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Smmtag den 6. November 1931 «Schslsch« V»lk<t«11«»ß Nr. 357. Seite 2 ^7' lagen bereits einen Ueberschuh von 28.7 Milliarden ergeben. 97,7 Milliarden Einnahmen, 69 Milliarden Ausgaben. Dieser Ueberschuh wird aber völlig verschlungen durch ine ordentlichen Ausgaben für Kontributionen, di« einstweilen mit 77,6 Mil liarden augeseht sind, so daß sich hierdurch ein Fehlbetrag von 48,9 Milliarden ergeben würde. Durch den Bedarf im außer- ordenilichen Haushalt der Kontributionen von 72 Milliarden erhöht sich dieser Fehlbetrag auf 60,9 Milliarden. Bei diesen vorläufigen Schätzungen ist von folgenden Ge sichtspunkte» ausgegangen worden. Es wird angenommen, datz aus den bestehenden Steuergesetzen im Jahre 1923 zu den bis her veranschlagten 86 Milliarden Marl rund 20 Milliarden Mark Mehrerträge sich ergeben, wozu dann noch 33,5 Milliar den Mark aus den neuen Steuern kommen sollen. Der Rest verteilt sich aus sämtliche Einnahmen des ordentlichen Etats. Die schwerste Belastung für den ReichshauSbalt wird auch im kommenden Rechnungsjahre 1922 der Haushalt der Kontribu tionen bilden, durch den ja überhaupt di« ganze Finanznotlage des Reiches bestimmt wird. Die Unsicherheitsfaktoren in der Rechnung des Kontributionshaushaltes sind besonders groß und zahlreich. Er weist neben den zwei Goldmilliarden und festen Annuitäten noch die variable Größe von 26 v. H. der Ausfuhr mif. Ist schon die auf Geld gestellte Grundsnmme variabel, so wohl erst rech! der Voranschlag erschwert durch den noch viel unsichereren Faktor der Geldentwertung. Die Geldentwertung ist erfahrungsgemäß im Innern eine andere, als nach außen hin, und es kommt sonach darauf an, wie groß das Maß der direkten Sachleistungen sich gestaltet und wie groß andererseits die Summe ist, die in Devisen av^. ,ührt werden soll. Der letz tere Betrag steht unter dem gewaltigen Drucke der Valuta- schwankungen, ein Druck, der im voraus überhaupt nicht berech net werden kann. Bei der eben mitgeteilten Berechnung ist eine Geldleistung von 3,3 Milliarden Mark und ein durchschnitt licher EntwertungSiaktor von 20 angenommen. Hierbei würde sich, wie vorhin dargelcgt, ein Fehlbetrag tm Kontri- butionsftauShalt 1922 von 69,9 Milliarden Mark ergeben. Bei einem Entwertungsfaktor von 30 würde der Fehlbetrag sich ans 93.3 Milliarden Mark, unter einem Ent wertungsfaktor von 10, der etwa dem jetzigen Dollarkurs ent spricht, auf 126,9 Milliarden Mark erhöhen. Diese Zahlen sprechen *ür sich. Die Reichsregierung steht gleichwohl auf dem Standpunkte, daß alles geschehen muß, um unseren Verpflichtungen aus dem verlorenen Kriege so weit als möglich nachzukommen. Sie schließt sich nicht denjenigen an, die etwa der Meinung sind, die neuen Steuern seien zweck los, weil sie schließlich doch zu keinem Erfolg führen könne». Ein wirksamer Ausweg aus unserer ungeheuren Finanznot Wird sich erst finden, wenn sich bei unseren einstigen Gegnern die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß im Interesse ihrer eigenen Völker die durch die Entscheidung über Oberschlesien wesentlich verschärfte Lage des deutschen Volkes durch eine vernünf tige Anpassung seiner Verpflichtungen an seine Leistungsfähigkeit erträglich werden muß. Schon mehren sicb im Anslande in dieser Hinsicht die Stimmen «insich.svoller Männer, die darauf Hinweisen, datz die Liquida tion de? Weltkrieges in anderer Weise gelöst werden muß. Eine wirksame Unterstützung erhoffen wir von dem Ergebnis der Verhandlungen mit Vertretern der Industrie, des Handels und der Landwirtschaft wegen einer Kredithilfe. Ich habe das feste Vertrauen zu den beteiligten Kreisen, daß sie sich der unerhör ten Not des Vaterlandes nicht versagen und bild entschlösse fas sen werden, die nicht nur im Anslande, die Opferwilligkeit aller Wirtsckxrftskreisc beweisen, sondern mich innerpolitisch den not wendigen Ausgleich herbeisührcn. Einige der Vorlagen müssen schon am 1. Januar in Kraft treten. Ich darf deshalb an dieses Hohe Haus die ernste und dringende Bitte richten, die Beratun gen über die Gesetzcntwürse noch in diesem Jahre zu Ende zu führen. Die Aufgabe, die Sie zu lösen haben, ist eine gewal tige, doch der gemeinsame Wille, dem Vaterlands zu helfen, wird auch einen Ausweg finden. Möge die Not des Reiches hinwegführen über Partcianscljanungen und Parteikämpfe und mögen Ihre Beratungen eine Quelle des uns so bitter »öligen Friedens und der inneren Festigung »erden zur allmählichen Gesundung nnsercs Volkes und des auS tausend Wunden blu tenden Vaterlandes. Vizepräsident Dr. Bell schlug hierauf Vertagung vor, der das Hans zustimmt. Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr. Sitzung des Reichswlrtschastsrates Verls«, 4. November. Im RetchswtrtschaftSrat führte Ed- ler v. Braun in der Beratung über bi« Erfassung der Sach wert« weiter aus: Das Wiesbadener Abkommen bedeutet eine Belastung in Höhe von 16 Milliarden Papiermark pro Jahr. Es darf nicht unterschätzt werden, daß Deutschland für den Zeitraum von 1922 bis 1926 der Kreditgeber Frankreichs sein soll. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Industrie durch den Staat zu entschädigen. Im Gesamtrahmen unserer Ft- nanzpolitik ist daS Wiesbadener Abkommen unverständlich, weil eS in diametralem Gegensatz zu der übrigen Finanzpolitik steht. Zweck der industriellen Kreditaktion ist doch der, Deutschland eine Atempause zu verschaffen. DaS Wiesbadener Abkommen führt aber zwangsläufig zu einer Schwächung des Markkurses. Das Prinzip der österreichischen Finanzpolitik: „Es wird sortgewur- steltst' darf unter keinen Umständen zum Leitwort unserer Fi nanzpolitik erhoben werden. Wir müssen di« volle Wahrheit er kennen und zu», Ausdruck bringen. Wir stehen an einem Punkte, der von dem Staatsbankrott nur eine ganz kurze Spanne ent fernt ist. Der Vorsitzende des Deutschen Holzarbeiterverbandes Tar- now verlas dann eine Erklärung der Arbeitergrnppe, in der u. a. gefordert wird: 1. Soweit die vorgeschlagene Kreditaktion nicht mindestens die Reparationslast des Reiches bis zum Ablauf des zweiten Reparationsjahres deckt, muh der Fehlbetrag durch entsprechende steuerliche Erfassung der Sachwerte bei Industrie, Handwerk, Handel, Landwirtschaft und Bankwesen aufgebracht werden. 2. Die Verrechnung der Tilgungsleistung aus der Kre ditaktion darf in erster Linie nur auf die Besihstencrn erfolgen. Fabrikdirektvr Kraemer bat dringend, diese imglückselige Debatte abzubrechen und die Sache an den Reparationsausschnß zurückzuverweisen. Beckmann (Gewerkschastsbund der Angestellten) erklärt die Besteuerung der Sachwerte sür unvermeidlich und unabhän gig von der Kreditaktion der Industrie. — Cohen-Neuß: Der Entwurf Hachenburgs unterbindet durchaus nicht die freiwillige Aufbringung der Kredite. — Der Antrag Cohen, der dem Grund gedanken der Schaffung einer Kreditakiion zustimmt und die Vor lage an den Ausschuß zurückverwcist, wird angenommen. Es folgt die Anssprache über die Maßnahme» der Entente gegen die Deutsche» Werke. Kreil (Arbeitnehmervertreter des Handwerks): Die Aus legung der maßgebenden Vorschrift des Friedensvcrtrages durch die Entente müsse zu einer völligen Vernichtung des deutschen Wirtschaftslebens führe». Die Deutschen Werke seien ausdrücktich von der Entente für zulässig erachtet worden unter der Voraus setzung, daß die Herstellung von Kriegsmaterial unterbleibt. R e i ch s s ch a tz in i n i st e r Bauer: Der Vorredner hat die Sachlage noch zu milde beurteilt. Bei der Umstellung der Heeres- und Marinebetriebe waren außerordentliche Schwierig- leiten zu bewältigen, da diese Betriebe im Herbst 1918 260 000 Menschen beschäftigten. Für die Umstellung der Deutschen Werke war speziell die Zustimmung der Botschasterkonscrenz erforder lich. Unterm 10. Februar 1920 teilte die Botschafterkonserenz mit, daß sie mit der Umstellung der HeerrS- und Martnebetrlebe in Friedeiisbetriebe einverstanden sei. Heilte verlangt die Entente u. a. die Zerstörung von Maschinengebänden. Ich batone aus drücklich: im Einverständnis mit der Interalliierten Kommission! Jetzt wird durch die Note NolletS alles in Frage gestellt. Unab sehbare Folgen knüpfen sich an die Durchführung der Maßnahmen. WaZ die einzelne» Betriebe der Deutschen Werke anlangt, so müßten beim Erfurter Werk, das sich mit der Fabrikation von Gewehren befaßte, die Maschinen zum größten Teile zerstört werden. Das Werk hat die .Herstellung von kleiiikalibrigen Pi-" stolen, lediglich Sportwaffe», in Fabrikation genommen. Leider gibt es keine Instanz, bei der wir unser Recht finden. Hier wird der ärgste Machtniißbrnnch getrieben, den inan sich denken kann. (Lebhafte Zustimmung.) Die deutsche Negierung hat alles versucht, um die Anordnungen anszuheben. Es bleibt nur die Beschwerde an die Botschaftertonfercnz. Trotz der schlechten Er fahrungen, die wir mit ihr gemacht haben, müssen wir in diesem Falle auf ihr Eingreifen hoffen, da hier mit Zustimmung der Interalliierten Militärkommission erst die Betriebe aufgebaut worden sind, die jetzt vernichtet werden sollen. Geheimrat Tr. Dulsberg erklärte, die Arbeitgeber seien einig mit den Arbeitnehmern in der Abwehr des Schlages, der Nicht von den Militaristen, sondern auch von den WirtschastS- männern der Entente gegen die Deutschen Werke geführt werde. Jetzt haben die chemischen Industriellen Amerikas tn Gemein- schüft mit Engländern und Franzosen den unwürdigen Beschlich gefaßt, die deutsche Industrie soll gezwungen werden, nur für den deutschen Bedarf Farben herzu st eilen. Dabei arbeiteten die deutschen Farbenfabriken im Frieden zu 85 Pro- zent für den Export. Es hat gar nichts mit der Munitions, erzeugung zu tun, wenn jetzt die Entente alle Rezepte sür die Herstellung all unserer chemischen Produkte verlangt. Es wird offen zugegeben, daß in der Besehuugszett die Betriebsgeheim nisse der chemischen Industrie ausspiontert worden sind. Die Betriebsgeheimnisse, die wir im Kopfe haben, wird mau um» freilich nie entlocken, und wenn man uns totschlägt. Ein Antrag Cohen-Reuß, der Hilfe für die durch aeu Marlsturz in eine überaus schwierige Lage geratenen de,,scheu L a l u ta sch u l d n e r verlangt, wurde debaltelos dem Fimniz- ausschuß überwiesen. Die Geschäftslage des Reichslaa-s (Eigener Drahtbericht der »Sachs. V o l k S z e > 1 g.") Berlin, 5. November. Mit der Geschäftslage des Reichstages befaßte sich am Freitag nachmittag der Aelicstenrat. Die erste Lösung der Stenervorlage soll unter allen Umständen am Diens tag zu Ende geführt werden. Jede Fraktion soll nur einen Red ner Vorschulen. Für das Zentrum wird der Abgeordnete Herold sprechen. Mit der Aussprache über die Stenervorlage soll ver bimden werden die Interpellation über die Valutanot. Außerdem werden am Dienstag noch die Jntecpellationen über die Deut schen Werke und das Anhalten russischer Schisse im Stettiner Hasen besprochen werden. Der Mittwoch bleibt sitznngsfrci. Am Don- ncrstag sollen dann noch eine Reihe von Interpellationen ihre Erledigung finden. Im Aeltestenrat waren MeinungSverschicbeu- heften darüber, ob für die Arbeiten der Steuerausschüjje, cs sollen zwei gebildet werden, eine Pause cintreten soll. Die Tonisch, nationalen verlangen die Inangriffnahme des RcichSschulgcsctzes. Eine Einigung darüber ist im Aeltestenausschuß noch nicht er zielt worden. Bringt die nächste Wvche noch SitzungStage, daun fallen der Sonnabend und die Tage des Mittwoch der über nächsten Woche wegen des demokratischen Parteitages aus. Die Mehrheitssozialisten für die grotze Koalition (Eigen r Drahtbericht der «Sachs. V o l kS z« i i g.") Berlin, ü. November- Die MelirheitSiozialstteii haben sich gestern abend mit 46 gegen 41 Stimmen „ach lebhafter Debatte grundsätzlich für die große Koalition ausgesprochen- Kommissionssitzung der Reichsregiernng (Eigener Drahtbericht der „Sächs. VolkSzcitgch Berlin, 5. November. Heute vormittag findet eine Kommi'sia.ls- sitzung der Reichsregierung statt, in der der ReichSbaulpräsideut Havensiein über seine Londoner Verhandlungen Vortrag halten will. Dr. Wirrh bleibt Antzenrninister Berlin, 4. November. Entgegen Nachrichten, daß der deuiiche Gesandte v. Bergen in Rom oder der Gesandte in Bern Müller immer noch als Kandidaten für den Posten des A»ßei»niwsters in Frage kommen, bört die Telegraphen-Union von maßgebender Scstc. daß Dr. Wirft) die Leitung der Äußeiipolftik leibst bebcftlcn wws- Eine Sieuerkommlssion innerhalb der ZenLr umssr aks ion (E'gener Drahtbericht der »Sachs. V o I kt ze >tg.") Berlin, 5- November. Die ZentrnmSsraktion des Reichstages hat am Freitag eine besondere Kommission gewählt, der die Aus gabe gestellt ist, alle vorliegenden Steuergesetzentwürse daraiishin eingehend zu prüfen, ob die Wahrung der Interessen der linder-' reichen Familien ausreichend erfolgt ist. Erforderlichenfalls hat diese Kommission durch Vorlegung entsprechender Anträge nach dieser Richtung hin notwendige Äcnderilngcn »achzuholc». Diese ollen von der Fraktion die gebührende Beachtung bei der Ge- taltnng der Stencrgesctze finde». Der Kommission gehören au >ie Abgeordneten Allekotte/Hofman -Ludwigshasen, Ioost, Iran NeuHaus und Tremel. Sächsische Volkszeitnng — Nr. 257 — 6. November 1921 UM ßW WNz / - ^ « 1 ftKj-S '-M -N i - Zurück zu den heiligen Satzungen Von Franziska Schneider (Nachdruck verboten. — Alle Rechte vorbehaften.- (31. Fortsetzung.) Uebcr Gebote und Verboie, über Schranken und Brauch, über gesellscl-afftiche und nationale Kluft »mr sie hinweggceift. Sie wußte, daß, wenn sie morgen zu ihm ging, er sie küssen würde. Würde sie es dulden? Sie fragte sich und gab sich teine Antwort. Sie erbebte und ihre Lippen zuckten, ihre Seele er schauerte und ihr Herz sank zu ihm hin . . . restlos, völlig und ganz. Das mächtige Wesen, das plötzlich in chr entstanden war, triumphierte. EL hob den Fuß auf, um niederzulrrten. was schön, gut und edel war. Plötzlich erschrak Mary auZ ihrem Sinnen. War das »licht ein Geräusch in ihrer Nähe? An> scheinend an der Hecke? Sie erhob sich und trat aus der Laube. Richtig, d.ri stand viv.r -- «in ihr unbekannter Mann. Bei ihrem Anblicke zog er den Hut und hielt ihn ehrerbietig in der Hand. Glatt wie ein Spiegel war sein Haar, glatt wie Messerschnitt der Scheitel desselben, glatt und bartlos das Er ficht. tadellos di« knapp sitzende Livrregewantmnz. »Miß Dftrry O'Nell?" fragte er sich tief neigend. . »Ja, das bin ich," erwiderte Mari,. »Lord Playfour läßt seinen Gruß entbieten," begann der Mann in unterwürfiger Haltung verharrend, »und bittet Ein blick in dieses Brieflein zu nehmen." Mary nahm das Schreiben entgegen und las. Ties« Nö'e überzcg ihre schönen Züge. Der Diener machte inzwischen seine B'obachiunge». Sein Herr hatte, wie ^n.ner bei seinen Liebes abenteuern, einen guten Geschmack entwickelt, diesmal ioar er frscr auf eine auserlesene Schönheit gesäte-', dazu auf eine regelrechte Dame. Dieser Umstand war immerhin ein außer- yewöhyftcher und gab zu denken. Da sein Herr in Kürze von seiner/Gattin geschieden sein würde, was er dank seiner abso luten Diskretion, mit der er Einsicht in dessen Briefe und Pa piere nahm, sehr genau wußte, so dachte er sich, daß aus dieser Herzensangelegenheit möglicherweise Ernst werden könnte, zu mal ihm sein Herr eingeprägt hatte, der Dame taktvoll zu be gegnen. Wenn'« nur keine Jrländerin wäret so wüßte er bei nahe bestimmt, daß er die künftige Herrin vor sich sah. Immer hin wäre es da» erstemal nicht, daß ein Engländer eine Irin heiratete. Nachdem Mary gelesen hatte, sagte st« kurz, sie lasse den Gruß seiner Lordschaft erwidern, «S sei gut so. Nichts Wei tere« fugte Ne hinzu. Sich trcs verneigend entfernte sich der Diener, erst nach einigen Schritten sich mit dem Hut bedeckend. Hastig wandte Mary sich mn und ging mit raschen, bei- nahe stürzenden Schritten tn di- Laub« zurück. Sie warf sich Wtederu» auf dir Bank nieder, stützte dis Ellenbogen iu»f di« Steinplatte des Tisches und vergrub daS Gesicht in die Hände. »Erlöst: ächzte und jubelte es in ihr zugleich. Sollte sie sich freuen oder sollte sie klagen? Sollle sie sich auslehnen gegen das Geschick, das zur rechten Stunde eintraf? Eine Hand hatte den rollenden Stein anfgehnlten, ein Hindernis hatte sich dem aus seinen Grenzen stürzenden Strome entgegengestellt. Was in ihr getobt »nd gestürmt hatte, staute sich plötzlich, um zurück zu ebben in seine gewöhnliche Bahnen. fühlte, wenn sie Playfour nicht mehr sah, konnte sie ihn langsam vergessen. Die Unmöglichkeiten, die sich der Verwirklichung eines Schnens, das soeben noch än ihr war, eiiigegeiistellteii. erkannte sie nun klar und deutlich. Sie waren unübcrsteigbar für eine Mary O'Nell. Sie durfte keinen Playfour lieben. Und doch, trotz alledem, empfand sie einen Schmerz, der 9ch nicht rasch überwinde» lieh. Zu rasch, zu plötzlich war sie losgerijsen aus dem Bereiche einer süßen, lockenden Gefahr. Ein unsägliches Weh bereitete ihr die Erkenntnis, daß ihr nichts bleiben durfte als die Ergebung. Wie ein heftiges Kind, dem man eine Süßigkeit entrissen hat, weil sie Gift enthielt, begann sie plötzlich zu schluchzen und z« weinen. Warum hatte sie ihn gesehen und durfte ihn nicht be sitzen? Ganz still blieb es im Garten und der-Umgebung. Stufen weise sanken »nd verloschen die letzten trunkenen Farben de) rötlichen Blaue« und des innigen Gelbviolett« am Abendhimmel. Nur ein schmaler, schimmernder Rand stand noch von der ver sunkene» Pracht, als Mary sich erhob. Ei» verglimmendes Weh, wie nach heftigem Brande einer schweren Wunde war in ihr. Die wilde, sich überstürzende Flut unheimlicher Mächte ebbte zurück, der gleichmäßige Wellengang ihre: Tage begann wieder um seine Atemzüge. Die angeborene Sorglosigkeit hob schüch tern den Stein, den eine furchtbare Gewalt auf sie geworfen hatte. Mary schüttelte die beengenden Fesseln vom eigenen Ich. Auf wie lange? Danach fragte sie nicht. Sie war das Kind des Augenblicks, wie alle Naturen, die die Gegemvart auszu kosten wissen ohne der Zukunft zu gedenken. Das Später durfte das Heute nicht verderben. Nicht zu denen gehörte sie, die sich das Geschick selber gestalten, sonder» zu jenen, die sich treiben lasten, sich schmiegen und biegen, an Gegebenem sich anlehnen. Sie ging im wesentlichen im sicheren Gefühle eines wieder- gewoniienen ruhigen Tempos durch den Garten zurück. Kein Triumph, keine Kraftcmpfindung war in ihr, wie es dem Her. zen nach siegreichem Kämpfe eigen ist. Noch immer nicht wollte sie keine entschieden abwehrenb- Stellung gegen eine Erinne rung ciimehmen. die ihr lieb war., »Und wenn Playfour bei einer zufälligen Begegnung wie der vor sie hintreten würde, was dann?" fragte sie sich, indem sie ihr Zimmer betrat, in das sie sich zunächst geflüchtet hatte, um die Spuren der vergossenen Tränen abzuwaschen. „Was dann?" wiederholte sie die Frage und blieb unschlüssig stehen, die Hand, auf das Plötzlich wieder hämmernde Herz gepreßt. , O, sie wußte nur zu gut. wenn ein Tqg sie wieder zu- sammen führen würde, so würde er sie küssen, und sie — fie würde ihn' wieder küssen, wenn er fie bitten würde mit jener Stimme, det sie nicht widerstehen konnte. Heftig erschrocken sank sie am Rande ihres Bettes nieder und grub den Kopf in die Kissen. Wo war die soeben ge?,»»-' neue Ruhe geblieben? Nein, nein, es gab leine Flucht vor ' ihm, sein Bild würde sie immer verfolgen. Es hatte sich zu tief in ihr Herz begraben, sie wollte kein anderes an seine Sielst festen. Noch einmal lieh sie di Stunde dcö Zusammen, mit Lord Playfour an ihrem Geiste vorüber ziehen. Sie übe» dacyte jedes seiner Worte, jeden seiner Blicke, jeden seiner Be wegungen. Er stand vor ihr als die Vollendung in Schönheit, " Gewandtheit und Vornehmheit. In Anbetracht seiner Liebe zu ihr verzieh sie ihm jede Freiheit, die er sich genommen hatte. > Sie schloß die Angen, um noch einmal sein Bild zu genießen und / dem klangvollen Laut seiner Stimme zu horchen, mit der diese fragte: „Liebe Mary, wenn ich Sie anslehe, würden Sie meine Bitte abschlagen?" Gewaltsam sich ermannend erhob fie sich, um zu der Ge- selftchaft zurückzukehren- in der ihr langes Verbleiben aus fällig werden konnte. Indem sie sich dem Salon näherte, tönten ihr die Klänge einer Harfe entgegen. Vaters Ehrengast, Mister Hempson, spielte. Er spielte zur rechten Stunde. So brauchte sie sich nicht sofort der Unterhaltung hinzugeben und konitte die zauberhaften Tön« eine? Meisters beruhigend auf ihre erregten Nerven einwirken lassen. Marys Eintritt beachtete niemand außer Mac Donald und seine Schwester. Freundin Anny winkte ihr, sich an ihrer Seite niederzulassen. Mac Donald beeilte sich einen Stuhl Herbeizü bringen. Tr selbst blieb leicht an dessen Lehne gestützt, hinter ihr stehen. Der blinde Harfner spielte den Brian-Born-Marsch, unter dessen Klängen die Iren in der Schlacht von Clontarf an der Bai von Dnbin über die Dänen siegten. Der irische König Brian-Born errang einen glorreichen Sieg, wurde jedoch kurz nach der Schlacht von dem dänischen Drnadair erlegt. Irland verlor mit ihm einen seiner größten Monarchen. Der Marsch war den Iren zugleich Sieges- und Tranermarsch. Mild, kräftig und zugleich melancholisch erklang die Musik Gespannt horclp ten die Anwesenden. Bei dem mächtigen, achthundertjährigem Rhythmus schwoll ihnen das Herz im Gedanken des alten Ruh mes einer tatenreichen Vergangenheit und quoll in ihnen di« Wehmut beim Vergleiche ihrer jetzigen, abhängigen Tage, er stand der Wunsch nach besserer, freierer und ehrenvoller Zu? kunft. Die tiefe Inbrunst dieser Gefühle lag vor allen in den Zügen de« blinden, jungen Harfners. Er stand inmitten de« Saales mit weit geöffneten Augen mebr und weiter sehend al» daS begrenzte Bild seiner Umgebung ihm hätte bieten können. Je mehr die Harmonie der Töne ihn erfüllte und hinrteh, je größer wurde die Spannung und Aufmerksamkeit seiner Zu hörer. - »I» 1>>e,i>ckk<icI>-,SntINr u.dl»»««is,cbsn. 7«ku. SN«, sl«,-rr»iir»4>« echt» .7. ,,L_ ,, «ckaLka- !7': sie derte l.il;e-c.i!!!c:!seNe von Loi-xin»»» ev La., NaAavaoH.