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Stelle wird es sicher angebracht sein, die vielmals angeführte Meinung von G. Childe ins Gedächtnis zu rufen, wonach die Ethnizität praktisch nur in der Kombination mit schriftlichen Quellen und/oder mit linguistischen Zeugnissen festzulegen ist (z. B. Krahe 1957, S. 103 ff.; Rieckhoff 1976, S. 17). Es ist allgemein damit zu rechnen, daß in der sog. Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen Keramikelemente bei der materieller Kulturen, der germanischen und der keltischen, vorkommen. In der methodisch am besten fundierten Studie zu diesem Thema (Hachmann/Kossack/Kuhn 1962, S. 134) ist das Autorenkollektiv auch unter Berücksichtigung schriftlicher Quel len und linguistischer Belege jedoch zu dem Schlüsse gekommen, daß die Ethnizität trotzdem nicht festlegbar ist. Im Falle Nordwestböhmens ist allerdings die prinzipielle Frage zu stellen, ob dieses Gebiet überhaupt in den Rahmen der sog. Kontaktzone gehört. Gerade für das in territorialer Hinsicht sehr ausgedehnte Nordwestböhmen ist es, mit Ausnahme der minimalen Ökumenen der Gruppe von Podmokly und Kobyly mit nachgewiesencr Inklination zur sog. Kontaktzone (Venclova 1973), unmöglich zu akzeptieren, daß die von D. Koutecky und N. Venclova angeführten Verzierungselemente der Kera mik tatsächlich einen mitteldeutschen Ursprung von Jastorfgepräge aufweisen (Kou- teck/Venclov 1979, S. 96-100, Typus A: Abb. 10,7, 24,6, 11,19, 24,2; Typus B: Abb. 11,79; Typus C: Abb. 22,1 usw.). Denn die angeführten Verzierungselemente sind mit den nördlichen „analogen Fällen“ prinzipiell nicht identisch. U. E. ist die Ähnlichkeit der genannten Elemente stark überbewertet worden, was auch für die „Analogien“ mitteldeutscher und Jastorfer Elemente in der keltischen Keramik von Siedlungen und sogar Oppida (!) Mittelböhmens gilt (Koutecky/Venclovä 1979, S. 98-100). Die angeführten Beispiele belegen eher eine Lokalentwicklung von Ver zierungen auf der latenezeitlichen Keramik, vor allem in Nordwestböhmen; sie sind in strengem Sinne jedoch ohne entsprechende Analogien im mitteldeutschen Raum und in der Jastorfkultur. Die Zugehörigkeit Nordwestböhmens (mit Ausnahme der Gruppe von Kobyly und Podmokly) zur sog. Kontaktzone ist darum als unerwiesen und unwahrscheinlich anzusehen. Die bisherige Suche nach neuen Wegen zur Lösung unseres Problemes erscheint im höchsten Maße als problematisch. Prüfen wir einen anderen Vorgang der archäo logischen Bestimmung der „Lage“ von Nordwestböhmens Bevölkerung in der oppi- dalen Latenezeit! Wir werden die bedeutendsten Merkmale einer nachweisbar kel tischen Zivilisation aus der südlichen Hälfte Böhmens, aus Mähren und Bayern, also in unmittelbarer Nachbarschaft des nordwestböhmischen Keramikkreises, definieren, des weiteren die entsprechenden Merkmale der ohne Schwierigkeiten als germanisch bestimmten Zivilisation des Mittelelbegebietes, die von der nordwestböhmischen Makroregion latenezeitlicher Besiedlung nur durch die Bergkette des Erzgebirges getrennt ist. In unserer Analyse ist auch die Gruppe von Podmokly eingeschlossen. Zur Kontrolle behandeln wir auch die Gruppe von Gubin (Tab. 1). Aus dem ausgearbeiteten Überblick geht ziemlich eindeutig hervor, daß der nord westböhmische Kreis mit praktisch allen seinen Zivilisationsmerkmalen zur mittel europäischen keltischen Ökumene gehört und daß es sich hier am ehesten um einen