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Fr 47. A«tMM ftr Vie KÄglicheu !I1s! stiidMen Behörden z« Freiberg Md Brand Verautworllich« RedÄtevr: Iuliu» Branu in Freiberg- Ericheutt jeden Wechent-g ALrr^t '/,7 Uhr für Nen andern Tag. Preir vierteljährlich 2 Mart 2b Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. mw rii'-monatlich 7VPf. " 37. Jahrga»«. Donnerstag, den 26. Februar. Infame werden bctBinmiN«« 1t klar emtzcnom- men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Simm 1b Pi 1885. (Virchow) über Tagesschau. Freiberg, dm 25. Februar. In der Schlußsitzung der Afrikanischen Konferenz, die heute stattfinden soll, führt der deutsche Reichskanzler selbst den Vorsitz, während der letzten Konferenzsitzung der Unter staatssekretär Busch präsidirte, welcher die Kongo-Gesellschaft aus Anlaß ihrer nunmehr von Erfolg gekrönten Bemühungen herzlich beglückwünschte. Auch die Bevollmächtigten der übrigen Staaten gedachten der hohen Verdienste des Begrün ders jener Assoziation, des Königs Leopold II. von Belgien, und der frohen Aussichten des neuen Kongostaates. Der Vertreter Italiens betonte außerdem noch, wie das belgische Volk in musterhafter Weise seine freisinnigen Einrichtung« verwirkliche. Baron Lambermont dankte für diese sympathi schen Kundgebungen und versicherte, daß sein belgisches Vater land sich für dieselben dankbar erweisen werde. Zum General- Gouverneur des neuen Kongostaates wurde Stanley ernannt und beabsichtigt man, das riesige Gebiet, das innerhalb der durch die Verträge mit Frankreich, Portugal und durch die Bestimmungen der Berliner Konferenz gezogenen Grenzen nach einer vorläufigen planimetrischen Berechnung 2 562 415 Quadratkilometer (mithin etwa di» fünffache Fläche Frankreichs) bedeckt, in vier Provinzen zu theilen. Zu Verwaltungsfitzen wurden Banano, Vivi, Leopoldville am Stanley-Pool und Aequator-Station auserkoren, auch bereits eine Auswahl der Persönlichkeiten zur Besetzung dieser Provinz-Gouverneuer ge troffen. Das mit der Begründung dieses neuen Staates voll endete mühevolle Werk der Afrikanischen Konferenz gereicht in erster Reihe dem deutschen Reichskanzler zur hohen Ehre, ohne besten warme Fürsprache verschiedene europäische Mächte sich kaum zur Anerkennung der neuen Staatenbildung ver standen hätten. Der 70. Geburtstag des deutschen Reichskanzlers wird benutzt werden, um dem leitenden Staatsmanne die dankbaren Sympathien aller Patrioten zu bezeugen. Der Fackelzug, der dem Fürsten dabei gebracht werden soll, dürfte der groß artigste sein, welchen die Neichshauptstadt je gesehen. In Aussicht genommen ist die Betheiligung aller Berliner Hoch schulen, der Kriegervereine, der Turner, der Künstler, der Innungen, der Bürgervereine u. s. w. Die Vorstände sämmt- licher Innungen Berlins treten heute zusammen, um sich über die Art der Betheiligung schlüssig zu machen. Es wird be absichtigt, durch zwei transportable Apparate, die im Zug mitgesührt werden sollen, elektrisches Licht über denselben aus zustrahlen. Bei der gestern im preußischen Abgeordneten hause fortgesetzten Berathung des Kultusetats wurde die Mehrforderung von 15 000 Mark für Bureaubeamte an die Budgctkommission zurückverwiesen und sodann die den kirch lichen Gerichtshof betreffenden Titel von den klerikalen Abg. Bachem, Windthorst und v. Schvrlemer scharf be kämpft, weil diese Einrichtung nach ihrer Ansicht die katho lische Kirche von dem Staat abhängig macht und weil der Gerichtshof nur einen sehr geringen Geschäftsumfang hat. Mit Entschiedenheit wies der Kultusminister v. Goßler diese Angriffe zurück und betonte, daß die Etatforderung für den kirchlichen Gerichtshof auf einem Gesetz beruhe. Der Titel wurde schließ!ich bewilligt. Abg. v. Iagdzewski be stritt die revolutionäre Agitation seitens der polnischen Geist lichkeit, worauf der Kultusminister v. Goßler erwiederte, daß der Regierung Thatsachen bekannt seien, die zur Vorsicht mahnten. Der polnische Klerus reiße die politische Leitung an sich, die Partei der Geistlichen unterjoche die Adelspartei. > Der Minister wies ferner auf die Agitation des abgesetzten i Erzbischofs Graf Ledochowski hin, von welchem der vorige : Papst selbst gesagt habe, daß er sich in gefährlichen Händen i befinde. Die Geistlichkeit im Großherzogthum Posen habe l namentlich die Idee des polnischen Primats und die Wieder- l Herstellung des Polenreichs genährt. Der Abg. Windt Horst i verlangte die Vorlegung einer von, Minister erwähnten Korre- ; spondenz Ledochowskc's mit dem Bischof Marwitz über ein , Kirchengebct, worauf der Minister erwiederte, dieselbe be- ; finde sich in den Akten des geheinien erzbischöflichen Konsi- - storiums und sei nicht im Besitze der Regierung. Nach einer )er beiden so verschiedenen Fraktionen gar keinen Nachtheil, ondern das beste Mittel zur Klärung der verworrenen politischen Lage. Unmuth darüber herrscht nur in dem peutsch konservativen Lager, wo man sich nur schwer von dem Glauben an die Freundschaft des Zentrums trennt und dieselbe sicher gern noch länger gepflegt hätte, trotzdem die Klerikalen bei den letzten Neichstagswahlen die Deutsch- Freisinnigen unterstützten, um die grundsätzliche Opposition zu kräftigen. Die „Kreuzzeitung", sonst die wärmste Ver fechterin der Freundschaft mit dem Zentrum, schreibt jetzt wehmüthia: „Diese Partei wird die Folgen des unnatür lichen Zusammengehens mit der Fraktion, die auf völlig verschiedenem religiösem, sozial- und wirthschaftspolitischem Boden steht, schon an sich selbst erfahren. Für den un befangenen Beobachter scheint dieser Moment bereits ein- getrctcn. Der Abgeordnete v. Gerlach, den Herr vr. Windthorst sicherlich nicht als „mittelparteilisch" gesinnten „Kulturkämpfer" verdächtigen kann, hat mit gutem Recht darauf hingewiescn, wie gerade er und seine gleichstehcnden Freunde im Laude über dies Bündniß erstaunt gewesen seien. Ob denn vr. Windthorst ernsthaft annehme, Hand in Hand mit den Herren Löwe, Richter, Virchow konservative Ziele verfolgen zu können? In der That ist es eine be sondere Täuschung der Zentrpmslcitung, zu glauben, durch strikte Opposition dem Fürsten Bismarck Konzessionen auf dem kirchenpolitischen Gebiet abtrotzen zu können." Das scheint der Anhang des Abg. Windthorst aller dings zu glauben und je mehr man von konservativer Seite das Schwinden des früheren Einverständnisses mit dem Zentrum beklagt, desto meyr wird der Preis für die Erneuerung desselben in die Höhe getrieben. Die ultra montane Partei meint nicht ganz ohne Grund, durch ihr Verhalten bei der Berathung des Zolltarifs einen Anspruch auf die Dankbarkeit der Regierung erworben zu haben und stellt es den Konservativen anheim, sich durch Unterstützung der Windthorstschen Anträge im preußischen Abgeordnetenhause die Freundschaft des Zentrums wieder zu verdienen. Dazu hat der Abg. Windthorst durch seinen Vertagungsantrag eine achttägige Frist geschaffen und am Montag gegenüber dem Kultus minister von Goßler, der über die Richtung der angestrebten Revision der Maigesetze größere Klarheit wünschte, offen und frei erklärt, was er und seine Freunde eigentlich bezwecken. Der gewandte Führer der Ultramontanen verlangte einfach, daß Preußen einen Vertrag mit dem Papste zur Bestimmung erwarte in Ruhe die Beschlüsse, die Sie fassen werden; — die verbündeten Regierungen werden ja demnächst in der Lage sein, auch die ihrigen zu fassen." Wenn man zwischen den Zeilen liest, scheint dem Fürsten Bismarck eine Auflösung des Reichstages für den Fall vorzu schweben, daß die Abgeordneten Windthorst und Richter auch ferner vereint seine Wege kreuzen. Das Letztere ist um so wahrscheinlicher, als schon am Sonnabend im preußischen Abgeordnetenhause der deutsch-freisinnige Abg. Virchow der Freude seiner Partei über die „offene und entschlossene Stellungnahme" des Zentrums den beredtesten Ausdruck lieh. Diese Partei habe sich allmählich umgesehen nach „ehrlichen prinzipientreuen Männern, die nicht nach der jeweiligen Strömung bei den Mächtigen sich richten und des gouvernementalen Strebens sich befleißigten". Die „Freisinnigen" stimmten zwar mit dem Zentrum in den Zielen nicht völlig überein, aber selbst auf der Höhe des Kulturkampfes habe der Abgeordnete vr? Windthorst an erkannt, daß eine Zeit kommen könne, wo er sich mit ihm Der Erfolg Windthorfts. Die am Sonnabend im deutschen Reichstage beschlossene Vertagung auf acht Tage, welche der Reichskanzler vorher so energisch bekämpft hatte, stellt einen Erfolg des Zen- trumssührcrs Windthorst dar, dessen Bedeutung nicht gering veranschlagt wird. Mit guten Gründen war Fürst Bismarck gegen jede Unterbrechung der Reichstagsarbeiten eingetreten. Unter lebhafter Zustimmung der Konservativen und der Nationalliberalen sagte der Kanzler: „Jeder kennt die Nothlage, in der wir sind. Es ist der Reichsregierung der Dampfer-Subventions-Vorlage und ähnlicher Gesetz entwürfe ernstlich in Frage stellt. Der Reichskanzler hatte diese Eventualität sogar im Auge, als er sich nicht damit begnügte, die finanziellen Nachtheile der Reichstagsvertagung und aus der Annahme von Doppelmandaten hervorgehenden Pflichten zu betonen, sondern sich auch mit den bedeutsamen Worten gegen die acht tägige Arbeitspause zu verwahren: „Ich kann nur ab- rathen, aber ich habe darüber nichts mitzureden, und ich ides Rechtsverhältnisses der katholischen Kirche anbahne, vorher aber schon die von dem verstorbenen König Friedrich Prinzip unvermittelt entgegenstehen. Der deutsche Reichs* kanzler legt dieser Sache mehr Werth bei, als dm kirchen politischen Fragen, befindet sich aber hier wie dort im schroffsten Gegensätze zu dem hannöverschen Exminister Windthorst. Zwischen diesen beiden mächtigen und geistes scharfen Gegnern ist, wie die Sachen einmal liegen, höchstens noch ein Waffenstillstand, aber kein friedlicher Ausgleich mehr möglich. Nachbestellungen auf den Monat März werden zum Preise von 75 Pfennigen von allen kaiserlichen Postanstalten sowie von den be kannten Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. diese weitgehende Forderung die Antwort schuldig. Indessen gilt es doch in Berlin nicht für ausgeschlossen, daß dem preußischen Abgeordnetenhause noch eine neue, den Wünschen deutschfreisinnige oppositionelle Mehrheit auch das Schicksal-des Zentrums entgegenkommende Kirchcnvorlage zugehen ' - - - - .. . — . . - ' ^nnle. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, gewinnen die Debatten über den Kultusctat, welche diese Woche ganz unmöglich, eine Zeit zu wählen, in welcher nicht Konkurrenz mit einem oder mehreren Landtagen wäre. Das Recht, das der preußische Landtag hat, berücksichtigt zu werden, hat auch der bairische, sächsische, württembergische und jeder andere Landtag in demselben Maße. Daß dieses Recht sür Alle nicht durchführbar ist, wird mir Jedermann zugeben." Umsonst; Windthorst blieb der Herr der Situation, denn hinter ihm stand nicht nur das ganze Zentrum, sondern auch die Deutsch-Freisinnigen, Polen, Elsässer, Volksparteiler und Sozialdemokraten folgten der welfischen Exzellenz, welche Raum für die Kulturkampf debatten beanspruchte. Natürlich sagte das Abg. Windthorst nicht offen heraus, sondern motivirte den Vertagungsantrag durch allerhand Scheingründe, aber daß es ihm nur darum zu thun war, bei den im preußischen Abgeordnetenhause auf der Tagesordnung stehenden kirchenpolitischen Debatten den ganzen klerikalen Generalstab bei der Hand zu haben, war für Niemanden im Hause zweifelhaft. Sein Ver tagungsantrag paßte aber auch trefflich in die Ver schleppungstaktik des deutsch-freisinnigen Führers Eugen Richter, dessen „Reichsfreund" kein Hehl daraus machte, daß es jetzt hauptsächlich darauf ankomme, die Entscheidung in den Fragen der Zollpolitik, der Dampfer-Subvention . . . . „ „ . und über die Direktorstelle im auswärtigen Amte möglichst Wilhelm IV. gegebenen kirchenpolitischen Gesetze wieder her- hinauszuschieben. Nachdem am letzten Sonnabend Windt- stelle. Zunächst blieb der preußische Kultusminister auf Horst gegen Wunsch und Willen des Reichskanzlers seinen " ' - - „ Vertagungsantrag mit 137 gegen 118 Stimmen durchsetzte, liegt der Gedanke nahe genug, daß eine ähnliche klerikal ¬ voraussichtlich ausfüllen werden, ein erhöhtes Interesse. Ein Ausgleich mit dem Zentrum hat deshalb, selbst bei neuen Konzessionen auf kirchenpolitischem Gebiet, nur geringe Chancen, well der Führer Windthvrst neben den klerikales Interessen auch diejenigen der welfischen Dynastie im Auge behält. In den Kreisen des Reichskanzlers will man zwar von den angeblich günstigeren Aussichten, die sich neuerdings für den Herzog von Cumberland eröffnet haben sollen, nicht das Geringste wissen; thatsächlich spielt aber doch die braunschweigische Erbfrage in die Partei verhältnisse des deutschen Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses hinein. Man muß wohl in parlamen tarischen Kreisen einer nahe bevorstehenden Lösung derselben entgegensetzen, da die Absicht verlautet, den deutschen Reichskanzler wegen derselben im Reichstage zu inter- pelliren. Die Wiener „Neue Freie Presse" versicherte wiederholt, daß höchst einflußreiche hohe Personen für den Herzog von Cumberland rührig arbeiten, seitdem sich der selbe geneigt zeigt, sein Fürstenrecht auf das Königreich Hannover aufzugeben, um seinem Sohne die Nachfolge in Braunschweig zu retten. In wenigen Tagen wird der Erbgroßherzog von Oldenburg in Berlin erwartet, nachdem derselbe vor Kurzem in Gmunden der Gast des Herzogs von Cumberland gewesen. Dem Erbgroßherzog schreibt man eine sehr wichtige Nolle bei der Vermittlung zwischen Berlin e Zeit kommen könne, wo er ficy nur ryMiUnd Gmunden zu. Es ist aber ein offenes Geheimniß, daß die Formen der Garantie möglichster Frei- Fürst Bismarck gegen die Wiedereinsetzung der welfischen heit verständigen werde. Bei den Freikonservativen und Dynastie in Braunschweig ernste Bedenken hegt und daß den Nalionallweralen sieht man in diesem Zusammengehen I bei dieser Frage seine nationalen Ansichten dem Legitimitäts-