hamburg, die grösste Hafen stadt Deutschlands, eine Warte ist, von der die Stimme des Ltalilhclm im Inland nnd Ausland zn vernehmen ist. Man hat Hamburg das Fc » stcr Deutschlands genannt. Wir treten vor dieses Fenster Deutschlands, auf dast alle unser Gesicht sehen, unser Wesen und unseren Willen erkennen sollen. Man soU sehen, Vatz wir allein die Freiheit Deuischlands wünschen. Der Stahlhelm überliefert und trägt die Tradition der stolzen, alten Armee. Aber seine eigentliche Art und Kraft besteht in etwas anderem, ist etwas ganz Neues. — Diese Kraft und dieser Aufmarsch von hunderttausend Mann i» Hamburg und »ur gleichen Zeit tu Ostprensten und dann in Schlesien beruht nicht aus der Disziplin nnd Besehlsgcwalt des alte» Heeres. Diese Leistung beruht allein ans der freiwillige» Disziplin und aus dem bewussten, freiwilligen Sich-znr- Pcniigniigstclleu der Kameradschaft. Das deutsche Volk hat vor zwei Machen den Reichstag neu gewählt. Die sozialistischen Parteien haben a» Ltimmenzahl nnd Mandatsbcsitz sich wieder dem Stande genähert, de» sie bei den Wahlen zur Nationalversammlung durch Ansnutzuug der Schwäche eines »iedergebrochene» Volkes »nd mit de» Nittel» eines unerhörten Truges erreicht haben. Die »tcht- lozialtstischcn Parteien habe» eine schwere Niederlage erlitten. Der Stahlhelm erklärt, dast die Parteien, die den Kamps siir die deutsche Freiheit nnd gegen den internationalen Marxismus verkünden, aber sich unfähig erweisen, diese» Kamps siegreich dnrchznsUhren, abtreten sollen. Der Stahl helm erklär«, dast das deutsche Volk sein Schicksal verdient, wenn cs nicht die Kraft ansbrtngt, im politischen Kampfe auch mit dem Stimmzettel das Vebcnsrecht seines Staates ,« verteidigen. Der Stahlhelm fordert nationale Wirtschaft nnd Stärkung des inneren Marktes zur Erlangung der dcuischen Nahrungs- srciheit. Der Deutsche must mit der Weltwirtschast in Wechsel beziehung bleiben, aber die Staats-, Wirtschafte- und Finanz politik haben dafür zu sorgen, dast die deutsche Selbständig keit gegen die wachsende U c b c r s r e m d u n g geschützt und die deutsche Selbstbehauptung gesichert wird. Tie deutsche laiidwirischasliiche und industrieüc Erzeugung must in die Page versetzt werden, mit ihren Gestehungskosten den Wett bewerb dcü Auslandes ertragen zu können. Finanz- und Stencrpolittk müssen sich diesem Gebot fügen. Der Stahlhelm erkennt, dast das Schicksal dcS Arbeiters abhängig ist vom Schicksal der Nation. Der Stahlhelm, der um die dentsche Freiheit ringt, kämpft deshalb siir den deut schen Arbeiter, aber er zeigt ihm nicht allein daS Zukunftsbild der Befreiung, sondern leistet auch planmästig soziale Gegcn- wartsarbcit. Der Stahlhelm verlangt die arbeitSrechtliche Gleich stellung aller Arbeitnehmer. An Stelle einer gleichinachendcn Lohnpolitik müssen Auf stiegsmöglichkeiten durch Vcivcrliiiig der Leistung ge boten werden. Den führenden Kreisen der Wirtschaft rust der Stahlhelm zn. sich ihrer nationalen Verantwortung dem deutschen Arbeitnehmer gegenüber bewusst zu sein. Die Massen eines Volkes sind so gut und so schlecht wie die Füh rung eines Volkes. lBrausende Zustimmung.) Die richtige seelische Behandlung dcü Mensche» ist eine der wichtigsten Aus gaben des Unternehmertums. Der Stahlhelm weist, dast cS dem deutschen Arbeiter niemals genügen wird, nach den Grundsätzen der heutigen Sozialpolitik versorgt zn werden. Der deutsche Arbeiter will für seine Berufsarbeit die Gleich berechtigung des freien Bürgers. Der deutsche Arbeiter ge hört znm Stande seiner Berufsarbeit, iu welchem er die Stelle fordert, die er durch seine Persönlichkeit einznnchmcn berech tigt wird. Die Rechtsordnung wird für diese neue soziale Auffassung die Ncchtssätzc und den Rechtsschutz finden müssen. Mit dieser Ncnordnung wird unvereinbar sein die Duldung eines Bürgerkrieges, wie er hcntc in den Formen von Streik und Aussperrung als rechtlich erlaubt geführt werden kann. Solchen Bürgerkrieg kann ein gesundes Volk nicht dulden, noch weniger aber ein Volk in Not ertragen, das sich die Frei heit zurückgewinnen will. Unsere Arbeit soll der Znknnst Deutschlands dienen. Wir wollen den Geist der Vernein,»,cg, des internationalen Materialismus nnd der Selbstsucht überwinden dnrch den Geist der Hingabe und des Opsermntes. im Glauben an den Sieg des Guten, im Glanbc» an Gott. Die Freiheit im Staat, die Freiheit in der Welt, die Freiheit der Arbeit, die Freiheit der Seelen: das ist »nscr Programm." Die Stahlhelm-Botschaft zeigt den ManneSgeist und Wchrgeist und ein Herrentum, das nur derjenige empfindet und denken kann, der gejochten hat und bereit ist, wiederum etnzntretcn. — Wir brauchen die Freiheit des dcnt- schcn Mensche», die Freiheit des Gebietes nnd die Freiheit für die Reichweite nnd Betätigung unserer dcnifchcn Kraft. Wir brauchen eigenes Land znm Siedeln, zum Arbeiien. znm Leben nnd zum Ansast unserer ttebcrkrast. Wir müssen auch im Ausland von denen verstanden werden, die selbst gefachten haben. Noch stehen wir unter der Bindung von Verträgen, die unser und der einstige» Gegner nicht würdig sind. Vertrüge sind nicht ewige Naturgesetze. Sie können mit Brücken ver glichen werde», die über Ströme und Abgründe führen und verbinde» svlle», — die aber, wie alles menschlich Kvnstrnicrtc, erneuert nnd anSgcbesscrt werden müsse». Man kann aber auch andere Brücken schlagen, wie cS Köhl und die anderen Ozcanslteger taten. Und ich denke weiter: ES must auch gehe», neue Brücken zn schlagen, wenn die Well sicht, das, daS neue Deutschland der Frviitsoldate» nickst nur ArbcitSmenschen, sondern auch Gcntleme» erziehen will. Auch wir erstreben den deutschen Man», der den Begriff deS Gentleman in sich birgt: LebenSkenntniS »nd Gcistcsklarhcit, Selbstbewusstsein und Unbefangenheit, Mästignng und Hcrzcnsgütc, Tapferkeit »nd Freisein vom Alltagskram. Will man aber so denken, dann kann man nur in einem freien Lande leben, und eS wird hei der Bitterkeit des KampseS auch der beste Mann eines Tages vvr die Tatsache gestellt, dast man letzte Entscheidung nicht dnrch Geld abkansen kan», sondcrn, dast dann das Blut seine Sprache spricht. Die Hamburger Botschaft des 9. NeickiSsrontsoldatentageS sagt, was wir wollen. Möge sie lstiiausklingcn durch Deutsch- la»d und l» die weite Welt. Und möge sie Werbung sein bei alle» gute» Deutsche». Mit klarem Verstände und kühlem Blick sind wir an daS Fenster von Hamburg getreten. Möge daS Fenster sich zum Tor wie in Hamburgs Stadtwappe» weiten und anslun. a»s das! unsere Botschaft und unsere Wer- bnng Widerhall nnd viele Freunde finden. Mit Lcdcns- kenntnls, mit Geistesklarheit, aber auch mit opferbereitem Herzen festen wir nnS für die Freiheit Dcntschlands ei«. Wir werden In diesem Kampfe nicht Nachlassen, nicht Nachlassen in der Krast des Willens und in der Inbrunst des Glauben» an das Gerechte nnseres Kampfes. Abschaffung öes Skreikrechks. Deutschland bedarf zur Heilung der durch Krieg, Re. volution nnd Inflation geschlagenen Wunden der Zusammen arbeit aller Schichten seines Volkes. Dast neben vielen anderen Faktoren der Wirtschastöfriedc dieser Zusammen arbeit am besten dienen würde, ist gewiß die Ueberzeugung aller einsichtigen Staatsbürger. Aber zwischen dieser Er kenntnis und der Umsetzung des Gedankens in die Tat ist noch ein weiter Weg. Wie ungeheuer schädigend wirt schaftliche Kämpfe für ein Land sein können, das hat der große englische Kohlenstreik sehr anschaulich vor Augen geführt. Deutschland ist in den leOcn Monaten nur mit knapper Not ähnlichen Arbeitskämpfcn, die für die Nation schwere finanzielle Verluste gezeitigt haben würden, aus dem Wege gegangen. Aber sie können jeden Tag wieder aufflainmen, denn noch Hunderte von Tarifverträgen gehen ihrem Ende zu, und die Eisenpreiserhöhung sowie die ge plante Steigerung der NeichSbahnlarifc werden die Lohn- erhöhungsfvrdernngcn der Gewerkschaften noch mehr empor schnellen lassen. Kommt es dabei zu keiner Einigung zwischen den Parteien, so greisen die Arbeitnehmer meistens gleich zu ihrer stärksten Waffe im Wirtschnftskainpf, dem Streik, der dann als Gegenmaßnahme der Arbeitgeber die Aussperrung nach sich zieht. Hält sich ein Arbeitskamps in engeren Gren zen, so schädigt er die betroffenen Wirtschaftszweige mehr ober minder, geht aber für das Gcsamtwirtschaftsleben der Nation als erträglich vorüber. Bon unabsehbar schädlichsten Folgen jedoch sind Arbeitskämpfe, die zn einem Generalstreik sich ausdehnen. Bei der straffen Organisation der Arbeit, nehmcr und der immer weiter um sich greifenden Radikalisie rung der Gewerkschaftsleitungen ist leider die Gefahr großer Streiks, die dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands schwersten Abbruch tun können, nicht von der Hand zu weisen. Solchen Schädigungen deS Gesamtwohls vorzubeugen, und nm der deutschen Wirtschaft in ihrem schweren Konkurrenz kampf mit dem Auslände zu helfen, wäre es im wohl erwogenen Staats! ntcresse durchaus angebracht an Stelle der die Produktion mordenden nnd den Klassenhast züchtenden ArbcitSkämpfc den A r b e i t s s r i e d c n zu setzen, der allein der Förderung der Wirtschaftskräfte und dcS Gcineinnntzcns dienen kann. ES gibt viele Wege, die zur Beseitigung der Wirtschafts, kämpfe führen können. In Schweden hat jetzt das Par lament einen, vielleicht den besten dazu, beschrittcn. In einer mit elf Stimmen Mehrheit angcnomincncii Gcsctzes- vvrlage wird das Streikrecht abgeschafft und be stimmt. daß für alle Streitfälle zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern grundsätzlich das obligatorische Schieds gerichtsverfahren cinzulciten ist. Diese Maßnahme wird ohne Zweifel für die künftige Entwicklung der internationalen Arbeitsgesetzgebung van einschneidender Bedeutung werden und vielleicht nach die zurzeit in Genf tagende Internationale Arbeitökvnsercnz beschäftigen. ES braucht keiner langen Be gründung für die Ansicht, daß schau die bloße Erwägung, auch in Deutschland dem Beispiele Schwedens zu folgen, in Arbeit- nchmcrkreisen zumindest heftige Erregung, in den Gewerk schaften aber leidenschaftlichsten Widerstand anSlöscn würde. Denn das S t r e i k» r e ch t" ist eine der „heiligsten" Er rungenschaften des Marxismus, obwohl eö der von den Sozialisten in allen staatlichen Angelegenheiten sonst ver tretenen Parole: „Gemeinnutz geht vor Eigen, nutz" strikt z u w i d c r l ä u f t. ES ist nicht uninteressant, einmal nachznzeichncn, wie dnrch die marxistische Führcrschicht den breiten Massen der deutschen Handarbeiter die An schauung cingeimpft worden ist. daß der Streik ein errungenes „rechtliches Mittel im Arbcitskampf" sei. Das Land, das jetzt als erstes daS Streikrecht gesetzlich abschafst, hat auch den ersten großen Mirtschaftskampf erlebt. 1!>M erklärten die schwedischen Arbeiter den Generalstreik in allen Betrieben. Während sich die Gewerkschaften der übrigen Länder von irgendeiner Stellungnahme fcrnhiclten, wurde die Idee dcS Generalstreikes von den deutschen Arbeiter organisationen sogleich in die öffentliche Erörterung geworfen. Bebel bat damals durchgesetzt, dast die bisher als wirtschaftliche Kampfmittel — aber nur selten — angewandten EinzelstreikS siir die Zukunft auch zu politischen Zwecken nutzbar gemacht wurden durch Zusammenfassung zum General streik. Bor dem Kriege ist dieses Mittel nie probiert worden. Aber seit nach den Friedensschlüssen das Machtbemusttsein der organisierten Arbeiterschaft stark angcwachsen ist, haben die Streikbewegungen immer häufiger einen Charakter und Um fang angenommen, der an einen Generalstreik, d. h. an die Ntcderlegung der gesamten Arbeit im Reiche heranragte. In dem großen Proteststreik gegen den Kapp-Putsch kam die Politisierung des wirtschaftlichen Kampf, mittels am schärfsten zum Ausdruck. Damals hat das deutsche Volk erfahren, dast große Streiks sich nie allein gegen den richten, den sie treffen sollen, sondern daß sie stets in breitester Front die gesamten übrigen BolkS. schichten angreifen. Wenn man sich jene Tage in die Die Ansprache des Bundesführers Seldte.