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Nr. »37. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Sette 2. — I». Oktober. Brockert zu 25 Mk. Geldstrafe verurtheilt. Bald wurde in der Bamberger Presse dem Bürgermeister Hümmer der öffentliche Borwurf gemacht, einen Meineid geleistet zu haben. Es wurde Untersuchung eiugeleitet, und Hümmer mußte zugeben, daß er nach seiner Vorbildung gar nicht sühig sei, eine derartige Be schwerdeschrift anzufertigen; Hümmer gestand, daß er bewußt die Unwahrbeit gesagt habe, aber der Lehrer und Gemeindeschreiber Franz Gareis von Breitengüßbach habe ihn dazu angestiftet, um den Pfarrer von Schuld und Strafe freizuhalten, den Bahn meister Brockert aber von Breitengüßbach wegzubringen. Heute hatte sich Hümmer wegen Meineids, Lehrer Gareis wegen An stiftung zu verantworten. Hümmer ist umfassend geständig. GareiS leugnet dagegen mit großer Entschiedenheit. Aus der Verhandlung geht hervor, daß Pfarrer Schüpferling zweifellos der oxiritns rsetor der ganzen Jntrigue gegen Brockert war. Sehr eigenartig gestaltete sich die Vernehmung des Pfarrers Schüpferling. Er wurde unbeeidigt vernommen. Nach dem Verhör mußte er sich den Vorwurf der bewußten Unwahrheit ge fallen lassen. Während der Untersuchung gegen den Bürgermeister Hümmer wegen Meineids ging Pfarrer Schüpferling von Haus zu Haus und sagte: „Wenn Ihr vom Untersuchungsrichter ver nommen werdet, sagt ja nicht alles, es thut nichts. Ihr braucht auch nicht zu sagen, was Ihr dem Gendarmen gesagt habt." Durch das nach Mitternacht verkündete Urtheil wurde Bürger meister Hümmer wegen Meineids, unter Zubilligung des Straf milderungsgrundes aus 8 157,1, zu 1 Jahr und 3 Monaten Gesängniß, Lehrer Gareis wegen Anstiftung zu 3 Jahren Zucht haus, 6 Jahren Ebrenverlust und dauernder Eidesunfähigkeit verurtheilt. Der Vertreter der Anklage und die beiden Ver- theidiger kritisirten in den schärfsten Ausdrücken den Charakter des Pfarrers Schüpferling und bedauerten, daß dieser nicht den „Ehrenplatz" auf der Anklagebank einnehme. Ungarn. Der dem Abgeordnetenhause von dem Minister präsidenten v. Szell unterbreitete Gesetzentworf, betreffend die Eheschließung des Erzherzogs Franz Ferdinand mit der Gräfin Sophie Chotek, enthält die feierliche Erklärung des Erzherzogs, nach welcher der Kaiser als Haupt der Familie seine Einwilligung dazu ertheilt, daß diese Ehe keine ebenbürtige, sondern eine morganatische sein solle, und daß die aus der Ehe entsprossenen Kinder und deren Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen sind. Ferner enthält die Erklärung die Verpflichtung, diese für alle Zeiten als giltig anzuerkennen und nichts zu unternehmen, was deren verbindliche Kraft schwächen könnte. Die Vorlage wurde dem Justizausschuß zur Vorberathung überwiesen. Italien. In vatikanischen Kreisen spricht man von der Einberufung eines ökumenischen Konzils für Mai 1901. Es ist nicht richtig, daß der Vatikan sich gewe gert habe, über den Diebstahl von 470000 Francs, der vor einigen Tagen zum Schaden der päpstlichen Verwaltung verübt wurde, eine Anzeige an die italienische Polizei zu erstatten, damit nicht hierin eine Anerkennung der italienischen Regierung erblickt werde. Vielmehr ist den kompetenten italienischen Behörden eine vollständige Anzeige allerdings in offiziöser Form zugegangen. Ebenso unrichtig ist es, daß dercheilige Stuhl die Angelegenheit einem besonderen Gerichtshöfe zuweisen wolle. Derartigen Gerichtshöfen, die übrigens niemals in Wirksamkeit traten, ist nur eine civilrechtliche Jurisdiktion zugedacht, und niemals hat man beabsichtigt, sie zu strasrechtlichen Zwecken zu verwenden. England. Bis jetzt sind gewählt: 350 Ministerielle, 124 Liberale und 77 irische Nationalisten. Die Ministeriellen haben bis jetzt im Ganzen 27, die Opposition 24 Sitze ge wonnen. Der konservative „Globe" bespricht in einem Artikel daS Er gebniß der Wahlen und sagt, die Frage der Rekonstruktion des Kabinetts beschäftigte die Parteigänger der Regierung. Das Blatt glaubt, daß bedeutende Veränderungen bevorstehen, und daß der Rücktritt Goschens gefolgt sein werde von dem Rücktritte Anderer, die ihre Sporen verdient haben und berechtigt sind, der Ruhe zu genießen, so der Herzog von Devonshire, Chaplin und die Lords Croß und Asbourne. Es werde allgemein anerkannt, daß der Regierung frisches Blut noth thue. Der „Globe" empfiehlt sodann die Ausnahme Windhams und Brodricks ins Kabinett, spricht die Hoffnung aus, daß Chamberlain das Kolonialamt zur Zeit behalten werde, und betont die Unmöglich keit, daß das Amt des Staatssekretärs des Auswärtigen noch länger mit der Würde des Premier-Ministers in einer Person vereint bleibe, da der Premier-Minister den auswärtigen An gelegenheiten nicht die ausschließliche Aufmerksamkeit und Wach samkeit widmen könne, ohne welche die Nelchsinteressen Schiff bruch leiden müßten. Frankreich. Der Historiker Graf Albert Vandal, Mitglied der Akademie, sprach sich gegenüber einem Ausfrager des „Echo de Paris" über das französisch-russische Bündniß aus. Er begann mit der Bemerkung, daß Rußland die einzige Macht sei, die wünsche, daß Frankreich Elsaß-Lothnngen nie wiederbekomme, weil die Ausrechthaltung des gegenwärtigen Zu standes Rußland zum größten Vortheil gereiche. Frankreich habe durch diesen Bund nichts gewonnen, nicht einmal außerhalb Europas. In der Levante würde es nicht nur durch den Drei bund, sondern sogar auch von Rußland bekämpft, das dein fran zösischen Einflüsse in Kleinasien feindseliger und verderblicher sei als Deutschland. In Ostasien hingegen würde sich der Zwiespalt zwischen den Interessen Frankreichs und Rußlands erst ergeben, wenn letzteres zu dem unvermeidlichen Versuche der Angliederung Chinas vorschreiten werde. Graf Vandal ist der Verfasser einer vielgenannten Geschichte des ersten französisch-russischen Bünd nisses unter Napoleon I. Vereinigte Staaten. Die Haltung der maßgebenden New-Iorker Organe ist noch immer ausgesprochen deutschfeindlich, indem sie stets die Meinung hervorzuheben suchen, daß lediglich die unberechtigten Ansprüche Deutschlands die Lösung der chine sischen Frage verhinderten. Die „Tribune" geht so weit, zu er klären, die Stimmung der uordamerikanischen Nation sei augen blicklich die gleiche, wie zur Zeit, als Kaiser Wilhelm die Union durch Entsendung eines deutschen Geschwaders nach den Philip pinen gereizt habe. Wenn sich diese Stimmung noch nicht mit elementarer Gewalt offenbarte, so verhindere dies nur der augen blickliche Wahlkampf. Seien die Wahlen vorüber, so werde Nordamerika dafür sorgen, daß seine Ansichten und Wünsche bezüglich der ostasiatischen Verhältnisse besser beachtet würden. — Diese unverschämte Gesellschaft bildet sich also allen- Ernstes ein, den europäischen Mächten, insbesondere Deutschland, ihren Willen diktiren zu können! Die deutsche Gesandtschaft in Marokko wird, wie das „Bureau Reuter" aus Tanger vom Donnerstag meldet, dem Ver nehmen nach Anfangs November dem marokkanischen Hofe einen Besuch abstatten. Dies hängt jedenfalls damit zusammen, daß eine Reihe von Ansprüchen deutscher Landsleute oder Schutz genossen der Erledigung harrt. Die Mörder eines deutschen Handelsagenten El Mekli sind noch immer nicht bestraft. Der marokkanische Schutzgenosse einer deutschen KausmannSfirma ist bisher ohne Entschädigung für einen an ihm verübten dreisten Raubanfall mit darauffolgender langer Gefangenhaltung. Besonderes Aergerniß erregt seiner die Beraubung des Sekretärs eines angesehenen deutschen Hauses durch den Kaid Ber-reschid von Ulad Haris. Der Kaid verfolgte diesen wohlbegüterten Mann lediglich deshalb, weil er deutscher „Semsar" (Schutz befohlener) geworden ist. Seine Besitzungen sind mehrfach überfallen worden, Dienerinnen, Pferde, Vieh, Geld in bedeutenden Beträgen sind ihm von den Leuten des Kaid geraubt worden, er selbst hat, um Leben und Freiheit zu retten, seit Monaten fliehen müssen und sich nach der Stadt Casablanca in Sicherheit begeben. Der Krieg in Südafrika. Gestern vor einem Jahre haben die Regierungen der beiden Burenstaaten, wie die „Voss. Ztg." erinnert, dem damaligen Kommandanten der britischen Stleitkräfte in Natal das Ultimatum überreichen lassen, das der Ausgangspunkt des noch.immer nicht ganz beendeten Krieges zwischen den Burrn und dem mächtigen britischen Reiche wurde. Es ist ein trauriger Gedenktag, den die Buren begehen, und mit ihnen Alle, denen in dieser Zeit überwiegender wirthschaftlicher Interessen das Verständuiß für die idealen Güter der Mensch heit nicht ganz verloren gegangen ist. Die Buren, die den un gleichen Kampf aufnahmen für ihre Selbständigkeit und die Frei heit des Bodens, den sie in blutigem Ringen und unter beispiel loser Mühsal erworben hatten, sind unterlegen, nachdem sie der Welt ein erhebendes Beispiel aufopfernder Vaterlands- und Frei heitsliebe gegeben und monatelang über die ihnen fünfmal über legenen englischen Heere auf dem weiten Kriegsschauplatz triumphirt hatten. Erst das Erscheinen Lord Roberts in Süd afrika und die Kapitulation Cronjes, der die Seele des Wider standes gegen die Engländer ivar, änderten das Bild. Seitdem haben die Buren zwar noch manchen Sieg über ihre Feinde er rungen und durch manche Wasfenthaten — man denke nur an den Zug de Weis über den Vaal — die Bewunderung der Welt, einschließlich Englands, erregt. Aber ihr Geschick schien damals schon besiegelt zu sein, und man fragte sich nur, wie lange dieses Volk von Bauern den Widerstand gegen ein geschultes und sich stets ergänzendes Heer werde fortsetzen können. Die Vernichtung ihrer politischen Selbständigkeit hätte nur dann vermieden werden können, wenn sich die Hoffnung erfüllt hätte, mit der die Buren in vollständiger Verkennung der Natur der Beziehungen der europäischen Völker unterein ander in den Krieg gezogen waren, die Hoffnung nämlich, daß England durch das Dazwischentreten der Mächte daran gehindert werden würde, einen etwaigen Sieg über die Buren vollkommen auSzunutzen. Die Hoffnung ist zu Schanden geworden ; es mußte den Buren genügen, daß überall, wo auf der Erde gesittete Menschen leben, eine Begeisterung für ihre gerechte Sache zum Durchbruch kam, wie sie die Menschheit in dieser Innigkeit, Aufrichtigkeit und Einmüthigkeit schon sehr lange nicht mehr emporflammen sah. Die Staatsmänner aber, die sich bei ihren Entschlüssen nicht von Gefühlen leiten lassen dürfen, rührten keine Hand zu Gunsten der Buren und verfolgten den Gang der Kriegsereignisie mit der Aufmerksamkeit, die sie jedem öffentlichen Vorgang schulden, der zu einer Verschiebung in den Macht verhältnissen oder zu einer anderen Gruppirung der Mächte führen kann. Sie haben geschwiegen, als die Kriegführung den Engländer sich von den durch Recht und Gewohnheit geheiligter Formen zu entfernen begann, und sie werden erst recht ihre Stimme nicht erheben, wenn nach vollständiger Niederwerfung der beiden Republiken die Buren der Härte und Willkür einer militärischen Verwaltung auSgeliesert werden. Es fragt sich freilich, wann der Augenblick gekommen sein wird, wo die Eng länder sich rühmen können, die Buren ganz überwunden zu haben. Noch steht De Wet im Felde, und wenn gestern von einer Niederlage dieses ungewöhnlich kühnen und gewandten Mannes berichtet wurde, so ist nicht zu übersehen, daß die Eng länder drei volle Tage brauchten, um die Schaar De Wets aus ihren Stellungen zu werfen. Ein Rotterdamer Blatt veröffentlicht eine Schilderung von einem Soldaten, der die Züge De Wets mitgemacht hat. Es handelt sich um die Einnahme eines Eisenbahnzuges m Roodeval. Die Erzählung entrollt ein Bild von den schreck lichen Formen, die der Krieg in der letzten Zeit angenommen hat. Wenn die Kriegführung der Buren in der naiven Schilderung ein wenig wild erscheint, wird dazu bemerkt, so ist daran zu erinnern, daß sie den Krieg zuerst ritterlich geführt haben und daß sie von den englischen Soldaten m der Kunst Beute zu machen unterrichtet worden sind. Ferner richten sich die Thaten der Buren gegen Dinge, sie haben einen Zug mit Kaufmannswaaren und Muniti onen verbrannt, während die ihrer Gegner sich gegen Menschen und bewohnte Farmen richten. In der Erzählung heißt es: De Wet hatte die Nachricht erhalten, daß ein von 240 englischen Soldaten geleiteter Zug von 68 Wagen sich auf dem Bahnhof von Roodeval befand. Obgleich er nur 80 Mann bei sich hatte, umstellte er in der Nacht vom 5. zum 6. Juni mit seinen Leuten den Bahnhof, ohne vom Feinde bemerkt zu werden. Die „Rooineks" ahnten nichts. Beim ersten Morgengrauen fielen die Schüsse hageldicht auf sie, so daß die „Khakis" wie aufgescheuchte Hühner den Kops verloren. Nach halbstündigem Kampfe wurde die weiße Fahne gehißt. Wir hatten weder Todte noch Verwundete, während die Feinde 40 Todte und 60 Verwundete hatten. Nachdem die weiße Fahne gehißt war, kamen unsere Leute aus ihren Deckungen hervor und untersuchten die gemachte Beute. Der Zug enthielt 30000 vollständige Winteruniformen, 2000 Lydditbomben, 2000 Briefsäcke und eine ungeheure Menge Tabak, Zigaretten, Getränke und hundert andere Gegenstände. De Wet entwaffnete natürlich zuerst die Engländer und dann ging's an die Plünderung! In einigen Augenblicken waren Hunderte von Kasten erbrochen und die 2000 Bricfsäcke ausgeschnitten. Die Briefe wurden erbrochen, nach Geld oder Banknoten durch sucht und dann weggeworfen. Baar Geld wurde wenig gefunden, jedenfalls nichts von der Million Pfund Sterling, von der die englischen Blätter sprachen; oder wenn sie vorhanden gewesen ist, so muß sie mit dem klebrigen in die Luft geflogen sem. Be trächtlich war die Menge der Khakianzüge für den Winter. Für uns war es ein unverhoffter Fund, daß jeder einen vollständigen neuen warmen Anzug erhielt. Jeder entedigte sich ohne weiteres seiner alten Kleider und tauschte sie gegen ein wollenes Khakikostüm ein. Sobald der Zug genommen war, hatte De Wet Boten abgeschickt, um die anderen Kommandos von unserem Funde zu benachrichtigen, und diese zögerten nicht, zu uns zu stoßen. Während wir ihre Ankunft erwarteten, wurde einigen guten Flaschen Champagner der Hals gebrochen, und wir tranken einen aus gezeichneten „extra ärz'", der als persönliches Geschenk für Lord Roberts von einem seiner Bewunderer bestimmt war. Natürlich haben wir auch nicht verfehlt, auf die Gesundheit des alten Mar schalls zu trinken. Dann aber brachten wir unserm tapsern Christian De Wet drei Hurrahs aus! Jeder von unsern Buren füllte nun zunächst seine Taschen mit Borräthen, wobei der Tabak und die Cigaretten nicht vergessen wurden. Wer noch ein Packpferd bei sich hatte, lud ihm soviel aus, wie es nur tragen konnte. Unsere Ochsen- und Maulthierwagen waren angekommen, wurden mit Lee-Metford-Gewehren, Kardätschen und Munitionen beladen, und ein anderer Theil wurde eine Strecke davon ein- gegraben, um später benutzt zu werden. Als Alles fertig war, rief unser Christian: „Und jetzt, Kinder, »vollen wir uns amüsiren und ein schönes Feuerwerk zur Feier unseres Erfolges heute morgen abbrennen. Aber zunächst gehe jeder ohne Ausnahme Holz schneiden." In kurzer Zeit kamen neunzehn Wagen mit Holz bei dem Bahnhof an, und ein ungeheurer Holzstoß wurde er richtet. Dann kam die Reihe an die Briefe. Arme Tommies! Alle Eure „kselinxs" und alle Eure „xrestinxo" flogen auf den Holzstoß! Wie schade! Ein gefangener englischer Kapitän, der Zeuge dieser Vorbereitungen zur Zerstörung war, konnte seine Wuth nicht verbergen und schrie alle Augenblicke: „Welche Ruchlosigkeit! Welch Skandal!" „Sie meinen?" antwortete ihm De Wet. „Wissen Sie, was ein Skandal ist? Unsere Farmen verbrennen, unsere Frauen und unsere Kinder mißhandeln undsie ganz nacktin den Veld jagen!" Als die 2000 Säcke ausgebreitet waren, wurden die zerbrochenen Kisten aufgehäuft und darüber die Khakiuniformen und was von Tabak und den Cigaretten übrig blieb, geworfen. Hier und dort legte man auf den Haufen Lydditbomben und streute über das Ganze Knallpulver. Wer. der Explosion einer einzigen Lydditbombe beigewohnt hat, wird sich eine schwache Vorstellung davon machen können, was die Wirkung dieser zweitausend „Konservenbüchsen" sein mußte! Ein Lauffeuer wurde vorbereitet, eine Lunte daran gelegt die in einer halben Stunde abbrennen mußte, so daß wir genügend Zeit hatten, uns hinter einen der Kopjes zu decken. Voller Erregung erwarteten wir die Wirkung. Plötzlich trat eine schreckliche Explosion ein, und eine Feuerjäule von mehreren hundert Meter Höhe erhob sich gen Himmel. Es war ein Vulkanausbruch. Bäume, Dächer und Mauern des Bahn hofs, Waggons und Schienen, allesflogin dieLuftund fiel in kleinen Stücken mehrere hundert Meter weit nieder. Einige kleinere Explosionen folgten dieser ersten, es waren die Petroleumfässer, die jetzt sprangen." Der Krieg iu China. Das Nachrichtenmaterial aus China ist sehr dürftig. Was aus englischen und amerikanischen Quellen über Vorgänge am chinesischen Hofe verlautet, bedarf noch sehr der Bestätigung. Sicher ist nur, daß den fremden Vertretern in Peking eine Ab schrift des Strafedikts des Kaisers Kwangsü zugegangen ist. Was sonst berichtet wird, ist kaum des Druckes werth. Die englische Presse schlägt wieder einen gereizten Ton gegen Rust land an und berichtet von Reibereien unter den „Alliirten', insbesondere von Mißhelligkeiten zwischen Engländern und Russen. Ueber diese Mißhelligkeiten wird aus englischer Quelle be richtet: Nach einer Depesche der Londoner Motgenblätter aus Tientsin vom 7. d. Mts. nehmen die Beziehungen zwischen den verbündeten Truppen, namentlich zwischen den Russen und den Engländern, einen unfreundlicheren Charakter an. Nament lich waren zwei Vorkommnisse der jüngsten Zeit geeignet, diese Beziehungen zu erschweren. Die Engländer waren aufgcfor- dert worden, sich an der Einnahme der Peitang-Forts zu be theiligen, Russen und Deutsche besetzten die Forts aber, ohne auf die Engländer „zu warten". In dem anderen Falle han delt es sich um Vorkommnisse bei der Eroberung von Schan- hai-kwan. Die Russen in Port Arthur trafen Vorbereitungen für eine Expedition nach Schan-hai-kwan, als das britische Kanonenboot „Pigmy" ihnen zuvorkam und am 30. September Seesoldaten in Schan-hai-kwan landete. Die Russen erhielten hiervon erst am 2. Oktober Kenntniß. Wie man der „Pol. Korr." aus Paris meldet, hegt man dort die feste Ueberzeugung, daß die Verständigung zwischen den Mächten über die Einzelheiten der in China durchzuführenden Aktion durch das vom Minister Delcass6 entworfene Programm eine bedeutende Förderung erfahren werde. Mit besonderer Zu versicht blicke man auf die Kabinette von St. Petersburg und Berlin. Die Ansichten der französischen Regierung über dal zu befolgende Verfahren haben, wie man schon während dcS Werdeprozesses der jüngsten Pariser Vorschläge wahrnehmen konnte, in Rußland lebhaften Anklang gefunden, und der deut schen Reichsregierung zollt man die Anerkennung, daß sie sich auch gegenwärtig vom Geiste einer maßvollen, weil auf das Ganze gerichteten Politik leiten lasse und das Interesse der Er haltung einer festen und aufrichtigen Willensgemeinschaft der betheiligten Mächte allem voran stelle. Selbstverständlich habe man die Anträge des Pariser Kabinets nicht als ein unantast bares Werk zu betrachten, das anzunehmen oder abzulehnen sei, sondern als den Grundriß für ein Einvernehmen, an dem die anderen diplomatischen Baumeister noch einzelne Ver änderungen vornehmen mögen. Was man in Paris wünscht und zu erreichen hofft, das ist die baldige Billigung der Haupt züge des Programms und damit die Beschleunigung des ganzen Werkes. Generalmajor von Höpfner telegraphirt: Gefreiter Hummel ist infolge einer Schußwunde, Kanonier Wodtke am Typhus, Beide von der Fcldartillerie in Peking gestorben. Sonstige Meldungen: London, 10. Oktober. Wie zuverlässig verlautet, hat Lord Salisbury formell seine Zustimmung zu der deutschen Circular note vom 1. Oktober erklärt, und ist der britische Vertreter in Peking bereits demgemäß mit Anweisungen versehen worden. Pew - Dork, 10. Oktober. Eine Depesche ans Peking vom 7. Oktober meldet aus glaubwürdiger chinesischer Quelle Folgendes: Die Kaiserin-Wittwe ist in Taijuenfu ernstlich erkrankt. Der Kaiser hatte in der letzten Zeit freie Hand in den Staatsge schäften. Eine zusagende Beantwortung der deutschen Forderungen, ist durch Li-hung-tschang übermittelt worden. Darnach sollen Jinghien, Kangji und Tschaoschutschiao enthauptet, Prinz Tschwang, der Herzog Tsailan und Prinz Jih zu lebenslänglicher Kerker strafe verurtheilt und Prinz Tuan verbannt sein nach den kaiserlichen militärischen Poststraßen an der sibirischen Grenze als weitere Strafe für die Unterstützung, sswelche er den Boxern angedeihen ließ. New Jork, 10. Oktober. Die chinesischen Würdenträger Jinglsien, Kangji und Tschaoschutschiao sind nicht bereits ent hauptet worden, sondern sollen enthauptet werden. London, 10. Oktober. Aus Tientsin vom 8. d. Mts. wird gemeldet: Die Flaggen der Verbündeten wehen auf den Forts von Schanhaikwnn. Das Kontingent von Neusüdwales rückt Dienstag nach Peking vor. Die Eisenbahn Peking—Tientsin wird von Engländern besetzt gehalten. London, 10. Oktober. Die Vizekönige des Jangtsegebietes sollen, einer Schanghaier Meldung hiesiger Blätter zufolge, den Hof nachdrücklich aufgesordert haben, nach Peking zurückzukehren, und angekündigt haben, daß sie sich im andern Falle gezwungen sähen, ihre Entlassung zu geben.