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lokalisieren läßt. Den Beweis hierfür müssen wir allerdings mangels archäologischer und urkundlicher Quellen ebenso schuldig bleiben wie den Nachweis des Zusam menhanges dieses Dorfes mit der Wehranlage. 11 Beide liegen aber inmitten der alten Waldfläche des sog. Kriegwaldes, der mithin ehemaliges Kulturland bedeckt. Es sieht also ganz so aus, als ob das Fehlen jeglicher Erwähnung sowohl der Burg als auch eines anderen Ortsnamens außer Schlette mit deren Wüstliegen bereits im ersten Viertel des 14. Jh. erklärt werden kann. Die archäologischen Quellen vom Lieben stein würden einer solchen Interpretation nicht im Wege stehen, wenn man bedenkt, daß das jüngste keramische Fundgut mit dem aus Burg V der Wiprechtsburg von Groitzsch (Zerstörung: 1306/07 - Vogt 1978, S. 92) parallelisiert werden kann, die Wende vom 13. zum 14. Jh. also nicht unbedingt überschritten worden sein muß. Im Gegensatz zu P. Roitzsch (1960, S. 10 f.), der, L. Bönhoff (1909, S. 158) folgend, in den in der Urkunde von 1323 genannten Henrich und Boyeslawen von der Wyra böhmische Feudalherren sah und ihren Sitz auf dem Liebenstein lokali sierte, möchten wir uns der neuen mediävistischen Forschung (Kobuch 1978; Billig 1981, S. 274, 291) anschließen und den Zusammenhang der Burg mit dem pleißen- ländischen Reichsterritorium herstellen. Es dürfte sich um eine dörflich-grundherr liche Anlage gehandelt haben, die eindrucksvoll zeigt, wie in der Kolonisationszeit in Gebiete vorgestoßen wurde, aus denen man sich später wieder zurückzog und die man der Wiederbewaldung überließ. Eine treffende Parallele zum Liebenstein bietet hierin das „Teufelsschloß“ bei Eibenstock, Kr. Aue, das in einem größeren Gebiet zusammenhängenden Waldes ohne erkennbare Verbindung mit einer Siedlung liegt. Zur Aufgabe des am Ende des 12. Jh. gerodeten Landes um den Liebenstein wer den wohl in erster Linie die äußeren Umstände - Lage auf dem Kamm des Gebirges mit entsprechend rauhem Klima und wenig ertragreichem Boden - gezwungen haben. Wir sehen in der Burg den am weitesten vorgeschobenen Posten eines Raumes, in dem - offenbar begünstigt durch den alten böhmischen Steig, der aus dem Altsiedel land kommend über Chemnitz/Karl-Marx-Stadt - Zschopau - Zöblitz nach Brüx (Most) und Prag verlief - die Besiedlung bereits kurz nach der Mitte des 12. Jh. begann, denn der Nidberg der Hersfelder Grenzbeschreibung ist kaum anders zu datierten (Schlesinger 1952, S. 47 ff., 76; Geupel 1978; Billig 1981). Die Erschlie ßung des Umfeldes erfolgte offenbar in einem Zuge, wie der nach Ausweis der Funde ebenfalls noch in der zweiten Hälfte des 12. Jh. entstandene Lauterstein (Geupel 1975; 1977) und die Wüstung Schwedengraben (Geupel 1984) sowie letztlich auch der Liebenstein beweisen. Archäologisch findet die Vorstellung eines allmählich fortschreitenden Besiedlungsablaufes im mittleren Erzgebirge (Leipoldt 1965, S. 46) keine Bestätigung; wir erkennen statt dessen eine siedlungsmäßige Durchdringung dieses Raumes innerhalb von einer, höchstens von zwei Menschengenerationen. In 11 Nach Drucklegung dieses Aufsatzes wurde im Sommer 1983 die Wüstung bei einer zielgerichteten Gcländebegchung durch M. Gutsche, T. Walther und den Verfasser lokalisiert. Das dabei ge sammelte Fundmaterial - einige dem Wurzelballen eines umgestürzten Baumes entnommene Scherben (das gesamte Areal der Wüstungsflur ist mit dichtem Wald bestockt) - zeigt weitgehende Gleichheit mit dem Material vom Liebenstein an; es erscheint sowohl braune, stark geglimmerte als auch blaugraue Keramik.