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das ist bei der Ungeheuerlichkeit des Vorgehens der kleinen nordischen Völkerschaft auch durchaus begreiflich. Die neueste Entwicklung der Dinge im Baltikum läßt indessen erkennen, daß mit einer solchen Erklärung das Richtige keineswegs getroffen worden ist. Die bedrohliche Zuspitzung der ganzen Lage hat den ostpreußischen Oberpräfidenten Winnig, der vermöge seines Amtes hier wohl besonders klar sieht, mit solcher Besorgnis erfüllt, daß er sich zu der ausdrücklichen Erklärung veranlaßt sah, man dürfe die lettische Kriegs erklärung durchaus nicht auf die leichte Schulter nehmen. Tatsächlich laufen denn auch Gerüchie umher, nach denen die litauische Regierung dem Beispiel der lettischen zu folgen beabsichtigt. Den beiden kleinen Nordstaatcn ist bei der Schwäche Deutschlands und der Unterstützung, die sie bei den Verbandsmächten fanden, in der letzten Zeit der Kamm anscheinend mächtig geschwollen. Angesichts der in ihrer Be völkerung herrschenden Stimmung liegt es darum durchaus im Bereich der Möglichkeit, daß ihr Ziel letzten Endes darauf hinausläuft, lettisch littauische Banden oder auch ein zelne Truppenteile auf das nur höchst unzulänglich geschützte Gebiet Ostpreußens vorzuschieben. Wenn bislang energische Abwehrmaßregeln noch nicht vorgesehen sind, dann dürfte eS.die höchste Zeit sein, daß die Reichsregierung sich zu durchgreifenden Entschlüssen aufrafft, um nicht wieder einmal von folgenschweren Ereignissen überrascht zu werden Nach englischen und französischen Blättcrmeldungen beab sichtigt die Entente die Erträgnisse aus den neuen deutschen Steuergesetzen zur Tilgung der Kriegsschuld mit Beschlag zu belegen. Die Sitzung des Parteitages der Unabhängigen in Leipzig wurde vertagt, weil sich die Möglichkeit einer Verstän bigung zwischen den beiden Gruppen der Partei ergeben habe. Der Belagerungszustand über Berlin ist durch einen Aabinettsbeschluß der Reichsregierung nunmehr aufgehoben worden. Donnerstag find in Berlin unter dem Vorsitz des Reichs- verkehrSministers Or. Bell die Chefs der Eisenbahnverwal langen der Länder mit Stsatsbahnbefitz zu eingehenden Besprechungen über frühzeitigere Uebernahme der Eisen bahnen auf das Reich zusammeng?treten. Die Verhand lnngen werden mehrere Tage dauern. Ungeheure Summen werden dadurch verheimlicht, daß die neuen und alten Reichen sich bares Geld im Hause behalten, um es nicht durch die Einzahlung bei einer Bank dem Staate zu verraten. Glaubwürdig wird berichtet, daß einzelne Personen sogar Vermögen von vielen Millionen in der Wohnung verbergen, um sie vor dem Zugriff der Steuerbehörde zu sichern. Alle Anstrengungen des Staates, den ganzen ungeheuren Kriegsgewinn zu erfassen, werden von diesen Leuten mit höhnischem Lächeln beantwortet. Auch die Androhung von Strafen wird in diesen Fällen nur sehr geringen Erfolg haben. Der Oberste Rat will auch gegen den ferneren Betrieb der mehr als 430 Munitions- und Gewehrfabriken in Deutschland einschreiten. Aus Lübeck wird dem „Lokalanz." berichtet: Auf Be schluß der Arbeiterschaft wird auf der großen Kochschen Schiffswerft A.-G. die Akkordarbeit wieder eingeführt. Bon den übrigen Schiffswerften liegen noch keine entsprechen den Beschlüsse vor. Das letiische Prefsebureau meldet von neuen Zusam menstößen zurückkehrender deutscher Truppen mit Letten und Litauern zwischen Kowno und Tauroggen. Der Ort Tauroggen ist bis Dienstag Abend von 18,200 Mann deutschen Truppen und 5500 Zivilpersonen passiert worden. Die „Baseler Nationalztg." meldet aus Paris, daß die Alliierten sich grundsätzlich zu Verhandlungen über die Abgabe der Bagger und Schwimmdocks bereit erklärt haben. Der Oberste Rat soll bereit sein, seine Forderungen nicht zu übertreiben und auf die innerpolitischen Verhältnisse in Deutschland Rücksicht zu nehmen. Donnerstag trat das Aushilfspersonal der Postscheck-, Kernsprech- und Telephonämter Kölns in den Streik, was eine vorübergehende Störung im Fernsprechverkehr zur Folge hatte. Die Beamten und Beamtinnen schloffen sich dem Ausstand nicht an. Den Hauptgegenstand der Beratung des Mittwoch zu- sawmengetretenen und aus allen Teilen Deutschlands, auch aus Süddeutschland stark beschickten HauptausschuffeS des Deutschen Städtetages bildete die Stellung zu den neuen Steuergesetzen, die von vielen Seiten scharf an ¬ gegriffen wurden. Als Ergebnis der Aussprache wurde eine Entschließung angenommen, die geltend macht: 1. Das Reich darf die Einkommensteuer für eigene Zwecke nur so weit in Anspruch nehmen, daß es den Gemeinden möglich bleibt, ihre Finanzgebohrung auch in Zukunft auf die Ein kommensteuer als die wichtigste und beweglichste Steuerart entsprechend den Verschiedenheiten des örtlichen und zeit lichen Bedarfs zu stützen. Unter allen Umständen muß den Gemeinden das Zuschlagsrecht erhalten werden. 2. Gleich zeitig muß verlangt werden, daß die begründeten Forderungen der Gemeinden auf Deckung aller ihrer außerordentlichen Aufwendungen aus der Kriegs und UebergangSzeit erfüllt werden. Zur Verhinderung von Diebstählen, Schiebungen oder Bestechungen im Eisenbahnverkehr hat der Minister der öffentlichen Arbeiten angeordnet, daß hohe Belohnungen für die Aufdeckung ausgesetzt werden. Eine kleinliche Spar samkeit soll dabei vermieden werden. Sie dürfte hierbei auch schlecht angebracht sein. Die Eisenbahndirektionen sind ermächtigt, derartige Belohnungen bis zur Höhe von 2000 Mark für jeden Beteiligten selbständig zu zahlen. Die britische Admiralität will Schriftstücke veröffentlichen, welche die amtliche deutsche Urheberschaft an der Ver senkung der Flotte von Scapa Flow dokumentieren sollen. Die betreffenden Papiere sollen aus dem Kreuzer „Emden" gefunden worden sein. Es soll sich bei diesen Papieren erstens um einen schriftlichen Befehl des Admirals von Trotha handeln, der streng geheim gekennzeichnet sei. In diesem Befehl soll zwar nicht die Versenkung der Schiffe angeordnet sein, aber der Befehl soll sagen, daß die Schiffe in keinem Falle übergeben werden dürsten, zweitens sollen diese Papiere beweisen, daß der Admiral von Reuter an die deutschen Seeoffiziere einen Befehl erließ, wann und aus welche Weise die Schiffe zu versenken wären. Bei allen diesen Dokumenten wäre zu beachten, daß englischerseits nicht angegebenFwird, auf welche Weise diese Befehle trotz der strengen Zensur übermittelt werden konnten. Hierzu wird deutscherseits von zuständiger Stelle mitgeteikt, daß es sich um ein Schreiben vom 9. Mai handelt, dessen Konzept sich in den Akten befindet. Dieses Schreiben ist jedoch von Reuter uur lückenhaft veröffentlicht, so daß Sinn und Zu sammenhang entstellt werden. Die amtliche Veröffentlichung des ganzen Textes des Schreibens steht bevor. Der „Temps" veröffentlicht eine Unterredung, die Frei herr v. LerSner einem Vertreter des Reuterschen Depeschen- büroS gewährt hat. Freiherr v. LerSner habe erklärt, er habe bis jetzt noch niemand eine Unterredung gewährt, im vorliegenden Falle mache er eine Ausnahme, weil es der sehnlichste Wunsch seiner Regierung sei, daß der Friedens verlrag in befriedigender und rascher Weise in Kraft trete Deutschland könne die Zusätze zum Ranfizierungsprotokoll, die im Friedensvcrtrag nicht vorgesehen seien, nicht bedingungslos unterzeichnen. Deutschland sei aber bereit, das Zusatz protokoll anzunehmen, wenn der Schlußsatz gestrichen würde, weil Deutschland nicht dulden könne, daß nach dem Frieden ein fremder Staat bewaffnet in sein Gebiet eindringe unter dem Vorwande, daß irgendeine unbedeutende Verpflichtung nicht erfüllt worden sei. Der Schluß des Protokolls lautet: Sofern Deutschland diesen Verpflichtungen in den oben vor gesehenen Fristen nicht nachkommen sollte, behalten sich die alliierten und assoziierten Mächte vor, alle militärischen und andere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, die sie für ange zeigt erachten Oesterreich-Ungarn. „Az Eft" meldet aus unterrichteter Quelle, daß die eng lische Regierung Budapest zum Mittelpunkte des englischen Orienthandels auszuboucn beabsichtige. An der Donau soll ein großer Zentralgüterbahnhof gebaut werden, wozu die englische Regierung der ungarischen Regierung die Barmittel vorschießen wird. Trantretch. Unter Beteiligung Fochs hat der Fünferrat in Paris G eheimverhandlungen gepflogen. Die feindliche Besatzung im Rheinland soll verstärkt werden. Frankreich legt ebenfalls eine Prämienanleihe auf. Der französische Finanzminister hat ein Bankenkonsortium bevollmächtigt, acht Millionen Stück Obligationen im Nenn werte von je 500 Francs auszugcben. Treffer von zehn Millionen Francs werden in dreimonatigen Ziehungen diesen Obligationen zugeteilt. Der Haupttreffer beträgt eine Million Francs. Das Erträgnis soll zum Wiederaufbau der zer störten Gebiete verwendet werden. Maes fllMnöigrmg Sei» ökickegnöenöeiclinep Mars HewilmMlmg 10 HnLalillmg öeicdnllngMiussöe? bpaf-ppölmenimleilie Die Antwortnote der Friedenskonferenz an Freiherrn von Lersner auf die letzte deutsche Note vom 27. November wird nur im „Petit Parifien" im Auszug veröffentlicht. Die anderen Blätter veröffentlichen nur kleinere Bruchstücke, der „Homme Libre" sogar nur elf Zeilen, im ganzen drei Sätze. Kein Pariser Morgenblatt hat den Text der deut schen Note veröffentlicht, auf die Clemenceau antwortet. „The American News" berichtet aus Paris: Gestern haben die letzten amerikanischen Regimenter Paris verlassen, womit die militärische Tätigkeit der Amerikaner in Frankreich und zugleich deren wirkliche Mitwirkung am Weltkriege beendet ist. Die Abfahrt erfolgt von Brest inner halb sieben Tagen. Von da an dient der Hafen von Ant werpen zur Rückbeförderung. Auch die amerikanische Mililär- wlizei hat Paris verlaffen. Nur General Connord und ein Stab, zusammen 100 Offiziere und 250 Mann, werden bis 31. Dezember in Paris bleiben. „Jntranfigeant" entnimmt „Westminster Gazette" die Mitteilung, daß die Reste der deutschen Flotte so ver teilt werden, daß England 70 Prozent, Frankreich und Italien je 10 Prozent, Japan 8 Prozent und Amerika 2 Prozent erhalten. Be lgien. Die Völkerbundskonferenz in Brüssel schloß am Frei tag ihre Arbeiten. Die nächste Konferenz tritt 1920 in Rom zusammen. England. Zwischen England und Frankreich schweben Verhandlungen über den Abschluß eines SonderbündnisscS unter AuS- chluß Amerikas. Amerika. General Villa ist in Mexiko von einer Abteilung seiner eigenen Leute gefangen genommen worden, die ihn gegen eine Belohnung an die mexikanische Regierung ausliefern wollen. Aus -em Muldentale. -Waldenburg, 6. Dezember. Wie im Nachbarbezirke Roch litz, so ist auch im Glauchauer Bezirk, da die Kleievcriei- ung durch die Zentralbehörden trotz mehrfacher Anfrage noch nicht geregelt worden ist, eine vorläufige Kleievertei- ung an die Landwirte veranlaßt worden. *— Zu dem gemeldeten angeblichen Eisenbahnzusammcn- treffen bei Thierbach schreibt die Eisenb.-Bctriebsd. Il in Leipzig dem „Peniger Tageblatt": Die Nachricht, daß am vergangenen Donnerstag nachts ein schwerer Eisenbahnun- all nur durch Aufmerksamkeit der Lokomotivführer verhütet worden sei, ist völlig aus der Luft gegriffen. Die beiden m Frage kommenden Züge von Glauchau und Penig Haden n der betr. Nacht fahrplanmäßig und ordnungsgemäß auf dem Bahnhose Wolkenburg gekreuzt. Der nach Penig fahrende Zug ist atso daselbst erst abgelassen worden, nachdem der von Penig ankommende Zug eingefahren war. Die Nach richt vom Enlgegenfahren beider Züge und Zusammentreffen bei Thierbach entbehrt also jeglicher Grundlage. * — Bei der Beratung des EisenbahnctatS im Finanz ausschuß der sächsischen Volkskammer wurde auch über die Gestaltung der Verkehrsverhältnisse beraten und dabei von der StaatSregierung Auskunft darüber verlangt, ab auch die staatlichen Kraftfahrlinien auf das Reich übergehen sollen. * — Der Volkskammer ist ein Entwurf zugegangen, durch den die Wahldauer der Mitglieder des Landeskulturrates, owie der Mitglieder des Ausschusses für Gartenbau beim !andeskulturral bis zum 31. Dezember 1920 verlängert wird. * — Für 900 Mark bekommt man bei der deutschen Spar- »rämienanlcihe 1000 Mk. Für letztere find 500 Mk. in bar und 500 Mk. in Kriegsanleihe zu zahlen, die man nach - heutigem Kurs für noch nicht 400 Mk. erhält. Bei der Zeichnung find nur 100 Mk. bar auszuzahlen, der Rest kann bis 8. Januar 1920 beglichen werden. * — Wie verlautet, wird die sächsische Regierung genötigt ein, infolge der feindlichen Note über die Auflösung der Militärpolizei usw. auch die Vorlage über die Errichtung einer Hilfspolizei in Sachsen, die zurzeit der Kammer vor liegt, zurückzuziehen. *— Um es der werktätigen Bevölkerung zu ermöglichen, ohne Verlust an Arbeitszeit ihre Zeichnungcn auf die Deutsche Sparprämienanleihe 1919 auszuführen, hat die Reichsbank ihre sämtlichen Bankanstalten angewiesen, am kommenden Sonntag außerhalb des Gottesdienstes Zeichnungen entgegen zunehmen. *— Bei der milden, trockenen Witterung der jüngst ver flossenen Tage konnten die rückständigen Feldarbeiten doch noch ein wesentliches Stück vorwärts gebracht werden. ES wurden Brachfelder umgeackert und gedüngt, Kraut, Rüben und Kartoffeln, soweit sie noch nicht geerntet waren, nach Möglichleit eingebracht. Durch den reichlich gefallenen Schnee waren die noch anstehenden Früchte vor Frost geschützt. Der durchweichte Boden erschwerte die Feldarbeiten für Mensch und Tier allerdings in hohem Maße. Für unsere Ernährungslage ist der Eintritt milderer Witterung sehr von Vorteil gewesen. *— Die neue Zinsensteuer, die al» Sondersteuer neben der Einkommensteuer mit 10 Prozent erhoben werden soll, trifft, was besonders für die breiten Bevölkerungsklaffen von Wichtigkeit ist, auch die Sparkaffeneinlagen resp deren Zinsen, ebenso die Hypothekeuzinsen, was für die Bewirtschaftung der Wohnhäuser eine neue Belastung bedeutet, denn der Schuldner hat die Steuer zu Lasten des Gläubigers zu entrichten. Es ist also vorauszusehen, daß die Hypotheken darleiher den Zinsfuß entsprechend erhöhen werden. *— WeihnachtSgaben erbittet auch dieses Jahr wieder der Kreisvercin für Innere Mission für 68 seiner Pfleglinge.