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18»« erhalten können. Die „Germania" führt aus, im Allgemeinen werde man Befriedigung darüber empfinden, daß die Samoafrage nur eine friedliche und hoffentlich endgültige Lösung gefunden hat. — Der „Börsen-Courier" sagt, es sei zur Würdigung des Erfolges vor Allem in Anschlag zu bringen, daß er rein durch freundschaftliche Verhandlungen gewonnen worden ist. — Das „Berl. Tagebl." schreibt, man könne wohl mit gutem Gewissen erklären, baß der Vertrag für Deutschland ein durchaus vortheilhaster ist und daß Samoa nicht zu theuer erkauft ist. Das Hauptresultat des Vertrages sei der Anfall der beiden Haupt inseln Upoln und Savai an Deutschland zu freiem Eigenthum. Es werde also Kolonie, nicht Schutzgebiet werden. Das Blatt berichtet weiter, aus dem Verbleiben Amerikas auf Tutuila er wachsen keine wirthschaftlichen Schwierigkeiten für Deutschland. Das Schiedsrichteramt, welches die Entschädigungsansprüche für die in Samoa erlittenen Kriegsschäden festsetzen solle, werde wahr scheinlich dem Könige von Schweden angeboten werden. Die bayrische Kammer der Abgeordneten setzte gestern die am Dienstag begonnene Generaldebatte über die Politik der bayrischen Regierung fort. Dabei legte Abg. Dr. Schädler (Zentrum) die Stellungnahme deS Zentrums zu allen Hauptfragen der bayerischen Politik und der Reichspolitik dar. Unter anderem betonte er auch, daß bezüglich der Forderungen für die Marine das bayrische Zentrum trotz aller Hochachtung für den Führer des deutschen Zentrums, Neichstagsabgeordneten Dr. Lieber, sich niemals verbieten lassen dürfe, seiner eigenen Ueberzeugung Folge zu geben. Staatsminister Freiherr v. Crailsheim erörterte eingehend die Stellungnahme der bayrischen Regierung zur Reichspolitik und betonte dabei, daß die bayrische Regierung bei ihren Abstimmungen im Bundesrathe stets in gleicher Weise die Wohlfahrt Bayerns und die des deutschen Reiches im Auge behalte. Bezüglich der Antheilnahme des deutschen Kaisers an der deutschen Politik sollte das deutsche Volk dankbar sein, daß das erlauchte Oberhaupt des deutschen Reiches keine Mühe scheue, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Abg. v. Vollmar täusche sich, wenn er behaupte, daß die bayrische Regierung von dem neuen Flottenplan vor Erscheinen des Ar tikels der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" nichts gewußt habe. Deutschland brauche eine starke Flotte. Wenn die neue Flottenvorlage an den Reichstag komme, werde es Aufgabe der maßgebenden Faktoren sein, nachzuweisen, daß die Verhältnisse sich während des Flottengesetzes geändert haben. Die Leitung unserer auswärtigen Politik sei in ausgezeichneten, bewährten, besonnenen, ruhigen und durchaus vertrauenswürdigen Händen und das einzige Ziel der auswärtigen Politik sei die Aufrecht erhaltung des Friedens und die Machtstellung des deutschen Reiches. Von einer Schmiegsamkeit Rußland gegenüber sei keine Rede. Noch heute geltedas Wort des Fürsten Bismarck: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst Niemand auf der Welt!" Im Uebrrgen sollte man sich freuen, mit Rußland freundschaftliche Beziehungen zu haben. Bei einer Zusammenfassung der Grundzüge der bayrischen Politik betonte der Minister zum Schluß, daß die bayrische Regierung auch fernerhin treu zum Reiche stehe, weil sie rm Reiche den mächtigsten Schutz für die Integrität Bayerns und das wirk samste Mittel für das materielle Wohl deS Landes sähe. Was die Frage der Einheitsbries marke betreffe, so habe er dem Staatssekretär des Reichspostamts erklärt, daß Bayern nicht geneigt sei auf die Einheitsmarke einzugehen; der Staatssekretär habe in loyalster Weise erwidert, daß damit die Sache für das Reichspostamt abgethan sei. Den Unitarismus im Reiche habe die bayrische Regierung niemals unterstützt; und sie werde stets ein energischer Gegner einer unitaristischen Ström ung bleiben. Bei der Reichstags-Stichwahl im 5. Württem berg ischen Wahlkreis erhielten Schlegel (Soz.) 11345 und v. Geß (natlib.) 10689 Stimmen. Wie die „Milit. Polit. Korr." erfährt, wird das bisherige Mitglied der deutschen Botschaft in Washington, der als deutscher Kommissar nach Samoa entsandt gewesene Frhr. Speck von Stern bürg, vorläufig eine diplomatische Mission nicht wieder übernehmen, sondern seine Gesundheit wieder zu gewinnen suchen. Er leidet in heftigster Weise an Gliederschmerzen. — Sollten ihm die für Deutschland nicht gerade günstigen Beschlüsse der „Hohen Kommission" in die Glieder gefahren sein? Wir lesen im „B. L.-A.": Falls das Reichsgericht die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision des sreisprechenden Urtheils im „H a r m l o s e n - P r o z e ß" für begründet erachtet — und daß dies geschehen wird, wird selbst von den Vertheidigern befürchtet — dürste der Prozeß in seiner zweiten Auflage ein ganz anderes Gesicht erhalten, denn dann dürfte der Spieler Hermann Wolff mit den „Harmlosen" auf der Anklage bank erscheinen. Die Liste der Angeklagten dürfte trotz dieser Bereicherung jedoch nicht an Vollzähligkeit gewinnen, denn ob Referendar a. D. von Kaiser, der jetzt keinerlei Rücksicht mehr auf seine amtliche Carriöre zu nehmen hat, eine zweite Verhandlung über sich ergehen lassen und nicht lieber eine Luftveränderung vorziehen wird, ist sehr fraglich. Außerdem wird uns versichert, daß Herr v. Kröcher aus Rücksicht auf seine angegriffene Ge sundheit für längere Zeit in Nizza Wohnung genommen hat. Die Möglichkeit liegt sehr nahe, daß bei der zweiten Verhandlung nur Herr von Schachtmeier mit Herrn Wolff vor den Schranken erscheint. Oesterreich. In Abgeordnetenkreisen spricht man viel davon, daß die Civilliste des Kaisers in nächster Zeit um mehr als eine Million Gulden erhöht werden soll. Die beider seitigen Regierungen haben bereits von kompetenter Stelle die nothwendigen Weisungen erhalten. Ueber die Erhöhung der Civilliste verlautet: Im Sinne des Gesetzes wird die Höhe der Civillisie stets für zehn Jahre bestimmt. Das im Jahre 1889 geschaffene Gesetz verfügt, daß d,e Jahrescivilliste bis Ende Dezember 1899 4 650 000 fl. anszumachen habe. Im nächsten Jahre soll daher durch ein neues Gesetz die Erhöhung der Civil liste neuerdings für zehn Jahre fixirt werden. Für die kommenden zehn Jahre wird jeder einzelne Staat der Monarchie sechs Millionen für die Kosten des Allerhöchsten Hofhaltes entrichten. Als Motiv für die Erhöhung wird angegeben, daß seit 30 Jahren die Civilliste (für jede Reichshälfte) 4 650 000 Gulden ausmacht. weitige Entschädigung in Afrika erhalten könne». — Die „Rational-Zeitung" schreibt: Das Ergebniß gereiche dem diplomatischen Geschick des Staatssekretärs Grafen von Bülow zur Ehre, der stets daran scstgehalten habe, daß Samoa deutsch werden müsse. Es werde in Deutsch land' nur eine Stimme darüber herrschen, daß die Leistung einer Entschädigung an England deutscherseits bei Weitem vorzuziehen war der Abtretung der Samoa-Jnscln an England gegen irgend Se. Majestät den König aus. Politische Umschau. Freiberg, den November. Deutschland. Die Kaiserreise nach England ist nun endgiltig beschlossen. Die Kaiserin wird ihren Gemahl be gleiten; ebenso werden von den kaiserlichen Kindern mehrere die Reise mitmachen. Gestern, Mittwoch Nachmittag, unternahmen vom Neuen Pa lais aus die deutschen und die russischen Majestäten eine Spazierfahrt durch den Park von Sanssouci nach der russi schen Kolonie. Im Park von Sanssouci waren sämmtliche Fon tänen in Betrieb; in der russischen Kolonie hatten alle Block häuser geflaggt. Auch daS Schloß Sanssouci wurde von den Majestäten besichtigt. Die Töchter des russischen KaiserpaareS machten gleichfalls eine Spazierfahrt durch die königlichen Gärten. Die Majestäten trafen gegen 4^ Uhr vor dem Mausoleum Kaffer Friedrichs Ul. ein. Kaiser Nikolaus legte am Sarge einen großen Kranz aus Lorbeer und Eichenzweigen mit Veilchen, Mai blumen und Tubarosen nieder. An dem Kranz war eine Schleife aus schwarzen, weißen und gelben Bändern befestigt. Da es in zwischen dunkel geworden war, wurden aus der benachbarten Friedenskirche die großen Altarleuchter herübergeholt und im Mau soleum angezündet. Beide Herscherpaare blieben sodann etwa zehn Minuten in stiller Andacht im Mausoleum allein. Hierauf bestiegen Kaiser Wilhelm und Kaiser Nikolaus zusammen einen Dogcart, Kaiser Wilhelm ergriff die Zügel und fuhr nach dem Neuen Palais zurück. Die beiden Kaiserinnen folgten in einem offenen Zweispänner nach. Zwischen dem deutschen Reiche und Großbritannien ist, wie schon drahtlich mitgetheilt wurde, unter Vorbehalt der Zustim mung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, ein Abkommen getroffen worden, wonach, unter Aufhebung der Samoa-Akte, diebeidenSamoa- inseln Upolu und Savai, sowie die anliegenden kleinen Inseln als freies Eigenthum an Deutsch land, dieJnsel Tutuila und ihre Nebeni nseln an Amerika fallen. England verzichtet auf jedes Anrecht auf die Samoa-Jnseln. Deutschland verzichtet auf alle Ansprüche cm den Tonga-Inseln und Savage-Island zu Gunsten Englands und tritt die beiden östlichen Salomon-Inseln Choiseul und Isabel nebst ihrer insularen Umgebung an England ab. Die beiderseitigen konsularischen Vertretungen auf den Samoa- und Tonga-Inseln kommen bis auf Weiteres in Fortfall. Deutsch land hat ferner dieselbe Berechtigung wie die englischen Unter thane» zur freien und unbehinderten Anwerbung eingeborener Arbeiter in der gesammten im englischen Besitz befindlichen Salomon-Gruppe einschließlich Choiseul und Isabel. Gleichzeitig ist eine Vereinbarung zwischen den beiden genannten Mächten getroffen worden, wonach' die sogenannte neutrale Zone im Hinterland« von Deutsch-Togo und der englischen Goldküsten- Kolonie in der Weise getheilt wird, daß die Grenze zwischen dem deutschen und englischen Gebiet durch den Dakafluß bis zu dessen Schnittpunkte mit dem 9. Breitengrade und von da durch eine von einer gemischten Kommission noch festzustellende Linie nach Norden gebildet wird. Es besteht dabei der Vorbehalt, daß die Länder Mampusi und Gambaca an England, die Länder Jendi und Chakosi an Deutschland fallen. Endlich ist ein Verzicht auf die bis zum Ablauf unseres Handelsvertrages im Jahre 1902 währenden Exterritorialitätsrechte in Sansibar seitens Deutsch lands gemäß einem Kolonialraths-Beschluß mit der Maßgabe zugesagt worden, daß dieser Verzicht erst mit dem Zeitpunkte in Kraft tritt, wenn auch die übrigen Nationen zu Gunsten Eng lands ihre exterritorialen Rechte m Sansibar aufgegeben haben. Zu dem Abkommen wird bemerkt, daß dieZustimmung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu demselben als gesichert erscheinen darf. Zugleich ist zwischen Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika eine weitere Vereinbarung dahin getroffen worden, daß die Frage der Entschädigungs ansprüche für alle in Samoa gelegentlich der letzten Wirren er littene Kriegsschäden einem unparteiischen Schiedsgericht unter breitet werden soll. Dasselbe wird darüber zu entscheiden haben, welche Entschädigungsansprüche als gerechtfertigt anzuerkennrn und von wem dieselben zu bezahlen sind. — Das zwischen Deutschland und England getroffene Abkommen betr. Samoa wird von den meisten Berliner Abendblättern günstig ausgenommen. Die „Post" begrüßt es mit freudigster Genugthuung, daß trotz unserer schwierigen Position in der Süd see Samoa dem deutschen Reiche bewahrt worden ist. Der „Reichsbote" hätte gewünscht, daß die Eriünerung an den Sansibar-Vertrag Deutschland erspart geblieben wäre. Es sei bitter, daß dasselbe ganz in englischen Besitz übergeht. — Die „Berl. N. Nachr." haben den Eindruck, daß die von Deutsch land gemachten Konzessionen an England nicht zu groß sind. Für Deutschland komme hauptsächlich in Betracht, daß die unhalt bare Dreiherrschaft beseitigt ist. Die politische Bedeutung des Abkommens sei hauptsächlich darin zu suchen, daß gewisse Fragen, die das gute Einvernehmen Deutschlands mit England und Amerika ständig bedrohten, ihre Erledigung gefnnden hoben. — Die „Deutsche Tageszeitung" ist insofern m>t dem Vertrage zufrieden, als nunmehr Ruhe auf Samoa einkehren wird. Ziehe man aber den Preis in Betracht, so werde man gerade nicht be haupten können, daß mir ein glänzendes Geschäft gemacht haben. Dem Blatte will es scheinen, daß der Verzicht Deutschlands auf seine Mitansprüche an den Tanga-Inseln und Sawage-Jsland ein gleichwerthiger Ersatz für das Ausgcben der englischen Mit herrschaft über Samoa gewesen wäre. Was wir darüber hinaus gewährt haben, sei zu viel. Für unseren Verzicht für die Ex territorialität in Sansibar hätten wir von England eine ander- der Radelarbeitslehrerinnen an den Volksschulen durch Ber- eine Entschädigung, welche wir nach der Lage der Dinge hätten leihung der Pensionsberechtigung verbessern. So mögen denn die Verhandlungen auch dieses Landtags zum Heil und Segen des Landes gereichen. Nachdem Herr Geh. Rath vr. Rüger die „Uebersichtlichen Mittherlungen" über die Maßnahmen der Regierung auf die Beschlüsse des letzten Landtags zum Vortrag gebracht hatte, erklärte S«. Exzellenz Justizminister vr. Schurig den Landtag für eröffnet. König Albert erhob sich vom Thron, entblößte das Haupt und verabschiedete sich von der Versammlung, um dann im feierlichem Zuge den Thronsaal wieder zu verlaffen. Der s Präsident der zweiten Ständekammer, Geh. Hofrath vr. Mehnert, brachte hierbei ein dreimaliges begeistert ausgenommenes Hoch auf Zu jener Zeit bestand die Herrscherfamilie aus 38 majorennen männlichen Mitgliedern, heute betrage die Zahl der großjährigen Erzherzoge 72. Im Sinne des Hausgesetzes der kaiserlichen Familie erhalte jeder sür großjährig erklärte Erzherzog eine Jahresapauage von 50 000 Gulde». Letzterer Umstand wird als Argument sür die Erhöhung der Civilliste betrachtet. Diese Er höhung sei nur aus opportunistischen Gründen nicht in das diesjährige Budget eingestellt, da es nicht populär sein könnte, nebst Erhöhung der Quote, welche eventuell durch Entscheidung der Krone erfolgen dürste, auch die Erhöhung der Civilliste in derselben Zeit vorzunehmen; doch soll im nächsten Jahre diese irgend! Frage bereits akut werden. Professor Masaryk von der Prager czechischen UniverM veroffeiflllcht eine Broschüre über d,e Nothwendigkeit der Re. Vision des Po lnaer Mordprozesses. Der Verfasser erklärt in der Einleitung, er wolle durch die Analysirung Kr Prozesses die Schande gut machen, die den Czechen von ihr« Journalistik bereitet wurde, welche durch lügenhafte und hetzerisch« Schilderungen eine czechische und österreichische Dreysus-Affaire bereitete. Der ganze Polnaer Prozeß sei unter antisemitische« Drucke und unter dem Aberglauben vom Ritualmorde durch, geführt worden. Die Ehre des czechischen und österreichischen Richterstandes und der Juristen werde hoffentlich von Denjenigen vertheidigt werden, welche die Sache in erster Linie angehe, stn der Besprechung der Polnaer Affaire seitens der czechisch«« Oeffentlichkeit liege so viel Widersinniges, Undenkbares, leiden, schaftlich Ueberreiztes, ja geradezu Unmenschliches und Grau sames, daß eine solche Erscheinung sich nur mit der nervösen Ueberreiztheit und dem abnormalen Zustande des czechischen und des österreichischen Lebens überhaupt erkläre. Für Diejenigen welche den Stand der Dinge einigermaßen aufmerksam beobachten' sei der Polnaer Prozeß ein blutiges Memento. Masaryk zweifelt nicht daran, daß es zur Revision des Prozesses komme und kommen müsse. In Eisenbrod, Jasomier, Landskron, Böhmisch-Skalitz, Nen stadt a. Mettau, Hohcubruck, Rakonitz, Humpoletz, Chrudim und Böhmisch-Brod fanden in den setzten Tagen Kundgebungen statt bei welchen jüdischen Einwohnern die Fenster eingeschlagen wurden und an einigen Orten die Gensdarmerie mit Steinen beworfen wurde. In einigen Orten mußte Militär einschreiten, um du Ruhe wieder herzustellen. Es wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen. — In Böhmisch-Brod verweigerte die StM- vertretnng ihre Mitwirkung an der Kontrolversammlung. Atz 6 Reservisten wegen „Zde"-Meldung zu 7 Tagen Arrest ver- urtheilt und der Bezrrkshauptmannschaft eingeliefert wurden, forderte der Bürgermeister die Freilassung derselben, da er andern' falls nicht für die Ruhe einstehen könne. Darauf erschienen auf telegraphische Requisition 30 Gensdarmen und eine M Mim starke Abteilung Dragoner. Die Gemeindevertretung weigerte sich, für die Einquartierung des Militärs zu sorgen. In Neu- bidschow erzwangen die Czechen die Freilassung eines wegen der „Zde"-Meldung verhafteten Reservisten; es fanden große Demon strationen statt. In der Nacht vorher wurden die Ausschrift- Tafeln der Aemter sowie die Reichsadler heruntergerissen und m einen Brunnen geworfen. Die ganze französische Presse beschränkt sich vorläufig aus die einfache Wiedergabe der Agentur-Meldungen aus Berlin über den Zarenbesuch, doch ist die Aufmerksamkeit der politischen Welt mit vaterländischen Beklemmungen auf Potsdam gerichtet. Man fühlt, daß in Potsdam auch für Frankreich wichtige Ent scheidungen fallen werden. Allgemein herrscht die BesoiZniß, Deutschland werde lieber mit England gehen, als sich einem Bunde der festländischen Mächte gegen England anzuschließe». Der bekannte Kontreadmiral außer Dienst Dupont fordert im „Gaulois" eine riesige Verstärkung der französischen Kriegsflotte. Wolle man diese nicht auf eine Höhe bringen, daß sie wenigstens mit Verbündeten zusammen der englischen ge wachsen sei, dann sei es um jeden Centime schade, denn Spanien- Beispiel beweise, daß keine Flotte besser sei, als eine schwache Flotte. Ein Vertreter deS „Daily Chronicle" stattete dem Hauptmann Dreyfus in Carpentras einen Besuch ab und überreichte bei dieser Gelegenheit Frau Dreyfus eine v o n me hr als 12LÜÜ0 Engländerinnen unterzeichnete, kunstvoll auL- gearbeitete Adresse. Er spricht sich in den rühmendsten Ausdrücken über den herzlichen Empfang aus, den er in Ler Billa des Hauptmanns fand. Mit Dreyfus hatte er ein langes Gespräch, von dem jedoch, da es nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt war, nur wenig wiedergegeben wird. Dreyfus sprach sich mit Genugthuung darüber aus, daß auch der englische Klerus, mit Kardinal Vaughan und den meisten englischen Bischöfen an der Spitze, entschieden sür ihn eingetreten sei. Vereinigte Staaten. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten über die Wahlen in den einzelnen Staaten der Union werden republikanische Kandidaten in Ohio, Massachusetts, Iowa, Pennsylvauien, Kentucky, Süd-Dakota und New-Jersey, demokratische Kandidaten in Maryland, Mississippi und Virginia gewählt werden. In Nebraska wird ein Fusionift siegreich sein mit einer Mehrheit von etwa 10000 Stimmen. In der Stadt New-Zork ist Mazet, der republikanische Kandidat sar das Unterhaus der Staatslegislatur, unterlegen. Der Krieg in Südafrika. Ueber die Kämpfe bei Ladysmith schreibt dir Londoner „Kabelkorrespondeiiz" vom 7. d. M.: „Die Lage uni Ladysmith entwickelt sich in der bisherigen Form weiter. Kom mandant Lukas Meyer hat seinen Vormarsch über Colenso, unter Zurücklassung eines Kommandos auf dem Doornkop, dessen Geschütze die Bahnlinie beherrschen, bis Estcourt fortgesetzt, welches die Engländer geräumt haben (das scheint am 2. oder o. November geschehen zu sein), unb steht jetzt vor Pieter maritzburg. Die letzten Depeschen der verschiedensten engli schen Quellen bestätigen jetzt vollständig unsere eigenen letzten Nachrichten, wonach am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nicht nur ein fortgesetztes Artillerie duell zwischen den Truppen General Whites und denjenigen Jouberts stattfand, sondern der englische General auch, und zwar am ersten Tage gegen Colenso hin, am zweiten zwischen Klipfluß und Jsimbulwana, vergebens durchzubrechen versuchte, am dritten Tage endlich, nachdem er an den beiden vorangegangenen blutig und mit schweren Verlusten zurück geschlagen worden, einen allerdings nur schwer verständlichen Versuch machte, in west-nord-westlicher Rich tung aus der Bahnlinie gegen Walkershoek zu, sich Lust zu schaffen, der g l ei ch f a lls mißlang. Hi« war es, wo eine in Siegeserfiudungen besonders bewährte englische Agentur, welche wunderlicherweise in deutschen Blättern immer noch ganz ernst citirt wird, General White ein Burenlager< stürmen und wegnehmen ließ, ein Erfolg, den dos englische Krieg sanrt >elb st offiziell ableugnet. — Was General White init diesem Vorstöße bezweckte, ist schwer abzusehen, allerdings ist es die einzige Stelle im Umkreise der Stadt, die in ein offenes Gelände führt und die, da Anhöhen in direkter Nähe nicht vor ihr liegen, am wenigsten dem Geschütz feuer der Buren ausgesetzt ist. Vielleicht wollte der englische Geueral die Freistaat-Bureir täuschen und durch einen scheinbar ernsthaften Angriff deren auf den Höhen des Blaawbankfluftes stehende Corps nach Bestersterstation hinüberziehen, um dann selbst mit den übrigen Truppen im Thale des Flagstonespruit südwärts auf der Straße über Onderbroek-Colenso durchzu- brecherr. Jedenfalls mißlang auch dieser Versuch. Ob General White, wie gemeldet, am 1. November wirklich schiver v«- jwundet wurde, ist immer noch nicht aufgeklärt, nur««